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Das Olympische Bildungsmagazin

Im Closed Shop der Sportfamilie

In diesen Minuten spielen hoch bezahlte Mitglieder des Bundestages im Sportausschuss wieder auf ihren iPads Karten „berät“ der Sportausschuss des Bundestages hinter verschlossenen Türen.

Die Öffentlichkeit bleibt ausgesperrt.

Dieser Hinweis ist wichtig, denn wenn man einige Veröffentlichungen gestern und heute so liest, wird das gar nicht mehr erwähnt. Es könnte also der Eindruck erweckt werden, es handele sich hier um eine wirklich öffentliche Debatte. Tatsächlich aber stehen Journalisten wieder vor der Tür.

Dies zum einen.

Zum anderen: Die SPD-Sportfraktion hatte in Gestalt des Präsidenten des Deutschen Sportakrobatikbundes und SPD-Fraktionssportsprechers Martin Gerster Journalisten gerade wieder zum Imbiss geladen. Was serviert wurde, werde ich bald erfahren.

Das ist real existierende deutsche Sportpolitik.

Nun wird Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses, in Nachrichtenagenturen mit diesen Worten zur Phantomdebatte über die Sportförderung zitiert:

Es ist doch erstaunlich, dass sich jetzt mehr und mehr Verbände zu Wort gemeldet haben. Damit wird deutlich, dass eine breite Debatte gewünscht und auch notwendig ist.“

Außerdem:

Ich würde mir wünschen, dass nicht immer dieselben Personen und Institutionen Konzepte vorschlagen und diskutieren. Das erinnert an einen ‚closed shop‘.“

Na klar ist das ein Closed Shop.

Und Frau Freitag ist als Sportlobbyistin (Vizepräsidentin des Deutschen Leichtathletik-Verbandes DLV, Mitglied des Aufsichtsrats der NADA und Sportausschusschefin) mittendrin.

Im Closed Shop.

Heute im Bundestag.

Im Closed Shop.

Morgen anderswo.

Und am Freitag dann beim „Jahrestreffen Forum Sport 2012“ der SPD.

Im Closed Shop.

Bei der SPD spricht zunächst der DOSB-Präsident und IOC-Boss in spe, UDIOCM Thomas Bach (FDP).

Die Freitag-SPD schreibt dazu:

Wir schätzen uns glücklich, dass der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Dr. Thomas Bach, mit einem Impulsvortrag in die Thematik einführen wird.

Das wird gewiss mächtige Impulse geben.

Danach leitet Frau Freitag eine Diskussionsrunde mit

  • Friedhelm-Julius Beucher (SPD), Präsident Deutscher Behindertensportverband
  • Dr. Michael Ilgner (Parteizugehörigkeit ist mir nicht bekannt), Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Sporthilfe
  • Dr. Michael Vesper (Bündnis 90/Die Grünen), Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes

Und schon sind sie wieder unter sich.

Nach abweichenden Meinungen wird man lange suchen müssen.

Ich glaube ja, Frau Freitag und andere Sportlobbyisten haben ein beträchtliches Erkenntnisproblem. Sie können einfach nicht begreifen, dass sie Teil des Problems ist, in ihrem Closed Shop.

Und nicht Teil einer Lösung.

Oder, um mit meinem speziellen Freund Sepp Blatter zu sprechen:

Alles bleibt in der Familie.

We are Family.

Das erzähle ich nun auch schon seit vielen Jahren:

[youtube PDSSGyPurmE nolink]

16 Gedanken zu „Im Closed Shop der Sportfamilie“

  1. Dass Dagmar Freitag als Befürworterin einer breiten Debatte so ungefiltert zitiert wird, könnte schon auch damit zu tun haben, dass sich für den Sportausschuss nur sehr wenige interessieren – die harmloseste Erklärung ;)

    Sonst wäre aufgefallen, dass diese Bekundung (Ich würde mir wünschen, dass nicht immer dieselben Personen und Institutionen Konzepte vorschlagen und diskutieren) in denkwürdigem Widerspruch auch zur Sitzung heute steht: Die SPD hätte – externe, dem derzeitigen Fördersystem kritisch gegenüberstehende – Experten einladen können. Sie hat es nicht getan; diskutiert wird über die Sportförderung mit, genau, immer denselben Personen und Institutionen, DOSB und BMI.

