Ich gestehe eine Schwäche für Ranglisten. Die mächtigsten Sportfürsten der Welt wurden hier schon einige Male abgehandelt – und es wird Fortsetzungen geben. Heute aber, im Anschluss an die Analyse zur Olympiabewerbung 2018 mit Pyeongchang, Annecy und München, ein erneuter, kurzer Ausflug ins Sportwunderland Südkorea.
Laut Forbes hat Sportkamerad Lee Kun Hee, IOC-Mitglied seit 1996 (damals trotz laufenden Korruptionsprozesses kooptiert), gerade den Fifa-Vizepräsidenten Chung Mong-Joon als reichsten Koreaner abgelöst. Auf dem Foto sehen wir Lee im Gespräch mit Juan Antonio Samaranch Senior, sekundiert vom UDIOCM Thomas Bach. Die Familien Lee (Samsung) und Chung (Hyundai), beide Chaebols zählen zu den weltweit größten Sport-Sponsoren, teilen sich in der jüngsten Rangliste die ersten Ränge:
- Lee Kun Hee mit 3,9 Mrd $
- Chung Mong-Koo (Bruder des Fifa-Vizepräsidenten/Rang 3) mit 1,85 Mrd $
- Chung Mong-Joon mit 1,3 Mrd $
- Lee Myung-Hee (Schwester des IOC-Mitglieds/Rang 1) mit 1,2 Mrd $
Der Forbes-Beitrag bringt mich dazu, flink meinen Fehler im Beitrag über Pyeongchang und die Olympiabewerbung zu korrigieren: Offiziell trat Lee Kun Hee als Samsung-Chairman vergangenes Jahr ab, das war Teil eines Deals mit den Strafverfolgungsbehörden.
We, including myself, have caused troubles to the nation with the special probe; I deeply apologise for that, and I’ll take full responsibility for everything, both legally and morally.
Sonst wäre er womöglich im Knast gelandet – aber ohnehin schnell wieder begnadigt worden, wie zuvor schon mehrfach. So blieb es bei drei Jahren Bewährung, die selbstverständlich angefochten wurden. Und das IOC? Wie schon Samaranch interessiert sich auch Jacques Rogge kaum für die dauerhaften Vergehen seines Kollegen und TOP-Sponsoren.
Über Lee Kun Hee habe ich zuletzt im Mai vergangenen Jahres ein Textlein für einige Zeitungen geschrieben. Die meisten Fakten sind noch aktuell, Updates zum letzten Prozess gibt es hier:
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Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat einen weiteren spektakulären Kriminalfall zu bewältigen. Der Südkoreaner Lee Kun Hee, Chef des Samsung-Konzerns, ist in seiner Heimat zwar knapp einer neuerlichen Anklage wegen Korruption entgangen – doch wird Lee wegen Steuerhinterziehung in Höhe von umgerechnet drei Milliarden Euro der Prozess gemacht. Die IOC-Ethikkommission kam nicht umhin, erneut eine Akte zu einer der schillerndsten Figuren des Sportbusiness anzulegen.
Der Milliardär Lee Kun Hee (66), zählt zu den größten Sport-Sponsoren des Planeten. Er gilt als eigentlicher Herrscher Südkoreas. Chairman Lee führt seit dem Tode seines Vaters im Jahr 1987 den Mischkonzern Samsung, der etwa ein Fünftel des südkoreanischen Bruttosozialprodukts erwirtschaftet. In Südkorea gilt ein geflügeltes Wort: Demnach ist jemand, der kein Geld von Samsung kassiert, kein Koreaner.
Natürlich ist Lee Kun Hee Träger des Olympischen Ordens, der höchsten IOC-Auszeichung. Diese Medaille hat er sich einst mit einer Zwei-Millionen-Dollar-Spende für das Olympische Museum in Lausanne erkauft.
Samsung ist seit 1997 im Sponsorenprogramm des IOC engagiert. Der Vertrag wurde bereits bis 2016 verlängert. Mit dem IOC-Sponsoring sicherte sich Lee Kun Hee quasi die IOC-Mitgliedschaft. Geradezu abenteuerlich verlief seine Aufnahme ins IOC im Juli 1996 in Atlanta: Obwohl er zur selben Zeit in Seoul wegen Bestechung (in Milliardenhöhe, darunter macht er es nicht) von Staatspräsidenten (die Diktatoren Chun Doo-Hwan und Roh Tae-Woo, beide ürbigens Träger des Olympischen Ordens) und anderen Politikern vor Gericht stand, wurde er auf Wunsch des damaligen IOC-Präsidenten Juan Antonio Samaranch kooptiert. Wenige Tage später wurde er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, und das IOC sah keinen Grund, Lee zur Rechenschaft zu ziehen.
Ein Jahr später, das IOC-Sponsoring lief gerade an, wurde Lee daheim begnadigt. „Im Interesse der Wirtschaftskraft des Landes“, hieß es zur Begründung. So läuft das in Korea immer. Konzernführer dürfen sich mit Extrem-Spenden freikaufen. In einem anderen Korruptionsfall hatte 2007 Hyundai-Chef Chung Mong Koo, ebenfalls ein kolossaler Sport-Sponsor, eine Milliarde Dollar für wohltätige Zwecke gespendet. Er sei „zu wertvoll für Korea, um ins Gefängnis zu gehen“, argumentierte die Justiz.
