Halten wir noch einmal fest, was zuletzt geschah:
- Bundestags-Sportausschuss schließt Medien aus: MdB wollen sich nicht beim iPad-spielen beobachten lassen
- Crowdsourcing: wie erzieht man Polit-Hampel und Wahrheitsallergiker, die im Bundestag unter sich bleiben wollen in Ruhe schlafen und am iPad Karten spielen wollen
- Was vom Tage übrig bleibt (64): „Da ist überhaupt nichts dran falsch, etwas zu berichten …“
Der Sport-Lobbyist im Bundestag Klaus Riegert (CDU/Schwäbischer Turnerbund) hat erfolgreich durchgepeitscht, dass Journalisten und interessierte Bürger ab sofort von den Sitzungen des Bundestags-Sportausschusses ausgeschlossen sind.
Journalisten hätten ihr „Privileg“, dabei sein zu dürfen, schamlos „missbraucht“, behauptet Riegert, sportpolitischer Sprecher und Obmann der CDU.
Natürlich kann er dafür keinerlei Beweise vorlegen, aber darauf kommt es bei dieser bizarr-frechdummen Wahrheitsbeugung ja auch nicht an. Wichtig ist, dass jetzt „fachlich“ gearbeitet werden kann, wie Riegert und FDP-Sportsprecher Joachim Günther behaupten.
Deshalb fliegt eine Delegation des Ausschusses, geleitet von Günther, demnächst Business Class nach Chile und Brasilien.
Der Brasilien-Trip wurde im clever vorbereitet: Da Reisen nur unternommen werden können, wenn die Themen zuvor im Ausschuss behandelt wurden, hatte man flink zum 19. Oktober einen TOP „Stand der Vorbereitungen zur Fußball WM 2014 und den Olympischen Spielen 2016 in Brasilien“ eingefügt und ein Papierchen der brasilianischen Botschaft erbeten.
Dieses Papier ist belanglos genug, um von Fachleuten wie Riegert und Günther, die es ja nicht wirklich wissen wollen, wie vieles andere künftig der Öffentlichkeit vorzuenthalten. Wer wirklich etwas wissen will, der muss dann schon dieses Blog und Andrew Jennings lesen oder in Brasilia Ausschuss-Sitzungen besuchen – da geht es anders zur Sache, nicht wie im Bundestag, sondern: öffentlich, fachlich, kritisch, hart.
Der Jennings-Vortrag wurde übrigens auch vom Team der Präsidentin Dilma Rousseff mit Spannung verfolgt. Die Papiere wurden übersetzt und liegen im Präsidialbüro vor.
Im BT-Sportausschuss aber zirkulierte im Oktober nur dies, da ist die Welt voll in Ordnung, und von der flächendeckenden Korruption und Ricky Teixeira und dem gerade wegen Korruption zurückgetretenen Sportminister Orlando Silva und anderen drängenden Fragen …
… wurde natürlich nichts erwähnt:
Probleme in Brasilien?
I wo.
Korruption?
Nicht ein Wort wird darüber verloren. (Wie sagte doch der Fußballfan Klaus Riegert, Kapitän des FC Bundestag? Die Kritik an der FIFA sei mächtig übertrieben.)
Seit 19. Oktober also wissen es die deutschen Abgeordneten genau – und in einigen Tagen werden sie es in Brasilien noch genauer wissen. Joachim Günther kann schon mal seine Pressemitteilung von Anfang des Jahres umschreiben lassen. Müssen eigentlich nur Jahreszahlen und Orte ausgetauscht werden:
Keine Bedenken bezüglich Fußball-WM in Katar
Der Sportausschuss des Deutschen Bundestages beendet heute seinen mehrtägigen Aufenthalt in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar. „Ich bin sicher, dass Katar ein hervorragender Gastgeber für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 sein wird“, so Joachim Günthers Fazit. Bedenken, dass wegen der Hitze, die dort im Sommer herrscht, nicht ordentlich Fußball gespielt werden könne, hat Joachim Günther nach vielen Gesprächen vor Ort nicht mehr. „Selbst Uli Stielicke, der jetzt in Katar als Trainer arbeitet, hat uns bestätigt, dass die Klimaanlagen in den Stadien ganz hervorragend funktionieren.“ (…)
Uli Stielike wird natürlich anders geschrieben, aber was weiß ein Fachmann wie Günther schon.
Grit Hartmann hat die Geschichte gestern Abend im Deutschlandfunk so beschrieben:
Korruptionsinfos aus erster Hand?
