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Das Olympische Bildungsmagazin

From Russia with love (III): live-Blog mit Usain Bolt, Wasserstandsmeldungen zum IOC-Wettrennen

MOSKAU. War spät gestern. Marschierte gegen vier Uhr aus dem Ukraina. Heute einige Frühstücksgespräche. Gleich wieder in die Höhle des Löwen und in viereinhalb Stunden im fein klimatisierten IAAF-Bus ins Luschniki-Stadion. Dort ab etwa 18 Uhr Ortszeit (16.00 Uhr MESZ) ein Live-Blog rund um den Auftritt von The Legend Usain Bolt.

Vielleicht wird die Frage der IOC-Präsidentschaft, deshalb bin ich hier, doch noch spannend. Dass der Favorit (UDIOCM) nervös wird, hatte ich bereits angedeutet. Wenn man mich fragt, und das passiert gerade in IOC-Kreisen gelegentlich, denn es treiben sich ja kaum andere Journalisten herum, aus Deutschland im Ukraina schon gar nicht, dann sage ich wahrheitsgemäß: Er scheint mir noch vorn zu liegen.

Und ich frage zurück: Wo sollen die anderen ihre Stimmen gewinnen? Für mich derzeit die Kernfrage, denn ich sehe nach wie vor ein paar Dutzend Unterstützer für das UDIOCM, aber ich sehe die nicht für andere.

Bloß, wie belastbar sind all das Getuschel, sind all die Gerüchte?

Was macht der Scheich gerade und vor allem: was macht er kommende Woche? Was macht Carrión, macht er überhaupt etwas? Was macht Bubka, der hier ja fast Heimvorteil hat?

Die Berater des UDIOCM geben sich ultimativ gelassen. Aber aus allen Richtungen hört man anderes. Manches, was so als elektronische Post verschickt wird und nicht nur von der NSA, sondern auch von anderen Menschen gelesen wird, signalisiert durchaus: Genervtsein. Panik? Schwimmen die Felle davon?

Fakt ist: Fast jeder aus dem Business will etwas zum derzeitigen sportpolitischen Top-Thema in Deutschland wissen, zur Dopingstudie. Alle denken daran, wie sich das noch auf Bach auswirken könnte.

Das sind alles so Punkte, die es weiter zu erörtern gilt. Am Ende soll ja ein Ebook stehen. (Und vielleicht noch eine Überraschung.)

Vielleicht wird der Live-Blog aus Buenos Aires von der IOC-Vollversammlung, der bestimmt vom 2. bis 10. oder 11. September gehen wird, aber auch der eigentliche Höhepunkt des Crowdfunding-Buchprojekts. Denn Bloggen hat doch seinen unwiderstehlichen Reiz, finde ich. Am Ende werde ich da wohl mehr Text produziert haben als im eigentlich Buch.

Aber nun: zurück an die Arbeit.

Ich melde mich in ein paar Stunden aus dem Luschniki-Stadion.

19.57 Uhr: Früher ging nicht. IOC-Buch ist wichtiger. Mein Bild von der Szene und dem präsidialen Treiben wird runder.

Das Halbfinale des Witzbolts habe ich auf meiner Odyssee durchs Stadion auf einer Sportlertribüne gesehen.

Auch das liebe ich so an den Russen. Einfach energisch mit der Akkreditierung wedeln, dann kommt man öfter mal dorthin, wo man nicht hinkommen sollte. Hier jedenfalls. Die Ordnungskräfte sind ziemlich relaxt, oder sagen wir vielleicht besser: Es kümmert sie nicht allzu sehr. Solange nicht Putin in der Nähe ist, wie gestern Abend. Dann stehen die Räder still. Und selbst IOC-Vizepräsidenten, drei habe ich gesehen, irren umher auf der Suche nach einer standesgemäßen Limo. Doch sie mussten, wie alle anderen warten, weil eine Stunde lang gar nichts ging. Kein Auto, kein Bus, durfte vom VIP-Bereich Luschniki verlassen. Auf diese Stunden und darauf, wer wo wann mit wem campierte, komme ich später noch oft zurück. Habe bis nachts um vier daran gearbeitet, Auskünfte einzuholen. Scheint mir wichtig. #Geheimnistuerei

20.04 Uhr: Das UDIOCM bleibt übrigens als einziger Präsidentschaftskandidat (außer Bubka, der ist Mitgastgeber als IAAF-Vize) die ganze Zeit in Moskau. Ich glaube, das ist die richtige Entscheidung. Er wird vielleicht nervös, handelt aber – in diesem Fall – richtig und bleibt in der Spur. Im April meinte er noch, er sei allein auf weiter Flur – also VORN. Dann gab es plötzlich fünf Kandidaten, und jetzt mindestens zwei, die er richtig ernst nehmen muss.

