Ein Mann, ein Wort. Ich habe Richard Pound gefragt, ob die Korruption im Exekutivkomitee des Fußball-Weltverbandes FIFA und bei der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften 2018 und 2022 nicht endlich durch eine internationale Untersuchungskommission aufgearbeitet werden müssen.
Natürlich, sagt Dick Pound:
Well, if I wanted to do a serious and credible job, I would be sure to have at least some non-FIFA people on the commission. I would also ask for some law enforcement assistance.
I would also make the terms of reference public, to demonstrate that I was serious. I would also set up a mechanism to permit anyone with knowledge to provide it, even on anonymous basis, if necessary.
Samaranch chaired our Reform Commission, but did not sit on my ad hoc Investigation Commission. If I were Blatter, I would do the same. We also had outsiders on that Reform Commission, in addition to IF and NOC representatives, so it might be wise to have some NFs on the FIFA Commission.
Ich bin überzeugt, dass Richard Pound am Montag (3. Oktober) in Köln am ersten Tag der Konferenz Play the Game die beste Rede halten wird, die je ein hochrangiger Sportfunktionär zum allgegenwärtigen Korruptionsthema abgeliefert hat. Pound stellt die Existenzfrage.
To be or not to be.
Ich habe mich in den vergangenen Tagen mit Dick Pound ausgetauscht und kann einige seiner Thesen vorab vorstellen. Der nachfolgende Text ist eine Überarbeitung eines Beitrages, der heute in einigen deutschen und Schweizer Tageszeitungen (Berliner Zeitung, Frankfurter Rundschau, Basler Zeitung, Berner Zeitung u.a.) erschienen ist.
Ich habe den Text um einige Zitate ergänzt, damit es meinen englischsprachigen Lesern etwas leichter fällt :)
Sports officials, governments and regulators have not addressed the problem of corruption in sport with anything like the vigour required to deal with such activities which, sadly, have become endemic and have badly wounded the integrity of competitive sport and put into question the results of many competitions.
There have been, of course, the usual statements in support of fair play. Equally sadly, the pious statements have not been matched by the necessary actions to ensure that what is promised is actually delivered.
In the result, the credibility of sports officials and even of sport itself is now very much in question …
… sagt der Kanadier Richard Pound. Mit für hochrangige Sportfunktionäre ungewöhnlich klaren und scharfen Worten analysiert er die Lage: „Wenn wir den Weg des professionellen Wrestlings beschreiten und uns irgendwo zwischen Zirkus und Farce positionieren wollen, müssen wir nur so weitermachen wie bisher.“ Dann sei der Sport am Ende.
Korruption sei „die größte Gefahr des organisierten Sports“ und viel größer als das „begrenzte Problem“ des Dopings, das Pound als eine Sonderform der Korruption bezeichnet. „Die überwältigende Mehrheit“ der 35 olympischen Weltsportverbände habe keine Maßnahmen zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung entwickelt. Die meisten Verbände und Funktionäre seien sich des existenziellen Problems nicht bewusst. „Wenn die Sport-Autoritäten die Probleme negieren und alles tun, was nötig ist, dann müssen sie die Konsequenzen tragen.“
Richard Pound war über lange Jahre eine der prägenden Figuren der olympischen Welt. Der Jurist aus Montreal hat dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC), dem er seit 1978 angehört, als Marketingchef Milliardenverträge mit TV-Anstalten beschert und hat das olympische Vermarktungsprogramm (TOP) mit Sponsoren aufgebaut. Er war von 1999 bis 2007 Gründungspräsident der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA). Er führte im Bestechungsskandal um die Olympiastadt Salt Lake City 1999 die hausinterne IOC-Prüfungskommission und rettete in jenen heißen Monaten als eigentlicher Präsident das IOC vor dem Untergang.
Persönlich hat ihm das geschadet. Denn Pound, der Wahrheiten stets offen ausspricht, kandidierte 2001 vergeblich für die IOC-Präsidentschaft. Er erhielt nicht nur weniger Stimmen als der Belgier Jacques Rogge, sondern auch weniger als der schwer korrupte und inzwischen aus dem IOC verbannte Südkoreaner Kim Un Yong.
Pounds Wort hat dennoch Gewicht in der Welt – vor allem unter den Sponsoren des Milliardenbusiness. Wenn einer wie er vor der Gefahr des Untergangs warnt, weil Korruption auf allen Ebenen die Integrität des Sports schwer beschädigt hat und die Verbände kaum etwas dagegen tun, ist das ein Signal, das nachhallen wird.
Im Mittelpunkt von Pounds vehementer Kritik stehen die mächtigsten und reichsten olympischen Institutionen: das IOC und der Fußball-Weltverband FIFA.
Dem IOC wirft Pound vor, das Korruptionsproblem zu vernachlässigen, die Fachverbände nicht genügend unter Druck zu setzen, sich auf das falsche Feld zu konzentrieren und durch eine unklare Begriffsbestimmung das Thema zu verwässern: Korruption wird im IOC, von Präsident Jacques Rogge und seinen Exekutivmitgliedern, neuerdings mit dem illegalen Wettgeschäft gleichgesetzt.
