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Das Olympische Bildungsmagazin

update Sportausschuss (6): Totengräber des Amateurfußballs

Die Fortsetzung meiner Notizen von der 68. Sitzung des Bundestags-Sportausschusses, heute mal an anderem Ort, nicht im Paul-Löbe-Haus, sondern im Jakob-Kaiser-Haus. Aber in Berlin, natürlich. Einen Vorgeschmack auf die Diskussion habe ich am Nachmittag noch aus dem Sitzungssaal 1.302 gegeben. Hier nun etwas mehr, in der üblichen Form, wie seit einem halben Jahr (fast) immer bei den Sitzungen – und später vielleicht (gua! sternburg! trebor!) noch mit einigen O-Tönen, die ich anschließend eingefangen habe.

Auch diesmal sage ich: Das war eine sehr muntere Diskussion im Sportausschuss. Inhaltlich vielleicht nicht immer hochklassig, aber doch unterhaltsam.

Ich konzentriere mich in meinen Notizen auf die zuletzt doch sehr heftig geführte Diskussion über Wohl und Wehe von Profi- und Amateurfußball, die sich an der TV-Vermarktung der Fußball-Bundesliga entzündete – und davon, nun ja, war hier auch aus sehr persönlichen Gründen viel die Rede. Denn dass zwischen den Wünschen des Präsidiums des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und der Deutschen Fußball-Liga (DFL) einerseits und der Basis im organisierten Fußball, auch beim Konsumenten, doch beträchtliche Lücken klaffen, wurde selten so deutlich wie in dieser Debatte, die ja nicht erst im Juli vergangenen Jahres begonnen hat.

Den zweiten großen Tagesordnungspunkt, die Vorbereitungen auf die Fußball-EM 2012 in Polen, zu dem Vertreter des polnischen Parlaments sprachen, kann ich leider nicht umfassend dokumentieren, ich hatte andere Verpflichtungen und konnte kaum folgen. Was ich nach Fragen der deutschen Parlamentarier und Antworten der polnischen Freunde noch mitbekommen habe, war u. a.: In Polen läuft das mit dem Autobahn- und Stadionbau nicht so, weil man gegen eine „Beamtenstruktur“, gegen „eine archaische Struktur“ ankämpfe. Public Viewing dagegen wird es in Polen problemlos geben. Mit der Korruption im polnischen Verband ist es auch nicht mehr so schlimm, die polnischen Abgeordneten orientieren sich in der EM-Vorbereitung sehr am Organisationskomitee der Leichtathletik-WM 2009 in Berlin und überhaupt: Es wird schon werden. Das hört man doch gern.

(Wie immer: Ohne Gewähr! Bin für jede Korrektur dankbar.)

Die polnischen Kollegen verspäteten sich eine Viertelstunde. Mehrere Anwesende (die Namen verrate ich ausnahmsweise nicht) spotteten: „Die verhandeln bestimmt noch mit der Ukraine.“

Genug gefrotzelt. Kommen wir zum Chef des Ganzen: Peter Danckert (SPD), Vorsitzender des Sportausschusses, erteilt zum ersten Thema, „Erstattung von Ausbildungsleistungen und Nachwuchsförderung im Fußball“, dem DFB-Abgesandten das Wort.

Wolfgang Niersbach (DFB-Generalsekretär)
Die Uefa unternimmt gemeinsam mit der EU den Versuch, alle Transfers unter 18 Jahren zu verbieten. Uns scheint die bessere Lösung zu sein, die 6+5-Regelung der Fifa durchzusetzen. Es kam das Gegenargument, diese Regelung lasse sich nicht mit europäischem Recht vereinbaren. Nun liegt seit wenigen Tagen ein Rechtsgutachten vor, das die Fifa in Auftrag gegeben hat und das besagt, dass es doch möglich ist. Das Gutachten sagt: 6+5 ist sehr wohl mit der Wahl des Arbeitsplatzes und europäischer Freizügigkeit vereinbar. Nach unserer Einschätzung wäre es ein Fortschritt für alle Mannschaftssportarten, ein Schritt in die richtige Richtung.

Zurück zu Transfers: Besonders der südamerikanische Bereich wird sehr beackert von den Scouts aus allen möglichen Ländern. In Deutschland sind Ablöseregelungen und Transferentschädigungen für die Vereine seit geraumer Zeit geregelt. National haben wir seit 1998, Urteil des Oberlandesgerichtes Oldenburg, nicht mehr diese einzelnen Entschädigungen. Seither gibt es ein Solidaritätsmodell, das die DFL auf freiwilliger Basis Entschädigungen an die ausbildenden Vereine zahlt (50.000 Euro in erster und 25.000 in zweiter Bundesliga). „Wir hoffen, dass dieses Modell bestehen bleiben kann.“

Christian Seifert (DFL-Geschäftsführer)
Wir können uns nicht mit Ligen vergleichen, in denen die Vereine ein dreistelligen Millionenverlust schreiben können.

