GUATEMALA-CITY. Es geht ums Geld, wie immer. Deshalb lässt sich die Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2014, die in der Nacht zum Donnerstag entschieden wird, wunderbar am Kontostand bemessen. Denn der wird offen zur Schau getragen, so oder so: Die einen protzen mit ihren obskuren Milliarden – Sotschi (Russland) und Pyeongchang (Südkorea) sind deshalb favorisiert. Den anderen fehlt es an finanzkräftigen Sponsoren aus Wirtschaft und Politik – weshalb die Österreicher aus Salzburg ein vorsichtiges Budget aufstellten und dafür selbst von der Lokalzeitung Salzburger Nachrichten verspottet wurden. Über ein „Mickeymaus-Format“ lästerte das Blatt, das in seiner Online-Ausgabe kein Wort mehr über die Bewerbung verliert. Als sei das Abenteuer schon beendet.
Dem vielleicht zu vorsichtig kalkulierten Olympia-Etat Salzburgs ist allerdings eine gewisse Logik nicht abzustreiten. Denn anders als die Konkurrenten Sotschi und Pyeongchang, die in Windeseile unberührte Landschaften in Touristenregionen verwandeln wollen, brauchen die Österreicher gar nicht zu klotzen. In der Region Salzburg, inklusive des deutschen Teils der Bewerbung, der Schlittenbahn am Königssee, ist eigentlich alles vorhanden. „Wir könnten schon morgen die Spiele ausrichten“, beteuert Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden nimmermüde. Derartige Behauptungen sind nicht neu im olympischen Städtewettstreit. Doch selten kam ein Bewerber der Wahrheit so nahe. Salzburg hat das Original, Sotschi und Pyeongchang wollen unverschämt teure alpine Kopien anbieten. Heinz Schaden spricht von einem „legalen und einem nicht-legalen Weg“, mit Geld umzugehen. Der Ton wird rauer.
Österreichs Bundeskanzler Alfred Gusenbauer hat die Lage am Sonntag in Guatemala-City ganz hübsch beschrieben: als Clash zweier Konzepte. „Ein Konzept, wo viel Geld fließt. Ein anderes Konzept, wo Sport und Kultur regieren“, führte Gusenbauer aus. „Wenn’s ums Geld geht, haben wir keine Chance. Aber wenn es um die olympische Idee geht, können wir punkten.“ Derartige Gedankengänge klingen schlüssig. Indes sollte sich Gusenbauer nicht auf eine diffuse Idee verlassen, von der kaum noch jemand weiß, was sich dahinter verbirgt. Oder anders gesagt, ein bisschen positiver: Jeder kann sich aussuchen, was er darunter versteht. Die Österreicher fabulieren über Leidenschaft und stimmungsvolle Spiele; Russen und Koreaner reden nüchtern über neue Absatzmärkte und milliardenschwere Bauvorhaben. „Die bieten etwas an, was auch interessant ist und durchaus diskussionswürdig“, sagt Schaden: „Nämlich neue Weltgegenden zu erschließen. Wir haben aber nicht diese finanzielle Feuerkraft. Wir kommen über die Emotionen.“
Die sportliche Expansionspolitik der Salzburg-Konkurrenten hat viele Anhänger, etwa den Schweizer Gian Franco Kasper, Präsident des Ski-Weltverbandes, der meint, in Zentraleuropa sei nicht mehr viel zu holen. Im Zweifel, das lehrt nicht nur die olympische Geschichte, dominieren bei jenen, die Entscheidungen treffen, stets pekuniäre Erwägungen.
Alfred Gusenbauer schwebte als erster der drei involvierten Staats- und Regierungschefs in Guatemala ein. Der vielsprachige Kanzler will versuchen, in den letzten Stunden möglichst viele der 111 IOC-Mitglieder von Salzburgs Vorzügen zu überzeugen. Seine Botschaft ist klar. „Salzburg bietet etwas, das man mit Geld nicht kaufen kann“, sagt Gusenbauer und attackiert damit die Kontrahenten. „Wintersport ist in Österreich ein Lebensgefühl, es ist Teil unserer nationalen DNA.“
Sotschi und Pyeongchang leisten sich teurere Marketing-Feldzüge als vor zwei Jahren London, Paris, New York, Madrid und Moskau, die um die Sommerspiele 2012 kämpften. Es ist ein unwürdiges Geschacher, ein völlig überzogenes Prahlen mit Moneten. Die Österreicher sprechen von einer Richtungswahl in Guatemala-City: Will das IOC tatsächlich noch einen Wettbewerb der Olympiaofferten, oder sollten die Spiele nicht besser an den Meistbietenden versteigert werden? Diese Argumentation ist schwer zu entkräften. Hat doch, um nur ein Beispiel zu nennen, Russlands Präsident Wladimir Putin dem IOC-Präsidenten Jacques Rogge schon vor einiger Zeit einen Sponsorenvertrag des Energieriesen Gazprom versprochen.
In ihrer Not, zwischen Putins Gazprom-Kombo und den korruptionserfahrenen koreanischen Chaebols zerrieben zu werden, entschlossen sich die Österreicher, selbst offensiver über Geld zu reden. Denn das IOC vergibt die Spiele nach langer Zeit zum ersten Mal, ohne zuvor Fernsehverträge mit einem amerikanischen Network abgeschlossen zu haben. Der TV-Gigant NBC hatte zuletzt die Rechte an den Sommerspielen 2004, 2008 und 2012 sowie an den Winterspielen 2006 und 2010 erworben, ohne den jeweiligen Austragungsort zu kennen. Nach den schlechten Erfahrungen mit Turin, die auch im Report des IOC-Mitglieds Jean-Claude Killy erwähnt werden, hält sich NBC diesmal zurück. Wo die Winterspiele 2014 stattfinden, wird über die Höhe der olympischen Zuwendungen entscheiden.
Pyeongchang wäre für NBC zweifellos eine Katastrophe und würde den Preis drücken, schon wegen der Zeitdifferenz. Bei Sotschi wäre es nur unwesentlich besser. Olympia in Salzburg ließe sich besser verkaufen. Mozart meets Sport – eine olympische Seifenoper. In dieser Konstellation sehen die Österreicher ihre letzte Chance. „Ich biete Ihnen eine Wette an“, sagt Bundeskanzler Alfred Gusenbauer in kleinem Kreis zu Journalisten: „Wenn Salzburg gewinnt, werden die Preise für die Fernsehrechte steigen.“
Kolportiert werden Summen von bis zu 500 Millionen Dollar, die zwischen den möglichen Erlösen für die Olympiastadt Pyeongchang und jenen für die Olympiastadt Salzburg liegen könnten. Eine halbe Milliarde mehr oder weniger, das ist schon ein Argument. „Wie explizit wir das den IOC-Mitgliedern nahe bringen, weiß ich noch nicht“, sagt der Bundeskanzler. Bürgermeister Heinz Schaden hat seine Zurückhaltung dagegen aufgegeben: „Ich sprech’s direkt an. Es ist ja ein offenes Geheimnis, dass die Fernsehanstalten warten. Ich weiß es, Sie wissen es, alle wissen es.“ Wer will da noch schweigen.
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