Die juristische Aufarbeitung des ISL-Korruptionssystems, in das vorrangig hohe FIFA-Funktionäre verstrickt waren, erfährt eine weitere bizarre Wendung. Heute hat das Schweizer Bundesgericht in Lausanne der Entscheidung des Obergerichts Zug vom 22. Dezember 2011, die Einstellungsverfügung vom Juni 2010 zu veröffentlichen, eine aufschiebende Wirkung zugesprochen, wie Jean François Tanda in der Handelszeitung berichtet.
Was bedeutet das?
Als-Nichtjuristen dröhnen mir die Ohren. Mein Freund Jean François Tanda, selbst Jurist, hat eine Weile versucht, mir das zu erklären. Ich habe ihn gebeten, mit mir wie mit einem Kinde zu reden, damit ich es verstehe.
Er schreibt:
Es geht um die frage, ob ich das dokument einsehen darf oder nicht.
Die sind dagegen.
Das obergericht in zug war dafür.
Weil die dagegen sind, sind sie ans bundesgericht gelangt.
Normalerweise, wenn man an das bundesgericht gelangt, hat dies keine aufschiebene wirkung. Das heisst der letzte entscheid wird umgesetzt, das bundesgericht sagt dann später ob zu recht oder nicht.
Der letzte entscheid war, dass ich das dokument sehen darf.
Ohne aufschiebende wirkung hätte ich das dokument jetzt sehen gehen können.
Dann hätte ich alles gewusst, bevor das bundesgericht über die beschwerde der anderen entschieden hätte.
Dann wären ihre beschwerden hinfällig.
Dann hätte es ihnen nichts gebracht, falls das bundesericht ihnen – wider erwarten – recht gegeben hätte.
Darum hat das bundesgericht aufschiebende wirkung gewährt.
Nun muss ich warten, bis das bundesgericht die beschwerden abgelehnt hat, um das dokument zu sehen.
Alles klar?
Es geht um das Dokument, dessen Veröffentlichung FIFA-Präsident Joseph Blatter mehrfach versprochen hatte – aber sein Versprechen nicht hält. Nicht nur ich bin der Meinung, Blatter könnte das Papier problemlos veröffentlichen und betreibt bloß eine Verzögerungstaktik.
In der Berichterstattung zum Fall werden übrigens eine Menge Fehler fabriziert. Ständig muss ich irgendwo lesen, Havelange und Teixeira „sollen“ Millionen Schmiergeld kassiert haben. Oft steht dann da meist noch: Sie würden das bestreiten.
Diese Berichterstattung ist falsch.
Richtig ist, der FIFA-Ehrenpräsident Havelange, derzeit im Krankenhaus, und sein ehemaliger Schwiegersohn Teixeira, derzeit im Exil in Miami, haben kassiert. Für Havelange stehen 1,5 Mio CHF in den Akten, dazu wohl ein Anteil über die Tarnfirma Renford Investments, die er gemeinsam mit Teixeira unterhielt (wir reden hier nicht von Havelanges sonstigen dreckigen Geschäften). Für Teixeira stehen zwölf Millionen in den Akten [wenn ich mich jetzt nicht verrechnet habe, ich rechne gleich nochmal nach], über Renford und Sanud (wir reden hier nicht von Teixeiras sonstigen dreckigen Geschäften).
Sie bestreiten allein eine strafrechtliche Verantwortung.
Sie sind, ich habe das hundertmal versucht zu erklären – in Beiträgen hier im Blog und in zahlreichen Medien -, hochkorrupt. Sie sind moralisch korrupt. Sie haben ewig lange Schmiergeld kassiert und machen bis heute dreckige Geschäfte. Aber sie sind in der ISL-Causa eben nicht im strafrechtlichen Sinne korrupt. Nur nicht im strafrechtlichen Sinne. Denn es gab und gibt für derlei Korruption in Sportkonzernen keine strafrechtliche Handhabe. Gemäß Gerichtsaussage des ehemaligen ISL/ISMM-Chefs Christoph Malms war das System der Bestechungszahlungen („Provisionen“) von der eidgenössischen Steuerbehörde, der KPMG und renommierten Zürcher Kanzleien (Niederer Kraft & Frey, Prager Dreifuss) „abgesegnet und gut geheißen“ worden.
Das hat etwas Verschwörerisches an sich!“
Ein ehemaliger ISL-Manager:
Alle diese Zahlungen waren notwendig, um überhaupt Verträge zu bekommen und dass die (gemeint sind die Sportfunktionäre/d. A.) sich dran halten.“
Schmiergeld an Sportfunktionäre zu zahlen ist:
Als wenn man Lohn bezahlen muss. Sonst wird nicht mehr gearbeitet. Ansonsten wären diese Verträge von der anderen Seite nicht unterschrieben worden. Diese Zahlungen sind betriebswirtschaftlich notwendig, sind echte Aufwandspositionen. Nur die andere Seite möchte nicht genannt werden, das ist das Sensitive.“
Ein anderer ISL-Manager:
Diese Praxis war unerlässlich, sie war branchenüblich, sie gehörte zum Stil des Geschäfts.“
So lief’s Business:
Unfassbar herrlich ist natürlich die Argumentation von FIFA-Anwälten, bei diesen Vorgängen (strukturelle Korruption im FIFA-Exekutivkomitee = Millionen kassieren) handele es sich um …
- vereinsinterne Sachverhalte, die dem Geschäftsgeheimnis unterstünden.
Hier mit etwas Verspätung noch das Urteil des Obergerichts Zug vom Dezember 2011, das die Offenlegung anordnet. Wie im Herbst bereits dargelegt, handelt es sich bei B 2 um Ricardo Teixeira, damals vertreten von Schweiger Advokatur, und bei B 3 um Joao Havelange, damals vertreten von RA Niedermann.
Es lohnt sich, das Dokument zu studieren.
Kanton Zug, Obergericht, I. Beschwerdeabteilung
Urteil vom 22. Dezember 2011
In Sachen
- B1, Federation Internationale de Football Association (FIFA), FIFA-Strasse 20, 8030 Zürich, vertreten durch RA Dr. Dieter Gessler, Nobel & Hug Rechtsanwälte, Dufourstrasse 29 / Postfach 1372, 8032 Zürich
- B2, [Ricardo Teixeira, JW] vertreten durch RA lic.jur. Hans-Rudolf Wild, Schweiger Advokatur / Notariat, Dammstrasse 19, 6300 Zug
- B3, [Joao Havelange, JW] vertreten durch RA Dr. Marco Niedermann, Niedermann Rechtsanwälte, Utoquai 37, 8008 Türich,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, An der Aa 4, Postfach 6301 Zug, vertreten durch OSTA lic.jur. Christian Aebi, Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, An der Aa 4, Postfach, 6301 Zug,
und Jean Francois Tanda, Redaktion Handelszeitung, Förrlibuckstrasse 70, 8021 Zürich,
Beschwerdegegner,
betreffend Akteneinsicht.