    Den SPD-Antrag zur Offenlegung der Zielvereinbarungen hast Du bewusst nicht online gestellt, nehme ich an? Hat ja auch etwas für sich ;) Daraus geht hervor, und das ist schon kurios, dass sich den SPD-Sportausschüsslern noch nicht erschlossen hat, wozu die WAZ-Rechercheure Drepper/Schenck BMI/DOSB juristisch gezwungen haben: zur Offenlegung der Medaillenzahlen, nicht der Zielvereinbarungen.

    Aus der Begründung des SPD-Antrags:

    Wenn der Sorgfaltspflicht bei der Kontrolle des Bundeshaushalts auch bei der Durchführung entsprochen werden soll, kann
    auf eine Offenlegung nicht verzichtet werden. Zudem haben zwei Journalisten auf Offenlegung der Zielvereinbarungen geklagt und am 31. Juli 2012 durch das Verwaltungsgericht Berlin die Veröffentlichung erzwungen. Auch die Beschwerde des DOSB und des BMI dagegen hatte keinen Erfolg.
    Daher muss das BMI die Zielvereinbarungen auch dem Sportausschuss und dem Parlament gegenüber offenlegen …

    Ich bin gespannt, was auf Seiten der Opposition passiert, wenn die Verhinderungs-Sportpolitiker aus Union und FDP (die auch in dieser Sitzung mit Antragsfreiheit glänzen) den Antrag ablehnen. Kann mir nicht vorstellen, dass es beim Hoheitsrecht des Parlaments keine Möglichkeit gibt, parlamentarische Einsicht gegenüber der Bundesregierung auf anderem Weg zu erstreiten. Sogar jenseits einer Verwaltungsklage oder des Informationsfreiheitsgesetzes.

  2. wozu die WAZ-Rechercheure Drepper/Schenck BMI/DOSB juristisch gezwungen haben: zur Offenlegung der Medaillenzahlen, nicht der Zielvereinbarungen.

    Klingt hier doch irgendwie anders, oder?

    Den Medaillenvorgaben galt eigentlich nicht unser Hauptinteresse, vielmehr hätte uns interessiert, wie und nach welchen Kriterien in Deutschland Spitzensport gefördert wird. Dazu hatten wir Einsicht in die Original-Zielvereinbarungen gefordert – dort geht es mitnichten nur um Medaillenvorgaben, auch die Finanzierung zusätzlicher Trainerstellen, besonderer Trainingslager und anderer Methoden werden dort festgelegt. Das Ministerium hatte gegenüber dem Gericht betont, es sei zu befürchten, dass wir die Diskussion unzulässig auf Medaillenziele reduzieren – das ist nicht unser Interesse, im Gegenteil. Wir warten immer noch auf diese umfassendere Akteneinsicht. Um die Medaillenziele, wie auch von BMI und DOSB gefordert, in einen Zusammenhang zu stellen, hoffen wir auf eine schnelle Freigabe der beantragten Dokumente.

    Ging es vor Gericht tatsächlich nur um die Medaillenvorgaben?

  3. @Ralf
    Nach dem Landespressegesetz gibt’s nur die Medaillenvorgaben, nur die muss das BMI nach der erfolgreichen Klage offenlegen, nicht die Zielvereinbarungen. Dieser Teil ist Informationsfreiheitsgesetz.

    Es sei denn, Daniel widerspricht ;)

  4. Dieser Teil ist Informationsfreiheitsgesetz.

    Steht die entsprechende Verhandlung noch aus, oder wurde diese Klage abgewiesen?

  5. Ich widerspreche nicht.

    Nach dem Landespressegesetz kann man nur Fragen stellen. Man kann nicht bestimmen, in welcher Form die Anworten übermittelt werden. Konkret: Ich kann keine Einsicht in Original-Akten beantragen / einklagen. Deshalb hatten wir Antworten auf mehr als 100 Einzelfragen eingeklagt (Wie viele Goldmedaillen muss xxx … Wie viele Medaillen muss xxx insgesamt … etc. pp.). Diese hatte das BMI durch die bekannte Tabelle beantwortet.

