Ein exklusiver Gruß aus dem Herzen der großen olympischen Familie:
Juanito sieht blendend aus. Gesunder Teint, die feinen Hände manikürt. Juanito werkelt daheim in Madrid als Investmentbanker. Auf Dienstreise unter seinesgleichen, in der olympischen Familie, blüht er auf und scheint die Sorgen des Alltags zu vergessen. Hier ist er zu Hause. Schon als Kind hat ihn der Vater eingeführt in diese Kreise, ihn und seine Schwester Maria Teresa. Juanito lacht. „Klar laufen die Geschäfte schlecht“, sagt er, während er an einem Stückchen Käse kaut. „Aber soll ich jetzt anfangen zu heulen? Das Leben geht weiter. Man muss sich jeden Tag zusammenreißen, heiß duschen – und arbeiten!“
Juanitos Vater leistete sich auch keine Schwächephasen. Wenn einmal etwas misslang, bügelte er diese Niederlage meist triumphal aus. Juan Antonio Samaranch, der 88 Jahre alte Senior, war von 1980 bis 2001 Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und ist seit 2001 Ehrenpräsident. Juan Antonio Samaranch, der 49 Jahre alte Junior, in der Branche Juanito genannt, folgte seinem Vater 2001 ins IOC. Nun versucht er, wie einst der Papa, die Olympischen Sommerspiele nach Spanien zu holen. Der Senior ließ 1992 in Barcelona die Puppen tanzen. Dem Junior soll das 2016 in Madrid gelingen.
„Madrid ist der perfekte Ort für die Spiele“, sagt der Junior. „In diesen unsicheren, kalten Zeiten kann Madrid Sicherheiten bieten.“ Angeblich braucht Madrid weniger als 300 Millionen Dollar für den Bau der Sportstätten. Das klingt wie märchenhaft, zumal angesichts der gigantischen Etatsteigerungen der Olympiastadt London. „Madrid hat doch fast alles“, sagt Juanito.
Madrid hat vor allem zwei Samaranchs. Das hat sonst keiner.
Die Spanier sind eine Macht in der Sportpolitik. Juanito ist Vizepräsident des Weltverbandes im Modernen Fünfkampf und lobbyiert neuerdings für die Aufnahme von Golf ins Olympische Programm. Im vergangenen Herbst haben binnen weniger Tage drei Spanier die Präsidentschaft in olympischen Föderationen übernommen: Marisol Casado (Triathlon), José Perurena Lopez (Kanu) und Leandro Negre (Hockey). Zwar stimmen sie nicht mit ab, wenn das IOC am 2. Oktober zwischen Madrid, Chicago, Tokio und Rio de Janeiro entscheidet, doch hat dieser Dreier-Coup die Konkurrenz verunsichert.
- Die Bewerbungsbücher von Madrid, Chicago, Rio und Tokio
Die Spanier gelten als heimliche Favoriten, obgleich der Wettbewerb immer offener wird. „Der knappste, den ich je erlebte“, sagt Juanito. Geht es nach dem Beifall des Fußvolkes, das auf der Messe Sportaccord in Denver die Präsentationen der Bewerber verfolgte, so müssten die Spiele nach Rio gehen. Der Beifall war beträchtlich, die Präsentation hatte Witz, Charme und Wärme. IOC-Mitglied Carlos Guzman, daheim immer wieder in Skandale verwickelt, entwickelte Entertainer-Qualitäten.
Zwei Kernfragen bestimmen die Bewerbung. Die erste: Wird das IOC nach rein finanziellen Gesichtspunkten entscheiden, also darauf setzen, dass der Zuschlag für Chicago eine geschätzte halbe Milliarde mehr bei den amerikanischen TV-Rechten bringen könnte? NBC, das seit 1993 schon mehr als sechs Milliarden Dollar in Olympia investiert hat, bleibt sicher auch 2016/2018 IOC-Partner. Nur wird der Vertrag in diesem Jahr kaum noch unterschrieben. Beide Seiten lassen sich Zeit. „Wir müssen das Maximale herausholen, das ist unsere Aufgabe“, sagt IOC-Marketingdirektor Timo Lumme. „Wir können warten.“ Ein Olympiasieg von Rio wäre NBC die zweitliebste Lösung, wegen der geringen Zeitdifferenz ließen sich die Ãœbertragungen in der Primetime problemlos organisieren.
