Vor einem dreiviertel Jahr hatte die Berliner tageszeitung eine überfällige Debatte über die so genannte Sicherheitsüberprüfungen von Journalisten (Stasi 2.0) eröffnet. Damals ging es um das Akkreditierungsverfahren zur Leichtathletik-WM 2009 in Berlin. Nun setzt die taz diese Debatte fort und eröffnet die Diskussion über die Alpine Ski-WM 2011 in Garmisch-Partenkirchen:
- Jürn Kruse in der taz: Berichterstattung über Ski-WM: Alle sind verdächtig
Das ist eine besondere WM, nicht die einzige olympische WM im kommenden Winter in Deutschland – kurz vor der IOC-Entscheidung über die Olympischen Winterspiele 2018, um die sich auch München bewirbt. In die WM in GaPa werden Unmengen von Steuermitteln gepumpt, kürzlich wurden weitere 1,5 Millionen vom Haushaltsausschuss des Bundestages genehmigt, für ein so genanntes Kulturprogramm, das nichts ist als eine Subventionierung der Olympiabewerbung, die offiziell allein aus der Privatwirtschaft finanziert wird (tatsächlich aber werden schon wieder dutzende Millionen aus öffentlichen Kassen verpulvert, die in keinem Bewerbungsetat auftauchen).
Kurze Zusammenfassung zur Olympia-Subventionierung und Intransparenz kürzlich im Deutschlandfunk:
Aber ich will nicht abschweifen.
Zur mit Bundesmitteln geförderten „Kultur“ dieser alpinen WM zählt natürlich auch wieder die Überwachung von Berichterstattern. Könnte ja sein, dass sich einer derjenigen Journalisten, die meist schon viele Großveranstaltungen gecovert haben und deshalb den Organisatoren, dem Ski-Weltverband und auch dem IOC (wir reden hier über olympischen Sport) bestens bekannt sind (man müsste sich nur untereinander mal verständigen), als lang gesuchte Terroristen entpuppen.
Jürn Kruse schreibt:
Bei der Ski-WM müssen die Berichterstatter neben persönlichen Daten nun wieder eine Einwilligung zur „Zuverlässigkeitsüberprüfung“ abgeben. Vollkommen freiwillig natürlich. „Sollten Sie diese allerdings verweigern, kann eine Akkreditierung nicht erfolgen“, heißt es in der „Datenschutzinformation“. Wie gesagt: vollkommen freiwillig.
„Das ist ganz klar eine Zwangslage“, sagt Benno Pöppelmann, Justitiar beim Deutschen Journalistenverband (DJV) – und damit nicht zulässig. Denn Journalisten hätten grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Akkreditierung. Außerdem müssten etwaige Sicherheitsbedenken der Behörden rechtzeitig den Journalisten direkt offenbart werden, um Gelegenheit zu geben, solche Bedenken auszuräumen.
Wer 2011 von der Pressetribüne aus über die Ski-Olympiasiegerinnen Maria Riesch und Viktoria Rebensburg berichten will, wird zuvor vom Bundeskriminalamt (BKA), dem Bayerischen Landeskriminalamt (BLKA) und dem Landesamt für Verfassungsschutz überprüft. Wer aus dem Ausland kommt, wird vom Bundesnachrichtendienst (BND) durchleuchtet.
Dabei können nicht nur Verurteilungen und laufende Ermittlungen, sondern auch eingestellte Ermittlungsverfahren zu einer Ablehnung führen – genau wie ein Eintrag in der Datei „Gewalttäter Sport“. Obwohl die Verwaltungsgerichte Hannover, Lüneburg und Karlsruhe unisono feststellten, dass es der Datensammlung an einer ausreichenden rechtlichen Grundlage fehle.
