AALBORG. Bin wegen meiner Verpflichtungen auf der EASM etwas spät. Möchte unbedingt das Thema DOSB erörtern und damit die Fragen:
- Spricht der deutsche Sport mal wieder mit einer Stimme?
- Wie ein Staatssport?
- Wenn ja, warum?
- Wie vom Generalsekretär Michael Vesper (Bündnis 90/Die Grünen) und vom Präsidenten Thomas Bach (FDP/UDIOCM) befohlen?
Eine erste flinke Lektüre der „Erklärung des Präsidiums“ (pdf) nach der Sitzung heute in Frankfurt am Main legt diese Fragen nahe. Hatte sich vergangenen Donnerstag bei der ersten Olympiaauswertungsrunde schon abgezeichnet, diese eine Stimme. Diese Einheit der Sportfamilie.
Ich übernehme den Text in voller Länge, weil ich denke, darüber sollte man diskutieren. Daran lässt sich einiges ableiten. Ist eine Mischung aus Propaganda, partiellen Wahrheiten, abrupten Wendungen (gegenüber manchen Verlautbarungen, die auf der Abschlusspressekonferenz in London abgesondert wurden), Wahrheitsbeugungen und Botschaften der Arroganz.
Plötzlich ist die Debatte über die Zielvereinbarungen eine „Phantomdiskussion“. Für den DOSB. Für den sportpolitischen Komplex, der Macht und Einfluss und Beratungsresistenz gerade wieder ausspielt.
Ich finde, Daniel Drepper hat das neulich im Interview mit einem Radiosender ganz gut erklärt, was da gerade läuft:
Eine ergebnisoffene Diskussion findet unter dem Vesper-Regime nicht statt. Das Ergebnis steht fest: Machtsicherung. Absicherung des Status Quo. Die Steuermillionen des BMI sollen weiter über den DOSB verteilt werden. Mitsprache unerwünscht. Transparenz abgelehnt.
Nun aber, der Originaltext des (c) DOSB.
53. SITZUNG DES DOSB-PRÄSIDIUMS AM 18. SEPTEMBER 2012
ERKLÄRUNG DES PRÄSIDIUMS
London 2012 – Erste Bewertungen und Schlussfolgerungen
Das Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) freut sich über das hervorragende Abschneiden der Deutschen Olympiamannschaft bei den Spielen der XXX. Olympiade in London und dankt ihr dafür, dass sie mit ihrem zugleich leistungsorientierten und sympathischen Auftreten ein vorbildlicher Botschafter unseres Landes war.
Die gemeinsame Rückfahrt der Mannschaft nach den Spielen auf der MS Deutschland war für alle ein wunderbares Erlebnis, das nachhaltig zusammenschweißte und seinen Höhepunkt bei der Ankunft in Hamburg fand. Das Präsidium dankt der Freien und Hansestadt Hamburg, die der Mannschaft einen großartigen Empfang bereitete. Die Willkommensfeier zunächst im Hafen und dann im Rathaus machten die riesige Begeisterung und Wertschätzung der Menschen gegenüber der Leistung unserer Athleten/innen deutlich, die auch während der Spiele nicht zuletzt in hohen Einschaltquoten bei den Übertragungen zum Ausdruck kam.
1. Die Deutsche Olympiamannschaft hat in London ihr Ziel erreicht: Mit 44 Medaillen – elf Gold, 19 Silber und 14 Bronze – errang sie drei Medaillen mehr als vier Jahre zuvor in Peking. Nach der Zahl der Medaillen verteidigte sie nach den USA (104), China (87), Russland (82) und Großbritannien (65) den fünften Platz. Legt man die Zahl der Goldmedaillen zugrunde, landete sie mit elf Goldmedaillen (gegenüber 16 in Peking) nach den USA (46), China (38), Großbritannien (29), Russland (24) und Korea (13) auf dem sechsten Platz in der inoffiziellen Nationenwertung. Eine deutliche Steigerung gab es hinsichtlich der Finalplätze (eins bis acht): Gegenüber 110 Plätzen in Peking erzielten wir in London 125 – eine Steigerung um 17 Prozent. Zum ersten Mal seit den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona gelang es, mehr Medaillen zu gewinnen als bei den Spielen zuvor.