Wir sind die einzige Liga, in der alle Klubs ein positives wirtschaftliches Ergebnis schreiben.

Wir setzen u. a. auf ein System der Nachwuchsleistungszentren. Der Betrieb der Nachwuchsleistungszentren kostet uns insgesamt 69 Millionen Euro in der ersten und zweiten Bundesliga pro Jahr. Dort werden fast 5.000 Spieler ausgebildet, künftige Nationalspieler. Das sind positive Entwicklungen, der u19-Europameistertitel vom vergangenen Sommer ist auch ein Ergebnis dieser Nachwuchsleistungszentren.

Auch Seifert erinnert an das Oldenburger Urteil von 1998. „Ironischerweise haben sich damals zwei Amateurvereine verklagt.“ Pro Jahr wird eine Million Euro an Entschädigungen gezahlt, die Zahlung wird fällig, wenn der Spieler sein erstes Spiel macht. In diesem Jahr werden rund 700.000 Euro an Amateurklubs gezahlt, rund 300.000 Euro bewegen sich weiter im Bereich der Bundesligen. Rechtlich sind wir nicht dazu gezwungen, gehen aber davon aus, dass diese Praxis so beibehalten wird.

Nun geht es zum spannendsten Tagesordnungspunkt – TOP 4: „Fußball und Medien“

Peter Danckert (SPD)
Erinnert an die Ausschuss-Sitzung im Dezember 2007, als wegen des neuen Kirch-Vertrages debattiert wurde: „Das war aus heutiger Sicht sehr weitsichtig.“ Ich bin bereit, das Protokoll allen Interessierten zur Verfügung zu stellen. Hauptthema, das alle beschäftige, sei nun die Ansetzung der Bundesliga am Sonntagnachmittag um 15.30 Uhr ab der kommenden Saison.

Christian Seifert (DFL)
Ich finde es sehr positiv, dass sich der Sportausschuss des Bundestages damit beschäftigt.

(Reitet sofort eine Attacke, oh Gott, taktisch unklug!)

Leider hat der eine oder andere auch aus diesem Raum nicht der Versuchung widerstehen können, zu diesem sehr emotionalen Thema eine Einordnung vorzunehmen, ohne vielleicht alle Fakten zu kennen.

Die Bundesliga ist ein Industriezweig, der 37.000 Arbeitsplätze schafft und 600 Millionen Euro Steuern zahlt. Diesen Industriezweig will keiner nach Tschechien verlagern. Der Fußball sieht sich einer medialen Situation gegenüber, die nicht mehr zeitgemäß ist. Es gibt nur einen Pay-TV-View-Anbieter, der in einem nicht einfachen Zustand ist. Wir wollten Nachfrage stärken und eine Infrastruktur schaffen, die letztlich allen Sportarten (Eishockey, Basketball u.a.) zugute kommt. Die Interventuion des Kartellamtes hat dieses Modell verhindert. Das ist jetzt ein eingeschränkter Wettbewerb. „Ich hätte mir gewünscht, dass in dieser Zeit (im Sommer 2008, d. A.) der Sportausschuss sich auch mal mit der Frage befasst hätte.“

Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in eine Situation kommen, in der gar nichts mehr geht.

Dann legt er richtig los, spricht über: Widersinniges Verbot von Sportwetten, Quellensteuer, Compliance-Regeln – über alles muss man sprechen.

Ich würde mir wünschen, dass das Interesse eines Politikers am Fußball weiter reicht als der Schwenkbereich der Kamera bei einem DFB-Pokalendspiel, das möchte ich an dieser Stelle auch einmal sagen.

Die fünf verschiedenen Anstosszeiten waren in dem Sirius-Vertrag nicht vorgesehen. Sagt oft/mehrfach: Wir sollten nicht allzu leichtfertig an einen Kernfinanzierungsvertrag der Liga herangehen, die TV-Verträge. Die Bundesliga wird auch die Winterpause verkürzen. Wir sprechen also über 20-25 Sonntagsspiele pro Saison. Die Fakten bei aller verständlicher Emotion sind: Theoretisch spielt jeder Bundesligist zwei Mal sonntags um 15.30 Uhr. „Weniger Sonntagsspiele als bisher.“

Ich bedauere sehr, dass es nicht gelungen ist, in diesem Prozess an die Basis zu transportieren, was ein funktiuonierender TV-Vertrag für den Amateurfußball bedeutet. Das werde auch im DFB-Prtäsidium diskutiert. Ob es nicht gefährlich ist, die Basis zu verlieren, ist vielleicht eine Diskussion, die sie auch in der Politik führen.

