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Das Olympische Bildungsmagazin

Offener Brief von Ute Krieger-Krause an die Herren Schäuble, Bach und Prokop

Ein weiterer wichtiger Beitrag zum Thema Dichtung und Wahrheit. Ute Krieger-Krause, staatlich anerkanntes Dopingopfer aus Magdeburg, hat an diejenigen geschrieben, die die Propagandamaschine angeschmissen haben und prächtig brummen lassen:

An Herrn Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble, Herrn DOSB-Präsidenten Dr. Thomas Bach, Herrn DLV-Präsidenten Dr. Clemens Prokop

Sehr geehrte Herren,

Sie befinden, dass es nach 20 Jahren Zeit werde für eine Versöhnung zwischen Tätern und Opfern des DDR-Doping-Systems und initiieren bzw. begrüßen die „Geständnisse“ in Form einer vorformulierten Erklärung von fünf dopingbelasteten Leichtathletik-Bundestrainern.

Dass mindestens doppelt so viele Opfer sich vehement gegen diese ausschließlich dem Zweck der Weiterbeschäftigung dienende , unglaubliche Vorgehensweise öffentlich ausgesprochen haben, übergehen Sie mit einer Unsensibilität und Ignoranz, die  mich zutiefst enttäuscht und brüskiert.

Ohne Einbeziehung der Geschädigten wurde hier zugunsten der genannten Trainer eine „Lösung“ konstruiert, die nicht dazu taugt, eine Annäherung von Tätern und Opfern herbeizuführen.

Die öffentliche Darstellung, dass hier eine „Gesprächsinitiative“  vom DLV ausgehe, ist unzulässig, denn als seitens der Betroffenen Gesprächsbedarf signalisiert wurde, standen sie vor verschlossenen Türen und bekamen es mit zugenagelten Köpfen zu tun. So oder ähnlich erging es auch Geschädigten, als sie sich an andere Sportverbände wandten. In einigen Fällen kulminierte das an die Sportverbände herangetragenen Ansinnen nach ernsthafter Kommunikation in persönlicher Diskreditierung.

Es blieb den Betroffenen nur die Erkenntnis, bei den Sportverbänden und deren Präsidien unerwünscht zu sein. Gesprächsbereitschaft war hingegen nicht feststellbar.

Nun nach langem Schweigen kommt der DLV  plötzlich zur Erkenntnis, dass man reden müsse.

Hier also die Frage an Sie , Herr Dr. Prokop, wer soll nach dieser stringenten Ablehnung und Nichtachtung, die sich bis zuletzt in der Weigerung zeigte, das Problem der bekannt dopingverseuchten Rekorde Ihres Verbandes ernsthaft zu behandeln, noch Ihrer Einladung folgen wollen?

Herr Dr. Bach, in diesem Zusammenhang erinnere ich, dass Sie selbst anlässlich der Verleihung der „Heidi-Krieger-Medaille“ des DOH e.V. im September 2007 ein persönliches Gespräch mit anerkannten DDR-Doping-Opfern vorgeschlagen hatten.

Dieses Versprechen blieb uneingelöst. Uneingelöst auch der zweite Punkt des 10-Punkte-Planes des DOSB, nämlich die Einbeziehung von Geschädigten in die Doping-Prävention. Diese Unterlassungen sprechen für sich und tragen nicht dazu bei, die Ernsthaftigkeit Ihrer Absichten zu belegen.

Herrn Dr. Schäuble weise ich gern darauf hin, dass sich seit wenigstens zwei Jahrzehnten anerkannte Wissenschaftler sowie seit über zehn Jahren Dopinggeschädigte vehement für die Aufarbeitung der gesamtdeutschen Dopingvergangenheit, für die Bekämpfung des deutschen und internationalen Dopingalltages sowie für sinnvolle, vernetzte Dopingprävention einsetzen. Inzwischen dürfte Ihnen auch aufgefallen sein, dass, anders als von Ihnen in der „FAZ“ behauptet, kein einziger Dopingrekord gelöscht worden ist.

Sehr geehrte Herren!

Sie werden den vorangestellten Zeilen entnehmen, wofür ich Ihre heutigen Erklärungen halte:

Für einen durchsichtigen Versuch, Ihren Anteil an der nunmehr zwei Jahrzehnte währenden Ignoranz gegenüber den Opfern, an der Duldung eines ebenso lange währenden Leugnens beteiligter Trainer, an mutmaßlichen jahrelangen Verstößen gegen die Antidopingklauseln in den Zuwendungsbescheiden des BMI an die Sportverbande, mithin an der missbräuchlichen Verwendung von Steuergeldern, zu vertuschen.

Ich bin allerdings der Überzeugung, dass Sie nicht die Macht haben, eine notwendige Debatte auf diese Weise zu beenden.

Mit freundlichen Grüßen

Ute Krieger-Krause
Magdeburg

12 Gedanken zu „Offener Brief von Ute Krieger-Krause an die Herren Schäuble, Bach und Prokop“

  1. Pingback: Michael

  2. Pingback: doping

  3. Den Satz versteh ich nicht so richtig, obwohl er ja offensichtlich aus der „offenen Antwort“ von Dr. Thomas Bach auf den offenen Brief s.o. stammt. Kann mir mal einer erklären, was da steht, bitte!

