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Das Olympische Bildungsmagazin

live aus Zürich: „there is no hintergrundgespraech“

ZÜRICH. Zunächst mal eine Richtigstellung. Ich habe gestern gefragt, ob irgendein Journalist wohl eine Einladung zu einer Pressekonferenz nach der FIFA-Exekutivsitzung am Freitag erhalten hat. Tatsächlich hat die FIFA am 10. Oktober diese Einladungen verschickt, wie ich meinem Spam-Ordner entnehmen konnte, den ich heute gefilzt habe. Der Text ist schon wieder sehr putzig, denn natürlich ist auch da – wie in der Tagesordnung des Exko-Meetings, die ich gestern veröffentlicht habe – keine Rede von Korruption und Reformen und solchen ärgerlichen Dingen:

Genehmigung des Spielplans für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2014™ auf der Tagesordnung

Das FIFA-Exekutivkomitee wird am Donnerstag und Freitag, 20. und 21. Oktober 2011, am FIFA-Sitz in Zürich seine dritte Sitzung des Jahres abhalten. Auf der Tagesordnung steht unter anderem die Verabschiedung der Spielpläne für den FIFA Konföderationen-Pokal 2013 und die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Brasilien 2014™.

Ferner wird der FIFA-Präsident über die Anträge informieren, die der 61. FIFA-Kongress in Zürich verabschiedet hat.

Berichte zu den FIFA-Wettbewerben, die seit der letzten Sitzung am 30. Mai 2011 stattgefunden haben, und Informationen zum Stand der Vorbereitung für die kommenden Wettbewerbe wie die FIFA Klub-Weltmeisterschaft Japan 2011 sind ebenfalls Thema.

Berichte und aktuelle Informationen zu den Sitzungen der ständigen Kommissionen seit der letzten Zusammenkunft im Mai sind weitere Punkte auf der Tagesordnung. Eine Übersicht mit allen Kommissionssitzungen und Wettbewerben ist auf FIFA.com zu finden: http://de.fifa.com/aboutfifa/calendar/meetings.html und http://de.fifa.com/tournaments/index.html.

Hinweis an die Redaktionen: Die Spielpläne für den FIFA Konföderationen-Pokal Brasilien 2013 und die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Brasilien 2014™ werden am 20. Oktober ab 17.50 Uhr MEZ (Lokalzeit in Zürich) in einer Live-TV-Show im Auditorium am FIFA-Sitz präsentiert.

Nach der Sitzung des Exekutivkomitees findet am 21. Oktober um 15.00 Uhr MEZ am FIFA-Sitz in Zürich zudem eine Medienkonferenz statt.

Für diese Medienveranstaltungen ist eine Medienakkreditierung erforderlich. Diese ist bis Freitag, 14. Oktober 2011, per E-Mail (media@fifa.org) zu beantragen. Neben dem Namen, der Funktion (Fotograf, Journalist, Kameramann etc.) und der Medienorganisation ist auch anzugeben, ob eine Akkreditierung für beide (20. und 21. Oktober) oder nur eine der Veranstaltungen gewünscht wird.

Jedenfalls, die FIFA-Kommunikatoren teilten mir heute morgen mit:

Despite the fact that you are registering late for accreditation, we will include you in the accreditation list for Friday.

Danke. Zu meiner zweiten Frage erklärte man:

Regarding today, there is no “hintergrundgespraech”. Walter De Gregorio is simply having a coffee with a few journalists from the international agencies to introduce himself to some media he has not yet met.

Okay. Nur ein Kaffee. Keine Inhalte.

Darüber wird noch zu reden sein, über Medienbeeinflussung, Propaganda-Lügen, Weißwäscher, Wahrheitsverdreher und andere Dienstleister/Dienstleistungen.