Aus TV-Vetrag 3 Prozent an den DFB. Profiklubs zahlen 3 Prozent ihrer Zuschauereinnahmen an den DFB. Sie zahlen auch 3 Prozent ihrer Zuschauereinnahmen an die Landesverbände. Ohne diese Finanzierung – mit Ausbildungsentschädigung (s. o.) – kein Überleben des Amateurbereichs.

Wir sprechen über 20-25 Spiele pro Jahr. 1800 Minuten Profifußball können den Amateurfußball nicht ruinieren.

Dass das nicht kommuniziert werden konnte, ist eine Schwäche des Systems – und das System macht sich darüber seine Gedanken.

(Hier kann ich mir eine Anmerkung natürlich nicht verkneifen. Denn das System: Das ist der DFB bzw. seine Führungsgremien. Also, sorry: Die Kommunikationsherrscher.)

Es wird brenzlig für Seifert, das merkt er. Also spricht er ein wenig über seine Beziehung zum Amateurbereich:

Ich unterstütze einen Kreisligaklub als Privatmann an der Basis.

Peter Danckert (SPD)
Bittet Seifert, zum Ende zu kommen.

Christian Seifert (DFL)

Ich bitte darum, neben den Emotionen auch die Fakten zu beachten.

Peter Danckert (SPD)
Bittet um Einhaltung des Zeitplans und erteilt Reiner Grundmann, dem Sprecher der Amateurvereine, das Wort.

Reiner Grundmann (Vorsitzender des Kreisligisten SC Schaffrath)
Beginnt famos:

Der Herr Seifert wird’s mir nachsehen, dass ich mir hier nicht so viele grundlegende Gedanken über das Wohl und Wege von Premiere mache, und auch nicht von der DFL, sondern dass mir die Sorgen der Basis wichtig sind.

Ich bin Vorsitzender eines Kreisligavereins mit einem Jahresetat von circa 50.000 Euro.

Wir befürchten ein Massensterben der kleinen Vereine.

Nimmt das Argument auseinander, die Leistungsstärke der Nationalmannschaft sei nur durch diesen Vertrag zu gewährleisten, was DFB-Größen den Kleinen ständig erzählen.

Wenn wir das als Amateurvereine nicht begreifen, wären wir mit am Untergang des Heiligen Römischen Reiches und am Untergang der Nationalmannschaft Schuld. Das ist uns in der vergangenen Woche mehrfach klar gesagt worden.

Unsere Zielsetzung bleibt aber – gegen diese Sonntagsspiele.

Wir haben feststellen müssen, wie rücksichtslos die Vertragspartner vorgegangen sind und wie sie halt gegen 26.000 Amateurvereine ihr Wohl und Wehe für 36 Profivereine durchdrücken.

Wir haben schon in der Vergangenheit festgestellt, dass wir bereits durch das Vorziehen der 17.30 Uhr Spiele auf 17 Uhr in arge Schwierigkeiten kommen. Die Zuschauer kommen zwar noch auf die Plätze, aber ein richtiges Vereinsleben ist nicht mehr gewährleistet. Um Viertel vor fünf ist das Spiel zu Ende, um fünf ist schon niemand mehr auf dem Platz, weil es alle nach Hause zieht. Stellen Sie sich vor, die Spiele finden 15.30 Uhr statt: Weniger Zuschauer, weniger Umsätze, weniger Vereinsleben, weniger Stimmung, und dann werden uns auch die Spieler ausgehen. Unser Vorstand, unsere Spieler, unsere Zuschauer – viele haben Jahreskarten von Schalke. Die zieht es dann alle in die Arena, es wird mit Sicherheit zu Schwierigkeiten im Spielsystem kommen.

Peter Dankert (SPD)
Erkundigt sich: Herr Grundmann, sind sie fertig?

Reiner Grundmann (SC Schaffrath)
Kleiner Nachsatz, zitiert aus einem Artikel in der Welt kompakt über Pokal-Halbfinale zwischen Leverkusen und Bayern München. 290.000 Prämie für Leverkusen zusätzlich zu einer Leistung, die man einfach erwarten kann – das ist der Sechsjahres-Etat von unserem Verein. Wie wollen sie solche Summen der kleinen Amateurvereinen noch verkaufen? Das ist bald nicht mehr möglich. Und künftig: Wird dann vielleicht das erste Spiel schon um 11 Uhr angefangen mit Blick auf den asiatischen Markt?