Sportausschuss reist nach Südamerika
Der Sportausschuss des Bundestages, jenes Gremium also, dessen Sitzungen Union und FDP von der Öffentlichkeit abgeschottet haben, will demnächst nach Aussage der Koalitionäre „effizienter“ arbeiten. Den Anfang macht dabei eine Exkursion nach Brasilien und Chile.
Ungewöhnlich, aber wahr: Der Sportausschuss begibt sich in diesem Jahr schon auf seine zweite sogenannte Delegationsreise. Nach dem Januar-Besuch in Katar und in den Vereinigten Arabischen Emiraten steht nun eine einwöchige Exkursion nach Chile und Brasilien an. Wie der Deutschlandfunk erfuhr, starten die Abgeordneten am 12. November von Frankfurt/Main nach Sao Paulo, von dort geht’s nach Santiago de Chile, zurück nach Sao Paulo, dann nach Rio und am 18. November spätabends wieder in die Heimat. Der Flugplan ist klar – das Anliegen des Südamerika-Trips ist es weniger. Das Programm sei noch Änderungen unterworfen, heißt es, Anfang kommender Woche wisse man Genaues.
Dem Deutschlandfunk liegt ein älterer Entwurf des Reiseplans vor: Demnach gönnen sich die Politiker beispielsweise in der chilenischen Hauptstadt erst mal eine Stadtführung. Geplant ist sodann ein Gespräch im Sportministerium, und zwar zu einem Programm namens „Wähle einen gesunden Lebensstil“. Für derlei ist der Sportausschuss zwar in Berlin nicht zuständig, aber womöglich ist das einfach Kontrast zu einem anderen Termin – zum Besuch im Anti-Doping-Labor.
Brasilien verspricht mehr Spannung. Zwar liegen die Großevents – Fußball-WM 2014 und Sommerspiele 2016 – klar außerhalb dieser Legislaturperiode. Aber besonders in Sao Paulo könnte es für Abgeordnete, die unlängst Sachverständige zum Thema Korruption luden und bei deren Vorträgen auf dem iPad Karten spielten, endlich lebensecht zugehen. Sao Paulo ist Bühne für das WM-Eröffnungsspiel; die FIFA vergab es unter dubiosen Umständen an ein noch zu erbauendes Stadion des Erstliga-Clubs Corinthians.
Dessen Präsident gilt als Verbündeter von Verbandschef und FIFA-Vorständler Ricardo Teixeira. Teixeiras illegale Geschäfte werden gerade untersucht, vom Generalstaatsanwalt und vom Senat. Gespräche mit Parlaments-Kollegen beinhaltet die Agenda der Reisegesellschaft nach dem vorliegenden Plan trotzdem nicht – dafür aber welche in der Stadtverwaltung und, tatsächlich, „mit Vertretern des brasilianischen Fußballverbandes“. Es geht also wohl um Korruptionsinfos aus erster Hand.
In Rio wollen die Abgeordneten sich beim Olympia-Org-Komitee informieren und das Maracana-Stadion besuchen. Das ist 2014 Ort des WM-Finales, aber derzeit nicht vorhanden. Das alte wurde abgerissen, das neue ist noch Baugrube.
Und wer nimmt nun die anstrengende Rundreise auf sich? Das steht noch nicht ganz fest. Ein paar Abgeordnete, heißt es, hätten abgesagt. Die Delegationsleitung übernimmt, so viel ist sicher, der Liberale Joachim Günther, der Sportausschuss-Vize.
Ihn kann man nicht befragen, denn Günther tourt gerade mit einer Bundestagsdelegation in Rumänien. Also dort, wo eine Firma, an der er beteiligt ist, Geschäfte macht mit der als Diplomfabrik verrufenen Spiru-Haret-Universität. Vom Sportausschuss-Trip nach Katar brachte Günther schon interessante Gewissheiten mit: „Nach vielen Gesprächen vor Ort“, so ließ er wissen, habe er keine Bedenken, dass in der Hitze dort nicht ordentlich Fußball gespielt werden könne.
Da darf man gespannt sein auf die Frohbotschaften aus Brasilien. Sofern diese mit der Öffentlichkeit geteilt werden.
Nachtrag, 4. November, 11.23 Uhr: Ich wurde soeben von einem schwäbischen Leser darauf hingewiesen, dass Klaus Riegert nicht mehr Vizepräsident des Schwäbischen Turnerbundes ist. Er war es lange Jahre, und auf der Bundestags-Webseite allerdings steht das bis zu diesem Moment auch noch so.
Pingback: Pressespiegel zum Rausschmiss aus dem Sportausschuss | Jonathan Sachse
hoffe doch, daß es wenigstens bißche Bunga-Bunga gibt . . .