Inzwischen hat die Exekutivsitzung begonnen. Ich habe mich noch nicht auf den Weg dorthin gemacht, hatte unten in der Stadt Termine. Und, auch wenn das jetzt wieder Kopfschütteln auslöst bei der FIFA, ich scheue mich mittlerweile auch, das FIFA Wlan im Pressezentrum zu benutzen. Habe zuletzt zuviel über die technischen Möglichkeiten tief unten im Keller des Milliardenbunkers gehört. Ich stehe zu dieser, meiner Krankheit: Misstrauen.

Einige Lesebefehle:

Jean François Tanda auf Handelszeitung-online:

Englische Medien wie die BBC oder «The Telegraph» berichten bereits jetzt über eine konkrete angebliche Rechtsumkehr von Blatter, insbesondere im Fall der Sportrechtevermarkterin ISL. Blatter wolle dem ExCo beantragen, eine Einstellungsverfügung der Zuger Staatsanwaltschaft zu veröffentlichen, heisst es dort. Sollte das ExCo diesem Vorhaben zustimmen, wolle Blatter beim Gericht die Publikation des geheimen Strafdokuments beantragen.

Doch bei näherem Hinsehen entpuppen sich die Berichte als Versuch, Blatter als neuen Saubermann der Fifa zu präsentieren. (…)

Nach der Einstellung des Verfahrens beantragte die «Handelszeitung» Einblick in die Einstellungsverfügung. Zweimal gab die Zuger Staatsanwaltschaft grünes Licht dazu, zweimal erhoben die Fifa-Anwälte Einspruch dagegen – zuletzt am 24. Mai 2011, eine Woche vor der Wiederwahl von Blatter. Der Fall ist nun beim Zuger Obergericht hängig. Weltmedien wie BBC oder New York Times haben sich dem Verfahren inzwischen angeschlossen. (…)

Die aktuellen Medienberichte aus England enthalten nun Ungereimtheiten. So braucht die Fifa keine Zustimmung des Gerichts, um die Einstellungsverfügung öffentlich zu machen. Als damalige Partei im Strafverfahren besitzt sie das Dokument und kann es jederzeit jedermann zugänglich machen. Stutzig macht auch die Aussage, wonach Blatter eine Zustimmung des ExCo benötigt.

Nach Aussagen des damaligen ExCo-Mitglieds Bin Hammam wusste im Gremium niemand, dass die Fifa mit Hilfe ihrer Anwälte eine solche Veröffentlichung gerichtlich bekämpft. Das ExCo wurde also nie befragt, ob man gerichtlich gegen eine Veröffentlichung vorgehen soll oder nicht. Warum soll es nun anders sein bei der Frage, ob man den Widerstand aufgeben soll oder nicht?

Fifa-Kommunikationschef Walter de Gregorio wollte sich auf Anfrage nicht dazu äussern. Er verwies auf die Pressekonferenz von Freitag. Aber ein Blick in die Traktandenliste der zweitätigen Sitzung der Fussballregierung zeigt: Die Causa ISL ist als Thema gar nicht aufgeführt.

Ich habe das gestern Abend so beschrieben:

In dieser Woche berichtete die BBC über einen angeblichen Plan von Blatter, ein Korruptions-Dokument der Schweizer Justiz zu veröffentlichen, dessen Herausgabe die FIFA seit langem mit viel Geld und allen juristischenFinessen verhindert. Der Weltverband hat 2010 sogar 5,5 Millionen Franken Schweigegeld an die Justizkasse gezahlt, damit die Einstellungsverfügung zum ISL-Prozess nicht bekannt wird, in der hohe FIFA-Funktionäre wie der Organisationschef der WM 2014, Brasiliens Verbandspräsident Ricardo Teixeira, und der langjährige FIFA-Präsident Joao Havelange als Empfänger von Bestechungsgeldern genannt werden.

Der ISL-Konzern hatte die olympische Sportwelt, auch das Internationale Olympische Komitee (IOC), vorallem aber die FIFA, einst mit einem umfassenden Schmiergeldsystem überzogen. Angeblich will Blatter, der seine Anwälte losschickte, um die Vorgänge geheim zu halten, nun das Exekutivkomitee befragen, ob man vor Gericht nicht beantragen solle, die Einstellungsverfügung zu veröffentlichen.

