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Das Olympische Bildungsmagazin

Lost in Moscow: Vulkanausbrüche und Geschäftemacher

Was bisher geschah, seit der Eyjafjallajökull meine Reisepläne durcheinander brachte, kann man hier nachlesen. Ehrlich gesagt: Ich hatte schon Schiss, mit Aeroflot in den Frühlingshimmel abzuheben. Ich saß zufällig auf der richtigen Seite, konnte also nach Westen schauen auf dem Flug von Sotschi nach Moskau und habe mit gebührender Naivität eine Aschewolke gesucht, glücklicherweise aber keine gefunden. War darauf eingestellt, dass die Triebwerke plötzlich aufhören zu brummen und das letzte Gebet gesprochen werden muss.

Fein, dass mir das erspart blieb. Die Russen in der Maschine hat das alles übrigens nicht gekümmert. Die Bauarbeiter, die von Sotschi zum Heimaturlaub aufbrachen, hatten schon auf dem Airport Adler Wodka hektoliterweise vernichtet. Neben mir saß ein Nachwuchsfußballer aus Kasachstan, der aus dem Trainingslager kam. Er hatte von einem Vulkanausbruch noch nie gehört. Die Russen sind da nicht so weinerlich wie Mitteleuropäer.

In Moskau, das muss ich schon sagen, nervt es langsam. Vor allem deshalb, weil sich die Russen als ziemliche Geschäftemacher präsentieren, die von der Not der Kundschaft profitieren. Etliche Hotels, bei denen ich angefragt habe, sind ausgebucht, und zwei, die nicht ausgebucht waren, haben plötzlich ihre Zimmerpreise verdreifacht. Eines von 4500 auf 14000 Rubel. Grinsend teilte man mir an der Rezeption mit: „Die Nachfrage ist groß!“

Ich bin schließlich in einem überteuerten Schuppen gelandet, den ich schon von meinem letzten Moskau-Aufenthalt kannte. Den Namen verrate ich mal lieber nicht. Habe gegen Mitternacht von einem der Halsabschneider-Rezeptionen online via Expedia in dem Hotel gebucht, das ich kannte. Nun muss man aber wissen (und das durfte ich bei Hotel- und Mietwagenbuchungen schon in Sotschi erfahren), dass Russland zu den wenigen Ländern der Welt gehört, in denen derlei Buchungen mit Vorauszahlungen einfach nichts zählen. Das nervt kolossal. Ich habe also zwar über Expedia vorausbezahlt (anders geht das bei Hotelbuchungen bei denen gar nicht), im Hotel aber war trotz langer und energischer Diskussion nichts zu machen. Sie wollten nochmal kassieren. Wie ich gerade erfuhr, am nächsten Tag, sogar den doppelten Preis, den ich eigentlich gebucht hatte. Bei Expedia sind die Leitungen zusammengebrochen bzw. haben die zu wenige Leute im Call Centre.

Der Typ, der jetzt an der Rezeption Dienst hat, ist aber wirklich sehr nett, mal was Neues in Moskau so far. Ich hoffe, das klärt sich.

So stellt sich die Lage zurzeit dar – wie immer ein Screenshot von meiner derzeitigen Lieblings-Webseite des norwegischen Meteorologisk Institutt. Findet jemand bessere Grafiken?

Übrigens traf ich gerade den Präsidenten eines olympischen Weltverbandes, der ebenfalls hier gestrandet ist. Da nutzt auch der höchste Lufthansa-Vielfliegerstatus nichts, der Präsident versucht nun, mit dem Zug rauszukommen und versprach, mir zu helfen, wenn es geht. Die Züge sind allerdings komplett ausgebucht. Und ich musste mir von verschiedenen Seiten erklären lassen, dass es für mich schon deshalb keinen Sinn macht, es mit dem Zug zu versuchen, weil ich kein Visa Visum für Weißrussland bekommen würde. Das dauert. Ich habe dem Herrn Präsidenten gesagt, er solle es bei Lukaschenko persönlich versuchen, der ist schließlich auch hochdekorierter Sportfunktionär und somit ein Kollege. An dieser Stelle war unsere Plauderei kurzzeitig eingefroren. Aber das wird wieder. Kleine gemeine Wahrheiten sind doch das Salz in der Suppe, nicht wahr?

Diverse Ostseefähren habe ich auch gecheckt. Ist keine echte Option. Nach Tallinn zum Beispiel fährt man von Moskau mit dem Zug über Nacht 16 Stunden. Werde weiter sehen, was geht. Wie es jetzt aussieht, tut sich vor Montag gar nichts. Fürchte, ich verpasse einen Kindergeburtstag. Das wäre das Schlimmste, was passieren könnte.

Die Visafrage scheint derzeit relativ relaxt gehandhabt zu werden. Die Hotels wurden sogar informiert, dass für alle Gestrandeten ein Stempel auf dem Ticketausdruck reicht, den man sich am Flughafen holen musste. Das sollte, so wurde in Scheremetjewo gesagt (beschwören kann ich es allerdings nicht) erstmal 72 Stunden reichen. Ich denke mal, sie werden das verlängern und ausnahmsweise großzügig handhaben, sollte es länger dauern. Cross fingers.

20 Gedanken zu „Lost in Moscow: Vulkanausbrüche und Geschäftemacher“

  1. Pingback: Tweets die Lost in Moscow: Vulkanausbrüche und Geschäftemacher : jens weinreich erwähnt -- Topsy.com

  2. Drücke weiter die Daumen. Auch, dass die Wucherer es nicht zu sehr übertreiben. Hast du wenigstens freies Internet im Hotel, oder musst du für’s Surfen auch extra abdrücken?