Sachverhalt
1. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führte eine Strafuntersuchung gegen B1 (FIFA), B2 und B3 wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung, ev. Veruntreuung. Mit Verfügung vom 11. Mai 2010 wurde die Strafuntersuchung gestützt auf Art. 53 StGB (Wiedergutmachung) eingestellt. Die Einstellungsverfügung ist rechtskräftig (Verfahren 2 A 2005 31601).
2.1 Mit Eingabe vom 30. Juni 2010 stellte der Journalist Jean Francois Tanda bei der Staatsanwaltschaft des Kantons ein Gesuch um Akteneinsicht in die Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2010 in Sachen FIFA. Nachdem die Gesuchsgegner B1, B2 und B3 ihre Stellungnahmen eingereicht hatten, bewilligte die Staatsanwaltschaft dem Gesuchsteller mit Verfügung vom 17. Januar 2011 Einsicht in die Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2010, und zwar wie folgt:
*1.1 Der Name des Gesuchsgegners B1 (FIFA) wird offengelegt und in der Einstellungsverfügung nicht anonymisiert.
1.2 Der Name und das Geburtsdatum des Gesuchsgegners B2, der Name seines Rechtsvertreters, seine Funktion innerhalb der FIFA sowie seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse (nicht jedoch seine Wohnadresse) werden offengelegt und in der Einstellungsverfügung nicht anonymisiert.
1.3 Der Name und das Geburtsdatum des Gesuchsgegners B3, der Name seines Rechtsvertreters, seine Funktion innerhalb der FIFA sowie seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse (nicht jedoch seine Wohnadresse) werden offengelegt und in der Einstellungsverfügung nicht anonymisiert.
1.4 Der Name sämtlicher nicht beschuldigter Dritter, natürliche und juristische Personen, werden nicht offengelegt und in der Einstellungsverfügung anonymisiert, Davon ausgenommen sind die Namen ISMM/ISL.*
Dagegen erhoben B1, B2 und B3 mit Eingaben vom 28. Januar 2011 bzw. 4. Februar 2011 Einsprache. Mit Entscheid vom 3. Mai 2011 wies die Staatsanwaltschaft die Einsprachen ab (Verfahren VAR 2010 53).
3.1 Gegen diesen Enscheid liessen B1, B2 und B3 (nachfolgend: Beschwerdeführer) mit Eingaben vom 23. bzw. 24. Mai 2011 Beschwerde bei der I. Beschwerdeabteilung des Obergerichts des Kantons Zug einreichen.
3.1.1 B1 liess in ihrer Beschwerde folgende Anträge stellen (Verfahren BS 2011 43):
*Der Einspracheentscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vom 3. Mai 2011 (Verfahrens- Nr. VAR 2010 53) sei aufzuheben und die Einsicht in die Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2010 in Sachen FIFA (Verfahren 2A 2005 31601) sei zu verweigern; unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten des Beschwerdegegners.
B2 lies in seiner Beschwerde folgende Anträge stellen /Verfahren BS 2011 44):
„Der Einspracheentscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vom 3. Mai 2011 (Verfahrens-Nr. VAR 2010 53) sei aufzuheben und die Einsicht in die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 11. Mai 2010 in Sachen FIFA /Verfahren 2A 2005 31601) sei zu verweigern;
Eventualiter:
Der Einspracheentscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vom 3. Mai 2011 (Verfahrens-Nr. VAR 2010 53) sei aufzuheben;
Die Einsicht in die Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2010 in Sachen FIFA (Verfahren 2 A 2005 31606) sei nur unter vollständiger Anonymisierung bezüglich B2 zu gewähren. Dazu seien der Name der von B2, seine Vermögensverhältnisse sowie sämtliche Informationen, die die Identifikation von B2 ermöglichen, insbesondere auch Hinweise auf dessen Stellung bei der FIFA, Personalangaben und Wohnort abzudecken. Ausserdem seien die folgenden Passagen der Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2010 vollständig abzudecken:
Rubrum S. 1: Personalien von B2
Sachverhalt Ziffer 2 S. 6: letzter Absatz
Sachverhalt Ziffer 3.2 S. 7: 2. Satz
Sachverhalt Ziffer 3.4 Seite 8: 1. Satz
Sachverhalt Ziffer 3.4 Seite 8: 2. Absatz
Sachverhalt Ziffer 3.6 S. 10: Namen der Auftraggeber der Überweisungen in der Tabelle, der gesamte 2. Abschnitt sowie Namen der Kontoinhaber in der Tabelle
Erwägung Ziffer 1 S. 14: 3. und 5. Satz
Erwägung Ziffer 4.1 Seite 17: Hinweise auf Gesellschaft 1 und Gesellschaft 2
Erwägung Ziffer 6.3.^S. 24: letzte 8 Zeilen
Erwägung Ziffer 6.3.2 S. 25: 7. und 8. Satz
Erwägung Ziffer 6.3.2 S. 27: 3. Absatz
Erwägung Ziffer 6.4 Seite 32: 2., 6. und 7. Satz
Erwägung Ziffer 8.1 Seite 34 f.: Hinweise auf Gesellschaft 1 und Gesellschaft 2
Dem Unterzeichneten sei vor deren Weitergabe an den Gesuchsteller ein Exemplar der anonymisierten Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2010 zuzustellen und Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen.
