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Das Olympische Bildungsmagazin

#London2012 (XXVIII): #openFriedrich #Omerta #Synchronstinken

LONDON. Es stinkt nicht nur in der Sportabteilung des Bundesinnenministeriums zum Himmel, denn das Kungel-Ministerium, weigert sich weiter, Dokumente herauszugeben, die per se öffentlich sein müssten. Nein, im Wettbewerb im Synchronstinken, den BMI und DOSB so wunderbar exerzieren,  können auch Journalisten bestehen.

Gestern Nacht ganz unten im Olympic Stadium, eine Reihe vor mir, beim Warten auf The Legend:

Während ich das schreibe und das Bild hochlade, werde ich ganz unruhig und schnuppere an mir herum. Ich hoffe, das Deo, vorhin überreichlich aufgetragen, wirkt noch eine Weile.

Und nun zum nochernsteren Teil des Lebens.

  • Wer twittert, der sollte zum Thema Intransparenz (nicht nur der Sportförderung, sondern ganz grundsätzlich) ab sofort das Hashtag #openFriedrich verwenden. Nur so ein Vorschlag.
  • Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hat im ZDF-Morgenmagazin gesagt, wenn das Gericht gegen seinen Antrag entscheide, werde er sich nicht länger sperren (gebe das sinngemäß wieder). Wow. Minister beugt sich Justiz! Zeigt einmal mehr, wie die herrschende Kaste tickt. Er denkt halt wirklich, er könne über Recht und Ordnung bestimmen. Es gab mal einen DFB-Präsidenten, der ankündigte, er wolle zurücktreten, wenn Gerichte nicht in seinem Sinne entscheiden. Aber das ist eine keine andere Geschichte.
  • Einen Lesebefehl möchte ich nicht aussprechen, aber eine Empfehlung: Rechts in der Sidebar erscheinen meine aktuellen Tweets. Wenn ich auch nicht so regelmäßig bloggen kann, wie ich es eigentlich will, dann tweete ich doch relativ munter wichtige Geschichten und Entwicklungen, Lesebefehle und ein bisschen Unsinn, immer mal reinschauen. Für mich die perfekte Ergänzung zum Blog.
  • Daniel Drepper hat für das Journal des DJV in NRW ein Rechercheprotokoll geschrieben bzw darüber, wie Öffentlichkeit verhindert wird: Omerta zur Sportförderung

Seit Herbst 2011 fördert die Otto-Brenner-Stiftung unsere Recherche mit einem Stipendium über 5 000 Euro. Das aber war bald aufgebraucht. Bisher haben wir knapp 7 500 Euro Gebühren an das BMI überwiesen, die Gesamtkosten dürften fünfstellig werden. Mithilfe der WAZ und des DJV legten wir Widerspruch ein.

Interessant. Zeigt einmal mehr, wie Machthaber freie Journalisten killen wollen. Ist mir nicht unbekannt. War genau der Grund, weshalb ich dieses Rechercheprojekt nie durchgezogen habe.

Wer es gestern verpasst haben sollte: Hier findet man die Mutter aller Zielvereinbarungen, einen Vergleich mit Großbritannien, wo derlei Informationen öffentlich sind, und als Ergänzung auch Beispiele aus Dänemark, wo natürlich alles öffentlich ist.

So, jetzt warten wir bis 15 Uhr und was #openFriedrich tut. Wenn ich es schaffe, schaue ich gleich noch beim Hintergrundgespräch des Sportausschusses für „deutsche sportpolitische Journalisten“ vorbei, zu dem ich natürlich nicht eingeladen wurde.

Mal was anderes #FIFAcorruption #WM2006:

Habe gestern Nacht per Twitter bei der ARD angefragt, warum im Monitorbeitrag über die WM-Vergabe 2006 so recherchierend und enthüllend getan wird, aber nicht gesagt wird, dass all diese Fakten bereits vor neun Jahren vom Manager-Magazin und der Süddeutschen Zeitung enthüllt wurden. Ich habe vor einigen Wochen in etlichen Texten daran erinnert, als die Aufregung über @SeppBlatters Aussagen groß war in Deutschland.

* * *


In der Debatte um die Leistungssportförderung in Deutschland wird der wichtigste Aspekt überhaupt vernachlässigt. Es kann nicht zuerst um die Frage gehen, wie viel Geld verteilt werden muss, um Medaillen zu produzieren. Es müssen zunächst alle Fakten auf den Tisch, also auch alle Dokumente zur Sportförderung, die vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und dem Bundesinnenministerium (BMI) noch immer verheimlicht werden, und die nicht einmal den olympischen Dachverbänden vorliegen. DOSB und BMI kungeln unter Mitwirkung des Sportausschusses im Bundestag seit Jahrzehnten. Beispiele für diese Spezialdemokratie sind Legende. Diese Schattenwirtschaft muss ein Ende haben.