Allein auf weiter Flur ist er ja immer noch, irgendwie. Denn die anderen verstehen sich gut. Er mimt eher und schaut mitunter bedröppelt drein, wenn die Konkurrenz im trauten Dialog witzelt.

War das jetzt schon justiziabel, lieber Herr Anwalt?

20.12 Uhr: Oh Gott, habt ihr diesen Kommentar gelesen zum Dopingforschungsprojekt, das nun auch der Spiegel überhöht?

20.17 Uhr: Manchmal fühle ich sogar mit IOC-Mitgliedern und IOC-Präsidentschaftskandidaten. Zum Beispiel wenn sie von Olympiabewerbern überfallen werden.

Draußen vor dem VIP-Bereich trug sich gerade dies zu. Hasan Arat, Bewerberchef von Istanbul 2020, machte ein Päuschen mit einigen Vertrauten. Wollte gerade guten Tag sagen, da kam schon IAAF-Vize und IOC-Präsidentschaftsanwärter Sergej Bubka des Wegs …

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… und die PR-Instinkte der Türken funktionierten. Denn der Fotograf mit dem roten Leibchen arbeitete für sie, der Bursche im kurzärmligen Hemd (wahrscheinlich müsste ich ihn kennen, der er arbeitet garantiert für die Medienabteilung der Bewerbung) organisierte im Nu Zuschauer, die ja in Scharen vorbei liefen auf dem Weg zu ihren Sitzplätzen …

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… und so haben die Türken für die nächste Bewerbermappe einige Motive mehr kreiert …

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Das sind, natürlich, Harmlosigkeiten.

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Viel interessanter und wichtiger ist, was sich gestern Nacht unweit dieser Stelle zugetragen hat.

20.39 Uhr: Es dauert noch 70 Minuten. Erst Zehnkampf-Finale (1.500), dann Frauen 10.000 Meter, dann Usain Bolt.

Ashton Eaton wird Weltmeister, wahrscheinlich vor Michael Schrader. Rico Freimuth und Pascal Behrenbruch werden, wenn ich diese Zehnkampfstatistik-Webseite richtig lese, eher noch durchgereicht. (Link via allesaussersport)

Und ich versuch dann mal kurz, auf dem Russenklo meinen Schweißgeruch zu vertreiben. Ein Handtüchlein ist immer im Gepäck.

20.52 Uhr: Es erwartet gewiss niemand einen Fachkommentar zum Zehnkampf von mir. Hoffe ich mal. Wenn doch, muss ich passen.

21.01 Uhr: Eaton vor einem ganz starken Schrader (Silber/Personal Best) und Warner (PB). Mayer auf vier wie Freimuth auf 7 ebenfalls mit PB. Behrenbruch, Sportstudio-Gast vergangene Woche, habe es zufällig gesehen, auf elf und gewiss todtraurig.

Die Spielerei mit den Statistikseiten wird immer besser. Bei der IAAF werden Zielfotos beispielsweise schon automatisch eingepflegt. Nett. Ergebnis-pdf’s werden selbstverständlich auch generiert. So etwas wurde früher noch tonnenweise ausgedruckt und auf den Medientribünen von hunderten Helfern verteilt. Man versank in Papier. Heute rennen zwar noch einige Volunteers umher mit Zetteln, aber es ist alles etwas umweltschonender, um es mal so zu formulieren.

21.11 Uhr: Hatte wohl gestern schon erwähnt, dass ich immer wieder gern in Russland bin. Gibt kaum was Spannenderes. Ich kenne nur Moskau, St. Petersburg und Sotschi, von neun oder zehn Reisen und werde mich, wenn alles gut geht, in den nächsten Monaten ausführlicher, vielleicht sogar tiefgründiger informieren und umsehen können. Wunderbar, faszinierend, aufregend, brutal, liebenswürdig, abstoßend, herzlich, hochspannend und immer noch auch sowjetisch – die Servicebereitschaft (#justkidding) ist sensationell. Es fällt mir zwar in den Kreisen, in denen ich mich hier bewege, einigermaßen schwer, zwischen Putins Russland und dem anderen Russland, das es auch gibt, zu unterscheiden. Habe bei der Nowaja Gaseta die Fotos der ermordeten Journalisten gesehen und mit den Kollegen dort geredet, mit manchen arbeite ich regelmäßig.

