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Das Olympische Bildungsmagazin

Schwere Niederlage für Hyundai-Chung: Jordaniens Prinz Ali wird FIFA-Vize

DOHA. Moin, moin. Habe meinen Winterschlaf beendet und wünsche allen, die hier vorbei schauen, ein angenehmes Jahresende – Glück, Gesundheit, Liebe, Reichtum, was auch immer. Melde mich zurück im Dienst. Das neue Jahr beginnt für mich so, wie das alte endete – im Kreise meiner ganz speziellen Lieben, im Kreise der FIFA-Familie, mit einem kleinen Live-Blog.

Willkommen in Doha, der selbst ernannten neuen Welthauptstadt des Sports. (Was sie wohl in Lausanne dazu sagen, in der Capitale Olympique der alten olympischen Weltordnung?)

Ich habe Sepp, dem Mann mit der akuten Wahrheits-Allergie, vor wenigen Minuten ein gesundes neues Jahr gewünscht. So viel Höflichkeit muss sein. Gerade marschierte er, begleitet von den FIFA-Vizepräsidenten Issa Hayatou und Chung Mong-Joon, in den Sitzungssaal des Sheraton Hotels ein, wo im Oktober 2003 mal ein FIFA-Kongress tanzte. Diesmal steht an: der 24. Kongress der Asian Football Confederation (AFC), ein Heimspiel für Mohamed Bin Hammam, den AFC-Präsidenten, langjährigen Blatter-Wahlhelfer, WM-Gastgeber 2022 und Freund des Emirs von Katar.

Bin Hammam, der heute wiedergewählt wird, spricht gerade seine Neujahrswünsche an die „liebe Familie des Fußballs in Asien“ aus, er begrüßt übrigens auch seine „Freunde in den Medien“. Wie nett. Er hat, das steht mal fest, trotz aller böser Geschichten und gelegentlicher harter Worte, mitunter durchaus Stil. Wir hatten gestern im Ritz Carlton einen Small Talk, denn anders als manche Kollegen in FIFA und IOC hat Bin Hammam kein Problem, mit lästigen Berichterstattern zu kommunizieren.

Andererseits … ach, lest doch selbst! Mein erster Lesebefehl 2011:

Ein Auszug:

I would be lucky to be, not half the man you are, but quarter of the man you are. And I wish I could leave a legacy in our country as strong as yours. You’re a trendsetter and, most importantly, you helped make history for our people and for our family. (…)

Your efforts to get us the world cup finally put mom, you, myself and my brothers and sisters on the map; it put the citizens of Qatar on the map. And, I think it is safe for me to say that I speak on behalf of all Qataris when I say that without you, this couldn’t have happened. We appreciate your efforts.

And to speak for myself, I love you, and you are my idol. I may not want to be involved in the field of sports by the time I finish college, but I would love to be the reflection of you.

One day, I will speak French, Spanish, German and Hebrew for you so I can show people that I was raised in golden, open-minded arms. Just like you showed the world, I will show Qatar that I, too, can be of great significance. And I will owe it all to you. (…)

Nach der skandalumtosten WM-Doppelvergabe 2018/2022 bleibt es spannend in der Fußballfamilie. Heute Mittag, zum Beispiel, wollen Blatter und Bin Hammam, die sich gar nicht mehr so innig mögen, den Milliardär Chung Mong-Joon, Mr. Hyundai, aus dem FIFA-Exekutivkomitee vertreiben. Bin Hammam und Chung mochten sich noch nie – eine bizarre Zuspitzung des Konflikts gab es vor zwei Jahren beim AFC-Kongress in Kuala Lumpur, als Chung den Kollegen Bin Hammam als „geisteskrank“ bezeichnete, und der Sportkamerad Bin Hammam erklärte:

Wer sich mir in den Weg stellt, dem schlage ich Kopf, Hände und Beine ab.

Und das in einem Verband, dessen Slogan heißt: „The future is Asia“.

Damals, im Mai 2009, desavouierte Blatter den Kameraden Bin Hammam auf unvergleichliche Weise, indem er die Kandidatur des bahrainischen Scheichs Salman für das FIFA-Exekutivkomitee unterstützte – er wollte Bin Hammam, einen potenziellen Kandidaten auf die FIFA-Präsidentschaft, aus dem Weg räumen.

Heute, im Januar 2011, will Blatter einen weiteren Kandidaten auf die FIFA-Präsidentschaft aus dem Weg räumen – den Hyundai-Chung. Wenn Prinz Ali (Biographies of the Royal Hashemite Family), Bruder der IOC-Mitglieder Prinzessin Haya und Prinz Feisal, FIFA-Vize würde, wäre Chung draußen und trotz seines unglaublichen Reichtums kaum in der Lage, Blatters Wiederwahl am 1. Juni zu gefährden.

