von Grit Hartmann
Da der Hausherr im Moment außer Gefecht gesetzt ist, gebe ich hier kurz den Lückenbüßer für meinen Freund jw:
Denn das neueste Vorhaben des Sportausschusses muss selbstverständlich gewürdigt werden. Zumal es mit diesem Blog zu tun hat, wo zum Ärger einiger Volksvertreter seit einigen Jahren diverse als vertraulich deklarierte Dokumente veröffentlicht und auch noch debattiert werden. Manche sagen sogar, und ich zitiere einen O-Ton aus dem Bundestag:
Es ist ein Sieg für Jens Weinreich.
Die Fakten: Die Transparenzallergiker (jw) um Klaus Riegert (CDU, FC Bundestag) und Joachim Günther (FDP, bestfrisierter MdB), die im vergangenen Oktober Bürger und Medien aus ihren Sitzungen ausgeschlossen haben, planen gewissermaßen: eine Transparenzoffensive.
Expertisen von Sachverständigen sollen künftig vor den Sitzungen auf der Homepage des Sportausschusses veröffentlicht werden. Die Sache sei, so heißt es, „noch nicht ganz in trockenen Tüchern“. Aber morgen wollen die Obleute darüber beraten. Den Probelauf schoben die parlamentarischen Sportfreunde schon – passender Weise heimlich, still und leise – mit der Tagesordnung der 51. Sitzung ins Netz: Ansätze zur Quantifizierung der finanzpolitischen Bedeutung des Sports.
Natürlich ist das kein schwer erkämpfter Teilerfolg der SPD, die im Herbst auf zähen sportpolitischen Widerstand gegen die „Hinterzimmerpolitik“ der Koalition eingestimmt hatte und künftig zu Beginn jeder Sitzung die Wiederherstellung der Öffentlichkeit beantragen wollte. Und es ist auch kein sensationeller sportpolitischer Wahlkampfauftakt der Koalition.
Vielmehr handelt es sich um besagten „Sieg“, um ein neues Reiz-Reaktions-Muster im Umgang mit dem lästigen Hausherrn. Bundesinnenministerium und Staatssekretär Christoph Bergner (CDU, SV Halle) nämlich sollen – nicht zum ersten Mal – erzürnt gewesen sein, als sie den BMI-Bericht zu den Vorgängen am Erfurter Olympiastützpunkt vorab kommentiert auf diesem Blog entdeckten. Ausschuss-Chefin Dagmar Freitag (SPD, Deutscher Leichtathletik-Verband) hatte deshalb zunächst die Schnapsidee geäußert, Ausschussdrucksachen künftig irgendwie „restriktiver“ zu verteilen. Der Vorschlag des Hausherrn gefiel ihr dann nicht sonderlich:
Sagen Sie mal, Frau DLV-Vizepräsidentin Freitag: Kann da nicht einfach der Stempel „Geheime Verschlusssache“ drauf? Oder geht’s noch geheimer?
Jetzt überraschen die Abgeordneten also mit einer wahrhaft spezialdemokratischen Variante: Sachverständigen-Gutachten online – die politische Debatte darüber weiter hinter verschlossener Tür.
Das kann man für bizarr halten. Für den Sportausschuss läge darin freilich eine gewisse Logik: Die Debatte in diesem Gremium hat ohnehin kaum zu Ergebnissen (im Sinne erfolgreicher parlamentarischer Anträge/Initiativen) geführt. Mag Sportfreund Riegert noch so oft öffentlich wiederholen, hinter verschlossenen Türen ließe sich „effektiver“ Fachpolitik betreiben – einen Nachweis ist er selbstverständlich auch in den vergangenen Monaten schuldig geblieben.
Das auf diesem Blog im „vertraulichen“ Protokoll der 40. Sitzung nachzulesende Bekenntnis des Bundestags-Fußballers zum Rauswurf der Öffentlichkeit – er werde nicht „Leute belohne(n), die uns zugucken könnten, wenn der Kollege Günther ihm zeige, wie sein Skatspiel auf dem i-Pad gehe“ – beschreibt die Lage gewiss treffender.