Wer versucht, sich den Sportgewaltigen anzunähern, erlebt Überraschungen, sollte er denn glauben, da trieben immer noch nur Altkader aus der KP und dem KGB ihr Unwesen. Nonsens. Auf der Arbeitsebene sind das mehrheitlich junge Leute, klug, aufgeschlossen, weltgewandt – Vorurteile kann man da mal schnell über den Haufen werfen. Es gibt aber auch, gerade in Sotschi bei den Olympiaorganisatoren, das Gegenteil. Dort sitzen immer noch viele Informationsblocker bzw werden die Mitarbeiter besonders von externen Beratern aus dem Ausland (ich kenne die Firmen und etliche handelnde Personen) angehalten, es mit Blockade- und Verweigerungshaltung zu versuchen. Schon lustige Erlebnisse gehabt. Meistens aber ist es nur: nervend, frustrierend, ärgerlich, abstoßend. Die PR-Typen und ihre Vorgaben, weniger die russischen Umsetzer, die dabei oft genug noch lächeln. Auch das werde ich vor Sotschi gewiss ausführlich beschreiben.

21.50 Uhr: Pünktlichkeit ist eine russische Tugend?

Noch wenige Sekunden.

Jamaikanische Meisterschaften.

21.53 Uhr: Ach Scheiße, verzeiht bitte, wenn ich das persönliche Wohl über THE LEGEND stelle. Kurz vor dem Start knallt ein Platzregen herunter. Das wird gleich eine Sauerei auf dem Weg ins Ukraina.

Bolt aber ist das wurscht. 9,77 Sekunden. Zur Abwechslung mal wieder Weltmeister.

Von seinen Titeln, die ich im Stadion erlebt habe (Peking 2008, Berlin 2009, London 2012, das waren sie also alle) war das die kürzeste, unspektakulärste, eine unaufgeregte Show.

Gatlin stört als Zweiter die jamaikanischen Meisterschaften.

100-metres-Official Results.

22.09 Uhr: Hier ist schon Schluss. Sie haben nur noch flink die Siegerehrung im Zehnkampf durchgezogen, aber das wissen TV-Zuschauer viel besser.

100-metres---Photofinish.

22.15 Uhr: Sorry, war jetzt nicht so prickelnd. Vielleicht wieder 2015 oder 2016.

Mache mich auf den Weg ins Ukraina.

TBC

20 Gedanken zu „From Russia with love (III): live-Blog mit Usain Bolt, Wasserstandsmeldungen zum IOC-Wettrennen“

  1. Mundgerechter geht manchmal nicht. Letzter Kommentar. Oder links in die Kommentarspalte schauen und klicken. Bitte.

  2. gar kein umfrage, welcher körperteil bolts als erstes ins ziel kommt?

    (und gibt es irgendwelche reaktionen dazu, dass selbst zum 100m-finale die hütte nur halbvoll ist?)

  3. Du hast doch Carte Blanche hier – mach es doch selbst! Jetzt ist es aber zu spät. Denn der Witzbolt tänzelt schon über die Bahn.

  4. Poschi darf im ZDF nicht kommentieren. Darf er sich zu seiner (Athleten)vergangenheit äußern?

  5. Das heißt: W.D.Poschmann darf alles kommentieren, aber nach London offenbar das 100m-Finale nicht.

  6. die 10kämpfer ehrt käptn jacques persönlich. und da darf auch poschi wieder ran.

    @rudinho was war denn in london mit den 100m?

  7. @ Arnesen: Ich habe NICHTS dazu gelesen. Grundsätzlich aber ist das doch die LA-Tendenz, oder? Denk an Berlin und die gefälschten Zahlen. Aber am Ende war das Stadion ja doch einigermaßen voll. Hier: sehr bescheiden. Die Leute lassen sich nicht mal mehr abkommandieren, selbst Putin schafft das nicht.

    Hatte vorhin u.a. kurz mit einem Organisatoren von Boxkämpfen gesprochen. Auch das ist kein Selbstläufer.

