Freiburg, Freiburg, Doping, Doping und kein Ende. Während ein Medium im süddeutschen Raum stets beflissen an der Seite der Uniklinik-Verantwortlichen werkelt und den Eindruck erweckt, als hätten die Gutachterkommission und ihre Chefin schlecht gearbeitet, stellt sich die Lage doch etwas anders dar. Ich kann es niemandem ersparen, der sich dafür interessiert und nicht eine Zweitverwertung, sondern Originale bevorzugt, sich durch die nächsten 62 Seiten zu kämpfen.
Die Vorgeschichte und die dazugehörigen Dokumente finden sich hier:
Hier das Dokument von heute Nachmittag, so überschrieben:
Unabhängige Gutachterkommission zur Evaluierung der Abteilung Rehabilitative und Präventive Sportmedizin des Universitätsklinikums Freiburg
Prof. Dr. Letizia Paoli Kommissionsvorsitzende
Stellungnahmen von Gründungsmitgliedern. Rektor Prof. Dr. Wolfgang Jägers Vorstellung des Arbeitsauftrages und dessen durch Kommissionsmitglieder geforderte Erweiterung zu Beginn der konstituierenden Sitzung am 14. August 2007
Leuven, 1. März 2013
Hast Du nichts dagegen, Jens, wenn ich – etwas ausführlicher – Anmerkungen dazu tue, zum Originaldokument? Grund: Ich glaube, es erschließt sich dem weniger mit dem Thema befassten Leser nicht ohne weiteres, warum es denn nun noch eine umfangreiche Paoli-PM braucht zum Thema „Einengung des Arbeitsauftrages“ (auf Keul und seine 1974 gegründete Abteilung Sportmedizin; also ohne Reindell, Klümper – statt, wie 2007 von den Gremien der Uni beschlossen, „die Freiburger Sportmedizin in ihren gesamten Aktivitäten während der vergangenen 50 Jahre auf den Prüfstand zu stellen“) …
Abgesehen davon, dass es verständlich ist, dass sich die Kommission aus Glaubwürdigkeits-Erwägungen heraus gegen die Darstellung von Altrektor Wolfgang Jäger und aktuellem Rektor Hans Jochen Schiewer wehrt, eine solche Einengung habe es nie gegeben, wird mit dieser PM ziemlich plastisch nachvollziehbar, dass 1) die Behinderung der Kommission vom Rektorat der Universität (alt und neu) ausging; 2) diese nun von fünf der acht Gründungsmitglieder der Kommission en detail bestätigte Beschränkung auch ganz praktische Folgen für die Arbeit hatte. Britta Bannenbergs allgemeine Antwort muss man als Nr. Sechs dazu zählen. Sie verstärkt den Vorwurf gegen Altrektor Jäger sogar, S. 34:
Aufschlussreich ist die PM bezüglich der aktiven Rolle des aktuellen Rektors Hans Jochen Schiewer, siehe Protokoll des „Strategiegesprächs“ im Stuttgarter Wissenschaftsministerium (S. 6ff) im Dezember 2009. Schiewer lehnt die Einbeziehung Klümpers ab:
Schiewer ging also von der irrigen Annahme aus, die Kommission selbst habe ihren Arbeitsauftrag so definiert. Er ist schon in dieser Sitzung (2009) von Franke korrigiert worden. Umso unverständlicher sind seine jüngsten Behauptungen in Kenntnis dieser Debatten und dessen, was Paoli bzw. die Kommission schon in den ersten beiden PMs aufgedröselt hatten. U.a. S. 59 zitiert nach Deutschlandfunk (die so typische He-said-she-said-Manier):
Oder im Licht dieser Sitzung im Ministerium umso verständlicher ;) – als Schutzbehauptungen. Zu (Ex-) Ministerialdirektor Klaus Tappeser, einst auch Aufsichtsratsvorsitzender des Uniklinikums, der in dieser Sitzung fragt, „ob es so wichtig sei, dass sich die Kommission mit Vorgängen beschäftige, die bereits 40 Jahre zurücklägen“, ist es hilfreich zu wissen, was da nicht steht: Tappeser ist (bis heute) auch Präsident des Württembergischen Landessportbundes und Vizepräsident des Landessportverbandes Baden-Württemberg.