Herr Niersbach, sie schütteln schon den Kopf, aber man kann meine Argumente gar nicht oft genug hören, bis sie sich wirklich in alle Köpfe eingebrannt haben.

Carsten Gockel (Geschäftsführer Preußen Münster)
Wir sind ein Traditionsverein, wir sind 103 Jahre alt, wir sind Gründungsmitglied der Bundesliga. Vergangenes Jahr 4.500 Zuschauer, sicher Rekordschnitt in den Oberligen, in diesem Jahr 3.600 Zuschauer im Schnitt.

Etat für erste Mannschaft 1,7 Millionen Euro, inklusive aller Beiträge, das regeln wir schon. Platz fünf bundesweit in dieser Liga. Wir bieten Profifußball an auf der ganzen Breite. Wir stecken jährlich 200.000 Euro in die Ausbildung unserer Jugendmannschaften, führen negatives Vereinsvermögen (also Schulden) Jahr für Jahr zurück.

Fernsehgelder 4,8 Prozent des laufenden Etats. 163.000 Euro TV-Einnahmen im vergangenen Jahr.

Das Ärgerliche ist, dass das noch einmal gekürzt wird, im kommenden Jahr soll das auf 90.000 Euro schrumpfen, das wären 2,7 Prozent unseres Etats.

Wir durchlaufen ein Lizensierungsverfahren, was sich nicht von einem Drittliga-Verein unterscheidet. Wir haben zehn hauptamtliche Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle. Wir betreiben Riesenaufwand für das Lizensierungsverfahren und haben größte Sorge, unsere Wirtschaftlichkeit nachzuweisen. Wir sind auf Gedeih und Verderb von unseren Sponsoren abhängig, die 65 Prozent unserer Einnahmen tragen.

Er fordert eine Ligareform, sagt aber nicht wie.

Finanzielle Solidarität zwischen Basis und Spitze müsste die Grundlage des neuen TV-Vertrages sein. So wie ich Herrn Zwanziger immer verstanden habe, soll das auch ein Ziel sein.

Christian Seifert (DFL)
Damit sich hier nicht das Falsche festsetzt: Die DFL ist nicht verantwortlich für die Geldverteilung unterhalb der zweiten Bundesliga. Das ist ausschließlich Sache des DFB.

Peter Danckert (SPD)
Danke.

Axel Balkausky (ARD-Sportkoordinator)
In Teilen sind wir, Herr Gruschwitz und ich, ja falsche Ansprechpartner. Die Spiele sonntags um 15.30 Uhr sind ja ausschließlich im Interesse des TV-Partners gewählt. 18 bis 20 Prozent unseres DFB-Vertragsvolumens umfasst die dritte und vierte Liga.

Schöner Versprecher von Balkausky:

ARD und ZDF sind in der Lage, ziemlich unfassbar über diese Spiele der dritten und vierten Liga zu berichten.

Die Anstoßzeiten, die die Amateurvereine betreffen, sind von uns weder angestrebt noch gewollt.

Dieter Gruschwitz (ZDF-Hauptabteilungsleiter Sport)
Wir sind keine Vertragspartner in Fragen der Live-Spiele. Wir sind an Spielberichten und Zusammenfassung interessiert. Geht auf Grundmann ein: Wir fühlen uns teilweise nicht angesprochen. Das Ganze ist eine Struktur- und Systemfrage des deutschen Fußballs. Diese Probleme können nur in den entscheidenden Institutionen gelöst werden: beim DFB-Bundestag und bei der DFL. DFB und DFL sind die Veranstalter.

Das ist nicht unser Bier, muss ich mal so deutlich sagen, die Ansetzungen sind in den Ausschreibungen festgelegt worden. Wir haben uns beworben auf bestehende Fakten, wir müssen damit leben.

Wolfgang Niersbach (DFB)
Die Runde hat gezeigt, wie schwierig es ist, diese ganzen Interessen unter einen Hut zu bringen. Einzigartiges Modell im europäischen Vergleich:

Ohne Breite keine Spitze, ohne Spitze keine Breite.

Die englische Premier League guckt nicht ins Amateurlager, die guckt nicht mal in die zweite Liga. Basis unseres Handelns ist die Satzung. Der DFB ist ein Verband der Verbände, also der Regional- und Landesverbände, und die DFL kommt mit dem Ligavertrag hinzu.

Wenn die DFL morgen auf die Idee käme, alle Spiele um 15.30 Uhr anzusetzen, hätte der DFB kein Mittel, das zu verhindern.