Die Intransparenz in der Sportförderung schafft nur Probleme und kreiert ungesunde Machtverhältnisse. Mit ihrem Herrschaftswissen, das sie mit niemandem teilen wollen, dominieren die Sportabteilung des BMI, die ohnehin weitgehend unkontrolliert im beschaulichen Bonn und nicht in Berlin werkelt, und der DOSB die Szene. Inakzeptabel auch, dass dieselben Personen, die Medaillen planen, die Macht haben über die Nationale Antidopingagentur NADA. Auch dieser Widerspruch muss aufgelöst werden.

Die deutsche Sportpolitik braucht unabhängige Denker auf allen Ebenen. Und sie braucht Kontrolleure, keine Lobbyisten und Parteikader, wie sie im Sportausschuss des Bundestages dominieren. Wenn diese Personen gemeinsam mit dem Sport das Hohelied auf die Subsidiarität anstimmen, ist Vorsicht geboten. Denn dieser sportpolitische Komplex will vor allem eines: Mitläufer, die keine Fragen stellen, sondern funktionieren.

Die Deutschen gewinnen seit 1992, als sie wieder mit einer vereinten Mannschaft antraten, immer weniger Medaillen bei Sommerspielen. 28 sind es bis Mittwochmorgen in London gewesen, 41 waren es vor vier Jahren in Peking – 82 Plaketten holte die deutsche Abordnung 1992 in Barcelona. Indes hinken derlei Vergleiche immer. Selbst wenn es am Ende mehr Medaillen als in Peking werden und es heißt, der Abwärtstrend sei gestoppt worden: Ein Maßstab sollten diese Zahlen aus vielerlei Gründen nicht sein.

Denn jahrzehntelang wurde der Leistungssport im Wettstreit der Systeme gepuscht, im Osten wurde systematisch gedopt, im Westen kaum weniger. Von diesen Altlasten profitierten die Deutschen in den neunziger Jahren und konnten die Bilanzen schönen, obgleich sie damals doch schon anderes erzählten. Zudem haben sich die Kräfteverhältnisse im Weltsport kolossal verändert. Immer mehr Länder gewinnen Medaillen. Seit Montag hat sogar die winzige Karibikinsel Grenada einen Olympiasieger, den Rundenläufer Kirani James, der in den USA studiert. Grenada ist das 143. Land, das eine Olympiamedaillen holte.

In Deutschland muss endlich eine tabulose Grundsatzdebatte geführt werden. Dabei kann nicht nur der olympische Hochleistungssport im Mittelpunkt stehen.

Denn das Programm der Olympischen Spiele mit ihren derzeit 26 Sommer- und sieben Wintersportarten ist doch willkürlich von Sportfunktionären festgelegt, die mit ihren Verbänden abhängig sind von den Vermarktungsgeldern des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und eben von Steuermitteln. Die Komposition dieser Sportarten spiegelt aber keinesfalls die Sportwirklichkeit wieder. Es gibt olympische Sportarten, die werden weltweit nur von wenigen hundert Spezialisten betrieben. Andere Sportarten sind populär und werden trotzdem nicht ins Olympiaprogramm aufgenommen.

Ein Land wie Deutschland hat die Pflicht, alle Sportarten zu fördern, im übrigen auch die nichtolympischen, zu denen etwa das Skating gehört, was mehr Menschen in ihrer Freizeit betreiben als die meisten olympischen Disziplinen, die man durchaus als absterbende Sportarten bezeichnen kann: etwa Gewichtheben, Ringen oder Schießen. Deutschland leistet sich schon genug exotische Disziplinen, im Winter ja etwa Rennrodeln oder Bobfahren, wofür so viele sündhaft teure und die Umwelt verschandelnde Bahnen gepflegt werden wie weltweit sonst nirgends. Derlei Förderungen müssen ebenso auf den Prüfstand und können nicht bis in alle Ewigkeit als undiskutierbar gelten.

Für die Gesellschaft – und gewissermaßen auch für die Volksgesundheit – wären Investitionen in den Schulsport zunächst einmal hilfreicher als die Hochleistungssportförderung. Schulsport ist Ländersache. Beide Themen – Schulsport und olympischer Sport – müssen gemeinsam diskutiert werden.

Welchen Sport will sich eine freie Gesellschaft leisten?

Deutschlands Olympiakader hat schon heute die höchste Durchdringungsquote an Sportsoldaten von allen führenden Nationen. Angehörige von Bundeswehr, Polizei und Zoll dominieren. Dass dieses System bislang zu sehr an Medaillen orientiert war, die berufliche Ausbildung und die zweite Karriere aber vernachlässigte, ist bekannt. Daran muss gefeilt werden. Sportler in Uniform sind das deutsche Markenzeichen, angesichts der Geschichte dieses Landes aber auch ein delikates Thema.

Es gibt kein Patentrezept für alle olympischen Sportarten. Und es hilft nichts, ausländische Systeme zu kopieren. Das hat man noch nach allen Olympischen Sommerspielen seit 1996 versucht.

Damals wurden etwa die Franzosen zum Vorbild auserkoren, kurz darauf brach deren auf systematischem Doping basierendes System zusammen.