Die neue Transparenz-Doktrin des Ausschusses unterliegt im Übrigen einer spannenden Teilung. Oder sollte man besser sagen: Zensur?
Zwei weitere Stellungnahmen für die 51. Sitzung liegen vor, stehen aber nicht auf der Homepage des Deutschen Bundestages: ein wenig aussagekräftiger Bericht des BMI zu den Gehältern der Bundestrainer und ein Brief von DOSB-Präsident Thomas Bach an die „sehr geehrte, liebe Frau Freitag“ dazu. Zur Einordnung des Themas der Verweis auf diesen Blogeintrag:
Vor reichlich drei Jahren wurde der Stellenwert der Trainer im Spitzensport inklusive der prekären Gehaltsfrage noch öffentlich debattiert. Bach stellt dem Ausschuss (und dem BMI) jetzt ein kompromittierendes Arbeitszeugnis für diesen Zeitraum aus:
Da seit 2008 keine Finanzmittel für eine weitere Vergütungsanpassung bereitgestellt wurden, haben sich die Gehälter der Bundestrainer/innen seit 2009 nicht geändert. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass es im Laufe des Olympiazyklus aufgrund bestehender Verträge auch nur in Einzelfällen zu Vergütungserhöhungen kommt.
Hier beide Schreiben vollständig:
- Bericht des BMI zu den Gehältern der Bundestrainer:
- Brief von DOSB-Präsident Thomas Bach (FDP) an Dagmar Freitag (SPD, DLV):
Punkt 2b der Tagesordnung kommt ganz ohne Schriftliches aus. Er ist denkbar knapp betitelt: „Zielvereinbarungen“. Das sind jene Vereinbarungen zwischen BMI/DOSB und Fachverbänden, auf deren Grundlage die vom Ausschuss bewilligten Steuermillionen an die Verbände verteilt werden. Über den Skandal, dass diese Kerndokumente der Spitzensportförderung selbst für die Abgeordneten Top Secret sind, ist auch auf diesem Blog schon mehrfach berichtet worden.
Zwei aktuelle Lesebefehle zum Thema:
- Bei Daniel Drepper ein Dreiteiler mit Kritik und Reformideen aus der Wissenschaft zu Sportförderung und Zielvereinbarungen: Die Lösung für das Dopingproblem und „Wer sauberen Sport will, muss auf Medaillen verzichten“
- In der FAZ ein Gespräch von Anno Hecker und Peter Penders mit einem schonungslosen Hockey-Bundestrainer Markus Weise: Vielleicht fahren wir mit einem Sparflammenteam nach London
Ob die Abgeordneten nun, da sie unter sich den Austausch pflegen, den DOSB auf Freigabe dieser Grundsatzdokumente verpflichten können? Es darf bezweifelt werden. Dann stehen die am Ende noch auf diesem Blog!
Peter Scholl-Latour gestern bei Maischberger zu einem zugegebenermaßen anderem Thema: „Gott bewahre uns vor der Transparenz!“
Oh, haben die sich dem „journalistischen“ Herdentrieb gemäß wieder gegen die Piraten verschworen und die Kampagne erweitert?
Nein. Ging (als kurzes Nebenthema zur Zukunft Europas) eher darum, dass die Facebook-Revolutionen im arabischsprachigen Raum gescheitert sind und dass diese Art von Offenlegung der persönlichen Meinung eben auch eine Einladung an Machthaber zur persönlichen Repression ist.