Hier die Originale:
- Datenschutzinformationen zum Akkreditierungsverfahren der Alpinen WM 2011 (pdf, 5 Seiten, 70 kb)
- Datenschutzinformationen zum Akkreditierungsverfahren der Leichtathletik-WM 2009 (pdf, 6 Seiten, 1 MB)
Natürlich haben Journalisten auch für die WM 2011 ein Wahlrecht:
Es unterliegt Ihrer freien Entscheidung, Ihre Einwilligung in die hier dargestellte Datenverarbeitung, insbesondere in die Zuverlässigkeitsüberprüfung, zu erteilen. Sollten Sie diese allerdings verweigern, kann eine Akkreditierung nicht erfolgen.
Sie haben auch das Recht, eine einmal erteilte Einwilligung nachträglich zu widerrufen. Für diesen Fall müsste Ihnen allerdings eine bis dahin erteilte Akkreditierung wieder entzogen werden.
Gut, die WM 2010 hast du schon raus, aber im ersten Absatz hast du noch eine „Alpine Ski-WM 2009“. ;)
Mann, Mann, Mann – bist Du wieder mal kleinlich. Wen interessieren schon die Fakten. Hauptsache, alle werden überprüft.
Du hast doch mit der Korrektur angefangen!
Damit hast du natürlich recht. Finde ich auch total wichtig. :)
Naja.. wenn die schon dabei sind, könten sie doch gleich die Rechtsschreibung überprüfen.
Das kann man diesen Sicherheitsmenschen leider nur abgewöhnen, wenn man ein bis zwei sportliche Ereignisse lang mal gar nicht berichtet. Aber wer will sich schon die Werbeeinnahmen entgehen lassen, die man erzielen kann, wenn man „sportliche Highlitghts“ nicht überträgt?
Soviel zu Macht und Einfluß der international agierenden Sportverbände. Oder zur Ohnmacht der Journalistenvereinigungen. Oder vielleicht doch besser direkt zur Staatswillkür?
Das ist doch eh nur eine Übergangsphase. In 10 Jahren sind solche Einverständniserklärungen völlig unnötig, da wird einfach jeder geGooglet.
Als Terrorist würde ich gleich als Sponsor auftreten – wie man hört ist man ja schon mit kleinem Geld dabei.
Werden die Cateringunternehmen auch so kontrolliert? Ich meine, wenn ich da 500 Kästen Kola, und 200 Faß Bier hochbringe, 1000 Würste und Brötchen – da würde ich den Sprengstoff doch nicht in eine Kamera stecken.
Eigentlich bleiben da doch nur 2 Optionen: Klage oder journalistischer Massenboykott. Oder beides zusammen. Diesem Mist muss doch irgendwei beizukommen sein.
Jeder der eine Akkreditierung erhält wird dem Sicherheitscheck unterzogen. Journalisten, sind da wahrscheinlich die am besten Informierten.
Mike Szymanski in der SZ: Etatverhandlungen – Fordern und knausern
Ein Massenboykott wäre hier wohl die einzige Sprache, die die Organisatoren verstünden. Aber leider käme eine solche Aktion sowieso nicht zustande, da am Ende doch wieder die wirtschaftlichen Interessen der Medienorgane im Vordergrund stehen. Es ist ja leider kein Robbie Williams-Konzert…
Als Garmisch-Partenkirchner Bürger will ich weder zur Ski-WM, noch zu eventuellen Olympischen Winterspielen meine Bürger- und Menschenrechte am Ortseingang abgeben.
Pingback: Anonymous
Natürlich ist der Passus mit der vermeintlichen Freiwilligkeit ein Witz. Motto: Friss oder stirb.
Aber, nur mal so’n Gedanke, worüber regen wir uns denn auf? Wer nichts zu verbergen hat, dem sollte die Überprüfung doch nichts ausmachen.
Ich sehe da durchaus Parallelen zum Dopingkontrollsystem. Das gefällt vielen Sportlern auch nicht, weil sie – nicht nur im Wortsinne – die Hosen herunterlassen müssen. Aber wer mitmachen will, hat sich einzuordnen.