Dieser Erfolg ist angesichts der äußeren Rahmenbedingungen bemerkenswert. Noch nie wurde weltweit so viel an Geld und Know-how in den Spitzensport investiert wie heute. Die internationale Konkurrenz ist erheblich größer geworden, und sie stellt sich erheblich breiter auf als zuvor. Alle führenden Sportnationen richten ihre Förderpolitik immer stärker in die Breite und nehmen immer mehr Sportarten durch gezielte Fördermaßnahmen in den Blick.
2. Das Ergebnis von London ist umso höher einzuschätzen, weil es auf vergleichsweise weniger Disziplinen beruht. Hatte die Deutsche Olympiamannschaft in Peking noch in 22 Sportarten Medaillenerfolge erzielt, waren es in London 17; immerhin erreichte sie in 28 Sportarten Endkampfplatzierungen. Demgegenüber stehen die enttäuschenden Ergebnisse in einer Reihe von Sportarten, in denen es – teilweise zum wiederholten Mal – nicht gelungen ist, zum Gesamtergebnis der Deutschen Olympiamannschaft einen entscheidenden Beitrag zu leisten.
3. Daraus ziehen wir aber ausdrücklich nicht den Schluss einer Konzentration auf die erfolgreichen Disziplinen. Gemäß der in Deutschland gewachsenen Sportkultur wollen wir vielmehr an der Förderung der ganzen Breite der Olympischen Sportarten festhalten, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit insgesamt abzusichern. Dazu bedarf es einer Steigerung der verfügbaren finanziellen Mittel, um im verschärften Wettbewerb mit den anderen Nationen bestehen zu können. Sollte dies nicht zu erreichen sein oder der verfügbare Mittelrahmen sogar schrumpfen, stünde der deutsche Sport bald vor der Alternative, entweder in der Breite der Olympischen Sportarten auf Mittelmaß abzurutschen oder aber Prioritäten setzen zu müssen, um in einem Teil der Disziplinen in der Weltspitze zu verbleiben. Nach Auffassung des DOSB ist beides nicht tragbar: Eine der führenden Wirtschaftsnationen der Welt muss auch weiterhin den Anspruch haben, im Sport im internationalen Vergleich ebenfalls mit der Weltspitze konkurrieren zu können.
4. Die kurz vor Ende der Spiele entstandene Debatte um die Zielvereinbarungen ist, wie es ein Verbandspräsident formulierte, eine „Phantomdiskussion“. Die Zielvereinbarungen waren Ergebnis intensiver Gespräche zwischen jedem einzelnen Spitzenverband und dem DOSB, die mehr als vier Jahre vor den Spielen geführt wurden; dabei ging es um Verabredungen über den zu beschreitenden Weg in Richtung auf eine Optimierung der internationalen Leistungsfähigkeit der Sportart, die sehr differenziert niedergelegt sind und periodisch an „Meilensteinen“ gemeinsam evaluiert wurden. Die Vereinbarungen oktroyierten weder Verbandsvorgaben noch individuelle Medaillenprognosen, sondern identifizierten frühzeitig Potentiale. Dabei war und ist sportfachlich jedem klar, dass sie sich nur teilweise in tatsächliche Medaillen umsetzen lassen. Als Zielvorgabe des DOSB für die in London antretende Gesamtmannschaft, wie wir sie seit 2011 öffentlich kommuniziert haben, galt der Maßstab Peking, nämlich die dort erzielte Zahl der Medaillen zu steigern.
5. Das Steuerungsmodell Leistungssport, dessen Bestandteil dieses Vorgehen ist, hat die Mitgliederversammlung des DOSB in zwei Schritten nahezu einstimmig verabschiedet. Es löste das alte System von Belohnung und Bestrafung ab. Statt die Mittel aufgrund teils weit zurückliegender positiver oder negativer Ergebnisse zuzuteilen, richtet es den Blick in die Zukunft – nach dem Motto: Investition in künftige Erfolge. Entsprechend der einstimmigen Empfehlung des Präsidialausschusses Leistungssport und des Beirates für Leistungssportentwicklung vom 13. September 2012 werden wir auch auf dem Weg nach Rio de Janeiro, wo 2016 die Spiele der XXXI. Olympiade stattfinden, an diesem Steuerungsmodell festhalten. Mit unseren Mitgliedsverbänden sind wir uns einig: Es ist ein natürliches Prinzip des Sports, das auch der Motivation der Athleten/innen entspricht, sich ehrgeizige Ziele zu setzen und im internationalen Wettbewerb sportliche Erfolge anzustreben.