Zu den praktischen Auswirkungen: S. 8ff oben, erste Sitzung unter der neuen Kommissionsvorsitzenden Paoli, September 2010. Ein Teil der Kommissionsmitglieder lehnt unter Berufung auf den von Jäger gestellten Arbeitsauftrag sogar Zeitzeugengespräche ab, und zu Klümper beispielhaft:
Und weiter:
Nur Werner Franke hat das nicht weiter gestört, er sagt nämlich, S. 16 / S. 23 / S. 24:
Hübsch auch die Antworten darauf, wie denn die Kommission reagiert hätte, wäre der wirkliche Arbeitsauftrag bekannt gewesen, S. 14f., Schäfer, der erste Kommissionsvorsitzende:
Nach Lektüre des Ganzen: Es hat also eine Menge arbeitsbehindernden Trouble auch innerhalb der Kommission gegeben – bis dahin, dass man über die Durchführung von Zeitzeugenbefragungen streiten musste. Der ist bewusst – vom Rektorat der Universität – herbeigeführt worden. Schäfer nennt das nicht sehr zurückhaltend „treuwidrig“ gegenüber den Gremien der Universität. Addiert man dann noch den Umstand, dass auch der ohnehin eingeengte Arbeitsauftrag (Keul) blockiert wurde, indem erst im letzten September ein paar Tausend Seiten Akten aus dieser Abteilung zugänglich gemacht wurden, die vorher jahrelang im Justiziariat (dem Rektorat angegliedert!) lagerten – dann ergibt sich ein Bild zum Aufklärungswillen der Universität.
Ich bin übrigens Gerhard Treutlein ausgesprochen dankbar dafür, dass er sich hier in die Diskussion eingeschaltet hat (wie auch Wolfgang Jelkmann), und etwas zum Stand der Arbeiten verraten hat. Zitiere das noch einmal aus dem anderen Thread:
Letzte Anmerkung: zunehmend irritierend – das Schweigen der grünen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. Die ja nicht im Dauerurlaub sein wird ;) Mal sehen, ob das auch nach dieser PM anhält.
P.S. Kleiner Einordnungsversuch, selbstverständlich überflüssig für die, die sich da oben selbst durcharbeiten bzw. -finden mögen.
S.2 / Prof. Jäger hat sich genau 10 Minuten Zeit genommen. Toll !
S.4 / 5 Minuten länger. ;) Er ging ja auch auf die Dopingvorwürfe und -geständnisse ein, was Jäger ja tunlichst unterließ.
S.13
S.16
S.24
S.23
S.7
NN ist immer schade, aber hier verständlich. Anders hätte man jedoch leichter das inhaltliche Kräfteverhältnis in der Kommission bemessen können. Allerdings wird jetzt auch klarer, weshalb Prof. Franke die Kommission verließ. Der Prozeß gegen Huber war sicher ein Anlass, jedoch keinesfalls der Grund. Die Kommission war sich auch über ihren Auftrag – selbst bestimmt, manipuliert oder doch nicht – leider nicht einig.
Da sich NN bei seiner Ablehnung der Erweiterung des Evaluierungsthemas auf diese Strategieberatung im Ministerium bezieht, wäre es sicher sehr hilfreich zu erfahren, was dort mit lediglich Teilen der Kommission besprochen worden ist.
Auffallend ist, dass lediglich Prof. Franke keine Probleme mit seinem Kurzzeitgedächtnis zu haben scheint. Andere dagegen eher sehr.
Was bleibt, ist bei all diesen sophistischen Maneuvern doch die Antwort auf die Frage der Badischen Zeitung an Jäger:
Ob er das so meint, wie er es jetzt sagt, darf bezweifelt werden. Als er noch in Amt und Würden war, hat er alles für genau das Gegenteil getan.
S. 54
Man kann nur hoffen, dass Letitzia Paoli die Antwort gibt.
Anno Hecker in der FAZ: „Einer Manipulation aufgesessen“
Sebastian Krause für den BR: Das Rätsel um die Gastärzte aus Spanien
Eine interessante Recherche von Sebastian Krause und auch sehr angenehm, dass er – zu Recht – eher fragt als Behauptungen aufzustellen.
Ehrlich gesagt, halte ich eine direkte Weitergabe von Dopingwissen durch die Freiburger Ärzte an die spanischen Gast-Doktoren im Rahmen von deren Aufenthalt an der Uni für nicht sonderlich wahrscheinlich. Ausnahme der Arzt, der mit Schmid gemeinsam beim Team Telekom arbeitete – dann aber Austausch unter Teamärzten.
Eher unwahrscheinlich aus diesem Grund: Dass Freiburger Doktoren so munter dopten, hat ja angeblich nicht mal die Mehrheit der Freiburger Kollegen mitbekommen. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt solcher Behauptungen von Dickhuth et al – es hat sich da schon um Geheimwissen gehandelt, das man eher nicht mit Ausländern teilte.
Die verschärfte, eindeutigere Parallele: Fuentes war – nach Darstellung von Jörg Jaksche – in den 80er Jahren in der DDR, um sich von Sportmedizinern dort etwas abzuschauen. Daraus hat bisher noch keiner gefolgert, er habe von ostdeutschem Dopingwissen profitiert, aus gutem Grund nicht. Denn die haben niemanden reinschauen lassen, nicht mal den Großen Bruder, der gern wollte ;)
SpOn: Universität Freiburg: Studie zur Doping-Aufarbeitung soll bis Mai 2014 vorliegen