    „Airport Adler“ – hast du das übersetzt, oder heisst der wirklich so?

  3. Also so wie das aussieht spuckt der Vulkan doch weiter munter Asche vor sich hin… wenn das nicht aufhört seh ich ehrlich gesagt keine Wiederaufnahme des Flugbetriebs innerhalb der nächsten Tage kommen.

    Man stelle sich mal vor das wäre während der Spiele in Sotschi passiert. Oder übernächstes Jahr während London. Wahnsinn…

    Wird Zeit dass wir unser Schnellbahnsystem weiter ausbauen… die Chinesen planen ja schon eine Eisenbahn von Südchina bis nach Istanbul…

  4. @jw
    Ich will keine dummen Sprüche klopfen, zu ernst ist die momentane Lage.

    Gibt es mit der Schiffahrt gar keine Möglichkeit (Kombination Bahn und Schiff)?
    Glaube nicht, daß sich die Lage vor Mitte nächster Woche beruhigt.

    Falls es jemanden interessiert:
    wir sind seit 2 Wochen zurück von der Reise über die Türkei nach Georgien und dann Fähre Trabzon – Sochi und weiter Russland-Ukraine-Moldawien-Rumänien.

    Es gibt offenbar mehrere Fährschiffe, zumindest eines fährt samstags, allerdings kann vorher niemand sagen wann. Mit etwas Glück ist man am nächsten Tag dann in in Sochi.
    Der Komfort ist bescheiden, vor allem gibt es in den Kabinen keine Klimaanlage, bzw. ist sie defekt.

    Vielleicht helfen diese links Dir weiter. Drücke die Daumen, daß Du wohl behalten wieder den Weg zurück findest, sonst fehlt mir der „streitbare Gegenüber“.

    Commercial Sea Port
    Wissen
    Russland

  5. Ich glaube ich würde es über die Ostsee versuchen. Der kleine Racker Eyjafjallajökull spuckt ja noch und bevor ich für die nächste Hotelübernachtung 25.000 Rubel oder so bezahle, würde ich die Nacht lieber im Zug nach Tallinn verbringen.

  6. Oh. Danke. Ab jetzt also: Visum. Ich fürchte, das werde ich auch künftig falsch machen. Habe ich bisher irgendwie selten auf die Reihe gekriegt. Shame on me.

    Nachtrag: Sehe gerade, gestern habe ich es sogar einmal richtig gemacht :)

  7. @ Martin: In Sotschi habe ich ein Hotel gesucht, in dem Internet included war. Der Preis sonst pro Tag so ca. 30 Euro. Hier im Hotel bezahle ich 25 Euro für 24 Stunden.

    Adler liegt im Süden von Sotschi, dort liegt der Flughafen der Region, dort ist auch das olympische Coastal Cluster (Snow Cluster in den Bergen), also mit olympischen Park und allen Anlagen inkl. olymp. Dorf. Sotschi selbst, das Stadtzentrum liegt etwa 25-30 km nördlich, ist von Olympia eigentlich nicht betroffen. Keinerlei Wettbewerbe finden dort statt.

    @ Marco: Danke für die Links.

    @ Gua: Ja, ich denke, das läuft aufs Schwimmen hinaus.

  8. Video? Das Blog von vorne lesen. Bis zum Ende. Ein Besuch, der sich lohnt. Warscheinlich das schönste, was ich je am Bildschirm gelesen habe.

    …aber mal im Ernst („Inspiration“): Leihwagen? Zusammen mit ebenfalls gestrandeten Kollegen beim Fahren abwechseln? M9 – Kaunas – Warschau – Wandlitz?

  9. Von 16 Stunden Zug in Russland würde ich mich nicht schocken lassen. Das geht leichter, als man denkt. Anstrengender sind 24 Stunden Zug in China oder Thailand. Oder auch 30 Stunden Bus in Indonesien, Übrlebt man alles und hat häufig nette Menschen getroffen, weil alle viel Zeit haben, den Ausländer auszufragen :-) Jedenfalls besser, als den hungrigen Hotelbesitzern das Geld zukommen zu lassen.

  10. Da ist was dran. ist auch weniger der Schock von 16 Stunden. Bloß: 11 Stunden nach Helsinki – und dann 38 Stunden Fähre nach Rostock am übernächsten Tag. Von Rostock noch nach Berlin?

    Die Kombination machts.

    Züge direkt sind völlig ausgebucht. Angeblich wird ne Menge Geld bezahlt dafür. Und das Beloruss-Visa gibt es frühestens am Montag, wenn deren Botschaft aufmacht.

  11. jens — wenn das mit dem weißrussischen visum so ein problem ist: man kann mit der bahn auch über kiew fahren statt über minsk. dauert laut fahrplan auch nur 10 stunden länger, sprich: „nur“ 35 stunden (mit einmal umsteigen in kiew mit 1,5h aufenthalt). immer noch wesentlich schneller als mit dem ruderboot. ein ticket müsstest du aber auch dafür erstmal kriegen, versteht sich.

  12. Um noch einmal nicht hilfreich zu sein – mich wundert, dass noch niemand zur Erbauung auf diese kleine Begebenheit hingewiesen hat. Geteiltes Leid und so.

  13. Pingback: Gestrandet in Moskau – Jens Weinreich über Vulkanausbrüche, Flugchaos und explodierende Hotelpreise – Von Stefan Stahlbaum

  14. In Interrail-foren würdest du natürlich gut punkten mit moskau – helsinki – rostock.
    Ist denn die Fähre Klaipeda – Sassnitz nicht auch eine Alternative?
    gute Fahrt!

  15. Pingback: Moskau – Berlin. Mit dem Bus. : jens weinreich

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