Der DOSB wird die Ergebnisse von London in den kommenden Monaten gemeinsam mit den olympischen Sommersportverbänden sorgfältig auswerten und insbesondere die Gründe für das Abschneiden nach Sportarten und Disziplinen differenziert analysieren.
Zu fragen ist, was die erfolgreicheren Verbände anders machen als die weniger erfolgreichen und welche Elemente übertragbar sind. Wir werden an dem Ziel der Entwicklung von Spitzenleistungen festhalten, um bei Olympischen Spielen sowie Welt- und Europameisterschaften durch Medaillenerfolge und vordere Platzierungen erfolgreich zu sein.
Dies ist die Voraussetzung für eine bestmögliche öffentliche Förderung. Die Gespräche sollen nach Möglichkeit bis März 2013 abgeschlossen sein und in neue Vereinbarungen für Rio de Janeiro 2016 münden. Darin werden wir auch weiterhin mit jedem Verband Medaillenpotenziale identifizieren, die allerdings wie bisher keine „Vorgaben“ sind.
Um allen Missverständnissen vorzubeugen, teilen wir schon heute mit: Unser Ziel für die Deutsche Olympiamannschaft in Rio de Janeiro 2016 lautet, dass sie das Ergebnis von London 2012 übertrifft; wir wollen den jetzt erreichten Aufwärtstrend weiter fortsetzen.
Dies wird nur möglich sein, wenn es gelingt, gerade auch die in London nicht erfolgreichen Sportarten auf die Medaillenränge zurückzuführen; darin muss und wird einer der Schwerpunkte unserer Leistungssportsteuerung liegen.
6. Die individuelle Förderung, die der DOSB und seine Mitgliedsorganisationen teils eigenfinanziert, teils mit öffentlichen Mitteln den Spitzenathleten/innen zur Verfügung stellt, muss weiter verbessert werden. Sie umfasst sehr viel mehr als die Prämien für Medaillengewinner und ist ganzheitlich über den gesamten Entwicklungsprozess der Athleten/innen in den Blick zu nehmen – für eine erfolgreiche duale Karriere von der Talentsichtung bis zur Olympiateilnahme und darüber hinaus für die Zeit nach der sportlichen Laufbahn. Die Förderung beginnt in den 91.000 Vereinen unserer Mitgliedsverbände.
Hier werden die Grundlagen gelegt und sportliche Talente entdeckt und gefördert. Sie setzt sich fort in der Bereitstellung und Unterhaltung geeigneter Sportstätten, in denen die jungen Talente trainieren können. Ohne hoch qualifizierte Trainer/innen können sie sich nicht weiterentwickeln, daher besteht ein entscheidender Teil der individuellen Förderung von Athleten/innen darin, ihnen gut ausgebildete, erfahrene Trainer/innen auf internationalem Niveau zur Seite zu stellen. In den 39 Eliteschulen des Sports werden junge Talente im Gleichklang schulisch und sportlich gezielt unterstützt. Auch die 19 Olympiastützpunkte mit ihren Serviceangeboten für Spitzenathleten/innen sind Teil von deren Gesamtförderung.
Wer heute an der Weltspitze des Sports konkurrenzfähig sein will, muss unter professionellen Bedingungen trainieren können. Deshalb sind den Athleten/innen je nach individueller Karriereplanung unterschiedliche Wege zu eröffnen. Die rund 1.000 Sportförderstellen bei Bundeswehr, Bundespolizei, Zoll und einigen Länderpolizeien sind ein unverzichtbarer Weg: Sie ermöglichen den Spitzenathleten/innen, sich auf Zeit voll auf ihren Sport zu konzentrieren und in der Regel zugleich eine Perspektive für die Zeit nach der sportlichen Karriere zu erarbeiten.
Wir wünschen uns, dass auch Unternehmen in verstärktem Maß solche Sportförderstellen schaffen. Daraus ergibt sich für beide Seiten – den Sportler und das Unternehmen – eine Win-Win-Situation: Der/Die Sportler/in hat schon während der aktiven Karriere die Chance auf seine/ihre berufliche Verankerung, und das Unternehmen gewinnt eine/n hochmotivierte/n Mitarbeiter/in, der/die leistungsbereit und leistungsfähig ist und mit der im Sport erworbenen Anerkennung das Unternehmensprofil bereichert.