  4. wenn kein dopingopfer diese schmierige entschuldigung akzeptiert, hat doch diese „entschuldigung“ auch keinen wert! ehrlich gesagt ist es mir ziemlich egal ob schäuble, bach oder prokop, diese entschuldigung annehmen. sei denn, sie sind auch dopingopfer. die möglichkeit besteht natürlich, dass schäuble, bach und prokop in ihrer zeit als leistungssportler auch gedopt wurden und heute unter schweren gesundheitlichen problemen leiden. ach die 3 herren sind nie sportler in der ddr gewesen…und von dopingschäden wissen sie auch nichts!

    sie handeln nicht in unserem namen, geschweige denn in unserem interesse. auch sind sie nicht von uns bevollmächtigt, verhandlungen zu führen oder entschuldigungen von dopingtrainern und dopingärzten entgegen zu nehmen.

    uwe trömer

  5. TLZ: „Habe ihn nicht erkannt“

    „Ich habe ein gesundes Kind abgegeben und ein völlig krankes wiederbekommen“ […] „Ich bin damals an meinem Sohn vorbeigelaufen, habe ihn mit seinem aufgeschwemmtem Körper nicht wiedererkannt“, sagt seine Mutter immer noch sichtlich gerührt. Lange hat es gedauert, bis die Nieren wieder einigermaßen funktionierten. „Ich war völlig am Ende, jahrelang ein Pflegefall“, sagt Trömer, dessen Galle entfernt wurde. Die Bauchspeicheldrüsen ist entzündet und Leber angeschlagen.

  6. Auch ein Zitat aus der TLZ, das Motive darlegt, warum man sich als Erwachsener noch dopen liess.

    Im Jahre 1983 kamen bei ihm erste Zweifel am „sauberen“ Radsport auf, als das körperlich unangenehme Spritzen dazukam. „Sie wurden uns auch als Vitaminpräparate verordnet“, so Trömer. Wer nicht mitzog, wurde ausgesondert. Vorbei war es dann mit attraktiven Auslandsreisen und materiellen Vergünstigungen.

  7. hallo nocheinjurist, gestatten sie mir einige bemerkungen zu ihrem ausgewälten tlz-zitat:

    ich hatte 1983 keine zeit mehr gehabt meine zweifel (berechtigten) weiter zu verfolgen. noch während dieser spritzen, reagierte mein körper toxisch mit beidseitigem nierenversagen und ich wäre daran fast gestorben. anschl. folgten einige jahre die ich als pflegefall verbrachte…steht übrigens auch in diesem tlz-text! sie ziehen daraus einen wohl etwas voreiligen schluss, warum ich mich als erwachsener DOCH dopen liess. zweifel an spritzen bedeuten noch lange nicht, dass ich nur ansatzweise wußte was sich in diesen spritzen befand. ich finde es irgendwie nicht fein, dass ein zitat aus dem zusammenhang gerissen wird um zu sagen, die haben es doch gewußt! nein ich habe es nicht gewußt…und trotzdem habe ich meine zweifel gehabt und wurde (trotz angemeldeter zweifel) nicht über den inhalt aufgeklärt. im übrigen bin ich es langsam leid, mich permanent gegenüber textzerlegender (scheinbar spitzfindiger) möchtegernahnunghabender pseudo-ddr-dopingexperten zu erklären. aus ihrer bürgerlich-freiheitlich-demokratischer sicht, mögen ja die dinge durchaus anders aussehen…sind sie aber nicht! lesen sie den ganzen text und das faz-interview…dann sollten sie erkennen, dass ich mit meiner heutigen kenntniss um das ddr-doping, reflektierend an diesen teil meiner geschichte heran gehe.

    uwe trömer (…)

  8. ich empfehle in diesem Zusammenhang Giselher Spitzers Buch ‚Wunden und Verwundungen‘, 2007

    es ist vielleicht nicht leicht zu lesen und zu verdauen, könnte aber einige der aufgekommenen Fragen beantworten

  9. Hallo Herr Troemer,

    wie soll ich sagen — ich hatte eine Erklaerung nicht erwartet. Das Zitat habe ich aus dem Zusammenhang gerissen, weil ich diese Motivlage nicht so haeufig dargestellt finde. Der Satz war recht bemerkenswert. Deshalb hatte ich den Kommentar auch allgemein gefasst. Er war auch so gemeint.

    Zur Herkunft: Ich mag mich nicht immer als Ossi outen muessen, wenn ich den Weg hintefrage, wie DDR-Buerger zu Systemopfern wurden. Ich habe nach der Wende schon gestaunt, wie viele Leute mitgemacht hatten und sich ploetzlich auf der Opferseite wiederfanden (das beziehe ich NICHT auf Sie!). Dopingexperte bin ich nicht, DDR-Ahnunghaber sicher etwas mehr. Deshalb fand ich den Satz des TLZ-Autors auch bemerkenswert.

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