Subeventualiter:
Der Einspruchsentscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vom 3. Mai 2011 (Verfahrens-Nr. VAR 2010 53) sei aufzuheben und zur Neuentscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen; Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Staatskasse.“
B3 liess in seiner Beschwerde folgende Anträge stellen (Verfahren BS 2011 42):
„Der Einspracheentscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vom 3. Mai 2011 (Verfahrens-Nr. VAR 2010 53) sei aufzuheben und die Einsicht in die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 11. Mai 2010 in Sachen FIFA (Verfahren 2 A 2005 31601) sei zu verweigern:
Eventualiter:
Der Einspracheentscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vom 3. Mai 2011 (Verfahrens-Nr. VAR 2010 53) sei aufzuheben;
Die Einsicht in die Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2010 in Sachen FIFA (Verfahren 2 A 2005 31601) sei nur unter vollständiger Anonymisierung bezüglich B3 zu gewähren. Dazu seien der Name von B3, seine Vermögensverhältnisse sowie sämtliche Informationen, welche die Identifikation von B3 ermöglichen, insbesondere auch Hinweise auf dessen Stellung bei der FIFA, sein genaues Alter und Y. abzudecken. Außerdem seien die folgenden Passagen der Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2010 vollständig abzudecken:
Rubrum S. 1: Personalien von B3
Sachverhalt Ziffer 3.2 S. 7: 1. Satz
Sachverhalt Ziffer 3.6 S. 10: Namen der Auftraggeber der Überweisungen in der Tabelle, der gesamte 2. Abschnitt sowie Namen der Kontoinhaber in der Tabelle
Erwägung Ziffer 1 S. 14: 3. und 5. Satz
Erwägung Ziffer 6.3.1 S. 24: 1. und 2. Satz
Erwägung Ziffer 6.3.2 S. 25: 7. und 8. Satz
Erwägung Ziffer 6.3.2 S. 27: 3. Absatz
Erwägung Ziffer 6.3.2 S. 29: 3. Absatz
Dem Unterzeichneten sei vor deren Weitergabe an den Gesuchsteller ein Exemplar der anonymisierten Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2010 zuzustellen und Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen.
Subeventualiter:
Der Einspracheentscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vom 3. Mai 2011 (Verfahrens-Nr. VAR 2010 53) sei aufzuheben und zur Neuentscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen; unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten des Beschwerdegegners.“
Während die Staatsanwaltschaft auf eine Vernehmlassung verzichtete, beantragte Jean Francois Tanda (nachfolgend: Beschwerdegegner) in seiner Vernehmlassung vom 7. Juni 2011, es seien alle drei Beschwerden vollumfänglich abzuweisen und die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 17. Januar 2011 sowie deren Einspracheentscheid vom 3. Mai 2011 zu bestätigen und ihm somit vollumfänglich und ohne weitere Verzögerung Einsicht zu gewähren in die Einstellungsverfügung 2 A 2005 31601 vom 11. Mai 2010, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beschwerdeführer.
In den (unaufgefordert eingereichten) Stellungnahmen vom 15. bzw. 17. Juni 2011 hielten die Beschwerdeführer an ihren Anträgen fest.
Auf die Begründung der gestellten Anträge wird, soweit von Belang, im Rahmen der nachstehenden Erwägungen Bezug genommen.
Erwägungen
Gemäß § 79 Abs. 1 lit. BGOG entscheidet die Beschwerdeabteilung des Obergerichts über Beschwerden gegen Justizverwaltungsakte, insbesondere über Verfügungen betreffend die Akteneinsicht bei abgeschlossenen Verfahren. Für dieses Verfahren gelten die Bestimmungen des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (§ 79 Abs. 2 GOG). Zur Erhebung der Beschwerde ist (u.a.) berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat (vgl. § 41 Abs. 1 lit. A VRG). Die Beschwerdeführer haben als Partei am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und sind damit ohne weiteres zur Beschwerde legitimiert. Mithin ist auf die Beschwerden einzutreten.
Mit der Beschwerde können alle Mängel des Verfahrens und des angefochtenen Entscheides gerügt werden (§ 42 Abs. 1 VRG). Neue Begehren, neue tatsächliche Behauptungen und die Bezeichnung neuer Beweismittel sind zulässig (§ 42 Abs. 2 VRG).
2.1.1 Die Beschwerdeführer bringen im Wesentlichen vor, es bestehe kein pauschaler und unbeschränkter Anspruch von nicht verfahrensbeteiligten Dritten, in Straferkenntnisse bzw. Einstellungs- und Nichtanhandnahmeverfügungen Einsicht zu nehmen. Ein allfälliges Informationsinteresse des Gesuchstellers sei im Einzelfall nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gegen die öffentlichen und privaten Geheimhaltungsinteressen abzuwägen.
2.1.2 Die Behauptung des Beschwerdegegners, dass er als Journalist „das öffentliche Interesse vertrete“, weshalb im Akteineinsicht zu gewähren sei, könne so nicht akzeptiert werden. Die Presse und die einzelnen Journalisten hätten zwar durchaus einen bestimmten Stellenwert im demokratischen Staatsgefüge, nämlich den eines Bindegliedes zwischen Behörden und Bevölkerung. Sie hätten aber auch ein ganz konkretes kommerzielles Eigeninteresse, nämlich den Absatz ihres Produkts und die Erhöhung ihres eigen Marktwertes. Die Tatsache, dass die Einstellung der Untersuchung im Ermessen der Staatsanwaltschaft liege, vermöge ein Akteneinsichtsrecht keinesfalls zu rechtfertigen. Die Fälle, in denen die Rechtsordnung die Ausübung der staatlichen Tätigkeit in das Ermessen der Behörden stellen, seien nämlich unabsehbar. Zu Recht verlange daher das Bundesgericht zusätzliche Umstände, die darauf hindeuten, dass ein irreguläres Verhalten vorliegen könnte, wie „systematische bzw. häufige Verfahrenserledigungen dieser Art“, die ein Informationsbedürfnis im konkreten Fall geradezu aufdrängten. Komme hinzu, dass sich die vorgefasste Meinung des Beschwerdegegners in dieser Angelegenheit aus seiner bisherigen tendenziösen Berichterstattung mehr als deutlich ergebe. Die Offenlegung der Einstellungsverfügung gegenüber dem Beschwerdegegner sei deshalb kaum geeignet, der angeblichen „besondere(n) Gefahr, dass der Einstellungsentscheid in der Öffentlichkeit nicht transparent und nachvollziehbar erschein(e)“. zu begegnen. Die in der Medienmitteilung der Staatsanwaltschaft enthaltenen Angaben reichten vollauf aus. Vollends unbehelflich sei das Argument, dass Einstellungsverfügungen nach Art. 53 StGB „der Geruch einer gewissen Geheimjustiz“ anhafte. Dies sei in keiner Weise dargetan. Die Staatsanwaltschaft habe schliesslich in einem Entwurf der Medienmitteilung „zur Verfahrenseinstellung FIFA“ ausgeführt, sie erachte mit dieser Medienmitteilung jene Fragen als beantwortet, die unter Berücksichtigung des Amtsgeheimnisses aber auch der Persönlichkeitssphäre der durch das Verfahren Betroffenen beantwortet werden könnten. In der tatsächlich herausgegebenen und im Übrigen textlich übereinstimmenden Medienmitteilung vom 24. Juni 2010 fehle dann dieser Passus. Es könne deshalb nicht angehen, dass die Staatsanwaltschaft als Reaktion auf in den Medien erhobene reisserische Vorwürfe klein beigebe und ihren Standpunkt ändere. Von einer Veröffentlichung sein im Rahmen der Vergleichsverhandlungen über eine Verfahrenseinstellung nach Art. 53 StGB nie die Rede gewesen. Die Beteiligten hätten darauf vertrauen drüfen, dass mit der vorgesehenen und realisierten ausführlichen Medienmitteilung das Bedürfnis der Öffentlichkeit auf Information voll abgedeckt sei.