Für vielversprechende Nachwuchs- und Spitzenathleten/innen, die noch zur Schule gehen oder ein Hochschulstudium absolvieren, ist entscheidend, dass die jeweilige Schule bzw. Hochschule Rücksicht auf Trainings- und Wettkampfpläne nimmt, und dass sie das sportliche Engagement ihrer Schüler/innen bzw. Studenten/innen nicht als lästige Begleiterscheinung lediglich duldet, sondern es aktiv fördert und auch zur eigenen Profilbildung nutzt.
Wer sich auf der Basis all dieser Fördermaßnahmen – vom lokalen Verein bis zum Nationalkader – durchsetzt, wird zusätzlich auch durch die Deutsche Sporthilfe individuell gefördert. Dies ist ein wichtiger Baustein des gesamten Fördersystems, weshalb der DOSB sich unter anderem mit gut 1,2 Mio. Euro jährlich an der Finanzierung der Athletenförderung durch die Sporthilfe beteiligt. Das DOSB-Präsidium strebt an, die unterschiedlichen Fördermaßnahmen zugunsten der Sportler/innen im Sinne der dualen Karriere noch besser aufeinander abzustimmen und dadurch noch effektiver zu gestalten.
7. Für das Erreichen unseres oben abgesteckten Ziels, nämlich den Aufwärtstrend von London nachhaltig, auch über die nächste Olympiade hinaus fortzusetzen, ist es unabdingbar notwendig, das Gesamtsystem der Steuerungs- und Förderinstrumente noch besser aufeinander abzustimmen und weiter zu entwickeln. So ist die Qualität der Eliteschulen des Sports ständig zu überprüfen und zu verbessern. An den Hochschulen besteht trotz der Erklärungen, die der DOSB mit der Kultus- und Sportministerkonferenz sowie der Hochschulrektorenkonferenz beschlossen hat, noch großer Nachholbedarf, um die Vereinbarkeit von Spitzensport und Studium in der täglichen Praxis durchzusetzen.
Die Steuerung der Olympiastützpunkte, die in unterschiedliche lokale und föderale Trägerstrukturen eingebettet sind und dadurch gelegentlich regionalen statt übergreifenden Anliegen Vorrang geben, ist im Sinne des Gesamtinteresses der Deutschen Olympiamannschaft zu optimieren.
Im Bereich des Nachwuchsleistungssports sind die Förderziele und -programme zwischen den Spitzenverbänden, ihren Landesfachverbänden und den Landessportbünden noch besser zu koordinieren. Das Forschungs- und Servicezentrum Leistungssport (FSL), in dem DOSB, IAT, FES, die Trainerakademie und die Olympiastützpunkte zusammenwirken, muss in den Steuerungsprozess Leistungssport noch intensiver eingebunden werden.
Einen Schwerpunkt bildet die Optimierung des Trainings, denn hier liegt ein Schlüssel der Leistungssportentwicklung. Unsere Spitzenverbände brauchen mehr hochqualifizierte Trainer/innen. Zu modernen Trainingssystemen gehören die wissenschaftliche Absicherung der Leistungs- und Trainingsgestaltung und der Einsatz von aktueller Technologie. Die Trainingswirksamkeit ist in einer Reihe von Sportarten deutlich zu erhöhen: So müssen die jeweils neuesten Erkenntnisse der Sport- und Trainingswissenschaft in die Trainingspraxis der Spitzensportler/innen unmittelbar einfließen, egal ob es im Heimatverein oder am Bundesstützpunkt stattfindet. Zudem ist die sportpsychologische Betreuung dringend zu intensivieren.