[youtube HZmk2ELpZLY nolink]

Andererseits: Natürlich könnte Chung dennoch für den FIFA-Vorsitz kandidieren, was er gelegentlich ja angekündigt hat. Dies wäre seine einzige Möglichkeit, außer als Sponsor, weiter im großen Fußballgeschäft zu wirken. Will er das? Würde er sich an Sepp rächen wollen? Oder will er 2012 lieber Präsident Südkoreas werden?

Fragen über Fragen.

Einfacher geht’s leider nicht.

Andrew Jennings hat die AFC-Wahlschlacht in seiner unnachahmlichen Weise am Wochenende beschrieben. Mein zweiter Lesebefehl:

If the plan dreamed up by Blatter and Qatar’s executive committee member Mohamed bin Hammam to replace Chung with the young prince succeeds it will put the control of Asian football firmly in the Gulf and remote from the rest of the vast region.

Und, um die Verwirrung komplett zu machen, gleich noch ein dritter Lesebefehl. Gestern hat Mike Collett für Reuters ein langes Interview mit Bin Hammam geführt. Bin Hammam schloss eine Kandidatur für den FIFA-Vorsitz in diesem Jahr nicht aus. Er hat nicht „nein“ gesagt. Er hat nur gegrinst. Und er wusste genau, was er damit für Schlagzeilen auslöst, wie er mir am Nachmittag selbst bestätigte.

Das Interview, in dem Bin Hammam auch seine Schwierigkeiten mit Blatters putziger Idee eines Antikorruptions-Komitees einräumte, zieht Kreise. „Blatter may face challenge from Mohamed Bin Hammam after he expresses annoyance„, schreibt Inside World Football. „Bin Hammam blasts Blatter and hints at run for FIFA presidency“ schreibt der World Football Insider der nicht in Doha ist.

Die Wahl kann beginnen.

Und in Doha ist erstmal Teepause.

9.44 Uhr: Arabisches Gebäck ist wirklich köstlich. Wer wüsste das nicht. Das darf so bleiben bis zur WM 2022. Nur sollte der Emir bis dahin endlich Nichtrauchergesetze einführen. Denn es qualmt überall in Doha, so wie in Deutschland im vergangenen Jahrtausend. Sehr unangenehm. Emir Hamad, handeln Sie!

9.48 Uhr: Und schon ist Mohamed Bin Hammam im Amt bestätigt. Per Akklamation. Es ist seine dritte und letzte Amtszeit. Obwohl, man soll nie nie sagen. Bisher allerdings hat Bin Hammam stets die Amtsregeln der AFC gepriesen, die anders als die der FIFA eine gewisse Beschränkung auferlegen.

9.51 Uhr: Bin Hammam räumt Prinz Ali und Chung fünf Minuten Redezeit ein.

Chung beginnt und spricht, ganz Koreaner, von „Einheit“ und „Harmonie“. Er lobt sogar Bin Hammam und die Entwicklung der AFC. Was tut man nicht alles für ein Amt. Womöglich fällt ihm das schwerer, als ein paar Millionen zu spendieren. Who knows. Er spricht seine FIFA-Freunde mehrfach direkt an. Wünscht sich mehr echte Fußballstadien in Asien, ohne störende Laufbahnen. Und er will den Frauenfußball in Asien entwickeln, whoops, ob das hier jemanden interessiert?

10.01 Uhr: Chung hat zehn Minuten gesprochen. Nun kommt His Highness Ali bin Al-Hussein. Er macht’s kurz. Keine zwei Minuten. „Unite Asia“, viel mehr hat er nicht zu sagen. Nun wird abgestimmt und der Art, wie ich es mag: ohne elektronisches Voting-System wie in FIFA oder IOC. Hier wird noch jede Nation einzeln aufgerufen, die Delegierten stecken ihre Stimmzettel in eine Wahlurne.

10.08 Uhr: Die Sache ist echt transparent. Zumindest die Wahlurne, die gläserne.

10.26 Uhr: Tja. Prinz Ali ist neuer FIFA-Vizepräsident. 25 von 45 Stimmen für ihn. Schwere Niederlage für Hyundai-Chung.

10.52 Uhr: Einmal mehr clever vom Sepp: Den Sponsorenvertrag mit Hyundai-Kia bis 2022 hat die FIFA vor wenigen Wochen gesichert – nun tritt man Chung in den Hintern.