2.1.3 Der Beschwerdegegner begründe das behauptete schutzwürdige Interesse mit demjenigen „der Steuerzahler“ an Wiedergutmachungsleistungen einer angeblich weitgehend steuerbefreiten Organisation sowie mit dem Interesse der „indirekten (Zwangs-)Mitglieder der FIFA“ an der Verwendung angeblich von ihr bezahlter „Lizenzgebühren“. Ganz abgesehen davon, dass beide Gründe nicht zu überzeugen vermöchten, hätten sie nicht das Geringste mit dem vorliegend von der Staatsanwaltschaft und auch der FIFA zu beachtende Schutz der Privatsphäre der Beschwerdeführer B1, B2 und B3 zu tun. Die FIFA sei nicht vom Staat subventioniert und auch nicht steuerbefreit. Sie zahle regelmäßig Ertragssteuern. Auch die Fussballer dieser Welt hätten keinen Anspruch auf Information über die FIFA. Die FIFA lege vereinsintern jeweils Rechenschaft über ihre Einnahmen und Ausgaben nach den anerkannten Standards der IFRS ab und veröffentliche jeweils ihre Zahlen. Auch bei den Fragen, ob, wann und was die Organe der FIFA über die von der Staatsanwaltschaft untersuchten Sachverhalte gewusst hätten, handle es sich um vereinsinterne Sachverhalte, die dem Geschäftsgeheimnis unterstünden. Vollends an der Sache vorbei gingen die Ausführungen der Staatsanwaltschaft, wonach die Presse ihrer „aus verfassungsrechtlicher Sicht wichtigen Aufgabe der kritischen Durchleuchtung der Arbeit der Justiz“ nachzukommen habe. Das Bundesgericht anerkenne ein schützenswertes Interesse nur „in begründeten Fällen“. Auch die Tatsache, dass der Beschwerdegegner im Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren reisserische Berichte ins Netz gestellt habe, vermöge da von ihm zu begründende öffentliche Interesse nicht begründen. Ansonsten hätte es jeder Journalist in der Hand, das Verfahren über die Freigabe geschützter Daten selber zu steuern. Das Gleich gelte auch für die von der Staatsanwaltschaft aufgereihten Schlagwörter wie „Abzocker“, „Korruption“, „Sepp Blatter“ und „Vergabe der Weltmeisterschaft 2018/2022 an Russland und Qatar“. Die Geschichten zu den „Schmiergeldern“ würden Jahre zurückliegen, weshalb die Staatsanwaltschaft sie bei der Einstellung der Strafuntersuchung zu Recht als von geringem öffentlichen Interesse qualifiziert habe.
2.1.4 Die privaten Interessen von B1, B2 und B3 seien nicht etwa bloss „nicht von der Hand zu weisen“, vielmehr stünden sie als „besonders schützenswert“ im Vordergrund. Ebenso sei die Gefahr, dass „die entsprechenden Ergebnisse in den Medien in falschem Licht dargestellt wurden“, nicht „grundsätzlich nicht auszuschließen“, sondern unmittelbar absehbar. Diese unverhältnismässige Prangerwirkung zum Nachteil der Beschwerdeführer werde von der Vorinstanz schlicht in Kauf genommen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass in der Strafuntersuchung nicht abschließend geklärt worden sei, ob eine strafbare Handlung überhaupt vorliege. Die Staatsanwaltschaft habe in ihrer Verfügung ausdrücklich festgehalten, dass die Einstellung nach Art. 53 StGB keine Schuldfeststellung vorraussetze und dass auch keiner der Beschuldigten irgendeine Schuld eingestanden habe. Die Veröffentlichung der Einstellungsverfügung würde aber zu einer Bekanntgabe von zahlreichen nicht näher abgeklärten Verdächtigungen über Vorgänge führen, die größtenteils schon mehr als zehn Jahre zurücklägen. Mit der Veröffentlichung eines ungerechtfertigten Artikels sei der Schaden bereits angerichtet und das Ergreifen von Rechtsbehelfen wirke sich oft kontraproduktiv aus. Die Beschwerdeführer B2 und B3 seien in unserem Land keine Personen, der aktuellen Zeitgeschichte, die eine besondere Medienpräsenz und damit einhergehende Eingriffe in Kauf zu nehmen bräuchten. Sodann seien die der Vorinstanz bekannten Umstände des Beschwerdeführers B3 dergestalt, dass die psychische Belastung negativer medialer Berichterstattung besonders schwer ins Gewicht falle. Mehr als unangebracht sei es schliesslich, wenn die Staatsanwaltschaft ihnen rate, eine „aktive Pressepolitik“ zu betreiben. Damit löse sich die Staatsanwaltschaft vollständig vom Boden des Datenschutzgesetzes. Dieses verbiete die Weitergabe von Daten, wenn nicht zwingende Gründe es erfordern würden.
2.1.5 Insgesamt sei ein zwingendes Öffentliches Interesse an der Publikation der Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2010 nicht dargetan. Hingegen bestehe ein erhebliches, überwiegendes persönliches Interesse der Beschwerdeführer an der Wahrung der Persönlichkeitsrechte, wozu insbesondere auch der Schutz der Geheim- und Privatsphäre gehöre. Die Offenlegung der Einstellungsverfügung wäre damit unverhältnismäßig und nicht gerechtfertigt.