Es ist nicht der Grundlagenvertrag die Bibel, sondern die Satzung. Wir betrachten diesen Grundlagenvertrag als Solidarpakt, der von den Erfindern nach harten Verhandlungen zustande gekommen ist. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass die Bundesligisten ein Prozent ihrer Einnahmen ans das Amateurlager abführen. (Hat sich auf Grundmann vorbereitet:) Der Fußball- und Leichtathletikverband Nordrhein-Westfalen bekommt pro Jahr 400.000 Euro vom DFB, weitere 250.000 von den Vereinen der ersten und zweiten Bundesliga, und ein Verein dort muss für die Abwicklung des Spielbetriebs nur knapp über 400 Euro pro Jahr bezahlen.

Premiere darf ihnen auch als Amateurverein nicht egal sein. Denn wenn Premiere wegbrechen würde, würden ihnen auch Einnahmen wegbrechen, die dem gesamten Amateurfußball zugute kommen.

Nennt Beispiel: 20 Millionen Euro DFB im vergangenen Jahr für den Bau von Mini-Fußballfeldern. Das geht alles nur, wenn das Verhältnis von Breite und Spitze stimmt. Das gesamte DFB-Präsidium inklusive der Amateurvertreter ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es keine andere Wahl gibt. Sonntagsspiele gibt es schließlich schon seit 1996. Im Verhältnis Spitze – Breite muss man eine Balance finden, da müssen immer an irgend einer Stelle Kompromisse gemacht werden.

Die Probleme, Herr Grundmann, die von ihnen vorgetragen werden – ich kann vor ihrer Leistung nur den Hut ziehen, das hat Hochachtung verdient. Aber:

Diese Probleme existieren in den meisten Bundesländern nicht. Es kommen keine Klagen aus Niedersachsen oder aus Nord-Baden, wo ich gerade war.

Wir bekennen uns als DFB zur Spitze und gehen da auch Risiken ein.

Die WM 2006 war in ihrer Vorbereitung ein wirtschaftliches Risiko, das allein der DFB getragen hat.

(Sorry, mein Kommentar: Das ist wirklich hanebüchen, möchte ich auch nicht so stehen lassen. Kann ich gern mal darauf eingehen, später.)

Aber wir meinen, das es richtig ist, diese Risiken auf uns zu nehmen. Wir können nur appellieren, dass wir diesen Grundlagenvertrag, den wir ab 1. Juli ja verlängern müssen, auch so durchzubringen

Peter Danckert (SPD)
Ich will mal meinen Gesamteindruck in zwei Sätzen sagen: „Was im Moment an vielen Ecken in Deutschland passiert, ist extrem bemerkenswert. Ich kann mich an keine ähnliche Situation erinnern.“ Ich glaube, das ist zum Teil hier sehr einseitig gesehen worden.

(Meint DFB und DFL)

Peter Rauen (CDU)
„Herr Seifert, sie haben sich ein bisschen gewundert, dass wir heute über dieses Thema sprechen. Das sollten sie eigentlich nicht tun. Denn als wir im Dezember 2007 über den tollen Sirius-Vertrag mit dem 3-Milliarden-Versprechen diskutiert haben, auch gesagt, dass das nicht zu Lasten des Amateurfußballs gehen darf.“

Das brennt im Amateurfußball von Kiel bis Burghausen. Das ist kein separates Thema in Gelsenkirchen. In allen Bereichen hat man das Gefühl, dass der Amateurfußball an den Wand gedrückt wird.

Zitiert den Trierschen Volksfreund. Wir haben es hier mit einem Flächenbrand zu tun. Ich habe zum ersten Mal das Gefühl, dass die Solidarität im deutschen Fußball nicht mehr existiert und dass sie von den Profivereinen aufgekündigt wird.

Was der neue Fernsehvertrag vorsieht, das schlägt aus meiner Sicht dem Fass den Boden aus. Er zählt dann alle Ansetzungen und Sendeplätze für Live-Berichterstattung auf. Das ist ein flächendeckendes Programm und jetzt frage ich sie: Wohin soll denn der Amateurfußball noch ausweichen.

Rechnet 50.000 Spiele pro Wochenende vor.

Wolfgang Niersbach (DFB)
Ruft dazwischen: „80.000 sogar.“

Peter Rauen (CDU)
Rechnet vor, dass im Amateurbereich 7,6 Millionen Euro pro Jahr fehlen, wenn „bei diesen 50.000 Spielen nur 25 Zuschauer pro Spiel fehlen.