8. Das Präsidium hebt erneut den Wert des Spitzensports in unserer Gesellschaft hervor. Was dieser für Gesellschaft und Staat leistet, kann sich sehen lassen: Für viele Kinder und Jugendliche bildet er den Anstoß dafür, selbst Sport zu treiben – und damit nicht zuletzt auch ihre die Persönlichkeit fördernden Potentiale aus eigenem Antrieb zu erschließen. Ohne erfolgreichen Spitzensport würde das Fundament des Breitensports verkümmern. Der Spitzensport schafft Idole und Vorbilder. Er trägt dazu bei, die für das Zusammenleben in einer Gesellschaft essentiellen Werte wie Fairplay, soziale Kompetenz, Einhaltung von Regeln und nicht zuletzt Leistungsorientierung zu verankern. Der Sport ist der beste Motor für Integration. Mit ihm erfahren Kinder und Jugendliche, dass es nicht auf Herkunft, Rasse, soziale Stellung oder Religion ankommt. Auf dem Sportplatz sind alle gleich. Sie lernen mit Niederlagen umzugehen und einen Sieg nicht auf Kosten des Unterlegenen auszuleben. Welchen Wert hat der Spitzensport für die Gesellschaft? Der Spitzensport hat, wie die FAZ kürzlich schrieb, „viel mehr zu bieten als ein spannendes Entertainment. Er inspiriert, er treibt die Menschen an die Grenzen, er bewegt sie, darüber hinauszugehen, unbewusste Kräfte zu entdecken und sich zu entfalten. Es lohnt sich, die Menschen zu fördern. Das mag – auf den zweckfreien Sport bezogen – ein Luxus sein. Aber eine Gesellschaft, die sich diese Kultur leistet, ist reich.“
Vor diesem Hintergrund wird der DOSB alle Anstrengungen unternehmen, um auch zukünftig den Spitzensport-Standort Deutschland zu sichern und zu stärken.
Frankfurt am Main, 18. September 2012
Für die Agenturen war offenbar das folgende die Kernbotschaft:
Siehe hier, hier und hier!
Sorry, Jens und auch Daniel Drepper: Ich bin ja hoffentlich der kritiklosen Zustimmung zu DOSB-Aktionen unverdächtig. Aber die Kritik ist mir deutlich zu grob. In der letzten Woche haben sich die Gremien des DOSB ( Präsidialausschuss Leistungssport und Beirat für Leistungssportentwicklung, die kurzfristig sozusagen die demokratische Entscheidungsstrukturen dort verkörpern) dafür ausgesprochen, dieses Fördersystem inklusive der Zielvereinbarungen fortzuführen (wie gesagt: historisch betrachtet ist das gegenüber dem extrem starren „Förderkonzept 2000“ eine Entschärfung der Medaillenfixierung, es wurde so von einer DOSB-Mitgliederversammlung beschlossen und seinerzeit freudig begrüßt) – dabei auch Landessportbünde, Athletenvertreter, Verbände. Nicht bekannt geworden ist hingegen der offizielle Protest eines Verbandes – der Tischtennisbund hat etwas angekündigt, aber eben: nicht vorgelegt.
Darüber kann man ja enttäuscht sein, sich stärkere Beachtung kluger Vorschläge wie von Emrich & Co. wünschen. Aber das ist – jedenfalls zur Zeit – offensichtlich nicht mehrheitsfähig oder wird auch nur nicht offen formuliert. Eher im Gegenteil: Es soll ja wieder „leistungsfixierter“ werden. Alternative Konzepte einzubringen, das wäre die Aufgabe der Spitzenverbände und dann sicher erneut auf einer Mitgliederversammlung zu debattieren.
Nach gegenwärtigem Stand war das also, so betrachtet, tatsächlich eine „Phantomdebatte“, aber auch die können ja nützlich sein ;)
Ich halte, solange da von den Verbänden nichts kommt, in zwei anderen Punkten jede Kritik für berechtigt, im ursprünglichen, der auch die WAZ-Klagen motiviert hat:
Wie transparent läuft die Verteilung der Steuermillionen durch DOSB/BMI ab, auch: wie transparent für die Verbände? Und für Sportausschuss, Öffentlichkeit.
Der zweite Aspekt eher BMI: Wieso hat die Vereinbarung derart unrealistischer Medaillenziele für den Dachverband DOSB keinerlei fiskalische Konsequenzen?
Offenbar war ganz objektiv gesehen nie ein Verband von Kürzungen der BMI-Gelder aufgrund der Verfehlung von Medaillenzielen bedroht. Denn die pauschale Summe der Sportförderung 2013 steht seit der Entscheidung der Bundesregierung am 27. Juni 2012 (Kabinettsentscheidung) fest und war seit 10. August, also noch vor Abschluss der OS in London, öffentlich auf der Bundestagshomepage einzusehen: 93,8 Mio. Euro (2012: 94,5) soll es im kommenden Jahr für die „zentralen Maßnahmen im Bereich des Sports“ geben (BMI-Haushaltstitel 684 11).