2.2 Art. 30 Abs. 3 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 14 Abs. 1 UNO-Pakt II Verankern das Prinzip der Justizöffentlichkeit. Das Prinzip der Justizöffentlichkeit und die draus abgeleiteten Informationsrechte sind- so das Bundesgericht – von zentraler rechtsstaatlicher und demokratischer Bedeutung. Sie sorgen für Transparenz in der Rechtspflege, was eine demokratische Kontrolle durch das Volk erst ermöglicht , und bedeuten damit eine Absage an jede Form geheimer Kabinettjustiz (BGE 134 I 289). Ohne Gerichtsöffentlichkeit sind Spekulationen, ob die Justiz einzelne Prozessparteien ungebührlich behandelt oder priviligiert, unvermeidlich. Kritik an einseitiger oder rechtsstaatlich fragwürdiger Ermittlungstätigkeit oder mangelhafter Verfahrensleitung bliebe ausgeschlossen. Die öffentliche Urteilsverkündung im Sinn einer Publikums- und Medienöffentlichkeit ist als Teilgehalt von Art. 30 Abs 3 BV primär für nicht direkt am Verfahren beteiligte Dritte von Bedeutung, wobei den Medien die Rolle eines Bindegliedes zwischen Justiz und Bevölkerung zukommt (Urteil des Bundesgerichts 1 C_322/2010 vom 6. Oktober 2010, Erw. 2.2, Fall Roland Nef, =BGE 137 I 16 ff). Gemäss dem Öffentlichkeitsprinzip besteht namentlich bei einer Verfahrenserledigung ohne Straffolgen mittels Einstellungsverfügung durch eine nichtgerichtliche Behörde ein Einsichtsrecht von Interessierten in den strafprozessualen Entscheid. Die Einsichtsnahme setzt voraus, dass der Gesuchsteller ein schutzwürdiges Informationsinteresse nachweist und der beantragten Einsicht keine überwiegenden öffentlichen und privaten Interessen entgegenstehen (BGE 136 I 84; BGE 134 I 288 ff.). Bei entgegenstehenden privaten oder öffentlichen Interessen ist zu prüfen, ob diesen durch Kürzung oder Anonymisierung ausreichend Rechnung getragen werden kann (Urteil des Bundesgerichts 1 C_258/2008 vom 20. November 2008). In der Literatur wird das Einsichtsrecht Dritter in Akten von abgeschlossenen Verfahren (primär) aus Art. 29 Abs. 2 BV bzw. Art. 16 Abs. 3 BV abgeleitet (Bommer, Einstellungsverfügung und Öffentlichkeit, in: forumpoenale 4/2011, S. 245 ff.).
Voraussetzung für die Einsicht Dritter in Einstellungsverfügungen ist, wie soeben dargelegt, das Vorliegen eines schutzwürdigen Informationsinteresses. Beim Beschwerdegegner ergibt sich dieses schutzwürdige Interesse aus der Kontrollfunktion der Medien (vgl. dazu das Urteil des Bundesgerichts 1 C_322/2010 vom 6. Oktober 2010 im Fall Roland Nef = BGE 137 I 16 ff.).
Die FIFA (Federation Internationale de Football Association) ist der Weltfussballverband mit Sitz in Zürich. Die FIFA organisiert verschiene Fussballwettbewerbe, darunter die Männer- und Frauen-Fussballweltmeisterschaft. Der derzeitige Präsident ist der Schweizer Joseph Blatter. Von vielen Seiten wird Kritik gegenüber der FIFA geäußert, dass diese ihre Monopolstellung ausnutze. Es kursieren auch Anschuldigungen über Zahlungen von Schmiergeld. Im Mai 2006 beschrieb der britischen Enthüllungsjournalist Andrew Jennings in seinem Buch „Foul!“ ein angeblich umfangreiches System der Korruption unter der Ägide von Sepp Blatter, das im Zuge des Zusammenbruchs des FIFA-Marketing-Partners ISL ans Licht kam. Kurz nach Veröffentlichung des Buches strahlte die BBC am 11. Juni 2006 einen kritischen Beitrag über den angeblichen Schmiergeldskandal aus. Insgesamt soll die ISL rund USD 100 Mio. Schiergeld gezahlt haben, um Entscheidungen der FIFA zu beeinflussen. Auch drei Mitglieder des FIFA-Exekutivkommitees, das über die Vergabe von Weltmeisterschaften entscheidet, sollen Zahlungen erhalten haben: Nicolas Leoz, Präsident der südamerikanischen Fussball-Konförderation CONMEBOL soll 1998 und 1999 USD 600`000.–, Issa Hayatou, Präsident der Confederation Africaine de Football soll 1995 USD 20`000,– und Ricardo Teixeira, Präsident des brasilianischen Fussball-Nationalverbandes Confederacao Brasileira de Futebol soll USD 9.5 Mio. erhalten haben (vgl. http://wikipedia.org)
Am 24. Juni 2010 war einer Medienmitteilung der Zuger Strafverfolgungsbehörden zu entnehmen, dass der FIFA Provisionszahlungen von mehreren Millionen Schweizer Franken vorenthalten worden seien. Weil die Beschuldigten den Schaden in angemessenem Umfang wieder gut gemacht hätten, sei das Verfahren gegen sie eingestellt worden (vgl. HD ½). Aufgrund der allgemein zugänglichen Informationen über die FIFA, insbesondere der Anschuldigungen über Zahlungen von Schmiergeld auf der einen Seite und der in der Medienmitteilung enthaltenen Informationen zu Provisionszahlungen, die von der ISMM/ISL-Gruppe ausgeschüttet wurden, auf der anderen Seite besteht ein gewichtiges öffentliches (und weltweites) Interesse an den Umständen, die zur Einstellung des Strafverfahrens im Fall der FIFA führten. Die Verfahrenseinstellung nach Art. 53 StGB (Wiedergutmachung) wirft in der Öffentlichkeit zahlreiche Fragen auf. Beispielsweise ist von Interesse, wer und warum sich zusammen mit der FIFA letztes Jahr an der Wiedergutmachungszahlung von CHF 5.5 Mio. beteiligt hat, was die FIFA im Zusammenhang mit den Provisionszahlungen wusste und warum sie nichts dagegen unternommen hat (vgl. Beilage 5, S. 5).
Die Medienmitteilung der Zuger Strafverfolgungsbehörden vom 24. Juni 2010 allein kann diese offenen Fragen nicht beantworten. Es ist darin bloss die Rede davon, dass die Provisionszahlungen Auslöser des Verfahrens waren. In der Medienmitteilung wird im Zusammenhang mit den Provisionszahlungen Folgendes ausgeführt (vgl. HD ½): Ausländische Personen von FIFA-Organen kamen bis ins Jahr 2000 in den Genuss von Provisionen, die von der ISMM/ISL-Gruppe ausgeschüttet wurden. Diese Zuwendungen standen einerseits im Zusammenhang mit Vertragsabschlüssen dieser Gruppe und andererseits erfolgten diese Zahlungen aus Gründen der Verknüpfung der Provisionsempfänger mit der FIFA. Die Zahlungsadressaten unterliessen es, die Gelder an die FIFA weiterzuleiten und verwendeten die Vermögenswerte für ihre eigenen Zwecke. Die FIFA unterließ es, die ihr zustehenden Vermögenswerte von den Beschuldigten einzufordern. Sie wurden in diesem Umfang geschädigt.