Och, Offenlegung der eigenen Meinung schadet nicht nur in fernen arabischen Gefilden ;-D
Das meinten auch weder Scholl-Latour noch ich, Grit. ;-)
Sorry, zu langsam ;-(((
Tatsächlich ein neues tag auf der Sportausschuss-Homepage, es heißt:
Dokumente
Dies, weil der oben angegebene Link zur Drucksache nicht mehr funktioniert. Und weil die transparenzoffensive Maßnahme des der Öffentlichkeit bekannt zugeneigten Sportausschusses offenkundig abgesegnet ist. Die soll lieber über (ausgewählte) Sachverständigen-Gutachten diskutieren – statt über Abgeordneten-Debatten, mit denen sich in der Vergangenheit wenig Staat machen ließ.
Wer hätte das gedacht, dass ausgerechnet MdB’s sich das Motto „Mehr Expertokratie wagen!“ auf die Fahnen schreiben würden.
betr.
„Finanzpolitische Bedeutung des Spitzensports“, ein Dokument für den Bundestags-Sportausschuß am 09. Mai …
Vorsicht Leute, der Kölner Univ.-Prof. Dr. Chrstoph Breuer ist wieder unterwegs.
Der hatte uns erst kürzlich mit der tollen Auftrags-Studie für die Sporthilfe über „Die gesellschaftliche Relevanz des Spitzensports in Deutschland“ beglückt. Zum Beispiel :
Sport ist für die Außendarstellung Deutschlands wichtiger als Kultur und Politik.
Oder : Für 93 Prozent der jungen Deutschen sind deutsche Athleten ein Vorbild.
Wir warten immer noch gespannt auf die Auflösung des Rätsels : Meinen die Befragten,
deutsche Athleten sind wirklich ein Vorbild, oder meinen sie, deutsche Athleten sollten ein
Vorbild sein ??
Bitte noch mal die Auftrags-Studie anschauen, verspreche Kenntnisgewinn:
So sieht Sportwissenschaft in diesem Lande aus. Armes Deutschland. Ein Fall
für den Deutschen Wissenschaftsrat.
Sag ich doch schon lange. Platz und Rolle des Sports in und für Deutschland – mit allen drum und (Breitensport, Nachwuchsleistungssport, Hochleistungssport) müsste schon längst mal neu bestimmt worden sein. 1990 wurde das bewußt verpasst. Jetzt wird nur noch herumgebastelt.
Daran sind aber nicht die Ostdeutschen schuld. ;-)
bundestag.de: Opposition kritisiert „Intransparenz“ von Zielvereinbarungen im deutschen Sport
Genial: Zitate via Bundestagshomepage(!) aus einer nicht-öffentlichen Sitzung des Sportausschusses des Deutschen Bundestages.
Oben schon verlinkt, aber jetzt noch einmal sichtbarer – einer meiner alltime favourite-Beiträge auf diesem Blog:
Notizen vom Sportausschuss 5: Zielvereinbarungen, Transparenz und die Kontrolle von Steuermitteln
Und dann vergleiche man die Aussagekraft der seinerzeit – ja auch mehr oder weniger: – protokollierten Debatte in einer öffentlichen Sitzung (mit absoluten highlights von Vesper, Danckert, Riegert) mit der „Qualität“ des oben auf der Bundestagshomepage Protokollierten. (Sicher zugelassen, weil garantiert: genehm.) Oder mit manch jüngerer Berichterstattung von geschlossenen Sitzungen.
Mir fällt kein Beispiel ein, das besser illustrieren könnte, was da jetzt der Öffentlichkeit entzogen ist. Neige sogar dazu zu sagen: die Realität.
Frau von Cramon versteht das einfach nicht.
Der DOSB ist quasi eine NGO die ihre betriebsinternen Daten nicht vorlegen muss.
Vielleicht sollte man einfach Monika Lierhaus dazu überreden, für den DOSB Werbung zu machen. Dann haben wir in Null Komma Nix alle Informationen.
Manchmal kann ich die Leute die da alles lieber geheim halten wollen deshalb schon verstehen. Die Öffentlichkeit kann mit Summen, die das eigene Jahreseinkommen übersteigen, nicht umgehen. So lange Dreisatz und Kopfrechnen immer noch sowas wie eine Fremdsprache sind für einen Großteil der Bevölkerung. Heute erst wieder gehört: „Barcelona hat 950 Millionen Schulden!!!EINSEINSELF!“ – worauf ich mit „Rostock hat grad 1,2 Millionen in den Arsch gesteckt bekommen“ antwortete, und „vergleich mal deren Einzugsgebiete“.
