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Das Olympische Bildungsmagazin

Dick Ebersol: Olympias Milliardenmann

Manche bezeichnen Dick Ebersol, Sportchef von NBC Universal, als den eigentlichen Boss im Geschäft mit den olympischen Ringen. Ebersol hat bislang diese olympischen TV-Rechte für die USA erworben und besorgte damit mehr als die Hälfte sämtlicher IOC-Einnahmen:

  • 1988, Seoul: 300 Mio $
  • 1992, Barcelona: 401 Mio $
  • 1996, Atlanta: 456 Mio $
  • 2000, Sydney: 705 Mio $
  • 2002, Salt Lake City: 545 Mio $
  • 2004, Athen: 793 Mio $
  • 2006, Turin: 613 Mio $
  • 2008, Peking: 894 Mio $
  • 2010, Vancouver: 820 Mio $
  • 2012, London: 1181 Mio $

Wenn ich diesmal richtig addiert habe, sind das bislang 6,7 Milliarden Dollar gewesen, zuzüglich jener 160 Millionen (mindestens), die NBC für 2009-2012 zusätzlich als Partner des IOC-Sponsorenprogramms zahlt.

(Es lohnt sich immer wieder, den Taschenrechner zu bemühen, denn hier habe ich mich leider doch wieder verrechnet, weil ich Seoul und Barcelona vergaß.)

Ich habe Ebersol vergangene Woche in Denver zugehört und beobachtet – und dies notiert:

Dick Ebersol (Screenshot NBC)

Der Boss trägt Turnschuhe. Als Sebastian Coe den hoch aufgeschossenen Grauschopf im Foyer des Hyatt Regency Hotels erblickt, schnürt er umgehend in dessen Nähe. Der Boss tätschelte Coe, den er um Kopfeslänge überragt, wohlwollend die Schulter. Ein putziges Pärchen geben die beiden ab: Lord Coe, Olympiasieger und Cheforganisator der Sommerspiele 2012 in London (und beurlaubter Chef der Fifa-Ethikkommission), und der Big Spender der olympischen Bewegung, der seit 1993 schon 6,2 6,7 Milliarden Dollar in den Zirkus gepumpt hat: Dick Ebersol, 61, Sportchef des TV-Giganten NBC Universal.

Tags darauf, als Ebersol auf der Messe Sportaccord ein Interview gibt, erinnert er an sein Treffen mit Lord Coe. Gönnerhaft merkt er an, niemand müsse fürchten, dass NBC in London den Zeitplan ändere, um nachts um eins die Puppen tanzen zu lassen, damit Olympiafinals zur Primetime an der amerikanischen Ostküste live übertragen werden können. Gespannte Stille im Saal. „Keine Sorge“, schiebt Ebersol nach, „wir werden das niemals tun.“ Er lacht als einziger über diese Bemerkung.

Er versucht sich noch an anderen Witzchen. So sagt er, das Beste wäre, Olympia würde immer in Amerika ausgetragen. Dann stimme die Quote, NBC wäre glücklich, auch in Europa und Asien könne man sich damit arrangieren. Wieder lacht er. Und fügt an: „Bitte schreiben sie, dass ich es witzig gemeint habe. Das ist keiner dieser dubiosen Ebersol-Pläne.“

Wer zahlt, der bestimmt mit über die Regeln. Zumal wenn es sich um einen so unbescheidenen, genialen Vordenker wie Ebersol handelt. Als Rechercheur für den damaligen Olympiasender ABC hat er 1967 angefangen und schnell begriffen, was es für gelungene Olympiaübertragungen braucht. „Kuriositäten“, ruft er einem Verbandsvertreter zu, der ihn um Tipps für die TV-Darstellung bittet: „Kuriositäten müssen sie liefern. Einzigartige Geschichten!“ Er nennt ein Beispiel: Die Michael-Phelps-Saga auf NBC wurde mit einer Homestory über „die Liebesaffäre mit seinem Hund“ eingeleitet.