Hyundai ist besonders im Fußball sehr aktiv und hatte großen Anteil daran, dass die WM 2002 auch in Korea ausgetragen wurde. Chung Mong-Joon, Bruder des Firmenlenkers und Sohn des Hyndai-Gründers, fungiert sogar als Vizepräsident des Fußball-Weltverbandes Fifa.
Samsung-Chairman Lee Kun Hee, der von vielen Koreanern wie eine Gottheit verehrt wird, hat ebenfalls schon mehrere Hundert Millionen in öffentliche Kassen gezahlt – nicht nur in schwarze Kassen. Zuletzt versprach er vor zwei Jahren, 800 Millionen Dollar zu spenden. Auch damals war gegen ihn ermittelt worden, doch wegen Verjährung und einiger erfolgreicher juristischer Winkelzüge wurde das Verfahren eingestellt. Lee hatte es nicht leicht in jenen Monaten. Er verließ vorsorglich das Land, um einer Inhaftierung zu entgehen und sich in den USA, wo er einst studiert hatte, einer Krebstherapie zu unterziehen. Zudem musste einen schweren Schicksalsschlag erleiden: Eine seiner Töchter nahm sich das Leben.
Lee Kun Hee bezeichnet die Sportförderung seines Konzerns gern als „Betrag zur Glückseligkeit, zum Weltfrieden und zum Kulturaustausch“. Ähnlich abstrus mutet es an, dass Lee auf der Samsung-Webseite für ethische Prinzipien im Wirtschaftsleben wirbt.
Samsung sponsert zahlreiche Sport-Weltverbände. Koreas erfolgreiche Olympiabewerbung für 1988 mit Seoul oder die gescheiterten Bewerbungen von Pyeongchang für die Winterspiele 2010 und 2014 wurden zu großen Teilen von Samsung finanziert. In Seoul fanden bereits zwei IOC-Vollversammlungen statt – beide im Shilla-Hotel, das zur Samsung-Gruppe gehört. Samsung finanziert praktisch auch die Asienspiele: Vor eineinhalb Jahren akquirierte man die Asienspiele 2014 für die Millionenstadt Incheon – und schlug in letzter Minute mit anrüchigen Offerten den Favoriten Neu Delhi aus dem Rennen. In der Leichtathletik richtet Südkorea 2011 in Daegu die WM aus. Auch hier war Samsung nicht untätig.
Nach den jüngsten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, die zu Hausdurchsuchungen, einer im Fernsehen übertragenen Anhörung des Patriarchen und zu einer Anklage wegen Steuerhinterziehung führten, hat Lee Kun Hee überraschend angekündigt, seine Samsung-Ämter abzugeben. Allgemein wird spekuliert, sein Sohn Jae-Yong, gegen den ebenfalls ermittelt wird, solle nach einer Übergangszeit die Macht übernehmen.
Südkorea war seit Anfang der achtziger Jahre eine sportpolitische Großmacht. Nun droht das Land sportpolitisch zu einem Zwergstaat zu schrumpfen. Denn in den vergangenen Jahren mussten wegen zahlreicher Korruptionsfälle bereits die IOC-Mitglieder und Weltverbandspräsidenten Kim Un Yong (Taekwondo) und Park Yong Sung (Judo) demissionieren.
Doch die IOC-Ethikkommission geht das Thema Lee Kun Hee gewohnt gelassen an. Man wolle zunächst den Prozess in Korea abwarten. So geht das seit Jahrzehnten. Lee Kun Hee zahlt. Das IOC kassiert und schweigt.
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Dieser Beitrag wurde übrigens auf einem Samsung-Netbook NC 10 geschrieben. Tolles Gerät, ehrlich.
Hmmm…
@ Gua: Ich kann Dir das gern erklären: Das sollte Ironie sein. Und ich denke, das weißt Du auch. Es fließt kein Geld von Samsung.
Weiß ich und mein Kommentar war auch nicht ohne Ironie. Weil ich glaube nicht wirklich, dass du irgendwie von Samsung geschmiert wirst.
Dass sie all diese Machenschaften ernsthaft noch mit den schönen Attributen des Sports schmücken wollen, ist ebenso grotesk und unglaublich, wie zu versuchen, die Scientology-Mafia als Religion zu etablieren.
Gerade mal nachgeschaut: Beim Korruptionsindex 2008 lag Südkorea auf Platz 40. Erstaunlich. Oder sollte man „Sportverflochtene“ aus der Wertung nehmen? Sonst könnte die Schweiz noch ihren guten Status (Platz 5!) verlieren…
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Ja da schau her! Kun Hee Lee wurde mal wieder begnadigt – natürlich unter dem Deckmäntelchen Olympia.
Kleiner Nachtrag zu Lee Kun Hee im DLF, Text und Audio.
Und hier auch noch die „Stellungnahme“ der IOC-Ethikkommission.
dpa: Aufwind für Münchens Olympia-Gegner Pyeongchang
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