„Da nutzt uns auch kein Grundlagenvertrag mehr.“ Mahnt Seifert, der leise protestiert und sich gerade von ihm weggedreht hat: „Herr Seifert, ich habe ihnen auch zugehört.“

Das englische Beispiel könne nicht die Vision des deutschen Fußballs sein.

Das Faß ist endgültig zum Überlaufen gebracht worden.

(Beifall für Rauen, den ehemaligen Fußballpräsidenten in Salmrohr und Trier, aus allen Fraktionen. Tischklopfer. Noch nie erlebt in diesem Gremium.)

Christian Seifert (DFL)
Ruft dazwischen und benutzt oft das Wort „Fakten“.

Swen Schultz (SPD)

Herr Seifert, sie haben nicht das Wort.

Peter Danckert (SPD)

Herr Seifert, sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Position von Peter Rauen von den Volksvertretern sehr geteilt wird.

Wird laut: Die Frage, wie viel sie in den TV-Verträgen nehmen, hängt doch an den utopischen Gehältern der Spieler.

Dagmar Freitag (SPD)
„Herr Seifert, ich verstehe ihre Aufregung nicht. Wir haben ihnen doch auch eine Stunde zugehört.“ Die Gepflogenheiten in diesem Ausschuss sind so, dass wir einander zu hören. Ich habe selten so oft das Wort Fakten gehört. Das hat mich irritiert. Was mir an ihrem Vortrag völlig gefehlt hat, ist der emotionale Zugang zum Sport.

Streiks im Fußball, das hat es so noch nicht gegeben. Das sollte doch zumindest zum Denken, vielleicht sogar zum Nachdenken führen.

Die Zahlungen an den Amateurbereich sind für mich eine schlichte Selbstverständlichkeit. Wir sollten schon sehen, dass der Breitensport letztlich die Basis ist, dass wir auch Spitze entwickeln. Verein ist Gemeinschaftsgefühl, Verein ist ein soziales Gefüge, Verein ist mehr als elf Leute, die gegen einen Ball treten.

Sie zitiert die Westfälische Rundschau, in der stand, dass die ARD die Ziehung der Lottozahlen verschieben will wegen der Bundesliga. „Da frage ich mich: heute die Lottozahlen und morgen die Tagesschau?“ Kann das wirklich alles so normal sein?

Ich weiß, dass auch in Baden-Württemberg durchaus Klagen sind. An Niersbach: Sie sollten das nicht als westfälisches Problem abtun. Wir sollten den Sport und den Fußball nicht nur ausschließlich unter fiskalischen Gesichtspunkten betrachten.

Joachim Günther (FDP)
Peter Rauen hat mir aus der Seele gesprochen. Ich kenne mich da aus, ich habe über Jahre einem Verein vorgestanden. Fernsehvertrag ist amateurfeindlich, familienfeindlich und es ist auch insgesamt für die Sportgestaltung schädlich – in angrenzenden Sportarten. Er findet das alles unmöglich. Dann spricht er von seiner Zielstellung, in einer deutschen Mannschaft mindestens sechs deutsche Spieler einzusetzen. Appell:

Unterschätzt das nicht! Das ist eine Flächensache! Ich bitte dringend, das Konzept zu überdenken.

Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen)
Auch er unterstützt Peter Rauen. An Niersbach: Macht es Sinn, dass jede zweit- und drittklassige Spiel im Uefa-Cup zur Primetime übertragen wird?

Mir stinkt es einfach, das jedes dieser Spiele gezeigt wird.

Spricht von „absolutem medialen Overkill in schlechtem Fußball“. Erinnert an das Schicksal von Tennis. „Weniger ist mehr!“ Sie sollten sich mehr bescheiden!

Detlef Parr (FDP)
Hat sich geärgert, sagt er, nimmt sich aber zurück, sagt er. „Wir haben das Recht, dieses Thema hier diskutieren und dieses Thema in die Öffentlichkeit zu bringen!“ Man müsse dem Fußball in Bereichen des Sponsoring (Compliance-Stichwort von Seifert) unter die Arme greifen. Diese Diskussion müsse man aufrichtig führen. Heute in der Diskussion führt in die Irre, weil wir am Ende weniger Mittel zur Verfügung hätten.

Könnte man nicht darüber nachdenken, ein halbes Prozent nachzulegen, fragt Parr Seifert und Niersbach – und meint den TV-Vertrag und den Anteil der Amateure.

Peter Rauen (CDU)
Ruft dazwischen: „Zehn Prozent! Mindestens!“

Peter Danckert (SPD)
„0,5 und zehn Prozent. Nur damit wir es im Protokoll richtig festhalten.“

Klaus Riegert (CDU)
Wenn sie wünsche an die Politik haben, Herr Seifert, dann bitte ich, dass sie auf uns zu kommen. Aber wenn sie vom „unseligen Verbot von Sportwetten reden“, sehe ich keinen Konsens

(Es geht dann eine Weile um die Frage, ob der Deutsche an einer „Überdosis Fußball“ leide.)