Die Beschuldigten haben im Rahmen des Verfahrens den Umfang der Gelder nicht in Abrede gestellt, verneinten jedoch eine strafrechtliche Verantwortung. Sie zeigten sich aber bereit, den von der Staatsanwaltschaft als einer Wiedergutmachung zugänglich qualifizierten Betrag von 5,5 Millionen Franken zu bezahlen. Damit konnte der Schaden in diesem Umfang wieder gutgemacht werden. Ein Teil der Wiedergutmachungszahlungen in der Höhe von 2,5 Millionen Franken kommt gemeinnützigen Organisationen zu. Die Beschuldigten haben zudem die Verfahrenskosten übernommen.“
Die genauen Umstände, die zur Einstellung des Strafverfahrens geführt haben, gehen aus der Medienmitteilung nicht hervor. Aufgrund der vorgelegten Informationen kann nicht im Detail nachvollzogen werden, warum das Verfahren im Fall FIFA nicht weiter geführt wurde. Angaben zum Ermittlungsergebnis und zur rechtlichen Qualifikation der einzelnen Tatvorwürfe fehlen, Ebenso wenig ist ersichtlich, wie sich die Wiedergutmachungssumme von CHF 5,5 Mio. zusammensetzt und wer sich in welcher Höhe daran beteiligt hat. Gestützt auf die Medienmitteilung ist es daher – wie die Staatsanwaltschaft im angefochtenen Entscheid zutreffend festhält (vgl. Erwägung II.4.2) – nicht möglich zu prüfen, ob die Beschwerdeführer in irgendeiner Weise bevorzugt behandelt wurden oder ob die Einstellung der Strafuntersuchung nach Art. 53 StGB in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht korrekt erfolgte. Der Umstand, dass eine Medienmitteilung publiziert wurde, und er Inhalt derselben sind in keiner Weise präjudizierend für die Frage, ob einem Dritten unter den gegebenen Vorraussetzungen Einsicht in die Einstellungsverfügung zu gewähren ist. Die Frage, ob die Vorraussetzungen für eine Einsicht des Beschwerdegegners in die Einstellungsverfügung erfüllt sind, ist in einem anderen Verfahren und nach anderen Kriterien zu beurteilen, als diejenige, ob und wie die Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit von sich aus über die Erledigung des Strafverfahrens orientiert. Der Vorwurf der Beschwerdeführer, die Staatsanwaltschaft setze sich mit ihrem Entscheid in Widerspruch zu ihrem früheren Verhalten, geht daher an der Sache vorbei. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass ein Entwurf zur Medienmitteilung folgenden Passus enthielt: *Mit dieser Medienmitteilung erachtet die Staatsanwaltschaft jene Fragen als beantwortet, die unter Berücksichtigung des Amtsgeheimnisses aber auch der Persönlichkeitssphäre der durch das Verfahren Betroffenen beantwortet werden können.“ (vgl. D1 1/32/3). Dieser Passus fand sich, wie erwähnt, lediglich in einem Entwurf zur Medienmitteilung, welcher keinen Eingang in die definitive Fassung vom 24. Juni 2010 fand, weshalb die Staatsanwaltschaft nicht darauf behaftet werden kann. Die Beschwerdeführer hatten demnach entgegen der von ihnen vertretenen Auffassung keinen Anlass, darauf zu vertrauen, dass mit der vorgesehenen und realisierten Medienmitteilung das Bedürfnis der Öffentlichkeit auf Information vollumfänglich abgedeckt sei und auffällige Begehren um Akteineinsicht von Vorneherein ausgeschlossen würden.
Wie Bundesgericht im Fall Roland Nef ausgeführt hat, geht es um die Überwachung der Justiz und die Klärung der Hintergründe und Umstände der Verfahrenseinstellung. Die Öffentlichkeit soll nachvollziehen können, weshalb und unter welchen Bedingungen das Strafverfahren im Fall FIFA eingestellt, mithin nicht zur Anklage gebracht wurde. Im Kern geht es um die Frage, ob die Beschuldigten in irgendeiner Weise privilegiert behandelt wurden. An der Klärung dieser Frage besteht ein gewichtiges öffentliches Interesse. Zweck der Entscheidöffentlichkeit nach Art. 30 Abs. 3 BV ist es gerade, Spekulationen, dass gewisse Personen von der Justiz bevorzugt werden, zu begegnen und Transparenz zu schaffen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1 C_322/2010 vom 6. Oktober 2010 = BGE 137 I 16 ff.). Insofern liegt entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer keine „verreinsinterne“ Angelegenheit vor.
Unerheblich ist, dass parallel dazu geführte Strafuntersuchungen (Fall ISMM) mit Freisprüchen endeten. Zum einen wurden diese Verfahren gegen andere Personen und aufgrund anderer Tatvorwürfe geführt. Zum anderen erfolgte im (vorliegend zu beurteilenden) Fall FIFA eben gerade kein Freispruch, sondern Einstellung nach Art. 53 StGB. Eine solche Einstellung setzt nach Rechtsprechung des Bundesgerichts aber voraus, dass der Täter die Normverletzung anerkennt und sich bemüht, den öffentlichen Frieden wieder herzustellen (vgl. BGE 135 IV 25).
Die Überprüfung der Rechtmässigkeit der Handlungen von staatlichen Organen steht ferner nicht einzig in der Kompetenz der entsprechenden Aufsichtsbehörden, wie die Beschwerdeführer vorbringen. Das Bundesgericht anerkennt, dass interessierte Private durchaus ein legitimes Interesse an der Klärung der Fragen haben können, weshalb es zu nichtgerichtlichen Verfahrenseinstellungen ohne Straffolgen durch Sach- und Prozessentscheide kommt. Ein solches Informationsbedürfnis könne sich insbesondere (also nicht nur) bei systematischen bzw. auffällig häufenden Verfahrenserledigungen dieser Art durch Ermittlungs-. Und Untersuchungsbehörden bzw. Staatsanwaltschaften aufdrängen, gerade in den Bereichen, die auf ein besonderes Interesse der Öffentlichkeit stossen würden. Bei nicht verfahrensbeteiligten Dritten erschiene es allerdings geboten, ein schutzwürdiges Informationsinteresse zu verlangen (vgl. BGE 134 I 290). Wie soeben dargelegt, besteht im Fall FIFA, der auf großes Interesse in der Öffentlichkeit stößt, ein solches schutzwürdiges Informationsinteresse. Das Interesse der Öffentlichkeit an den Geschehnissen um die FIFA, den Weltverband der weltweit populärsten Mannschaftssportart, und an der Rolle ihrer Exponenten, wie B2 und B3 es sind, ist vergleichbar mit demjenigen an politischen oder wirtschaftlichen Vorkommnissen.