  8. Praktisch ein unfassbarer Mini-Abstand zum Zweiten … Aber er will ja erst über 200 m losblitzen und einen neuen Weltrekord aufstellen. Hat sich wohl schon auf die längere Distanz eingestellt.

    Bis dahin kannst Du bestimmt noch ruhig schlafen in Deinem Hotel ;)

  9. Zum Thema Schlafen passt auch dieses Behrenbruch-Zitat:

    Die Stimmung ist scheiße. Man schläft ja ein.

    Er ist aber auch ganz schön naiv:

    Es kann nicht sein, dass eine WM in ein Land vergeben wird, das nicht hinter der Leichtathletik steht.

    (gefunden bei sportschau.de)

  10. Hat die Weltregie früher nicht wenigstens versucht, im Fernsehen den Eindruck eines vollen Stadiums zu erwecken? Heute waren gefühlt den ganzen Tag über leere Ränge zu sehen – und die Fahnen bei der Siegerehrung wurden vor einem Block hochgezogen, in dem sich eine handvoll Zuschauer verloren. Also wenn Herr Putin nicht mal mehr das geregelt bekommt …

  11. Dabei hat Bubka über eine ukrainische Firma noch 2000 Fans in blauen und gelben T-Shirts organisiert (siehe oben), die eine Woche Leichtathletik-Urlaub machen.

    Ich sag doch, das ist das Problem der Leichtathletik. Die kriegen die Stadion kaum noch voll. Am letzten Wochenende, ja. Aber nicht mal bei Bolts 100 Metern. Optimal wäre natürlich ein kleineres Stadion, bloß in kleinen Arenen lassen sich WM-Anforderungen (TV, Medientribünen, VIP etc) kaum realisieren. Weiß nicht, wie die das in Helsinki immer wieder hinkriegen (zuletzt 2005).

  12. Pingback: IOC-Countdown (29 days to go): Happy birthday, Sheikh Ahmad! : sport and politics

  13. Ob es sinnvoll ist, einen Deutschen zum IOC-Präsidenten zu wählen?

    Wenn man mich fragt, und das passiert gerade in IOC-Kreisen gelegentlich, […]

    … dann könnten Sie ja auch mal beileufig darauf hinweisen, was für Erfahrungen man in anderen bedeutenden internationalen Organisationen mit Deutschen als Führungspersonen gemacht hat.

    Resignation:“

    Quelle Wikipedia
    On 4 March 2004, Köhler resigned his post with the IMF […]

    … um „President of Germany“ zu werden.

    Quelle Wikipedia
    On 31 May 2010, Köhler announced his resignation as President of Germany

    Und dann haben wir da noch den bedeutendsten internationalen Posten, den ein Deutscher in jüngerer Vergangenheit inne hatte:

    Quelle Wikipedia
    On 11 February 2013, Benedict announced his resignation […]

    Man darf bei solchen Überlegungen natürlich nicht vergessen, dass der standhafte Kurt Waldheim (von 1972 bis 1981 Generalsekretär der Vereinten Nationen und von 1986 bis 1992 Bundespräsident Österreichs), der einen Rücktritt stehts kategorisch ausgeschlossen hatte, eben gerade kein Deutscher, sondern Österreicher war.

  14. Waldheim hat jedoch den Österreichern im Nachhinein entschieden mehr Trouble bereitet als alle zurückgetretenen Deutschen zusammen. Ja, Östereicher treten halt nicht gern von alleine und vor allem rechtzeitig zurück. Das haben die Deutschen ja schon schrecklich erfahren müssen.

    Die Voraussetzungen, dass dieser Präsident in spé Deutschland zum Ruhm gereichen wird, sind ja auch nicht gerade vielversprechend. Soll es doch ein anderer machen ! Wir können uns ja einmal auch raushalten.
    Das wäre nicht unspektakulär und brächte uns durch Anstand internationales Ansehen: Deutschland verzichtet aufgrund offiziell geduldeter jahrzehntelanger Verletzungen der Regeln des internationalen Sports auf die Kandidatur für das Amt des IOC-Präsidenten. :D

  15. dieses mal werde ich nicht zu den Spielen fahren. der Gund?!
    Puntins Führundsstil in Russland.
    ich sehe nicht ein, solch einen Menschen noch dadurch zu unterstützen indem ich als Zuschauer zu den Spielen fahre.
    ich hoffe, dass noch mehr so verfahren

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