Wenn ich wüsste dass die Infos aus dem Ausschuss mich den Job (= mein Amt) kosten können in drei Jahren wenn der Bild mein Handeln nicht mehr gefällt, würde ich auch so handeln.
Nicht dass ich das gut finde, ich will nur sagen dass ich es verstehe was da in den Köpfen vorgeht.
Nicht nur der DOSB ist eine NGO?
Alles kann , nichts muß ;-)
@ Hallo Walter, auf diesem Weg herzliche Grüße.
Eigentlich müsste die nachträgliche Unsouveränitätserklärung von Schäuble auch dem unverbesserlichen Rest den Schleier von den Augen reißen. War doch genau das lange Jahre das Thema Nr. 1 einer scharfen Polemik zwischen Deutschland-West und Deutschland-Ost.
Tja, Walter, da weiß man, was den Deutschen hüben wie drüben so alles erzählt wurde. Alle, die gerne mal mit Steinen werfen, in welche Richtung auch immer, haben noch nicht gemerkt, dass sie alle im (selben) Glashaus sitzen. Die Wahrheit war in der Politik noch nie ein hohes Gut. An ihrer Stelle stehen die „Künste“ der Maniupulation und Vertuschung und, wohlwollend neuhochdeutsch formuliert, die der scheinbar politisch korrekten Interpretation.
Was die NGOs betrifft, so sind eine ihrer drei völkerrechtlich geforderten Hauptkriterien demokratische Strukturen. Aber welchen Politiker interessiert das schon, wenn er ohne Skrupel dem Volk über Jahrzehnte verschweigen durfte, dass sein Staat gar nicht – wie permanent verkündet – so souverän war. What to f*** ist denn da im Vergleich der DOSB ? Frei für jegliche „politische korrekte“ Interpretation seiner Statuskriterien. Wichtig ist doch nur, wie sag´ ich es meinen Landeskindern.
Da fehlt nur noch der Bezug zu meinem Hauptvorbehalt. Doping in der DDR war flächendeckend und menschenverachtend. Doping in der BR Deutschland war nur menschenverachtend. Und deshalb muss die Öffentlichkeit nicht über Freiburg und die Spitzer-Krüger-Studie en detail informiert werden. Begründung: Wegen Datenschutz und der Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen und Involvierten. Nicht, dass ich gegen den Schutz dieser Rechte des Einzelnen bin. Ich hätte ihn mir lediglich als gleiches Recht für alle Deutschen in Ost und West gewünscht. Aber alles nur eine Frage der Interpretation oder gar eine Frage der Macht ?
The losers pays the bill for all. Human-being never changes. Nur schade, dass allgemeine Grunderkenntnisse nicht allen zugänglich sind. ;-)
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Wolfgang Zängl für nolympia.de: Der Sportausschuss des Deutschen Bundestages
Origineller Umbennungsvorschlag : DOSB-Sportausschuss.
Dennoch gibt es Medien, die auch die unwichtigste Aktivität dieses Gremiums befllssen reportieren, ganz so, als handele es sich um eine neue Verkündigung des Heiligen Stuhls. Bzw. ein Medium.
Soll wahrscheinlich helfen, künftige Probleme mit der journalistischen und der anderen Öffentlichkeit zu lösen. „DOSB“ impliziert ja bereits Limitierung bzw. Ausgrenzung. Da steckt sicher mehr dahinter, als der demokratieverwöhnte Betrachter erahnen kann.
Übrigens erinnert mich „Ausschuss“ an meine Lehrlingszeit als wir dem BSP mehr Schaden als Nutzen zufügten. ;-) Vllt. war auch hier der Wunsch der Vater des Gedanken. :D
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