Wie absurd! Und zwar aus mehreren Gründen: Zunächst wird Teixeira, der viele Millionen von der ISL kassierte und gegen den in Brasilien nun ein Ermittlungsverfahren eröffnetwurde, kaum dafür stimmen. Zudem stellt sich die Frage, ob Blatter in der Vergangenheit das Exekutivkomitee befragt hat, wenn es galt, ISL-Ermittlungen zu behindern oder zu vertuschen. Offiziell hatte die FIFA sogar ihr Desinteresse an einer weiteren Verfolgung des Bestechungsskandals bekundet. Als das nichts half und im ISL-Prozess gerichtsfest dokumentiert wurde, dass 141 Millionen Franken an Sportfunktionäre flossen, zahlte die FIFA 5,5 Millionen Schweigegeld. Hat Blatter sich diese Millionen vom Exekutivkomitee absegnen lassen?

Blatter, so das Kalkül seiner Berater, wird fein raus sein, sollte das Exekutivkomitee seiner Bitte nicht nachkommen. Dann wird er, der an der Vertuschung mitgewirkt hat, frech behaupten: Ich wollte das Dokument ja veröffentlichen lassen, aber das Exekutivkomitee hat dagegen gestimmt und mir sind deshalb die Hände gebunden.

Es ist viel einfacher: Die FIFA könnte die Einstellungsverfügung, die sie ja besitzt, einfach online stellen. Und schon kann sich die Welt ein Bild davon machen. Doch momentan reicht es nicht einmal zu dieser Geste, die das morsche Gebäude weiter insWanken bringen könnte.

Der von mir und Jean François Tanda gewissermaßen kritisierte David Bond schreibt heute:

The question is, have Fifa and Blatter, like News International with the phone hacking scandal, simply reached a tipping point where failure to act is no longer an option?

With so much money at stake in football the old committee structure and the men on those committees can no longer be expected to run a multiple-billion dollar business. (…)

The danger for Blatter is that, in doing that and opening up the organisation, he leaves himself vulnerable to the accusation that he turned a blind eye to corruption when it suited him.

So, by saving Fifa, he risks destroying the personal legacy he so craves. The question for Sepp Blatter is whether or not he is really, truly prepared to do that?

Eine gute Aufarbeitung hat Christoph Wolf auf n-tv.de geschrieben:

Auch wenn ich Gefahr laufe, der Selbstbeweihräucherung bezichtigt zu werden, denn Christoph zitiert mich mehrfach.

Es bleibt der Eindruck, dass es Joseph Blatter vor allem mit einer Reform wirklich ernst meint: der seiner Kommunikationsabteilung. Was Joseph Blatter stört, sind nicht die Zustände im Fußball-Weltverband. Es ist die unerfreuliche Tatsache, dass sie in den vergangenen Monaten nicht mehr nur von einer interessierten Minderheit zur Kenntnis genommen werden.

Und noch zwei Empfehlungen:

Er befasst sich noch einmal mit dem hochkorrupten Jack Warner, in dessen neuerlicher Tsunami-Ankündigung manche Beobachter ernstzunehmende Strategien entdecken:

And he’s also still pissed that FIFA has canceled his theft of Caribbean World Cup TV rights. He apparently doesn’t get the concept that nepotism and the like only works when you’re the guy in charge. Once you’ve quit, nobody feels the need to put up with your crooked halfwit son any more.

Overall though, the big question that nobody much is asking is simply this:

Why is it he’s waiting so long to unleash his long-promised “tsunami”?

Could it be that he thinks if he rattles enough cages that FIFA will come back and make a deal to ensure his silence?

If so, the betting here is that he’s dead wrong.

