LONDON. Die Bilanz des Tages: bescheiden. Aber ich sitze jetzt im Main Press Centre (MPC) draußen im Olympiapark in Stratford und produziere. Mann muss sich einfach treiben lassen und auf das Olympiageschäft einlassen. Mann muss funktionieren, sehen, riechen, fühlen, schmecken und den Tagesrhythmus schnellstens anpassen. Achtzehn Stunden Arbeit inklusive Transportzeit, das ist normal und in London nicht anders als einst in Barcelona, Atlanta, Sydney, Athen oder Peking.
Transport
Was hatte ich nicht für Horror-Geschichten über die langen Wartezeiten bei der Immigration am Flughafen Heathrow gelesen. Heute morgen aber lief das – fantastisch. Die Olympic Lane war völlig leer. Die Akkreditierung wurde ja schon vor Wochen verschickt (das läuft seit Sydney 2000 so) und musste auch in London nur am Airport aktiviert und eingeschweißt werden. Dauerte keine fünf Minuten auf dem Weg zum Gepäckband. Noch sind die Volunteers dort sehr entspannt, das wird sich in Kürze natürlich ändern, wenn der Andrang größer wird und damit auch die Wartezeiten. Warum ich etliche Leute mit meiner Erscheinung belustigt habe, als ich schnell wie der Wind durch die frühmorgens noch leeren Flure in Heathrow und später durch das MPC glitt, erzähle ich in Kürze. Am besten mit einem kleinen Video.
Im Flieger traf ich einige IOC-Mitglieder, denn erfreulicherweise hatte mir die Fluggesellschaft ein Upgrade für die Business Class spendiert. Wen ich traf und womit ich flog, wird nicht verraten, aus Gründen des Quellenschutzes gewissermaßen :) Die Themen unseres Gesprächs waren klar: Blatter, FIFA-Korruption, Rogge, IOC-Präsidentschaft, London – das volle Programm.
Wieselflink, wie ich mich trotz meiner beiden schwer bepackten Koffer nun mal bewege, war ich beim Heathrow Express, nach weiteren 25 Minuten in Paddington, wo mich die nächste Freiwillige immer schön an rosa Linien entlang zum Taxi-Service für Akkreditierte geleitete. Taxi Service für Medien! Lief da was falsch? Sage und schreibe 75 Minuten nach der Landung hatte ich mein Privatquartier erreicht. Unglaublich. Und gewiss nicht wiederholbar in dieser Stadt – unmöglich. Ähnliches habe ich vor einigen Jahren schon in Peking erlebt, da hat es von der Landung auf dem Riesenflughafen bis ins Hotel sensationelle 45 Minuten gedauert – ebenfalls ein Rekord für die Ewigkeit.
Mein täglicher Arbeitsweg wird etwas nervender, aber das gehört zu Olympia, Mann muss es annehmen und nicht jammern. Mindestens 70 Minuten wird eine Strecke dauern, zu Fuß zur Bahn, fünf Stationen nach Stratford, quer durch das riesige Westfield-Einkaufszentrum des australischen Milliardärs Frank Lowy, der auch Präsident des australischen Fußballverbandes ist und die WM-Bewerbung 2022 geleitet hat, dann durch den Sicherheitscheck in den Olympiapark, was künftig lange dauern kann, schließlich in einen Schritttempo fahrenden Bus, der fast den gesamten Park umrundet und irgendwann vor dem IBC (International Broadcasting Centre) zu stehen kommt. Nachts dieselbe Tour zurück.
Schwerpunkte
Schon deshalb werde ich mich eher selten ins Hilton Park Lane und ins Grosvenor House am anderen Ende der Stadt durchkämpfen, wo die Olympische Familie und also das IOC und die Bosse der olympischen Weltverbände logieren. Ich fürchte, die IOC-Beobachtungen werden sich diesmal in Grenzen halten. Es ist ein logistisches Problem und auch eines des Geldes. Ich werde relativ viel aktuelle Sportberichterstattung betreiben, das hatte ich gestern schon gesagt, beim Schwimmen und in der Leichtathletik, und ansonsten Augen und Ohren offen lassen. Tagelang in Lobbies und Bars der Luxusherbergen herumlungern und fürstliche Rechnungen für Wässerchen und Käffchen begleichen, geht diesmal nicht. Eine gesonderte Akkreditierung als langjähriger IOC-Berichterstatter und Mitglied der, nun ja, doch mitunter obskuren Olympic Journalists Association, die mir den Zugang zum IOC-Hotel ermöglicht, bekomme ich auch diesmal. Ohne dieses Papier geht gar nichts.
Akkreditierungen und Medien-Tickets
Nicht-Journalisten sei gesagt: Bei derlei Mega-Events (Olympia, Fußball-WM, Fußball-EM) heißt eine Akkreditierung zunächst nur: Der Journalist kann sich dort herumtreiben – und zwar im Hauptpressezentrum MPC (für das IBC braucht man einen Day Pass und eine Einladung, wogegen die Fernsehmenschen immer das MPC aufsuchen können), in allen Sub-Pressezentren an den Wettkampfstätten und in den Venues, sofern die Wettbewerbe (sowie Eröffnung- und Schlussfeier) nicht als High Demand Event gekennzeichnet sind. Überall dort, wo der Andrang groß ist, muss man sich extra um ein Presseticket bewerben. So wie man bei einer Fußball-EM/WM sich jeweils nur für ein Spiel pro Tag bewerben kann, für ein so genanntes Match-Ticket. Bekommt man dort so ein Ticket zugeteilt, muss man sehen, ob es auch ein Ticket für die Mixed Zone und die Pressekonferenz gibt …
So läuft das. Aber im Grunde klappt das ganz gut bei Olympia. Auch wenn es in London viel enger wird, als im überdimensionierten Peking, wo ich beim 100-Meter-Finale des Witzboldes drei oder vier freie Plätze mit bestem Blick auf die Bahn hatte. Irre.
