JOHANNESBURG. Fedor Radmann hat die Weltmeisterschaft für einige Tage verlassen und sich an seinen Schweizer Wohnsitz zurückgezogen. Es gibt immer zu tun für einen wie ihn, einen einflussreichen Fußball-Lobbyisten, den Vertrauten des FIFA-Exekutivmitglieds und Multi-Unternehmers Franz Beckenbauer. Gerade, etwas unangenehm, musste Radmann in Salzburg vor dem Olympia–Untersuchungssausschuss über die Finanzflüsse der einstigen Olympiabewerbung aussagen. Radmann war kurze Zeit Geschäftsführer des Projekts Salzburg 2014, dankte dort unter merkwürdigen Umständen schnell wieder ab. Er führte gesundheitliche Gründe an – gerüchtehalber wurde ihm allerdings eine Nähe zum russischen Konkurrenten Sotschi nachgesagt, der im Juli 2007 den Wettbewerb um die Olympischen Winterspiele 2014 gewann. Radmann hat derlei Verbindungen stets bestritten.
Derzeit werkelt Radmann für Australiens Bewerbung um die Fußball-Weltmeisterschaft 2022. Australien ist bisher gegenüber den USA und Katar klar favorisiert (Japan und Südkorea spielen keine Rolle). Beim FIFA-Kongress kürzlich in Johannesburg saß Radmann wieder ganz weit vorn bei den Ehrengästen, neben ihm Peter Hargitay, der langjährige PR-Berater des FIFA-Präsidenten Joseph Blatter. Auch Hargitay – gebürtiger Ungar, Schweizer Staatsbürger mit Lebensmittelpunkt in London – arbeitet für Australiens WM-Projekt. Down Under machen die Summen, die Radmann und Hargitay kassieren sollen, seit Dienstag Schlagzeilen.
Die Stories wurden Nick McKenzie und Richard Baker recherchiert und erscheinen in den Zeitungen der Fairfax-Gruppe (The Age, SMH etc.), die wichtigsten Beiträge und deren Weiterungen bislang:
- Sydney Morning Herald: „Secret millions grease World Cup bid“
- Sydney Morning Herald: „Tortuous trail of our World Cup bid“
- The Guardian: „Fifa investigates claims of Australian World Cup 2022 bid gifts“
- Ben Buckley, CEO der Football Federation Australia /FFA) im SMH: „Fighting for the World Cup – but by the rules“
Australiens Regierung, mit 45,6 Millionen Dollar Hauptsponsor der Bewerbung, sollen einige Ausgaben-Details verheimlicht worden sein. So weit ich weiß, können die Kollegen ihre Recherchen mit zahlreichen Dokumenten belegen – bin da recht optimistisch. „Geheime Millionen schmieren WM-Bewerbung“, titelt der Herald. Wofür sind 6,5 Millionen Dollar an Fußballverbände in Afrika, Asien und Ozeanien gezahlt worden?
Berichtet wird auch über einen Finanztopf von insgesamt 11,37 Millionen australischen Dollar (knapp acht Millionen Euro) inklusive Bonuszahlungen für die beiden Lobbyisten. Radmann soll über die Münchner Agentur seines langjährigen Geschäftspartners Adreas Abold, die ebenfalls Australiens Bewerbung betreut, bis zu 3,5 Millionen Dollar Honorar plus rund vier Millionen Erfolgsprämie erhalten, wenn Australien im Dezember die WM-Ausrichter wird. Im FIFA-Exekutivkomitee stimmt Radmanns Freund Beckenbauer mit ab. Die engen Beziehung zwischen Beckenbauer und Radmann sind Legende, manche sprechen von einer Symbiose. Eine Episode nur aus Südafrika – bittet man Beckenbauer um einen Gesprächstermin, sagt der: „Klären’s das mit dem Fedor!“
Der Fedor klärt vieles. Der Peter auch.
