Zum schriftlichen Urteil im ISL-Prozess, das ich auch für die Neue Zürcher Zeitung ausgewertet habe („138 Millionen Franken Schmiergeld“) und in dem die Fifa nicht sehr gut wegkommt („täuschendes Verhalten“, „verwirrliche“ Argumentation), hat der Fußball-Weltverband einen Leserbrief geschrieben. Das Textlein ist heute in der NZZ zu lesen. Immerhin geht man nicht rechtlich gegen mich vor, würde ja auch schwerfallen, denn aus Gerichtsakten und Urteilen zu zitieren, ist (noch) nicht strafbar, weder in Deutschland noch in der Schweiz. Also versucht man, die Kommunikationsherrschaft mittels eines Leserbriefes zu retten. Interessant:
Eine Zuschrift
Das Zuger Strafurteil aus der Sicht der FifaEntgegnung zum ISL-Korruptionsprozess
Das Strafgericht Zug hat im Sommer 2008 die Verantwortlichen der ISL/ISMM-Gruppe, ehemals die Nummer 1 im weltweiten Sportmarketing, weitgehend freigesprochen (NZZ 24. 11. 08). Auslöser dieses umfangreichen Strafverfahrens bildete der Konkurs der Gruppe im Mai 2001.
Zu den geschädigten Gläubigern gehörte die Fifa, die mit der ISL/ISMM-Gruppe auch Fernseh-Lizenzverträge für die WM 2002 und 2006 abgeschlossen hatte. Die Fifa wurde unter anderem dadurch geschädigt, dass die Verantwortlichen von ISMM/ISL Zahlungen, die sie kurz vor dem Konkurs von ihren Unterlizenznehmern erhalten hatten, nicht auf das mit der Fifa vereinbarte Konto weiterleiteten. Deswegen erhob sie Strafanzeige.
In seinem Urteil hat das Strafgericht nun auch der Fifa rund einen Drittel der Untersuchungskosten von insgesamt 429.000 Franken auferlegt, da sie aus eigenem Interesse die Strafanzeige erhoben und die Untersuchungsbehörde nicht immer vollständig informiert habe.
Die Fifa hat sich in der Strafuntersuchung jedoch stets korrekt verhalten, weshalb eine Kostenauflage unzulässig ist. Sie hat dagegen Beschwerde erhoben. Die Fifa hat die Strafanzeige auch aus berechtigtem Anlass eingereicht. Dies beweist schon die Tatsache, dass die Untersuchungsbehörde den von der Fifa geschilderten Sachverhalt betreffend Nichtablieferung von Lizenzzahlungen zur Anklage brachte.
Die Fifa war ferner dazu berechtigt, drei Jahre nach der Strafanzeige eine Desinteresseerklärung abzugeben – auch weil ihr das Verfahren viel zu lange dauerte und sie es schon damals als aussichtslos betrachtete. Ihr Interesse als Geschädigte war zudem nur zivilrechtlicher Art, und sie hatte die notwendigen Informationen in der Zwischenzeit erhalten.
Im Übrigen durfte sich die Fifa in ihrer Strafanzeige auf die ihrer Meinung nach grundlegenden Angaben beschränken. Damit hat sie die Untersuchungsbehörden nicht getäuscht. Die Strafrichter haben die Rechtslage anders beurteilt als die Untersuchungsbehörde: Drei Beschuldigte wurden vollständig, die anderen drei weitgehend freigesprochen.
Einzig wegen Erschleichung einer Falschbeurkundung bei drei Gründungen von Reserve-Aktiengesellschaften und wegen Veruntreuung im Betrag von 90.000 Franken erfolgte eine Verurteilung. In all den anderen Punkten, in denen die Anklage Betrug, Veruntreuung, Gläubigerschädigung durch Vermögensverminderung, betrügerischen Konkurs und Urkundenfälschung in zweistelliger Millionenhöhe vorwarf, war ein Schuldspruch nicht gerechtfertigt.
Da die Fifa ihre Strafanzeige in guten Treuen erhoben hat, können diese Freisprüche nicht dazu führen, dass sie nun einen Teil der Gerichtskosten tragen muss.
Dieter Gessler
Nobel & Hug Rechtsanwälte (Zürich)— Quelle: NZZ vom 11. Dezember 2008
nzz hin oder her, aber eine reaktion auf der leserbriefseite dürfte nicht gerade die kommunikationsherrschaft sichern, oder? vielleicht geh ich auch nur zu sehr von meinem zeitungsleseverhalten aus, aber die leserbriefseite der sz wird bei mir vielleicht zweimal im jahr aufgeschlagen.
andererseits: ähnliches zur reich- und tragweite hab ich mal von kommentaren in blogs gedacht. hm.
Linksaussen: Okay, Kommunikationsherrschaft war in diesem Zusammenhang vielleicht überzogen. Mir war so. Sagen wir treffender: Sie wollten halt das letzte Wort haben. Und: Der „Leserbrief“ erschien im Sportteil, dort, wo auch mein Artikel stand – also nicht irgendwo auf einer Seite, die Du in vergleichbaren Zeitungen nur zweimal im Jahr aufschlägst.
Aber wir wussten doch alle schon, dass die Organe der Fifa (was ist das eigentlich? Ein e.V.? Kennt jemand die Begriffe im Schweizer Gesellschaftsrecht?) in dieser Sache keinerlei Interesse an weitergehender Aufklärung haben.
Und wer von uns fahrlässig genug ist, der hat ganz tief drinnen in seinem Hinterstübchen daraus doch auch bereits den Schluss gezogen, dass es durchaus eventuell möglich wäre, dass die Personen, welche die Organstellungen der Fifa ausüben, ganz vielleicht nicht immer und in jeder Hinsicht zwischen ihren eigenen Interessen und denen der Fifa unterscheiden können.
Dafür hätte es doch dieses Briefes nicht bedurft. Zuviel der Liebesmüh`.
Davon ab: „Da die Fifa ihre Strafanzeige in guten Treuen erhoben hat..“ – äh, wo bitte?
Hach, die Schweizer, immer wieder niedlich. :)
Ja, ich amüsiere mich auch immer wieder darüber. Zum Gesellschaftsrecht: Die Fifa ist, wie das IOC und drei Dutzend weitere Welt- und europäische Sportverbände, die in der Schweiz domiziliert sind, wie es immer so schön schweizerisch heißt, sie alle sind also, obgleich einige von ihnen Milliarden umsetzen und sehr darauf aus sind, weitere Milliarden zu akquirieren, von wem auch immer (siehe IOC-TV-Verhandlungen), sie sind also: Vereine. Und damit nichts anderes als – meine Lieblingsbeispiele – etwa der Verein der Thurgauer Pilzsammler e. V. oder irgendein Hasenzüchterverein.
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