Sa-gen-haft.
Ich glaube fast, es gibt ein systematisches Problem. Der belanglosen News-Flut mit einer Flut an bemerkenswerten journalistischen Beiträgen zu begegnen, führt schließlich zur Relativierung selbst solch wertvoller Beiträge wie sie hier zu finden sind. Gestern der Bundestrojaner, übermorgen Abschaffung des Grundgesetztes. Und dazwischen weitere hundert Schreckensmeldungen, die erstmal in ihrer Tragweite verstanden werden wollen.
Anders geht es aber erst gar nicht. Was hier stattfindet, ist und bleibt wertvoll.
Sehe ich auch so :)
Einar Koch in der bild: Samba Caramba: Sportausschuss auf Lustreise
Brasilien hat sich im letzten Jahrzehnt zu einer der interessantesten Demokratien weltweit entwickelt. Es wird ein Fallbeispiel in Sachen Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Entwicklung (BRIC-Staat….), sozialen Problemen und Korruption. Dass eine Bundestags-Delegation da nicht mit Parlamentariern zusammen trifft ist eigentlich ein Skandal. Ich dachte immer, das würde bei Reisen in andere Demokratien zu den Gepflogenheiten dazu gehören?
@#6, ich habe mich immer gefragt, welche Parlamentarier denn die reisenden Sportabgeordneten im Februar in Katar wohl getroffen haben? Katar führt wohl erst in diesen Wochen erstmals Wahlen durch.
Auch diese Wahlen sind nicht der Rede wird. Katar wird von einer korrupten Herrschfamilie regiert, die sich langsam um ihr Erbgut Sorgen machen muss – viele Krankheiten, weil sie nur untereinander Kinder machen wollen. Regionalpolitisch ist Katar der wohl spannendste Fall im Moment, aber innenpolitisch herrscht Mittelalter, wie ja fast überall am Golf.
@Johan Petersen #9, also dann wäre Deiner Meinung nach der Kommentar zutreffend, dass die Delegation des Sportausschusses des Deutschen Bundestages im Januar und Februar 2011 vor Ort – auch mangels demokratisch legitimierter Volksvertreter des Staates Katar – wahrscheinlich mit den Mitglieder einer „korrupten Herrscherfamilie“ einen (sport)politischen Meinungsaustausch geführt hat?
Vor dem aktuellen Hintergrund der Aussperrung der Öffentlichkeit aus dem Sportausschuss könnte natürlich auch Deine grundsätzliche Vermutung, dass in der Golfregion „innenpolitisches Mittelalter“ herrsche, ein Gesprächsthema zu Beginn des Jahres gewesen sein. Damit hätte sich dann auch der parlamentarische Bezug der Reise quasi wie von selbst ergeben.
Grit Hartmann für den DLF: Verspätete Effizienz? – Was der Sportausschuss demnächst hinter verschlossenen Türen verhandelt
dpa: Sportausschuss: Opposition gegen Geheim-Diplomatie
klaus-riegert.de: Politische und gesellschaftliche Funktionen
STB: Ehrungen für langjährige Mitarbeiter
Pingback: Sportausschuss: Thomas Bach ohne Öffentlichkeit | Daniel Drepper
danieldrepper.de: Sportausschuss: Thomas Bach ohne Öffentlichkeit
Robert Kempe für den DLF: mp3-Datei:
Ist eigentlich inzwischen bekannt, wer außer Joachim Günther an der „Lustreise“ teilnehmen möchte?
Ralf, du musst mal deine selbst verlinkten Beiträge anhören :) Vier Leute: Günther, Gerster, Kunert und für die CDU Manfred Kolbe, stellvertretendes Mitglied. Kempe: „Auch an dieser Personalie zeigt sich die sportpolitische Bedeutung dieser Exkursion.“
@ Daniel:
Genau das hatte ich befürchtet! ;-) Audio-Dateien lassen sich leider nicht immer und überall „konsumieren“. Ich warte schon auf die Text-Version.
Immerhin eine Partei fehlt. Ich hätte mir zwei gewünscht.
Robert Kempe für den DLF: Mit oder ohne Bach? – Die Entscheidung nicht-öffentlich zu tagen, stellt den Sportausschuss vor erste, logistische Probleme
Wer ist denn heute vor Ort? Ich halte mich in Süddeutschland auf, leider keine Chance.
Mein RSS-Reader zeigt mir ein paar Aktualisierungen auf der Sportausschuss-Microsite an. Keine Big News, aber finde keine Neuerungen. Ihr?