Dann hieß es, Australien mit seinem nationalen Sportinstitut sei die große Nummer. Wo sind eigentlich in London die Australier? Was ist bei denen vom angeblichen Schub der Olympischen Spiele 2000 geblieben? Fast gar nichts. Nachhaltigkeit? Fehlanzeige. Und das ist typisch für derlei Olympia-Showveranstaltungen. Das werden auch die Briten merken, in einigen Jahren.

Wer sich an Medaillenspiegeln und Nationenwertungen orientiert, muss automatisch ein Auf und Ab in Kauf nehmen und nicht gleich in Panik ausbrechen. Zwischen Vorkampf-Ausscheiden und Medaille liegen oft nur Winzigkeiten. Eine wirklich dramatische Vorstellung haben in London eigentlich nur die Schwimmer geboten. Der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) muss sich völlig neu aufstellen. So wie es der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) nach den Sommerspielen 2004 getan hat – und nun die Früchte erntet. Der DLV hat damals Querdenker wie den Soziologen Eike Emrich und den Trainer Jürgen Mallow verpflichtet. Emrich lieferte quasi den geistigen Überbau, Mallow seine Erfahrung, an einem kleinen Ort mit bescheidenen Mitteln Weltklasse auszubilden.

Diese Kombination war gegen alle Widerstände erfolgreich, und glücklicherweise haben es Emrich und der DLV-Präsident Clemens Prokop geschafft, planmäßig die richtigen Nachfolger zu installieren. Andere im DLV wollten Zentralismus-Fanatiker in Positionen hieven, doch die Nachfolger von Emrich und Mallow – Günther Lohre, Vizepräsident Leistungssport, und Sportdirektor Thomas Kurschilgen – setzen den 2004 begonnenen Kurs fort. In der olympischen Kernsportart, einer der wirklichen Weltsportarten, in der die Konkurrenz härter ist als in allen anderen Sportarten, haben die Deutschen nun wieder ein junges, hoffnungsvolles Team zusammen. Ihr Konzept heißt, vereinfacht gesagt: In der ausgesprochenen Individualsportart Leichtathletik soll es möglich sein, an allen Standorten Leistung zu entwickeln – und diese zarten Pflänzchen dann auch zielgerichtet zu fördern und gedeihen zu lassen.

Der Olympiasieg des Diskuswerfers Robert Harting, der mit seinem dopingbelasteteten Trainer zudem die Symbiose von alter und neuer Zeit verkörpert, ist die vorläufige Krönung dieser Entwicklung. Hartings Trainer Werner Goldmann hat sich an die Erfordernisse des dritten Jahrtausends angepasst. Auch Harting hat vom Geist profitiert, der mit Emrich und Mallow Einzug hielt. Auch Harting, der gern auf Gott und die Welt schimpft, aber Sport, Bundeswehr und sein Studium an der Universität der Künste in Berlin meistert, steht für eine neue Generation von Sportlern. Gerade die Leichtathleten präsentieren etliche solcher Athleten: eloquent, intelligent, selbstbewusst – mit dem Hang zur produktiven Diskussion.

Zur Verbandspolitik gehört es mittlerweile, die Sportler zum Widerspruch aufzufordern. Als die Siebenkämpferin Lilli Schwarzkopf, Gewinnerin der Silbermedaille, in London erneut ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck brachte, dass ihr Trainer und Vater nicht mit dabei sein konnte, erläuterte der Bundestrainer Cheick-Idriss Gonschinska auf offener Bühne die Nominierungskriterien. Schwarzkopf war nicht zufrieden, doch sie lächelte. Das war keine Ironie. Auch nicht, als Gonschinska formulierte: „Ich bin gerne in einem kooperativen Prozess bereit, alle Dinge aufzuarbeiten.“

Nun ist Hochleistungssport wahrlich nicht nur von kooperativen Prozessen, sondern im Alltag abseits des olympischen Rampenlichts von Fron und Leid geprägt. Doch auch diese Aussage des Trainers Gonschinska zeigte: im Leichtathletikverband meinen sie es ernst, wenn sie vom „mündigen Athleten“ sprechen. Der mündige Athlet sollte für den gesamten deutschen Sport im Mittelpunkt aller Überlegungen stehen. Und nicht die Frage, wie sich Sportbürokraten im BMI und DOSB ihre Positionen sichern und mit zentralistischen Methoden noch mehr Steuermittel unkontrolliert in die Medaillenproduktion fließen.

 

2 Gedanken zu „#London2012 (XXVIII): #openFriedrich #Omerta #Synchronstinken“

  1. Knallhartes Interview gerade Antwerpes – Vesper. „Das kann man nicht anders sehen. Das ist so wie ich es sage“. ZUgegebenermaßen kein wörtliches Zitat aber jetzt wissen wir dass die Zielvereinbarungen Vereinbarung sind und der DOSB auf Augenhöhe mit den Verbänden agiert. DIe Kritik von Kurschilgen (DLV) wird vom Tisch gewischt, er hätte schließlich mit Präsident Prokop gesprochen und der wäre da ganz entspannt.

    Widerlich, diese Politiker im Sport.

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