Katrin Kunert (Die Linke)
Bedankt sich bei Seifert: „Sie müssen sich uns nicht stellen, aber wenn sie schon hier sind, sollten sie auch zuhören.

Ich habe einfach die Bitte, dass sie sich wirklich an die Basis begeben und mit der Basis reden. Wie wollen sie das in den nächsten Tagen hinkriegen?

Peter Danckert (SPD)
Ich will keine Debatte zum Thema Sportwetten anfangen. Aber wir sind da schon in Sorge angesichts der Zahlen und Entwicklungen.

(Danckert nennt ARD-Balkausky übrigens gern BALLKOWSKI)

Christian Seifert (DFL)

Auch wenn ich das schlimme Wort Fakten noch einmal verwende: Wir sind gemäß einer Auflage der EU verpflichtet, alle 612 Spiele live zu übertragen. Ich bin völlig ihrer Ansicht, dass das einer Überdosis angrenzt. Viele Grüße aus Brüssel, wir sind uns da völlig einig.

Es gibt Zweitligaspiele, die haben im Pay TV weniger Zuschauer, als hier im Raum sitzen, sagt Seifert.

(Im Raum sitzen inklusive der polnischen Gäste circa 50 Personen, die Anzahl der Gäste auf der Tribüne kann ich nur schätzen: 20)

Zur Solidarität: „Es ist eine Selbstverständlichkeit!“ Sagt, Solidarität sei beim Thema Sportwetten ebenfalls selbstverständlich. „In dieser Situation ist nur sehr, sehr bedingt ein Spagat hinzubekommen.“ Herr Zwanziger sagt: Dieser TV-Vertrag sei alternativlos. Ich sage: die Diskussion wird folgenlos bleiben. „Meine Aufgabe als Geschäftsführer ist es, über Geld zu reden, dafür werde ich bezahlt.“

Lassen sie uns wirklich über die strukturellen Probleme des Amateurfußballs sprechen. Erwähnt, dass schon in der Kreisliga A Geld gezahlt wird. Und nochmal zur Überdosis an TV-Fußballspielen: „Diese Überdosierung haben wir uns leider nicht selber ausgesucht.“

Axel Ballkowski Balkausky (ARD-Sportkoordinator)
Acht Prozent ist der Gesamtanteil des Sportes am ARD-Programm. 60 Prozent davon sind Fußball.

Wolfgang Niersbach (DFB-Generalsekretär)
Erwähnt eine Konferenz am Freitag in Frankfurt mit Kreisvorsitzenden (die offenbar auf Linie gebracht werden sollen). „Wir sind in dem Dialog mittendrin, aber wir müssen auch ehrlich sein.“

Zur Ehrlichkeit gehört, dass wir an diesem Vertrag, wie er jetzt ist zur neuen Saison, nichts mehr ändern können. Herr Seifert hat das ausgehandelt, da sind wir jetzt drin.

Wir betrachten es als unseren täglichen Job, den Kontakt zur Spitze ebenso zu halten wie zur Basis.

Peter Danckert (SPD)
Sie sind mit großem Dank entlassen. Ich glaube, hier muss noch einiges nachgearbeitet werden.

Reiner Grundmann (SC Schaffrath)
Tritt nach gegen Niersbach, der gerade den Saal verlassen und zum nächsten Termin will:

Sie hätten wenigstens mal eine klare Aussage zugunsten der Amateurfußballer machen können. Dass ich hier sitzen muss und in diesem Gremium sprechen muss, das ist an sich schon der Skandal.

Wir möchten nur eins: Wir möchten den Sonntagnachmittag frei haben, damit wir uns selber eigenständig finanzieren können. Mehr möchten wir nicht!

Wir haben von vielen vielen Vereinen, nicht nur von Medienvertretern in ganz Deutschland einen sehr sehr großen Rückhalt bekommen. Zu Seifert:

Erzählen sie mir bitte nicht, das sei nur ein lokales Problem. In ganz Deutschland stehen sie als Totengräber der Amateurvereine da.

(Seifert sitzt direkt neben ihm.)

Peter Danckert (SPD)
Erklärt Seifert:

Wir sind hier nicht zusammen gekommen, um irgendein Tribunal zu machen oder irgend jemanden zu beschimpfen. Es geht doch auch gar nicht gegen sie persönlich.