Ebersol erzählt, wie er IOC-Präsident Jacques Rogge schon im Sommer 2001, bei dessen Antrittsbesuch in den USA, erläutert habe, dass man über den Zeitplan der Sommerspiele in Peking nachdenken müsse. „Wir haben erst einige Jahre später wieder drüber geredet.“ Sollte heißen: Rogge hatte begriffen. Die Finals im Schwimmen und Turnen fanden früh am Morgen statt – damit NBC in der Primetime übertragen konnte. Ebersol bedankt sich bei den Weltverbänden der Schwimmer und Turner „und bei Jacques“ für deren „aufopfernde Initiative“. Er stellt er es so dar, als seien die morgendlichen Finals für die Rekordflut im Schwimmbecken verantwortlich gewesen. „Allein morgens fielen mehr Weltrekorde als bei den beiden vorangegangen Spielen zusammen!“ Wie gut nur, dass der Zeitplan geändert wurde.

Amerikanische Stars, die bei den Winterspielen in Vancouver die Hauptrolle übernehmen könnten, die Phelps für NBC in Peking so prächtig spielte, hat Dick Ebersol längst ausgemacht: Skiläuferin Lindsay Vonn, Shorttrack-Star Apolo Ohno, Eisschnellläufer Shani Davis und Snowboarder Shaun White – dessen knallroter Schopf begeistert Ebersol besonders: „Das kommt wunderbar im High-Definition-Format!“ Während der Spiele, so geht die Saga, lebt Ebersol siebzehn Tage ununterbrochen in seinem Büro im Fernsehzentrum, in Peking ausgestattet mit 30 Flachbildschirmen, einem Bett und „einem Bad von der Größe eines olympischen Aufwärmbeckens“. Wieder lacht Ebersol sehr auffällig.

Seit 1996 überträgt NBC die Sommerspiele. Dass der an Parkinson erkrankte Muhammad Ali damals in Atlanta das olympische Feuer entzündete, hat sich Ebersol ausgedacht. Sagt Ebersol. Winterspiele zeigt NBC seit 2002. Für Vancouver 2010 überweist man 820 Millionen Dollar, für London knapp 1,2 Milliarden. Der Mutterkonzern General Electric zahlt zusätzlich 160 Millionen als einer von neun IOC-Sponsoren. Die Liaison ist finanziell erfolgreich, bislang verkaufte NBC stets genügend Werbeplätze. Zudem, auch das ist ein Wert: Olympia lockt Frauen an die TV-Geräte. „Da gucken mehr Frauen als Männer.“

Ebersol, der 2004 einen Flugzeugabsturz überlebte, bei dem einer seiner Söhne starb, lässt keinen Zweifel daran, dass er auch ab 2014 Olympia übertragen will. Nur wolle man mit der Vertragsunterzeichnung nichts überstürzen. „Wait and see“, sagt er: „Es ist im Interesse des IOC, auch der Nationalen Olympischen Komitees und der Sportfachverbände, auf eine bessere wirtschaftliche Situation zu warten.“ Das sagen auch Rogge und die IOC-Unterhändler, etwa Marketingchef Timo Lumme: „Wir können warten. Unser Job ist es, ein maximales Ergebnis zu erlösen.“ Richard Carrion, Chef der IOC-Finanzkommission, formuliert es ähnlich: „Wir haben keine Eile.“

Ebersol erinnert daran, dass die TV-Verhandlungen Anfang der neunziger Jahre wegen der schlechten ökonomischen Lage schon einmal verschoben wurden: 1990 erhielt Atlanta die Sommerspiele 1996 – aber erst 1993 wurden die TV-Rechte für Atlanta vergeben. Und nun bewirbt sich Chicago um die Sommerspiele 2016. „Ich kann mir nicht vorstellen“, behauptet Ebersol, dass die Diskussion über die Fernsehrechte und über die Sonderrolle des amerikanischen NOK in der Olympiavermarktung „die Entscheidung über die Sommerspiele 2016 beeinflussen“. Was man so sagt als Big Spender.

Die meisten Zuhörer können sich auch etwas nicht vorstellen: Dass Dick Ebersol das ernst meint.