Peter Hargitay, vormals „Special Advisor to the FIFA President“ im „Presidential Office“, der angeblich erstklassige Beziehungen zu den FIFA-Exekutivmitgliedern Mohammed Bin Hammam (Katar) und Jack Warner (Trinidad) unterhält, soll in Australien 1,35 Millionen Dollar Honorar und einen Erfolgsbonus von 2,54 Millionen erhalten. Hargitay war zuvor gemeinsam mit dem langjährigen FIFA-Kommunikationsdirektor Markus Siegler für Englands Bewerbung tätig, bis der damals frisch inthronisierte Verbandspräsident Lord David Triesman den Vertrag auflöste. Inzwischen ist auch Triesman nicht mehr dabei – nachdem kürzlich seine Plaudereien über Korruption bei der WM-Vergabe und bei der Schiedsrichter-Bestellung der Weltmeisterschaft 2010 publik wurden.
Hargitays Tätigkeiten für WM-Bewerbungen wurden im Blog mehrfach thematisiert:
- Peter Hargitay und die FIFA: Fakten, Gerüchte, Freundschaften und Mandate
- Hargitay/Siegler: „Ungefähr zwölf Stadien“: Bewerbungen um die Fußball-WM 2018 und 2022
Andrew Jennings im Februar 2010 auf Transparency in Sport:
Die Agentur Abold soll mit dem australischen Verband FFA einen Vertrag in Höhe von drei Millionen Dollar abgeschlossen haben. Andreas Abold, der zuletzt die siegreichen WM-Bewerbungen von Deutschland und Südafrika betreute, erklärt auf meine Anfrage:
Bitte sehen Sie mir nach, dass ich Ihre Frage leider nicht beantworten kann. In meinem Vertrag habe ich mich zur Verschwiegenheit bezüglich der Inhalte verpflichtet. Dies einseitig, ohne Zustimmung des Verbandes aufzuheben ist mir nicht möglich. Kann Ihnen daher nicht so viel weiterhelfen.
Hargitay spricht von einigen „unwahren“ Behauptungen in den Berichten. Seine Firma ECN erhalte von der FFA lediglich 25.000 britische Pfund (rund 31.000 Euro) pro Monat. Ein Bonus, über dessen Höhe Hargitay nichts sagt, sei selbstverständlich vereinbart – das sei üblich und deshalb kaum überraschend.
Peter Hargitay schreibt u.a.:
Our consultancy, ECN Ltd., have a contract with the FFA. The monthly consulting fee to ECN Ltd. is GBP 25’000.00.
This covers the remuneration for a team of three consultants and support staff. How this reality tallies with the nonsensical and ludicrous claims that I have read in some Australian media, is beyond comprehension.
We shall indeed receive a bonus payment if we win the Bid. Why exactly is that surprising? Please revert to the FFA for further details.
Fedor Radmann, dem insgesamt 7,5 Millionen Dollar zugeschrieben werden, erklärt schriftlich:
Die erwähnten Summen sind nicht zutreffend. Einen Bonus als gegeben anzusehen ist unzulässig, da er eine Hypothese darstellt. Bestenfalls.
Ich habe ihn auch danach gefragt, ob er – wie auf den Fluren gefunkt wird – zugleich für Russlands WM-Bewerbung 2018 tätig ist. Er sagt:
Dämliches Gerücht. Absoluter Käse.
Zu seinem besten Freund im FIFA-Exekutivkomitee und seinen Australien-Geschäften sagt Radmann:
Franz Beckenbauer ist in keiner Weise eingebunden, noch irgendwie involviert.
Die Grauzone des Bewerber- und Consultantgewerbes ist Radmanns Element. Der Lobbyist gerät immer wieder in die Schlagzeilen, wegen einiger Geschäfte, die mindestens ein Gschmäckle und den Geruch der Vetternwirtschaft haben. So war das seinerzeit auch in Deutschland, als er als Vize des WM-Organisationskomitees 2006, in dem seine Frau für „Unterbringung und Tourismus“ und den FIFA-Kongress zuständig war, zurücktreten musste, aber weiter die graue Eminenz im Hintergrund blieb. (Wer mehr wissen will: Einfach mal googeln, es finden sich hunderte Beiträge mit allen Details.)
Seine sportpolitische Ausbildung erhielt Radmann wie so viele andere, die bis heute im Geschäft sind, bei Adidas-Boss Horst Dassler, der den Weltsport einst mit einem Korruptionsgeflecht überzog, in dessen Zentrum die Marketingagentur ISL stand. (Radmann hat einst ebenfalls für die ISL gearbeitet – dies nur als Fakt, ohne dass ich damit einen Zusammenhang herstellen will.) Dokumentiert sind seitens der ISL-Gruppe Schmiergeldzahlungen von mindestens 138 Millionen Schweizer Franken. Vor einer Woche erst wurde bekannt, dass sich hohe Funktionäre des Fußball-Weltverbandes FIFA, die vom ISL-Konglomerat bestochen wurden, in einem Deal mit der Staatsanwaltschaft Zug mit 5,5 Millionen Franken freigekauft haben – ihre Namen bleiben geheim.
Fedor Radmanns Verpflichtung in Australien, auch das gibt der Geschichte eine pikante Note, geht auf einen Deal zwischen dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der FFA zurück. Die Abmachung lautete: Australien zieht seine favorisierte Bewerbung um die Frauen-WM 2011 zurück (die dann Deutschland erhielt), dafür unterstützt der DFB Australiens Männer-WM-Bewerbung mit Knowhow und Stimmen. Seit wir im Dezember 2009 in Kapstadt erstmals über seine Tätigkeit für Australien gesprochen haben, verweist Radmann, wie jetzt auch wieder, stets auf
die Vereinbarung zwischen DFB und FFA und meine diesbezügliche Beratung.
Bin gespannt, was die Kollegen in Australien noch an Details und Dokumenten veröffentlichen. Hier werden einmal mehr typischen Konflikte in der FIFA-Familie herausgearbeitet, die in der FIFA-Familie aber nicht als Interessenkonflikte wahrgenommen werden, sondern Aggregatzustand sind. Warum sollen Berater, Freunde, Familienmitglieder, Kommunikationsdirektoren etc. pp. nicht später (oder gleichzeitig, das auch manchmal) für WM-Bewerber, Mäzene, Vereinspräsidenten, Agenturen etc. pp. arbeiten? Wo ist das Problem? Was kann der Peter schon dafür, dass er den Sepp so gut kennt, was kann der Fedor dafür, dass er mit dem Franz und überhaupt, und der Andreas wird immer nur ungerecht behandelt, wenn seine Verbindung zum Fedor erwähnt wird, der Franz hat damit, wie der Sepp, doch gar nichts zu tun, den schließlich gibt es stets vielfältige Lebenssachverhalte und in der Familie läuft man sich halt über den Weg, na logisch. Da schuftet und rackert man, der Peter, der Fedor, der Sepp, der Franz, der Jack. Und wofür? Nur dafür:
„was wir zu klären haben, klären wir in der Familie.“ oder so
Off-Topic, aber vielleicht trotzdem interessant:
Die taz hat im taz-Hausblog ihren Juni-Bericht über ihre Flattr-Einnahmen online.
(Zitate verkürzt)
Eine zynische Bemerkung gibt es dazu in den Kommentaren: Super, von dem Geld könnt Ihr ja zwei neue Redakteursstellen schaffen.
Ich verbleibe in Vorfreude auf den Beitrag mit der Kontonummer …
heute ebenfalls in der taz: Perlenketten für die Fifa:
BESTECHUNGSVORWURF. Australien bewirbt sich mit unlauteren Mitteln um die Austragung der Fußball-Weltmeisterschaft 2022.
sieht so aus, als ob das thema von keinem anderen deutschsprachigen Printmedium aufgegriffen wurde.
ich mag an dem taz-artikel ja vor allem das abschließende zitat:
The Age: „FFA says documents ‚internal and informal'“
Daraus macht die Konkurrenz:
The Australian: „Aussie World Cup bid bosses cleared of deception“
Am folgenden Beispiel sieht man, wie merkwürdig in so genannten olympischen Insiderdiensten gearbeitet wird. Keine Quelle, nichts, kein Link zum Verursacher/Original, also zu australischen Zeitungen, die damit Stunden früher auf dem Markt waren – Inside Word Football heißt der (Abschreibe)-Dienst: Australia World Cup bid cleared by Government
@ 5: ja, es ist wahrscheinlich einfacher, eine schmissige schlagzeile zu bilden als sich durch komplizierte zusammenhänge zu wühlen. dennoch: mir erscheint die von The Age zitierte stellungnahme der australischen regierung zur doppelten buchführung des fußballverbandes
eher ein schmallippiger formelkompromiß zu sein (mist, öffentlich geworden!) als eine distanzierung oder gar die ankündigung eines kurswechsels in der australischen WM-bewerbungskampagne.