Man wolle wenigstens zum Nachdenken bringen, sagt er. Sie sind in der Klemme, weil die Forderungen der Ligavereine kommen. Deshalb war ja auch die Begeisterung so groß, als Sirius 500 Millionen versprochen hatte. Wir hatten schon damals unsere Probleme, uns vorzustellen, wie das gehen sollte.

Herr Gruschwitz und Herr Balkausky: Ganz kann ich nicht den Eindruck gewinnen, dass sie als öffentlich-rechtliche Vertreter gar keine Rolle spielen in der Diskussion. Wenn sie sagen würden: Das können wir gar nicht vertreten, wir können da nicht Partner werden, dann hätten sie schon Einfluss.

Ich würde schon dafür plädieren, dass man dem einen Partner (dem Amateurfußball) nicht nur sagt: Das musst du akzeptieren.

Herr Seifert, sie mögen ja über uns in diesem Raum hier denken, wie sie wollen, unsere Wahrnehmung ist, dass da im Moment ein Flächenbrand entsteht.

Auch Banken haben uns jahrelang erzählt, wie toll alles ist, was sie machen. Und sie haben uns mit ihrem Geschätsgebaren in die schlimmste Situation der vergangenen 50 Jahre gebracht. Aber er wolle das natürlich nicht vergleichen, sagt Danckert. (Hat er aber.)

Das ist eine neue Qualität, die da entstanden ist. Und wenn das um sich greift, weiß niemand, wie das weiter geht. Nachher demonstrieren die vor den Stadien und lassen da keinen mehr rein.

Ich wünsche mir, dass es zu einem Ausgleich der Interessen kommt.

Dieser Ausgleich kann nicht darin bestehen, dass man sagt: Es ist so, ihr ändert das nicht. Und sagt: Friss Vogel oder Stirb.

Versöhnlich zu Seifert:

Ich hoffe, dass sie ausreichend honoriert werden für ihre schwere Tätigkeit. Sie machen ja auch einen guten Job.

16 Gedanken zu „update Sportausschuss (6): Totengräber des Amateurfußballs“

  1. Zu


    Aus TV-Vetrag 3 Prozent an den DFB. Profiklubs zahlen 3 Prozent ihrer Zuschauereinnahmen an den DFB. Sie zahlen auch 3 Prozent ihrer Zuschauereinnahmen an die Landesverbände.
    Ohne diese Finanzierung – mit Ausbildungsentschädigung (s. o.) – kein Überleben des Amateurbereichs.

    : Ich bin im Vorstand eines kleinen Vereines (Berliner Kreisliga B); mir ist bisher nicht aufgefallen, wie auch nur ein Cent dieses Geldes bei uns angekommen ist …

  2. Vielen Dank für die interessante Berichterstattung. Dass Premiere der einzige „Pay-TV“-Anbieter ist, ist meines Erachtens Humbug. Schließlich kann man alle Spiele der Bundesliga über IPTV bei der Telekom live gucken.

  3. @Herr Holle: Die Telekom wird zwischen 20 und 40 Mio EUR p.a. für die Rechte ausgeben PREMIERE im Laufe der 4 Jahre 225 bis 275 Mio EUR p.a.

    Konkurrenz sieht anders aus. Es ist ein anderer Vebreitungsweg (an dem PREMIERE bislang durch die Produktion der Sendungen für die Telekom mitverdiente)

    Scheint auch die EU nicht anders zu sehen, denn die DFL wurde bislang noch nicht von der EU aufgefordert ihre Pakete zu zerstückeln und mindestens ein Paket an ernstzunehmende Konkurrenz zu geben.

  4. 1000 Dank für den tollen Bericht!

    Dem kann ich mich nur anschließen. Ich würde mir ja zu gerne mal so eine Sitzung antuen, aber Berlin ist zu weit weg und so. ;)

    Was wurde da um 09:23 Uhr bearbeitet? (Ich habe das schon vorher gelesen.)

  5. @ Gua: Nur der Name von Carsten Gockel (Preußen Münster). Aus dem ICE nach Frankfurt :)

  6. OT: apple könnte aber auch mal selber auf die Idee kommen, sowas wie ein Prämiensystem für Internetblogs aufzulegen;
    1. Preis für Blogger: Ein iPhone

  7. Es schwirrt das Gerücht im Netz umher das JW gerade das 6:0 gegen den DFB vor Gericht versenkt hat!! Mal sehen wann die News bestätigt werden… ich freu mich.

  8. @Tobi:
    Nope. Aber ein Eintrachtfan der den Prozess besucht hat, hat im Vereinsforum geschrieben, dass es wohl positv verlaufen ist.

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