14 Gedanken zu „Dick Ebersol: Olympias Milliardenmann“

  1. Häh und wie bist du ohne Seoul und Barcelona auf 6,2 Milliarden gekommen?

    Und wer wird uns nach Juanito und dem lustigen Kerl hier noch so vorgestellt?

  2. @Gua: Ich vermute mal, dass er vorher bei dem anderen Olympia-Sender tätig war und bereits bei diesem für die Beschaffung der Rechte verantwortlich war.

  3. Ich möchte ja keine Korinthen kacken aber deine Rechnung verwirrt. Wenn ich deine Zahlen „seit 1993“ also ab Atlanta zusammenzähle, komme ich auf 6007 Mio. Also 6,007 Milliarden nicht 6,7. Auf die kommt man erst wenn man Seoul und Barcelona dazu zählt. Welche Zahlen stimmen denn nun?

  4. Toller Artikel, hat Spaß gemacht zu lesen, weil’s um Fernsehen geht, da interessiere ich mich besonders für, gerade NBC.

    Wenn die Spiele 2016 nicht nach Chicago gehen fresse ich ’nen Besen. Dann kann man sich gleich in den Vororten die Slums mit anschauen, wo man inzwischen Häuser für 10.000 US$ bekommt (neulich bei „Real Time“ gesehen).

    Da weiß man doch, warum investiert wird! Jawoll!

  5. Noch einmal meine Rechnung:

    Zunächst hatte ich Seoul und Barcelona vergessen. Blieb also:

    * 1996, Atlanta: 456 Mio $
    * 2000, Sydney: 705 Mio $
    * 2002, Salt Lake City: 545 Mio $
    * 2004, Athen: 793 Mio $
    * 2006, Turin: 613 Mio $
    * 2008, Peking: 894 Mio $
    * 2010, Vancouver: 820 Mio $
    * 2012, London: 1181 Mio $

    Zwischensumme: 6007 Mio $

    Für 2009-2012 kommt noch einiges hinzu, das lässt sich nicht verifizieren, weil das IOC dazu offiziell keine einzelnen Zahlen nennt, sondern immer nur die Zahlungen der TOP-Sponsoren im Paket angibt. Gemäß USA today hat Rogge aber bei der Bekanntgabe des NBC-Deals folgende Zahlen genannt:

    – NBC bzw. die Mutterfirma General Electric wird zwischen 160 und 200 Millionen $ als TOP-Sponsor zahlen,
    – 12 Millionen für die U.S. Olympic Trials und
    – 10 Millionen für eine digitale TV-Bibliothek.

    Diese drei Posten habe ich mal mit 200 Mio addiert.

    Zwischensumme: 6207 Mio $

    Jetzt kommen hinzu:

    * 1988, Seoul: 300 Mio $
    * 1992, Barcelona: 401 Mio $

    Gesamtsumme: 6908 Mio $

    Oder aber, ohne die zusätzlichen, von Rogge genannten Zahlen: 6708 Mio $

    Macht doch alles Sinn, oder :) Und ist sogar mit dem Windows-Taschenrechner kalkuliert.

    Im Ernst: Solche Zahlenkolonnen sind mit das Schlimmste an der aktuellen Berichterstattung. Ohne den Idiotentest – also jemanden finden, der einem das vorliest bzw. mit dem man gemeinsam, sich gegenseitig überprüfend, alles durchgeht – läuft kaum etwas richtig.

  6. Ok, verstanden und das ist auch alles total sinnig!

    Aber beleidige mir mal bitte nicht unschuldige Zahlenkolonnen. Diese finde ich nämlich besonders toll, weil sie sich sehr leicht im Kopf kalkulieren lies. Man muss nur mal genau hinschauen und dann fallen viele Beträge zu ganzen 100 Mio. (Athen + Turin + Peking) oder zu 100+1 Mio. (Salt Lake City + Atlanta und Vancouver + London) zusammen und sind schon so (Seoul und Barcelona). Irgendwie aber auch merkwürdig, finde ich, weil nur Sydney da geringfügig aus den Rahmen fällt.

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