Unter all diesen Umständen kann aber nicht gesagt werden, vorliegend überwiege ein kommerzielles Eigeninteresse, nämlich der Absatz eines Produktes und die Erhöhung des eigenen Marktwertes. Im Zentrum stehen die Information der Öffentlichkeit über die Einstellung der Strafuntersuchung im Fall der FIFA nach Art. 53 StGb und eine kritische Auseinandersetzung mit den Umständen dieser Einstellung. Daran vermag auch die bisherige Berichterstattung des Beschwerdegegners in dieser Angelegenheit (z.B. der Artikel „Schmiergeldempfänger stimmen mit“, Tagesanzeiger vom 29. November 2010, vgl. ND 3/3) nichts zu ändern. Diese Berichterstattung mag für die Beschwerdeführer tendenziös erscheinen. Massgebend ist indes nicht die persönliche Sicht der Beschwerdeführer sondern ob ein schutzwürdiges Informationsinteresse besteht. Ein solches Interesse ist vorliegend zu bejahen, und zwar ein aktuelles, kursieren doch im Zusammenhang mit der FIFA nach wie vor Anschuldigungen über Zahlungen von Schmiergeld (vgl. Erw. 2.3.1 hiervor).
2.4 Dem Grundsatz der Entscheidöffentlichkeit bzw. der Gewährleistung der Einsicht in die Einstellungsverfügung ist immanent, dass hierdurch die Persönlichkeitsrechte der ehemals Beschuldigten tangiert werden (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1 C_322/2010 vom 6. Oktober 2010 im Fall Roland Nef = BGE 137 I 16 ff.). Im vorliegenden Fall ist nicht zu verkennen, dass private Interessen der Beschwerdeführer tangiert sind. Die Einstellungsverfügung enthält insbesondere Informationen über das Umfeld der Beschwerdeführerin B1, über die persönlichen und finanziellen Verhältnisse der Beschwerführer B2 und B3, über das Ermittlungsergebnis und die rechtliche Qualifikation durch die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft hat aufgezeigt, dass diesen privaten Interessen der Beschwerdeführer zu relativieren sind, namentlich durch die Möglichkeit der gerichtlichen Anfechtung negativer Medienberichte (Art. 28 ff. ZGB), durch den strengen Berufskodex für Journalisten in der Schweiz, durch die Möglichkeit der aktiven Pressepolitik der Beschwerdeführer, durch die Einschränkung des Persönlichkeitsschutzes bei anerkannten Personen des öffentlichen Lebens (B2 und B3; BGE 127 III 481) und dadurch, dass keine Publikation der Adressen von B2 und B3 erfolgt. Diesen Ausführungen ist vollumfänglich beizupflichten. Mit den von der Staatsanwaltschaft aufgezeigten Instrumenten ist jedenfalls die von den Beschwerdeführern befürchtete „unverhältnismässige Prangerwirkung“ hinreichend gebannt. Nicht ersichtlich ist dabei, inwiefern sich die Staatsanwaltschaft – so die Beschwerdeführer – mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der „aktiven Pressepolitik“ durch die Beschwerdeführer vom Boden des Datenschutzgesetzes gelöst haben soll. Die Beschwerdeführer sind zweifelsohne keine Organe im Sinne des Datenschutzgesetzes (vgl. § DSG).
Wenn die Beschwerdeführer ferner befürchten, mit der Veröffentlichung eines ungerechtfertigten Artikels sei der Schaden bereits angerichtet, ist auf Art. 28a abs. 3 ZGB hinzuweisen, wonach im Rahmen des Persönlichkeitsschutzes die Klagen auf Schadensersatz und Genugtuung sowie auf Herausgabe eines Gewinnes entsprechend den Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag ausdrücklich vorbehalten bleiben. Soweit die Beschwerdeführer im Weiteren geltend machen, die Einstellung nach Art. 53 StGB setze keine Schuldfeststellung heraus und es habe auch keiner der Beschuldigten irgendeine Schuld anerkannt, weshalb die Veröffentlichung der Einstellungsverfügung zur Bekanntgabe von zahlreichen nicht näher abgeklärten Verdächtigungen führen würde, ist ihnen entgegenzuhalten, dass eine Einstellung nach Art. 53 StGB gemäss der bundesgerichtlichen Rechtssprechung (u.a.) voraussetzt, dass der Täter die Normverletzung anerkennt (vgl. Erw. 2.3.4 hiervor). Die Beschwerdeführer haben demnach zumindest eine Normverletzung anerkannt, ansonsten eine Einstellung nach Art. 53 StGB gar nicht infrage gekommen wäre. Insofern ist auch nicht zu befürchten, dass eine Veröffentlichung der Einstellungsverfügung zu „nicht näher abgeklärten Verdächtigungen“ führt. Schließlich mag es sich zwar um die Sachverhalte handeln, die teilweise vor mehr als zehn Jahren stattgefunden haben. Das Interesse an der FIFA bzw. ihren Funktionären und sich hartnäckig haltenden Gerüchten um angebliche Schmiergeldzahlungen ist indes ungebrochen. Insofern kann nicht gesagt werden, die Beschwerdeführer B2 und B3 seien „in unserem Land keine Personen der aktuellen Zeitgeschichte, die eine besondere Medienpräsenz und damit einhergehende Eingriffe in ihre Privatsphäre in Kauf zu nehmen (bräuchten)“. Im Übrigen ist jede negative mediale Berichterstattung über eine Person psychisch belastend, was aber im Rahmen des Zulässigen in Kauf genommen werden muss. Zusammenfassend vermögen demnach die privaten Geheimhaltungsinteressen der Beschwerdeführer B1, B2 und B3 das schutzwürdige Informationsinteresse des Beschwerdegegners (vgl. Erw. 2.3 hiervor) nicht aufzuwiegen.