Das ist die Summe, die für Grund- und Projektförderung der Sportverbände, für Olympiastützpunkte und Leistungssportpersonal sowie für die Olympiaentsendungskosten vorgesehen ist. Unter Berücksichtigung der reduzierten Olympiaentsendungskosten (Sotschi-Vorschuss 2013 kostet weniger als London 2012) konnte die sportpolitische und sportfachliche Schlussfolgerung für jeden Beobachter nur sein: Gleichhohe Förderung im Spitzensport zeichnet sich ab.
Selbstverständlich bedarf es in diesem Herbst noch der formalen Ermächtigung für die Ausgaben durch den Haushaltsgesetzgeber. Also: Formsache.
Es war die gemeinschaftliche Fehlkalkulation der Medaillenziele, die den Sportfachverbänden seit vier Jahren zu einem deutlichen Anstieg der Fördergelder verholfen hat und die 2013 zu einer quasi gleichhohen Sportförderung führen wird.
Es war eine Absprache der Gleichgesinnten. Sie sind ganz freiwillig die EINE SPORTFAMILIE.
Ist damit die halbe Million Schaden gemeint, die der Steuerzahler (TM) wohl übernimmt? Wenn das der Tenor der PM ist, dann Prost!
Um noch kurz das Spektrum der Wahrnehmung zu zeigen, wenn’s schon ums System an sich (und nicht um Transparenzfragen) gehen soll: In der Welt beispielsweise ist zu lesen:
Das ist im Grunde ein Appell für die Rückkehr zum alten System und für eine Abkehr vom derzeitigen, das viel weniger stark an Medaillen misst, als es nun wirklich ziemlich vergröbernd dargestellt wird. Emrich mit dem Gegenteil, mit dem, was der Sport (und das ist nicht der DOSB, sondern ebenso die Verbände) umgeht:
Liest sich alles wunderschön. Schönreden könnte beinahe olympisch sein. Dass es da mal ein paar Athleten gab, die sich ob des schwachen Gesamtsystems zu Wort meldeten und auf nach Olympia vertröstet worden, keine Spur. Das hätte auch der verblichene DTSB schreiben können. Apropos, viele Dinge kommen einem seltsam bekannt vor. Damals war es Propaganda und heute ist es sportpolitische Verschleierung der wahren Situation.
Kein Wort zum Abschneiden einiger Verbände, wie des Schwimmverbandes, obwohl man dort schon hinter vorgehaltetener Hand über personelle Veränderungen redet. Im Wasserspringen z.B gab´s keine Medaille. Und zurzeit ist kein Nachwuchs am Beckenrand und die Nachwuchstrainer sind seit langen in anderen Berufen.
„Ghandi“ Roland Matthes sagt mal etwas zum Dilemma, nicht nur im Schwimmsport. Unorthodox, so wie er es auch früher gemacht hat:
http://www.youtube.com/watch?v=ZVl0peav2E4
Da man aber im DOSB auf Teufel komm raus unter sich bleiben will, sowohl personell als auch intelektuell, wird man weder auf ihn, noch auf andere Ex- und aktive Sportler hören. Ja keinen Challenge, schließlich will man ja unangefochten weiter die Sportführung repräsentieren.
Kann man nur hoffen, dass irgendwo auch eine reale Betrachtung und Analyse der prekären Situation mit konkreten Conclusions stattfindet, und die DOSB-Erklärung wirklich nur das ist, was sie ist: Schönes Reden.
Für so etwas braucht man Leute, die diese Debatte wollen und die dazu fähig sind. Ich sehe da weit und breit niemanden.
Pingback: Sportausschuss im Bundestag? Wozu? Weshalb? Warum? Abschaffen! : sport and politics
Also, mal ehrlich. Diskussion, nicht nur hier, totale Fehlanzeige.
Kein Interesse, Rückzug, gefühlte Ohnmacht oder man steht einfach drüber ?
Die ganze Thematik Medaillenvorgabe und schielen auf den Medaillenspiegel ist eine Diskussion wert. Bei den olympischen Spielen in Montreal 1976 (meinen ersten intensiv am Fernsehen verfolgten Sommerspielen) gab es am Ende des Tages folgenden Endstand im Medaillenspiegel:
1. UdSSR
2. DDR
3. USA
4. BRD
5. Japan
6. Polen
7. Bulgarien
8. Kuba
9. Rumänien
10. Ungarn
Ich hab noch die handschriftlich geführten Unterlagen. Ich war damals ein Statistikfreak und habe Strichlisten geführt.