insofern kann man das durchaus als „billigung durch die australische Regierung“ interpretieren.
laufen eigentlich die vergaben der frauen-WM (z.b. D 2011) genau so transparent, bestechungsfrei und demokratisch kontrolliert ab? oder gibt die FIFA da noch etwas dazu, damit sich überhaupt ein ausrichter findet?
werden denn wenigstens die oben gennannten ihre Gelder erhalten?
(Jens im DLF)
Explodierende Finanzprobleme der WM-Organisatoren
Pingback: Südafrika, Tag 31: Ein Gruß aus Nordkorea : jens weinreich
Hier ein Bericht über korrupte Funktionäre aus dem FIFA-Exekutivkommitee, die von 2 Journalisten der Sunday Times bei Bestechungsversuchen zur WM-Vergabe 2018 und 2022 gefilmt wurden. Die Originalquelle (mit Videos!) ist leider kostenpflichtig.
Kleiner Lapsus von Adamu. Er meinte verkauft.
Sehr lustig. Bloß: Das ist doch gar keine Korruption, wenn der Neuseeländer zehn Millionen vom dem einen, zwölf Millionen vom nächsten und noch drei Millionen vom Ami nimmt. Das nennt man: Entwicklungshilfe.
Frage mich einmal mehr, wie der Fedor mit dem Franz das gedeichselt hat bzw. wie der Fedor das jetzt wieder deichselt mit den Australiern.
Sepp, bitte richtig stellen, wie das mit der Entwicklungshilfe so läuft – in der Familie.
Kann leider nichts dazu schreiben, fliege gerade über den großen Teich. Schätze der Originalartikel liegt hinter Mudochs Bezahlschranke ;)
ja, hinter der paywall versteckt. und im gegensatz zur berühmt-berüchtigten version des hambuger abendblatts, die sich in sachen durchlässigkeit eher an der berliner mauer orientiert, reicht es auch nicht aus, sich einfach als msnbot zu verkleiden… :(
aber wer das pfund bezahlen will: das hier müsste der originale artikel sein (ohne gewähr).
der spiegel (bzw. diverse nachrichtenagenturen) hat das aber offenbar getan und kann daher noch mit ein paar interessanten zitaten aus der „times“ aufwarten. so werden wohl noch „weitere exko-mitglieder“ mit der aussage zitiert, dass man sich ohne zahlungen keine großen hoffnungen auf die austragung machen brauche, weswegen auch die engländer kaum eine chance haben werden, da man mit denen „keine geschäfte“ machen könne. außerdem gibt es aus erster hand auch noch zwei praktische tips für effektive finanzielle entscheidungshilfen:
1. keine zweckbindung, und
2. keine peanuts (soll heißen: weniger als 1mio pfund) anbieten.
tja, das waren noch zeiten, wo man die exko-mitglieder noch mit kuckucksuhren und schwarzwälder schinken beeindrucken konnte!
Hier noch das DLF-Interview mit Thomas Kistner zum FIFA™-Thema des Tages:
http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2010/10/17/dlf_20101017_1916_048e5e46.mp3
Gab es eigentlich eine Untersuchung, ob Deutschland im Zusammenhang mit der WM 2006 auch überproportional viel „Entwicklungshilfe“ an die Länder mit Vergabe-Stimmrecht gezahlt hat? Vielleicht sogar über offizielle Kanäle der Bundesministerien?
Ich kann mir ja kaum vorstellen, dass das damals anders gelaufen ist – Kuckucksuhr hin oder her.
Kistner und Schulze (2001): Die Spielmacher – Strippenzieher und Profiteure im deutschen Fußball
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@ Herr Holle / zu # 15/16:
Thomas Kistner in der SZ: Angebote für Marangos
„Marketingexperte“ Fedor Radmann heute in der Münchner Runde zum Thema Hoeneß!?
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