Das Grundsatzproblem aber ist Korruption in den eigenen Reihen, auf allen Ebenen, national, international, unter Funktionären, Kampfrichtern, Sportlern, Vermarktern. „Sportverbände neigen dazu, die Verantwortung auf Regierungen abzuschieben und übernehmen nicht einmal Verantwortung für ihren eigenen Bereich“, rügt Pound.
Der so genannte Wettgipfel, den das IOC Anfang des Jahres in Lausanne mit handverlesenen Teilnehmern abgehalten hat, und auf dem das Thema Korruptionunter Funktionären und Sportlern nicht angesprochen werden durfte, sei eine Enttäuschung gewesen.
The most disappointing aspect for me about the IOC initiative was the response of many of the sports officials involved.
Instead of focusing upon the problem of corruption, many of them saw the meeting as an opportunity to advance the proposition that, because betting agencies have a profitable business in relation to sports events, the betting agencies should share those revenues with the sports organizations.
Ich fragte Richard Pound u.a.:
Why did Jacques Rogge lost the track? Any explanation?
Seine Antwort:
If the IOC is going to take any lead in this matter, it is going to have to be much stronger in what it says and what it does. This [corruption in sport] is potentially much more serious than mere doping, which, in any event, is no longer led by the IOC, but by WADA. All the IOC does these days is to say that it has a Zero Tolernace policy.
Vom IOC verlangt Pound stattdessen klare Vorgaben für alle Sportverbände, Korruption in jeder Form zu bekämpfen. Bislang taucht die Vokabel Korruption im Grundgesetz der Branche, der Olympischen Charta des IOC, nicht einmal auf. Sich dem Problem zu stellen und Präventionsmaßnahmen zu entwickeln, sei keine Frage des Geldes, sondern eine Grundsatzentscheidung über Sein oder Nichtsein.
Pound wird seine umfassenden Empfehlungen zur Korruptionsbekämpfung am Montag zur Eröffnung der Konferenz „Play the Game“ in Köln vorstellen. Er sympathisiert weiter mit der Gründung einer Welt-Anti-Korruptions-Agentur (WACA) des Sports, die allerdings eine völlig neue Struktur aufweisen müsse, wofür die WADA kein Vorbild sei.
Die FIFA habe unter Präsident Joseph Blatter ihre Glaubwürdigkeit längst eingebüßt. Sie beweise weder den Willen zur Transparenz, noch leite sie nach den flächendeckenden Korruptionsfällen Lösungen ein. Pound empfiehlt deshalb die Einrichtung einer Kommission, die Korruption im FIFA-Exekutivkomitee und bei der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften 2018 und 2022 untersuchen sollte. Voraussetzung seien die Einbeziehung von Kriminalisten und Strafverfolgungsbehörden sowie wirksame Mechanismen zum Schutz von Whistleblowern.
In my respectful opinion, FIFA has fallen far short of a credible demonstration that it recognizes the many problems it faces, that it has the will to solve them, that it is willing to be transparent about what it is doing and what it finds and that its conduct in the future will be such that the public can be confident in the governance of the sport. At the moment, I do not believe that such confidence exists or would be justified if it did.
Auch die Medien spart Pound in seiner Kritik nicht aus. Zu wenige Journalisten und Medienunternehmen betreiben investigativen Journalismus. Zu wenige seien anTransparenz und der Aufdeckung von Korruptionsfällen und anderen Machenschaften interessiert.
Nationalen Regierungen empfiehlt Pound, von Sportverbänden absolute Transparenz und wirksame Antikorruptions-Mechanismen als Voraussetzung für die Förderung mit Steuermitteln zu verlangen. Den Geldgebern aus der Wirtschaft gibt er auf den Weg: „Ich würde Sponsoren raten, auf Antikorruptionsregeln zu bestehen. Bei Korruptionsfällen würde ich dann sämtliche Zahlungen von den Sportverbänden zurückverlangen plus einer angemessenen Entschädigung für den aufgetreten Imageschaden.“
Sollten sich Sponsoren verabschieden, sagt Richard Pound, „würde der organisierte Sport von der Bildfläche verschwinden“.
If sponsorship disappears from organized sport, organized sport disappears from the face of the planet.
* * *
Offenlegung: Richard Pound ist Chef des Advisory Boards von Play the Game, ich bin Mitglied der Programmkommission der diesjährigen Konferenz. Beide Jobs sind, natürlich, ehrenamtlich.
Im Zusammenhang mit der Fifa möchte ich mal auf http://leastthing.blogspot.com/ aufmerksam machen. Ein relativ neuer Blog über Sportpolitik vom amerikanischen Politologen Roger Pielke, der sich auch mit der Fifa beschäftigt. Wer sich für das Thema oben interessiert, dürfte bei Pielke auch einige interessante Artikel entdecken.
Stefan K.: Deshalb spricht Pielke ja auch am kommenden Donnerstag auf Play the Game :)
Überzeugender Vortrag von Richard Pound.
Leider vermisse ich ähnlich klare und starke Wort zur schlampigen, zögerlichen und letztendlich nicht selten hinderlichen Sportgerichtsbarkeit. So wie es gegenwärtig läuft, verlangsamt es doch eher den Weg zu einem sauberen Sport als dass es befördert.
Ich würde mich freuen, wenn der CAS auch mal sein „Fett“ abbekommen würde.
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