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Das Olympische Bildungsmagazin

Die Spiele unter dem Hammer

Der Urlaubsort des russischen Präsidenten Wladimir Putin richtet die Olympischen Winterspiele 2014 aus. In Sotschi will Putin mit seinen Oligarchen zwei Dutzend Milliarden Dollar investieren. Die Kameraden werden prächtig verdienen. Ein paar Brosamen fallen auch ab für den russischen Sport, moderne Anlagen und Trainingszentren. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) wird ebenfalls profitieren. Denn schon im Herbst könnte, auf Geheiß Putins, der dubiose Energieriese Gazprom zu den IOC-Sponsoren gehören. Wahrscheinlich für den doppelten Preis des bisher auf dem Markt Üblichen. So ist das mit den Spielen.

Die Entscheidung für Sotschi ist ein katastrophales Zeichen. Es ist die Kapitulation vor der ungezügelten Macht des Geldes. Es ist ein Sieg der Oligarchen. Um gleich noch etwas klarzustellen: Hier schreibt kein Romantiker, niemand, der meint, Kommerzialisierung sei per se zu verdammen. Nein, ach Gottchen. Es geht um etwas anderes, um andere altmodische Werte wie Demokratie, Glaubwürdigkeit und korrekte Abrechnungen. Ist dagegen etwas einzuwenden?

Nie zuvor hat ein olympischer Städtewettbewerb so viel Geld verbrannt. Offiziell haben Sotschi und Pyeongchang (Südkorea) mit Werbeetats von je 30 Millionen Dollar und Salzburg mit 10 Millionen Dollar gearbeitet. Die Zahl für Salzburg ist nachprüfbar. Für Sotschi werden allerdings 150 Millionen gehandelt, für Pyeongchang nur unwesentlich weniger. Diese Zahlen sind realistischer.

Das IOC hat eine Richtungswahl getroffen, aber nicht in dem Sinne, wie es Funktionäre vom Schlage des in Grauzonen wuselnden deutschen Industrie-Lobbyisten Thomas Bach verkaufen wollen: Bach & Co. behaupten, das IOC habe durchaus weise gehandelt, gebe dem größten Winterland der Welt endlich eine Chance und erschließe neue Märkte. Derartige Aussagen sollen den Blick fürs Wesentliche vernebeln. In summa hat das IOC nicht politisch gehandelt, es hat sich kaufen lassen.

Diese Entscheidung ist eine Bankrotterklärung für den IOC-Präsidenten Jacques Rogge. Der Belgier war vor sechs Jahren unter anderem mit dem Versprechen angetreten, die Olympiakosten zu reduzieren, die Spiele zu reformieren, transparenter, effizienter und insgesamt bezahlbar zu machen. Rogge ist gescheitert, und er gesteht dieses Scheitern nicht ein. Das IOC hat sich zurückgebeamt in die Ära des Rogge-Vorgängers Samaranch, als es nach zahlreichen Korruptionsskandalen beinahe implodiert wäre. Das IOC negiert die Erhebungen seiner eigenen Prüfungskommission, die Sotschi mit großem Abstand als technisch schlechteste Bewerbung einstufte.

Die Botschaft von Guatemala lautet: Eine Abstimmung kann man sich künftig sparen. Kampagnen ebenfalls. Wer an den Olympischen Spielen interessiert ist, muss nur einfach eine Summe nennen. Konsequenter Weise müsste sich das IOC bei Christie’s oder Sotheby’s treffen, ein paar Tage in Luxushotels urlauben und den Rest vom Auktionator erledigen lassen. Ja, die Spiele wurden versteigert. Und beim nächsten Mal, für die Sommerspiele 2016, werden auch arabische Ölscheichs mitbieten.

Für rechtsstaatliche Demokratien, und das ist die Botschaft an Deutschland, das sich ja immer noch als Demokratie versteht, ist bei derartigen Versteigerungen nichts zu gewinnen. All jene Politiker, die um die Spiele buhlen – vom vorschnell und wie immer stümperhaft vorgepreschten Edmund Stoiber bis zu Ole von Beust und Klaus Wowereit -, sollten sich bei Österreichs Bundeskanzler Alfred Gusenbauer erkundigen, wie das so läuft mit Olympiabewerbungen. Das System ist außer Kontrolle. Gusenbauer hat diese Bewerbung als „unlauteren Wettbewerb“ deklariert.

Es gibt niemanden, der diesem Treiben Einhalt gebieten könnte. Das IOC unterwirft sich keinen Gesetzen außer den eigenen. Selbst die werden nicht eingehalten. Die Spezialdemokratie Sport genießt weltweit Steuererleichterungen und gesetzliche Ausnahmeregelungen, die Funktionsträger diplomatischen Status. Das IOC agiert in rechtsfreien Räumen. Dabei wäre es zwingend, sich etwa internationalen Anti-Korruptions-Konventionen anzuschließen.

Wer diese Umstände seinen Wählern, dem deutschen Steuerzahler mithin, nicht erläutert, der handelt unredlich. Unter den korruptiven Umständen, die in Guatemala kulminierten, gibt es nur eine logische Konsequenz: Deutschland darf sich momentan nicht um Olympische Spiele bewerben.

© Berliner Zeitung

7 Gedanken zu „Die Spiele unter dem Hammer“

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  5. FAZ: Holte die Russen-Mafia die Spiele nach Sotschi?

    Darüber liegen den deutschen Sicherheitsbehörden laut eines Berichts der „Bild am Sonntag“ detaillierte Erkenntnisse vor. So observierten die Ermittler Anfang Juli 2006 ein Treffen zwischen russischen Regierungsvertretern und Bossen der Russen-Mafia in einem Restaurant in der Münchner Innenstadt.
    […]
    Zwei Monate später kontaktierten Abgesandte von Mafia-Boss Jussupow nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden Fedor Radmann, Chef der Salzburger Olympia-Bewerbung.
    […]
    Wenige Monate vor der Olympia-Entscheidung war Radmann im Januar 2007 aus „schwerwiegenden gesundheitlichen Gründen“ zurückgetreten. Ein hochrangiger Sportfunktionär bestätigte laut des Berichts, dass Radmann sich bedroht gefühlt habe: „Er hatte Angst um sein Leben.“

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