Die hitzige Diskussion um die olympischen Marketinganteile des US-Olympiakomitees (USOC), die in dieser Woche mit einer Resolution der Vereinigung aller Sommersportverbände (ASOIF) eskalierte, in der 152 Millionen Dollar vom USOC gefordert worden, scheint IOC-Präsident Jacques Rogge noch einmal beruhigen zu können. „Die Verhandlungen werden erst nach der Entscheidung über die Sommerspiele 2016 fortgesetzt“, sagt Samaranch Junior und nimmt vorweg, was Rogge erst am Schlusstag der Sitzungen in Denver verkünden wollte. „Das ist gut so. Damit nimmt man endlich den Konflikt aus dieser Bewerbung.“
Die zweite Kernfrage lautet: Wie stark ist die sportpolitische Armada der Spanier wirklich? Dass der alte Samaranch noch immer rund 30 Stimmen bündelt, darunter die alten Verbündeten aus Russland und Südkorea, darf als sicher gelten. Vor vier Jahren in Singapur, als London gewann, war Madrid auf den Olympiasieg programmiert. Der K.o. in der dritten Runde kam überraschend und soll nur deshalb passiert sein, weil ein IOC-Mitglied auf dem elektronischen Wahlgerät eine falsche Taste gedrückt hatte. Es heißt, unter Zeugen habe Samaranch Senior damals dem spanischen König Juan Carlos versprochen, die Spiele würden zu seinen Lebzeiten wieder in Spanien stattfinden.
„Das ist Unsinn“, sagt Juanito. „Mein Vater würde nie etwas versprechen, was er nicht halten kann. Es ist eher anders herum: Der König unterstützt uns in allem.“ Der Senior übe nur eine beratende Funktion aus, erklärt der Junior. „Er muss keine Stimmen beschaffen.“
Stille. Ein tiefer Blick in die Augen. Der IOC-Ehrenpräsident beschafft also keine Stimmen, weiß womöglich nicht mal, wie so etwas geht? Das kann der Sohn doch nicht ernst meinen. Tatsächlich, Juanito muss grinsen.
(Den Beitrag wollte ich eigentlich am Freitag einigen Zeitungen anbieten. Doch ich habe vor lauter Ablenkung in der kurzen Nacht glatt vergessen, die Email mit dem Text abzuschicken. Nun steht er halt hier, und da steht er auch gut.)
Sehr feiner Text, erhellend und unterhaltend zugleich. Nur das große G im letzten Satz stört. ;-)
Ein Verlust für die Zeitungen, ein Gewinn für mich, denn in einer Zeitung wäre mir der Artikel vielleicht entgangen, hier nicht.
Juanito Samaranch mag heiß duschen, zu heiß gebadet wurde er definitiv nicht. Mit allen Wassern gewaschen ist er wohl eher, der Sohn seines Vaters. Dabei wirkt er dennoch nicht unsympathisch oder liegt das an der Beschreibung durch den Autor? Diese Frage bleibt für mich offen, andere, wichtigere sind dagegen beantwortet.
Danke für die Informationen und den unterhaltenden Text.
Ich habe diesen Text mit Vergnügen gelesen. Genau das richtige für den Sonntagsnachmittag.
Schöner Text und auch noch exklusiv für Ihre Blogleser! Danke, Theo & Harald & Wolfgang!
Sie hätten den Text aber auch noch hier „anbieten“ können, glaube ich: http://www.nicht-erschienen.de
Ich habe jedoch keine Ahnung, welche Abruf- und Erfolgsquoten die Seite hat.
Wahrlich ein sehr hübscher Text mit und der Gruß ist auch toll (man stelle sich da noch ein „we love to entertain you“ am Ende vor)!
Und noch einmal „hola everyone“!
Aus Madrid kommt gerade folgende Nachricht:
dpa(?): Samaranch jnr. criticizes judge of Operacion Puerto
Pingback: Was vom Tage übrig bleibt (41): “Dream Chasers” : jens weinreich
IOC: IOC releases 2016 Evaluation Commission Report
SAZ: Doping! Madrid geschockt: Olympia-Favorit 2016 heißt Tokio
AS: El COI destaca a Tokio y critica a Madrid por las leyes antidopaje españolas
ABC: El COI critica fallos organizativos en Madrid 2016 y sus leyes anti dopaje
newstec.sportec.es: Samaranch jr: „Es para estar contentos, estamos más fuertes que en 2012“
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dpa: Samaranch-Sohn will Reform des Vaters abschaffen
Wieso braucht man mehr Besuche in den Bewerberstädten, wenn die Welt bereits transparenter ist und mehr Informationen zur Verfügung stehen!??