Flink nochmal in der Pressemitteilung vom November gestöbert:

Wir freuen uns riesig über die Fortsetzung der Partnerschaft mit Hyundai-Kia als FIFA-Partner, der damit in den Jahren 2018 und 2022 zwei weitere Ausgaben der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft unterstützen wird. Unsere Partnerschaft zeugt von einer gemeinsamen Philosophie und der beiderseitigen Leidenschaft für den Fussball. Wir danken Hyundai und Kia für die fortwährende Unterstützung und Partnerschaft“, sagte FIFA-Präsident Joseph S. Blatter. (…)

„Wir sind zuversichtlich, dass unsere Firmenwerte und die Vision, dass der Fussball zu einer besseren Welt beitragen kann, durch die Fortsetzung der Partnerschaft noch stärker werden. Wir freuen uns, die erfolgreiche Partnerschaft auf die nächste Stufe zu heben, indem wir gemeinsam auf unsere Ziele hinarbeiten“, betonte Mong-Koo Chung, Präsident und Geschäftsführer der Hyundai Motor Group.

11.06 Uhr: Die wichtigsten Personalien sonst noch: Worawi Makudi (Thailand) bleibt FIFA-Exekutivmitglied. Neu in der FIFA-Führung: Vernon Manilal Fernando aus Sri Lanka – noch eine, nun ja, schillernde Figur.

Wer sich einlesen mag:

11.19 Uhr: Kuwaits Scheich Al-Sabah, IOC-Mitglied und Präsident des Olympic Council of Asia (OCA), verkündet bereits, dass jene 25 Nationen, die gerade für Prinz Ali gestimmt haben, am 1. Juni in Zürich auch für Blatter stimmen werden.
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13 Gedanken zu „Schwere Niederlage für Hyundai-Chung: Jordaniens Prinz Ali wird FIFA-Vize“

  1. @malik
    was denn für ein handy? (browser, bildschirm)
    und was heißt seltsam? (ein screenshot würde nicht schaden)
    erst neuerdings oder schon immer?

    @thema
    darf man jetzt eigentlich sagen, dass der kollege chung von seinen ehrenwerten freunden über den tisch gezogen wurde? hat er sich zu sicher gefühlt? oder ist das bezuschussen der fifa für hyundai so wichtig, dass der vertrag auch nach dem „rausschmiss“ chungs aus der tafelrunde verlängert worden wäre? und ist der neue nun ein mann bin hammams oder doch eher von scheich al-sabah (die beiden waren sich doch zuletzt nicht gerade grün)? und ist dessen versprechen, die 25 prinz-ali-stimmen würden in zürich geschlossen an den heiligen sepp gehen, auch dann noch zu halten, wenn bin hammam tatsächlich ernst machen und zum großen duell antreten sollte?

  2. Pingback: Daniel Drepper » Blog Archive » Die Sport-Woche (4)

  3. Pingback: Schwere Niederlage für Hyundai-Chung: Jordaniens Prinz Ali wird …

  4. Wenn Herr Chung sich vorher entschieden hätte, nicht zu sponsern, wäre er von Anfang an rausgewesen. Sowas weiß man ja vorher nie als Geldgeber.

    Darf ich mal, @jw:, mal indiskret fragen, was eine Übernachtung in Doha so kosten kann? Ich reise nämlich auch sehr gern.

  5. @ nocheinjurist: Hier mal eine kleine Auswahl, sogar während des Asian Cups.

    Generell gilt, glaube ich, in den Emiraten und in Katar, für den Preis eines stinknormalen deutschen Hotelzimmers, teilweise sogar für Ibis-Preise, können Sie dort in vier oder sogar Fünfsterne-Herbergen übernachten. Als ich im FIFA-Hotel in Doha beim Sepp Wache schob, im Four Seasons, habe ich mal geschaut, was die so nehmen: mehr als 500 Euro. Und, nur so aus Spaß, dann mal auf Trivago einen fiktiven Termin eingegeben: Da gab es selbst das Four Seasons für 200.

    Beim Wache sitzen in derlei Hotels können die Nebenkosten (Kaffee etc, abends ein Drink) aber absolut nerven. Diese Kosten ziehen auch in Katar mächtig an, eine Frechheit. Putzig: Habe mich vorhin gerade mit einem Kollegen drüber unterhalten, wie diese FIFA-IOC-IAAF-Herrschaften sich allein schon durch die Wahl der teuersten Absteigen nutzlose Journalisten vom Halse halten können.

  6. Kommt mir das bloss so vor, oder wurde dieser text des Hausherrn hier noch nicht verlinkt?

    Und könnte mir an der Stelle mal jemand erklären, mit Hilfer welcher Ressourcen ausgerechnet Jordanien diese Stellung im Weltsport erreicht hat? Ich meine, bei Katar, der Schweiz oder Südkorea kann man sich das irgendwie vorstellen, aber Jordanien? Muss ich meine Geographie-Kenntnisse ausbessern, oder ist das nicht doch nur irgendein staubiges Stück Brachland zwischen Israel und dem Irak? Ohne Öl, ohne Wasser, ohne Industrie, ohne Infrastruktur? Reicht da wirklich schon, dass es sich um ein sunnitische Staatsmonarchie mit arabischer Spraxche und Kultur handelt? Ist das nicht ein bisschen dünne?

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