Update Grußwort Freitag
// Vielleicht Stichwörter wie „öffentlich“ entfernt?
Neue Fotoliste der (stellvertretenden) Mitglieder des Sportausschusses.
// Gab es schon vorher, oder?
huch, einen Link vergessen: http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a05/grusswort.html
SPD: Sportausschuss weiter nicht-öffentlich – Keine Einsicht bei Schwarz-Gelb
dpa: Sportausschuss bleibt nicht-öffentlich
sid: Sportausschuss macht ernst: Auch Bach vor der Tür
Robert Kempe für den DLF: Keine Ausnahmen – Der nicht-öffentlich tagende Sportausschuss lässt auch den IOC-Vizepräsidenten vor der Tür warten
Alles klar! Wer nicht auf CDUCSUFDP-Linie ist, untergräbt den Parlamentarismus…
Grit Hartmann für den DLF: Ausgeschlossen – Der Sportausschuss will keine Presse
Lange erwartete PM zur „Lustreise“:
bundestag.de: Delegationsreise des Sportausschusses nach Chile und Basilien
#26 Na klar, so einen Wunsch darf man nicht ausschlagen. Man hilft ja, wo man kann… Und man hat ja schließlich gerade 10.000 Euro bei der WADA gespart, die kann man dann in die chilenische Doping-Fortbildung investieren, ganz selbstlos natürlich. Dafür opfert man auch zähneknirschend seine kostbare Zeit, die man eigentlich lieber in die Vorbereitung der nächsten wichtigen Ausschusssitzungen investieren würde, um mit seinem Fachwissen zu glänzen.
@Axel_K#27
Respekt! Ich liebe derlei geradeherausenen, gelungenen Sarkasmus!
Herzlichst:
-p-
@pecas: Danke. Habe nur versucht, mich in den Autor der Pressemitteilung hineinzuversetzen. Auch der (oder die) lebt wahrscheinlich von den Steuergeldern der Leute, die er hier gerade für dumm verkauft.
Wer möglichst vollständig über die Effizienz oder auch über die Nicht-Effizienz des Sportausschusses berichten will, der sollte die originäre parlamentarische Arbeit dieses Gremiums nicht unerwähnt lassen.
Als Ergänzung von #10 sei mir daher der Hinweis gestattet, dass mit Stand 5.November (Beitrag von Grit Hartmann im Deutschlandfunk) mindestens fünf parlamentarische Vorgänge mit direktem sportpolitischem Bezug auf der Agenda des Sportausschusses bzw. des Deutschen Bundestages gestanden haben. Diese Bundestagsanträge finden sich nicht in der „Sitzungsplanung“ des Ausschusssekretariats wieder, weil das Recht zur parlamentarischen Aufsetzung allein in der Hoheit der Bundestagsfraktionen, also der jeweiligen Obleute, liegt und die „Sitzungsplanung“ lediglich die Selbstbefassungsvorgänge des Ausschusses auflistet .
Parlamentarische Vorgänge:
– CDU/CSU und FDP: Haushaltsgesetz 2012; Sport und Umweltschutz ( am 10. November vom Deutschen Bundestag angenommen).
– SPD: Rechtsextremismus im Sport (am 10. November vom Deutschen Bundestag abgelehnt); Bekämpfung Glücksspielsucht.
– Die Linke: Antrag Sportfördergesetz.
Auf einen möglichen weiteren Antrag bzw. Gesetzentwurf der SPD zum Thema Dopingbekämpfung hat Grit Hartmann in ihrem Beitrag hingewiesen.
Unberücksichtigt in der Aufzählung der parlamentarischen Vorgänge sollen an dieser Stelle die verschiedenen Berichte der Bundesregierung bleiben, die ebenfalls im Sportausschuss beraten werden müssen (z.B. Jahresbericht Stand Deutsche Einheit).
DLF-Kommentar von JW: mp3-Datei:
Herbert Fischer-Solms für den DLF: mp3-Datei:
„Presseboykott“ stimmt allerdings nicht. Da ist etwas missverstanden worden. Ich sage: Journalisten sollen recherchieren und die Tätigkeiten und Geschäfte dieser Nasen richtig beschreiben und aufdecken. Sie sollen aber nicht mehr dort hingehen und sich sagen lassen, was die Helden hinter verschlossenen Türen angeblich getrieben haben.
Textversion: „Die Gesellschaft braucht Transparenz“ – Plädoyer für einen Medien-Boykott für den Bundestags-Sportausschusss
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bundestag.de: Delegation des Innenausschusses in Brasilien