@Hallolui
öhmm…
ist da gerade mein Ironiedetektor ausgefallen, oder meinst du diese dümmste aller Flachphrasen tatsächlich ernst? Ich plädiere mal bis auf weiteres zu Ungunsten meines Detektors…
SZ: Slalom am Schlittenberg – Weltskiverband plant Rennen im Olympiapark
bild: LENA soll ihren Titel in München verteidigen!
dpa: Oberstdorf scheitert mit WM-Bewerbung 2015
gamesbids.com: FIS Wants Ski Halfpipe At Winter Olympics
PNP: „Wir laufen Gefahr, durch den Rost zu fallen“
dpa: Nicht nur Begeisterung für München 2018
max-online.de: Nein zu Olympia 2018!: Grüne starten Gegenoffensive
Merkur: WM-Ok plant Info-Pavillon am Bischofeck
gap-fakten.blog.de: Nolympia-Veranstaltung in Oberammergau
Heute um 18:30 Uhr gibt es offenbar auch noch einen Bericht in der BR-Abendschau:
SZ (Printausgabe vom 11.06.): Ein Apostel predigt gegen Olympia
Merkur: DSV-Präsident Hörmann verspricht nordisches Trainingszentrum
Merkur: Olympische Winterspiele 2018: Kleiner ökologischer Fußabdruck
Merkur-Interview mit Michael Vesper: Kommt München in die nächste Runde?
Diesen Unsinn möge Herr Vesper hier vor Ort in Garmisch-Partenkirchen und möglichst vor den versammelten Landwirten verzapfen. „Operative Kosten“ das kennen wir vom Ski-WM-Budget her. Dieses hat für die Tilgung seiner „operativen Kosten“ 42 Mio. Schweizer Franken erhalten – der Markt Garmisch-Partenkirchen wurde für für den Umbau der Skipisten mit über 62 Mio. Euro (bisher) zur Kasse gebeten. Was mit den 42 Mio. geschieht, bzw. bisher geschah, geht niemanden etwas an: das WM-OK ist schliesslich auch eine GmbH. Die Intransparenz der Finanzen schreit zum Himmel!!!
Silke Lode in der SZ: Christian Udes Sparpaket – München muss sparen
München spart Millionen ein, um sich das Milliardenprojekt Olympia leisten zu können!?
Marcus Bürzle in der Augsburger Allgemeinen: Olympia in Garmisch: Die Ecken der Ringe
Matthias Kristlbauer im Merkur: Olympia 2018: Wer zahlt drauf?
Thomas Kistner in der SZ (Printausgabe vom 19.06.): Ein ganz heißer Tanz steht an – Die WM 2022 könnte nach Katar gehen
Friedhard Teuffel im Tagesspiegel: Olympischer Dreikampf
SZ: Ude soll um Garmisch werben
Katja Riedel in der SZ (Printausgabe vom 22.06.): Die Winterspiele der Steuerzahler
Volker Kreisl in der SZ (Printausgabe vom 22.06.): Milliarden statt Schnee – Der frühere Samsung-Chef Lee unterstützt Pyeongchang
Handelsblatt: Willy Bogner: Guter Schnee, gutes Wetter, gute Freunde
40-minütiges münchen.tv-Video: Die Olympiabewerbung
Pingback: Glanzlichter: Jugendschutz zum Mitmachen, Ski-WM-Überwachung, Argumente für gedruckte Tageszeitungen — CARTA
taz: Rene Martens: Die unfreiwillige Freiwilligkeit: Wollen Journalisten in Deutschland von Sport- und Politik-Großereignissen berichten, müssen sie sich von Sicherheitsbehörden überprüfen lassen. Ein breites Medienbündnis fordert ein Ende dieser Praxis
Pingback: Journalisten im polizeilichen Fahndungssystem : jens weinreich
sport10.at: Ski-WM: Ein Fall für die Kripo
Andreas Rüttenauer in der taz: Im tiefen Tal an der Einfahrt zur Hölle
Pingback: Alpin-Olympiasieger Raich wieder auf Skiern
Pingback: IOC gibt grünes Licht für Katar-Bewerbung