Gerade verschicken die FIFA-Propagandisten diese Meldung:

FIFA Executive Committee adopts a resolution to defend the statutes of the football governing bodies

Meeting at the Home of FIFA in Zurich, the FIFA Executive Committee has today, 20 October 2011, unanimously adopted the following resolution, in relation with the case of the Swiss club FC Sion/Olympique des Alpes SA (OLA). FIFA Vice-President and UEFA President Michel Platini declined to participate to this decision due to his involvement in the case and left the meeting room when this resolution was discussed. (…)

Supporting the decisions taken by UEFA confirming that the six players signed by OLA during the last transfer period were not entitled to participate in the UEFA Europa League and declaring the matches in which these players participated to have been forfeited as well as the decision of the Swiss Football League to suspend the six players and the opening of disciplinary proceedings against FC Sion/OLA,

1. Calls on all members of FIFA, including players and clubs, to respect art. 64 par. 2 of the FIFA Statutes, which prohibits recourse to ordinary courts;

2. Calls on all members of FIFA, including players and clubs, to recognise CAS as the appeal body in accordance with the Statutes of FIFA;

3. Calls on all members of FIFA to enforce final and binding decisions of FIFA, the Confederations and CAS.

Was mich viel mehr interessiert als der Fall FC Sion: Wenn die Tagesordnung stimmt, sind sie im Exekutivkomitee nun schon bei Punkt 17, ab Punkt 18 wird es interessant.

Ich bin dann mal weg. Bis später.

20.50 Uhr: Gleich neben meinem Hotel leuchten die Flutlichter des Letzigrunds. Lange nicht mehr dort gewesen. Der FC Zürich empfängt Lazio Rom. Die FIFA-Vorstellung finde ich spannender.

Wenn ich recht informiert bin, waren beim Frühstück mit Blatters Propagandachef Walter de Gregorio heute die Vertreter von dpa, AP, Kyodo und PA anwesend. Eine kleine Truppe.

Drei Exekutivler fehlen. Drei Korruptions-Schwergewichter: Chuck Blazer angeblich wegen Bronchitis. Worawi Makudi angeblich wegen der Flut in Thailand. Und der Dialysepatient Issa Hayatou liegt wohl tatsächlich in Zürich im Krankenhaus. Schade eigentlich, so geht Blatters Reformrunde morgen doch einige Korruptions-Kompetenz verloren.

Der Rest des Exko speist gerade im Baur au Lac.

tbc

3 Gedanken zu „live aus Zürich: „there is no hintergrundgespraech““

  1. Also, Frau Schenk ist bis hierher klar die bessere Lobby für Blatter – im Vergleich zu Gregorio: Soccer Ruling Body May Seek to Identify Bribe Takers, Blatter Adviser Says

    Und weiter sagt die Blatter-Beraterin:

    “FIFA can write to the court and say there’s public interest and we want the ISL files to be disclosed,” Schenk said in an interview. …

    Possible reforms that may be announced tomorrow could include limiting membership of the executive committee to two terms, strengthening the role of the ethics committee and taking the general secretary out of the process of referring rule breaches to investigators, Transparency International’s Schenk said.

    Schenk has met the FIFA president three times since July 25. He’s promised not to stand for re-election so will not be afraid of pushing through unpopular reforms, she said.

    “He has no more elections to come so he has nothing to lose from that point of view,” Schenk said. “He wants to be after his term a former president that’s honored, not someone who everybody says, ‘at last he’s gone’ and he’s left FIFA in chaos.”

  2. JW für den DLF: mp3-Datei:

    FIFA-Exekutivsitzung in Zürich
    Sendezeit: 20.10.2011 22:51
    Autor: Weinreich. Jens
    Programm: Deutschlandfunk
    Sendung: Sport
    Länge: 02:25 Minuten

  3. Ich glaube, dass der (kleine) Aufstieg der Piraten der politische Ausdruck für die Bedeutung ist, den “das Netz” in allen Lebensbereichen längst hat. Leider haben es alle etablierten Parteien – vielleicht mit Ausnahme der Grünen – schlicht verpennt, sich mit den Auswirkungen und der Umwälzung der Gesellschaft und die täglichen Auswirkungen konkret auseinander zu setzen. Mit Ideen wie einem Warnknopf fürs Internet, Sperrforderungen, Vorratsdatenspeicherung und dergleichen reden alle

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