2.5 Die von der Staatsanwaltschaft gewährte Einsichtnahme erweist sich mit den in der Verfügung vom 17. Januar 2011 festgehaltenen Modalitäten als verhältnismässig. Danach ist der Name der Beschwerdeführerin B1 (FIFA) offen zu legen und nicht zu anonymisieren. Ebenso werden die Namen und Geburtsdaten der Beschwerdeführer B2 und B3, die Namen ihrer Rechtsvertreter, ihre Funktion innerhalb der FIFA sowie ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse (nicht jedoch ihre Wohnadresse) offengelegt und nicht anonymisiert. Demgegenüber werden die Namen sämtlicher nicht beschuldigter Dritter, natürliche und juristische Personen, nicht offengelegt und in ihrer Einstellungsverfügung anonymisiert. Davon ausgenommen sind die Namen ISMM/ISL (vgl. HD3). Ein weitergehender Schutz der Beschwerdeführer drängt sich nicht auf. Es ist von öffentlichem Interesse, wer Provisionszahlungen erhalten hat (Name mit Angabe des Alters) und in welcher Beziehung diese Personen zur FIFA stehen. In diesem Zusammenhang kursieren in der Öffentlichkeit zahlreiche Anschuldigungen (vgl. Erw. 2.3.1 hiervor). Eine Offenlegung der Vermögensverhältnisse von B2 und B3 ist sodann unumgänglich, damit die geleistete Widergutmachung nachvollzogen werden kann. Im Übrigen werden die Namen allenfalls beteiligter Dritter (mit Ausnahme des ISMM/ISL) nicht offengelegt. Die Staatsanwaltschaft hat die Bedingungen der Anonymisierung genau festgelegt und in ihrem Entscheid festgehalten. Daran hat sie sich zu halten. Insofern ist eine vorgängige Einsichtnahme in ein Exemplar der anonymisierten Einstellungsverfügung durch die Rechtsvertreter von B2 und B3 nicht erforderlich.
3. Nach dem Gesagten erweisen sich die Beschwerden als unbegründet und sind daher abzuweisen.
Bei diesem Ausgang sind die Kosten der drei Beschwerdeverfahren den Beschwerdeführern aufzuerlegen (§ 23 Abs. 1 Ziff. 3 VRG). Die Beschwerdeführer sind ausserdem zur Bezahlung einer Parteientschädigung an den Beschwerdegegner zu verpflichten (§ 28 Abs. 2 Ziff. 1 VRG)
Urteilsspruch
1. Die Beschwerden werden abgewiesen.
2. Die Kosten der drei Beschwerdeverfahren betragen
CHF 1.500,– Spruchgebühr
CHF 195,– Auslagen
CHF 1.695,– Total
und werden den Beschwerdeführern B1, B2 und B3 unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.
3. Die Beschwerdeführer B1, B2 und B3 werden unter solidarischer Haftbarkeit verpflichtet, dem Beschwerdegegner für die drei Beschwerdeverfahren eine Parteientschädigung von insgesamt CHF 1.500,– zu bezahlen.
4. Gegen diesen Entscheid ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gemäss Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) zulässig; die Beschwerdegründe richten sich nach Art. 95 ff. BGG. Die Beschwerde ist innert 30 Tagen seit Zustellung schriftlich, begründet und mit bestimmten Anträgen sowie unter Beilage des Entscheides und der Beweismittel (vgl. Art. 42 BGG) beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen.
5. Mitteilung an:
– Parteien
– Gerichtskasse (im Dispositiv)
Obergericht des Kantons Zug
Beschwerdeabteilung
Gez. Lic.jur. F. Ulrich Gez. Lic.jur. D. Hüber Stüdli
Oberrichter Gerichtsschreiberin
Versandt am 23. Dezember 2011 dhu
Hm. Instruktiv, wie man so sagt. Als jemand, der öfter juristsiche Volllaien, die zudem selbst der deutschen Sprache eher rudimentär mächtig sind, berät, hätte ich gedacht, die zitierte Erklärung wäre nun wirklich von jedem zu verstehen.
1.) Diejenigen, welche die Veröffentlichung verhindern wollten und darauf klagten, diejenigen haben verloren. Es gibt ein Urteil.
2.) Aber es gibt ein rechtsmittel, also eine höhere Instanz. Und sie haben auch dieses Rechtsmittel eingelegt, also die höhere Instanz angerufen.
3.) Normalerweise hat diese Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung, d.h. das Urteil wird zunächst umgesetzt und ggfs. vollstreckt. Sollte das Urteil von der höheren Instanz später kassiert werden, so werden die zwischenzeitlichen Forderungsdurchsetzungen (die auf Grund des nunmehr kassierten Urteils ergangen) rückabgewickelt. Derjenige, der quasi als Begünstigter des ersten Urteils vorprescht, der trägt das Risiko, dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen (und muss btw. in D dafür Sicherheit leisten.
4. In Sonderfällen wird die aufschiebende Wirkung aber dann doch verhängt. Und so ist dies hier geschehen. Alle müssen also warten, wie die höhere Instanz entscheiden wird.
… und zwar mit der auf der Hand liegenden Begründung, wenn die Dokumente erst ein Mal veröffentlicht sind, dann kann nichts rückabgewickelt werden. Das Rechtsmittel wäre im Erfolgsfall völlig wirkungslos. Man kann die Informationen ja nicht aus der Öffentlichkeit wieder zurück ziehen.
Und das ist wirklich ohne Studium nicht zu verstehen?
Ich muss zugeben, weder Beschluss noch Urteil gelesen zu haben (wieder mal vortreffliche Dokumentation übrigens; lese ich in freier Minute aus Interesse garantiert mal) und auch keine näheren kenntnisse vom Schweizer Recht zu haben. Aber dies hat der Kollege erklärt. Und zwar weniger kompliziert, als ich, so meine ich.
Dann bin ich Dir dankbar, dass Du es mir nochmal erklärst, in anderen Worten. Jetzt hab ichs wirklich begriffen.
Da nich für. Wie gesagt, ich fand seine Erklärung einfacher (und daraus lerne ich ja wieder, also dank zurück).
Dass man das nicht versteht, wenn man nur die Dokumente liest, „das ist klar“ (L. Favre). Da wird das Wissen um dieses Konstrukt halt vorausgesetzt.
Wollen Sie eigentlich mal Ihr Motto von „don’t mix politics with games“ in „don’t mix bribery with games“ ändern?
Schlimm, wie wenig solche Sachverhalte damit zu tun haben, was man so landläufig als „Sport“ versteht.
Nö, das bleibt mal schön so. Denn auf den Slogan hat ja der chinesische Präsident und KP-Chef das Copyright. Und in Copyright-Fragen sind die Chinesen sehr eigen.
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