Auffallend, dass sieben Länder unter den Top Ten waren mit dem System Staatssport und einer sozialistischen Gesellschaftsordnung. Wirtschaftlich konnten die meisten Länder diesen Kurs auf Dauer nicht durchhalten und haben 13 Jahre später auch verdient ihre Quittung bekommen.
Die Frage ist: Wie viel geförderten Leistungssport kann sich eine Gesellschaft leisten?
Welcher Preis ist für einen Platz unter den Top Ten zu bezahlen?
Was bleibt auf der Strecke?
Das fände ich spannend.
Auf der anderen Seite habe ich gestern gerade in 11Freunde ein Interview mit Uli Hoeneß gelesen. Da kommt die Rede auch auf die 40 Millionen vom Martinez Transfer.
Fred Kowasch & Daniel Drepper für sport inside: Medaillen als Maßstab
Bei allem, was recht ist, aber Medaillen und Wettbewerb sind doch keine Erfindungen des Kalten Krieges. Sie sind Teil des olympischen Sports seit der Antike.
@Herbert
Das ist so nicht richtig. Medaillen gibt es erst seit der Neuzeit. Die Sieger der Antike bekamen einen Ölzweig, aber keine Medaillen.
Dass Medaillen eine Erfindung des Kalten Krieges sind, haben wir auch nicht gesagt. Aber im Kalten Krieg hatte der Konkurrenzkampf unter den Nationen seinen Höhepunkt. Daher der Bezug darauf. Und daher der Gedanke, jetzt mal langsam davon wegzukommen.
Die Nationenwertung halte ich inzwischen eher für einen Hintergrund, auf dem sich etwas anderes abspielt als noch (wie im Kalten Krieg) „Überlegenheit“ beweisen zu wollen. Ich glaube nicht einmal, dass es – wie in allen Sportberichten aller Bundesregierungen behauptet – noch zuerst um „staatliche Repräsentation der Bundesrepublik“ geht. Spitzensport ist simpel: integrierendes Politmarketing. Medaillenträger, mit denen man sich zeigt, um Sympathiepünktchen zu sammeln, sind es erst recht.
An dieses parteiübergreifende Spielzeug ist schwer heranzukommen. Gerade schön zu sehen an der SPD-Initiative, den Sport ins Grundgesetz zu drücken. (Der jüngste Versuch in der letzten Legislaturperiode stammte bezeichnender Weise von der Bach-Partei, der FDP.) Martin Gerster jetzt im DLF ganz offen: Es geht darum, die Sportförderung des Bundes auf Dauer abzusichern. Meint z.B.: Die Sportförderung der Bundeswehr steht auf wackligem Boden, ist mit deren Aufgaben kaum zu begründen, wird ja auch immer mal wieder etwa vom Bundesrechnungshof gerügt. Also: Staatssport in Reinkultur war in der Bundesrepublik eigentlich nicht gewollt – ist aber inzwischen ein „Gut“, das politisch abgesichert werden soll.
Präsident und Ehrenpräsident des Deutschen Tischtennis-Bundes wollen eine offene Diskussion über die Sportförderung; siehe http://www.tischtennis.de/aktuelles/
Pingback: Rasanter Einspruch gegen die DOSB/BMI-Allianz: Der Tischtennis-Bund (DTTB) verlangt ein transparentes Fördersystem : sport and politics
Mensch, Sönke, daran habe ich doch gerade gearbeitet :)
http://www.jensweinreich.de/2012/09/25/rasanter-einspruch-gegen-die-dosbbmi-allianz-der-tischtennis-bund-dttb-verlangt-ein-transparentes-fordersystem/
@Jens:
war mir nicht sicher, ob du das mitbekommst, da Grit Hartmann (#3) davon schreibt, dass der DTTB etwas angekündigt aber nicht vorgelegt hat
Alles bestens. Dafür gibt es ja das Blog, auch dafür: Dass wir uns gegenseitig Hinweise geben und ein gemeinsames Archiv nutzen können.
Nicht der Rede wert: Ich bin auf die geplante Veröffentlichung hingewiesen worden. Hatte schon am Beitrag gearbeitet, als Du kommentiertest. Und hatte ausserdem gerade bei nachtraeglicher Lektuere des DOSB-Pressedienstes der vergangenen Woche gesehen, dass dort auf eine ausstehende DTTB-Erklaerung hingewiesen wurde.
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