    Das Informationsfreiheitsgesetz steht anders als das Landespressegesetz (nur Journalisten) jedem Bürger offen (auch Abgeordneten). Danach kann man Einsicht in Original-Unterlagen nehmen. Man kann festlegen, in welcher Form die Informationen übermittelt werden sollen (zum Beispiel auch in maschinenlesbarer Form / Excel-Tabellen etc. – Stichwort OpenData). Dieser Antrag wird derzeit vom BMI noch bearbeitet. Unser umfassender Antrag (ursprünglich aus Mai 2011, lange Verhandlungen, dann nochmal Ende 2011) war vom BMI auf 68 Anträge aufgespalten worden. Darin geht es auch um Strukturpläne, Prüfungen durch das BVA etc. Bislang ist etwa die Hälfte dieser 68 bearbeitet. Quasi alle außer den Zielvereinbarungen.

    Das Informationsfreiheitsgesetz sieht jedoch keine Möglichkeit der einstweiligen Anordnung vor, wir können das Verfahren also kaum beschleunigen. Daher vor Olympia der Rückgriff auf das Presserecht. Und daher jetzt auch: Noch keine Zielvereinbarungen.

    Kleines Schmankerl zum Schluss: Für die bislang bearbeitete Hälfte der Anträge mussten Niklas und ich bereits fast 9000 Euro Gebühren an das BMI überweisen. Zum Teil abgedeckt durch ein Stipendium der Otto-Brenner-Stiftung und Unterstützung der WAZ, zum Teil aus eigener Tasche.

  6. Ich liebe es ;) DLF kommt zu einem Schluss bezüglich der Offenlegung der Zielvereinbarungen:

    Dies, so Kritiker, sei entscheidend für eine konstruktive Debatte zur zukünftigen Sportförderung.

    So Kritiker.

    Illustriert erneut eindrucksvoll, was Journalismus zu bieten hat, der vor der Tür des Saales herumlungert, aus dem Journalisten rausgeworfen worden sind. Nichts. Nichts, das man nicht hätte vorab berichten können oder danach mit kurzem Blick in eine Agentur (dies, falls man an der Ablehnung des SPD-Antrags irgendwelche Zweifel hatte).

    Heraus kommt: Mikrofonhalten.

    Und Klaus Riegert mit einem O-Ton, dessen Inhalt schon ein Gericht widersprochen hat. Wahrscheinlich sind das diese Kritiker.

  7. Mir liegt es fern, Redaktionsfrieden zu gefährden, aber ich freue mich natürlich, wenn die Konkurrenz mein/unser kleines Crowdsourcing-Projekt so aufmerksam verfolgt und sich Anregungen holt für bezahlte Beiträge.

  8. Es wird immer absurder. Sensationelle Pressemitteilung der SPD, als Word-Datei verschickt (!), in der ein „Interview“ mit Dagmar Freitag „mit dem Internetportal http://www.spd.de“ empfohlen und die SPD-Sportrunde am Freitag kühn zur Transparenzinitiative umgedeutet wird.

    Das Meisterstück (nicht in Word):

  9. Pingback: MR061 Sportjournalismus #2 | Medienradio.org

  10. DOSB: Oliver Steegemann ist neuer Präsident der Sportakrobatik

    Martin Gerster hatte Ende Januar seinen Rücktritt vom Amt des DSAB-Präsidenten erklärt. Dies geschah vor dem Hintergrund, dass seine Fraktion ihn zum Berichterstatter für den Etat des Bundesministeriums des Inneren ernannt hatte, wo er insbesondere auch für haushaltsrelevante Entscheidungen im Sport zuständig ist. Diese Aufgabe ist verständlicherweise mit dem Amt des Präsidenten des DSAB unvereinbar.

    So wurde Oliver Steegemann einstimmig in der notwendigen außerordentlichen Delegiertenversammlung zum Präsidenten gewählt. Oliver Steegemann ist 42 Jahr alt und seit acht Jahren Mitarbeiter im Büro von Martin Gerster.

  11. Das ist sensationell!

    Ich lach mich krank darüber. Die kriegen das nicht mal mit, wie absurd sie handeln und sich schon längst auf FIFA-Family-Niveau bewegen. Verkaufen es als vermeintliches Zeichen der Transparenz und Unabhängigkeit und machen den Lakaien zum neuen Präsidenten.

    Unfassbar.

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