Einige Bemerkungen zu Olympia-Akkreditierungen hatte ich kürzlich mal auf geschrieben, ein Auszug, nur einige Fakten:
Bei den Olympischen Sommerspielen in London (27. Juli bis 12. August 2012) sind etwa 800 deutsche Medienvertreter zugelassen. Die Rechteinhaber von ARD und ZDF stellen auch in London mit etwa 500 Mitarbeitern das größte Team und handeln ihre Akkreditierungen direkt mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) aus. Bei den vorherigen Sommerspielen 2008 in Peking waren noch 650 Personen (inklusive Techniker) im Einsatz. Da in London, anders als in Peking, vor allem live berichtet wird, waren Einsparungen möglich. Zugleich verzichten die Sender auf Übertragungen in Digitalkanälen, was in anderen Nationen und TV-Stationen, etwa bei der britischen BBC, in HD zum Standard gehört. ARD und ZDF wollen aber alle Events im Internet anbieten. „Es wird einfach sein, die Spiele im Büro am Laptop zu verfolgen“, verspricht ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz.
Die Olympiaakkreditierungen sind für Non-Right-Holders strikt kontingentiert und deshalb unter Journalisten stets heiß debattiert. Hauptproblem diesmal: Zu Beginn des Akkreditierungsverfahrens im Jahr 2010 war noch nicht abzusehen, dass die Nachrichtenagentur dapd ein so umfangreiches Sportangebot fährt. Im Vergleich zu 2008 in Peking wurde dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) aber nur eine Akkreditierung mehr zugeteilt: 196 Vollakkreditierungen für Presse und Internet, 46 Fotografen, 22 Spezialakkreditierungen für einzelne der 26 Sportarten, 8 Einzelzugänge für Fotografen, 6 so genannte Sekretärinnen-Akkreditierungen und 22 Zugänge für Techniker.
Für diese 300 Akkreditierungen gab es 450 Anfragen. „Man kann unmöglich alle Wünsche befriedigen“, sagt DOSB-Pressesprecher Christian Klaue, „da wird man automatisch zum Buhmann.“ Die Agenturfrage wurde so gelöst: dpa erhielt mehr als 40 Akkreditierungen, der Sportinformationsdienst 25, dapd bekam 10 Vollakkreditierungen zugeteilt. Im Pressebereich erhielten die FAZ, die Süddeutsche, die Welt-Gruppe je sechsVollakkreditierungen, die Bild-Gruppe sieben. Wie immer erfolgte die Zuteilung in enger Kooperation mit dem Verband Deutscher Sportjournalisten (VDS). „Ohne Härtefälle geht das leider nie“, sagt VDS-Geschäftsführerin Ute Maag. Über eine Warteliste werden bis kurz vor den Spielen weitere Journalisten bedient, sollten Kollegen abspringen oder der DOSB vom IOC doch noch einige Zugänge mehr erhalten.
Der DOSB bietet im Deutschen Haus in London, organisiert von der hauseigenen Agentur Deutsche Sport-Marketing (DSM), tägliche Pressekonferenzen mit Medaillengewinnern und Offiziellen an. Man arbeitet an einer Übertragung dieser Termine im Internet und der Einbindung eines Twitter-Streams für akkreditierte Journalisten. Für den Gästebereich des Deutschen Hauses, der traditionell eine wichtige olympische Kontaktbörse darstellt, werden jeden Abend 80 Reporter zugelassen.
Technik
Internetverbindung hier draußen ist übrigens so la la. Kostet 180 Pfund für die gesamten Spiele, bisher klappt nur eine LAN-Verbindung am Laptop, ob und wo es WLAN gibt, wussten die Mädels am Service Counter nicht. Ob ich, wenn es WLAN gibt, damit auch iPhone und iPad bespaßen kann, weiß ich auch noch nicht. Einen zweiten Zugang werde ich eher nicht kaufen. Habe mir für mein Auslands-Handy und für das iPad für jeweils 40 Euro über holidayphone.de zwei Datenkarten (3 GB) nach Hause bestellt. Das sollte reichen, wenn ich später überhaupt Verbindung habe und die Netze nicht zusammenbrechen. In der Stadt kriegt man das vielleicht irgendwo billiger, ich will aber nicht herumrennen und suchen, ich lasse es mir lieber vorab kommen. Journalisten sind gewarnt worden, eigene WLAN-Netze aufzubauen (etwa über die Hotspot-Funktion von iOS oder dieses kleine Trekstor-Gerät, was ich im Ausland mit billig-Prepaid-Karten gern nutze), das sei verboten. Mal sehen, ob die olympische Sitten- und Technikpolizei das auch überprüft.
Also, tasten wir uns langsam heran an Inhalte, bis es richtig los geht, bleibt ja noch etwas Zeit, storify von heute, sehr unvollständig, wird aber im Laufe des Abends einige Male aktualisiert: