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Das Olympische Bildungsmagazin

Was vom Tage übrig bleibt (47): Koalitionsvertrag, Klaue, „Pechstein-Studie auf Staatskosten“

Selbst wenn einiges bereits verlinkt wurde, diskutierenswert ist es allemal. Einige Lesebefehle und Empfehlungen.

  • Das sagt der Koalitionsvertrag (Entwurfsversion) von CDU, CSU und FDP im weitesten Sinne zum Sport:

Seite 14:

Der Zugang von ausländischen Hochqualifizierten und Fachkräften zum deutschen Arbeitsmarkt muss systematisch an den Bedürfnissen des deutschen Arbeitsmarkts ausgerichtet und nach zusammenhängenden, klaren, transparenten und gewichteten Kriterien wie beispielsweise Bedarf, Qualifizierung und Integrationsfähigkeiten gestaltet werden. Darüber hinaus werden wir Regelungen zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, Arbeitsplatzannahme für Studenten mit deutschem Hochschulabschluss, für Künstler und Sportler sowie für Saisonarbeitskräfte überprüfen und Vereinfachungen anstreben.

Seite 69:

Mit dem Programm „Integration durch Sport“ wollen wir besonders Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund ansprechen, um sie als Teilnehmer und auch Übungsleiter zu gewinnen.

Seiten 88/89:

Wir wissen, dass Sport für die Aktivierung und den Zusammenhalt einer modernen Gesellschaft unverzichtbare Beiträge leistet und dass Deutschland auf großartige Traditionen und Leistungen im Sport verweisen kann, die es zu bewahren und zu entwickeln gilt. Deshalb werden wir unsere Aufgaben als Partner und Förderer des Sports mit besonderer Verantwortung wahrnehmen. Wir streben an, im Rahmen der Kompetenzen und Möglichkeiten des Bundes den Erhalt und Ausbau von Sportstätten in Deutschland weiter zu fördern.

Spitzensportförderung

Wir werden die finanzielle Förderung des Spitzensports in Deutschland auf hohem Niveau fortführen. Die Bemühungen, Spitzensportlerinnen und -sportlern mit Behinderung den Zugang zu einer „dualen Karriere“ zu eröffnen, werden wir intensivieren.

Bewerbung München 2018

Olympische und Paralympische Spiele sind herausragende Sportereignisse. Die Bewerbung der Stadt München um die Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2018 und, bei Zuschlag durch das IOC im Juli 2011, deren Ausrichtung, sind ein nationales Anliegen im gemeinsamen Interesse von Bund, Land und Kommunen und werden weiterhin gefördert und unterstützt.

Anti-Doping-Politik

Für das Selbstverständnis unserer Sportpolitik ist die Autonomie des Sports und seiner Verbände von zentraler Bedeutung. Wir wollen den Sport bei der Sicherung und Realisierung seiner Werte unterstützen. Im Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit steht dabei die konsequente Bekämpfung von Doping im Zusammenwirken von sportlichen Sanktionen und strafrechtlichen Verfolgungsmaßnahmen. Für uns ist nur dopingfreier Sport förderungswürdig. Wir werden den im Sommer 2009 zwischen Bund, Ländern, dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) verabschiedeten Nationalen Dopingpräventionsplan umsetzen. Die Forschung zur Bekämpfung des Dopings muss gezielt weiter gefördert werden.

Ziele wie die Bekämpfung von Doping, die Einordnung der autonomen Sportbewegungen und ihrer Regeln in den europäischen Rechtsrahmen können vor allem in länderübergreifender Weise effektiv wahrgenommen werden. Wir werden deshalb die internationale sportpolitische Zusammenarbeit verstärken.

Zum Vergleich, im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD hieß es im Jahr 2005:

Seite 80:

Förderung Sport

Die Koalitionsparteien führen das Sonderförderprogramm „Goldener Plan Ost“ für den Sportstättenbau in Ostdeutschland fort.

Seite 106:

Es geht um Vielfalt, Respekt für andere, Demokratie, Toleranz und die Bekämpfung des Antisemitismus. Wir wollen, dass Jugendliche vor Ort motiviert werden und in ihrem Engagement verlässlich unterstützt werden. Dabei setzen wir auf ein engeres Zusammenwirken mit Ländern und Kommunen, mit Medien, den Kirchen, Wirtschaft, Gewerkschaften, Sportvereinen, den Jugendverbänden und vielen anderen. Integrierte lokale Strategien sind besonders Erfolg versprechend. Es gilt, künftig noch stärker Brücken zu den Projekten zu schlagen, die sich mit gefährdeten bzw. in der rechten Szene bereits gefestigten Jugendlichen beschäftigen.

Seite 115:

Deutschland – Sportland

Deutschland ist ein anerkanntes Sportland mit sportbegeisterten Menschen. Sport bewegt die Menschen und fördert die soziale Integration. Er ist als Prävention gegen zunehmenden Bewegungsmangel insbesondere bei Kindern und Jugendlichen verstärkt zu nutzen und zu unterstützen. Die Grundlage des deutschen Sports sind die Vereine, die wiederum auf das Engagement vieler ehrenamtlich Tätiger angewiesen sind. Wir wollen den Breiten-, Spitzen- und Behindertensport weiter fördern. Breiten- und Spitzensport bedingen und brauchen einander. Der Spitzensport rekrutiert sich immer wieder aus den Besten des Breitensports und die Spitzenleistungen der Athleten ziehen Millionen Zuschauer in ihren Bann. Wir freuen uns auf die vielen Welt- und Europameisterschaften in unserem Land und insbesondere auf die Fußballweltmeisterschaft 2006, bei der sich Deutschland als gastfreundliches, weltoffenes und sportbegeistertes Land präsentieren wird. Wir werden uns weiterhin für herausragende internationale Sportereignisse bewerben.

Wir werden die Neuorganisation des deutschen Spitzensports positiv begleiten und sein Bemühen um einen sauberen und fairen Sport unterstützen. Deutschland wird seine Verpflichtungen aus dem Welt-Anti-Doping-Code umsetzen.

So weit, so gut.

* * *

Praktische Sportpolitik sieht in Deutschland so aus:

Wieder mal Steuermittel. Wieder mal ein „Gutachter“ von der Charité.

„Wir können Ihnen bestätigen, dass für Frau Pechstein eine Kostenzusage zu einer Untersuchung in der Charité zu Lasten der Heilfürsorge der Bundespolizei gegeben wurde“, erklärte das Ministerium. „Dies geschah, um krankheitswertige hämatologische Störungen auszuschließen.“ Und weiter: „Auch bei allen anderen Bundespolizisten und -polizistinnen werden ggf. solche Untersuchungen zur Abklärung unklarer Befunde in Auftrag gegeben.“ Dame, bisher in der Boulevard-Presse nur als „Professor x“ bekannt, legt Wert darauf, dass seine Studie nicht von Claudia Pechstein, sondern von der Bundespolizei in Auftrag gegeben wurde, er also nicht als bestellter Gutachter anzusehen sei.

Dazu klärt „ha“ in den Kommentaren auf:

Mit der Heilfürsorge der Bundespolizei scheint es sich im übrigen wie mit Doping-Indizien zu verhalten – alles eine Frage der Interpretation. Anspruch auf Kostenerstattung besteht nach dieser BMI-Verwaltungsvorschrift:

a) zur Verhütung von Krankheiten und von deren Verschlimmerung,
b) zur Früherkennung von Krankheiten,
c) zur Behandlung einer Krankheit,
d) zur medizinischen Rehabilitation,
e) zur Pflege (…)

Kosten für aufwändigere Behandlungen, die den in dieser Allgemeinen Verwaltungsvorschrift festgelegten Leistungsumfang übersteigen, werden nicht auf Heilfürsorgemittel übernommen. Sich aus einer aufwändigeren Behandlung ergebende Mehrkosten sind von der/dem Heilfürsorgeberechtigten selbst zu tragen. Ferner werden grundsätzlich keine Kosten auf Heilfürsorgemittel für Leistungen übernommen, die in dem in dieser Allgemeinen Verwaltungsvorschrift enthaltenen Leistungsumfang nicht aufgeführt sind.

* * *

Wer wird neuer Chef des Bundestags-Sportausschusses? Der Turner und DOSB-Lobbyist Eberhard Gienger (CDU), der sich nicht daran erinnern kann, einmal eine Entscheidung als Parlamentarier gegen die Interessen des DOSB, dessen Vizepräsident Leistungssport er ist, getroffen zu haben? Wird der Ausschuss endgültig zur Lachnummer oder siedelt nach Nordkorea aus, sollte ein DOSB-Vizepräsident Chef eines „demokratisch legitimierten“ Kontrollorgans werden? Und wird der Sportausschuss künftig wieder in geschlossenen Runden tagen (oder etwa in Pjöngjang), wie ich einige Male orakelt habe?

Herbert Fischer Solms im Deutschlandfunk mit einigen Informationen …

:

… und im Interview mit dem gewesenen Sportausschuss-Chef Peter Danckert (SPD)

:

* * *

Auch interessant, mal wieder ein Medienthema:

Christian Klaue wird neuer Pressesprecher des DOSB

Christian Klaue wird zum 1. November neuer Pressesprecher des DOSB. Der 34-Jährige kommt vom Sport-Informations-Dienst (SID) und tritt die Nachfolge des bisherigen Ressortleiters Gerd Graus an.

Als neuer Chefredakteur der DOSB-Medien kommt Jörg Stratmann nach Frankfurt. Der 55-Jährige war zuletzt Ressortleiter Sport und Lokales beim Bonner General-Anzeiger und übernimmt die Aufgaben von Walter Mirwald, der seit 1. Oktober das neu ins Leben gerufene Projekt „Gedächtnis des Sports“ leitet.

Der aus Wernigerode im Harz stammende Christian Klaue arbeitete von 2006 bis 2009 als SID-Redakteur mit den Schwerpunkten Sportpolitik/Olympia und Leichtathletik im Berliner SID-Büro. Er wird in seiner neuen Funktion auch Sprecher des DOSB-Präsidiums und des DOSB-Präsidenten Thomas Bach.

Der Bonner Jörg Stratmann, mehrmaliger deutscher Meister und Olympiateilnehmer 1984 im Säbelfechten, arbeitete seit 1986 als Redakteur bei der Tageszeitung „Die Welt“ und anschließend als Korrespondent für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ mit den Schwerpunkten Sportpolitik/Olympia, ehe er 2005 zum General-Anzeiger wechselte.

Was Christian Klaue und der Fechter Jörg Stratmann bisher sportpolitisch formuliert und wie kritisch/unkritisch sie waren, etwa im Umgang mit dem Fechter UDIOCM (FDP) kann jeder selbst leicht mit einem Blick ins Archiv überprüfen. Ich bedauere die Entscheidung von Christian Klaue, kann seinen Schritt allerdings auch verstehen und wünsche ihm viel Erfolg, ganz ehrlich, auch im Umgang mit renitenten DOSB-Berichterstattern. Mal sehen, wo das hinführt. Ich kann (fast) jeden verstehen, der in diesen schweren Zeiten, da der Journalismus flächendeckend zusammen bricht (zumindest der auf dem freien Markt, nicht der alimentierte), das Metier wechselt. Ich denke auch, dass Christian Klaue eine ganz andere, eine halbwegs transparente Art der Pressearbeit anstreben wird. Sein Risiko, sich in den täglichen Nahkampf mit Thomas Bach (FDP) und Michael Vesper (Bündnis 90/Die Grünen) zu begeben, wird er mannhaft tragen müssen. Dafür wird er künftig bezahlt.

Journalistisch – unter dem Aspekt der Meinungsvielfalt – ist die Entscheidung Klaues ein großer Verlust. Der SID hat sportpolitisch unter seiner Verantwortung seit Sommer 2008, seit der Affäre Hennig, sehr schnell an Profil gewonnen und ein breiteres Spektrum abgedeckt. Der Konkurrent dpa wurde imho trotz deutlich schlechterer Rahmenbedingungen deutlich distanziert – mit Engagement, Niveau und Interesse an der Sache.

Ich glaube nicht, dass der SID auf die Schnelle einen echten Nachfolger für Christian Klaue herbei zaubern kann. Schaue ich mir einige Meldungen der vergangenen Tage an – etwa zur Olympiabewerbung Münchens, wo scheinbar jede Blähung zur Geschichte aufgeblasen wird -, glaube ich zu ahnen, in welche Richtung es geht. Zumal: Die Nähe des SID zur Otto-Fleck-Schneise und den dortigen Institutionen ist traditionell gegeben.

28 Gedanken zu „Was vom Tage übrig bleibt (47): Koalitionsvertrag, Klaue, „Pechstein-Studie auf Staatskosten““

  1. jw,
    Dein Verständnis für den beruflichen Wechsel vom Journalisten zum PR-Mann ehrt Dich menschlich. Ja, Klaue war eine Bereicherung im sid und ist ein Verlust. Allerdings wundere ich mich über Deine Illusion eines „täglichen Nahkampfes“ und über diesen Satz:

    Ich denke auch, dass Christian Klaue eine ganz andere, eine halbwegs transparente Art der Pressearbeit anstreben wird.

    Eine ganz andere Pressearbneit? Ein Pressesprecher ist Erfüllungsgehilfe und soll es sein, etwa beim Verkauf der „Null-Toleranz“-Antidoping-Politik des DOSB. Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ein PR-Mann im Sinne größerer Transparenz den Verzicht auf derlei Vokabular erreichen wird? Nein, er wird mehr davon erfinden müssen.

    Hier ein wunderbarer ZAPP-Beitrag zum großen Unterschied:

    Journalisten als Aushängeschilder

  2. „Anders“ im Vergleich zum bisher Gebotenen, war gemeint.

    Zum großen Unterschied, der in der Praxis doch oft gar nicht so groß ist, weil zu viele Journalisten beste PR-Gehilfen sind, will ich mich gar nicht äußern. Vermintes Gelände.

    Ich weiß nur, dass sich die Regel 1 des Netzwerks Recherche (ähnlich auch von den Freischreibern formuliert), „Journalisten machen keine PR“, im Prinzip nicht umsetzen lässt, sonst müssten viele Journalisten stempeln gehen, und selbst einige derjenigen, die diese Regel hinausposaunen, streng genommen dagegen verstoßen. An einigen Beispielen wurde das seit 2006 ja öffentlich diskutiert.

  3. Zur deutschen Sportpolitik gibt es sicherlich viel zu sagen. Es spottet imho jeder Beschreibung, wenn mit dem Verweis auf S.14 und S.69 der Bezug zum Breitensport als abgearbeitet gilt. Ansonsten Spitzensport allerorten. Wo nimmt der bloß seine Kader her? Die Regierung gockelt und hofft auf München. Danke für dieses ausgewogene und fazettenreiche Sportkonzept. ;)
    Ich gebe zu, es nicht im Original gelesen zu haben.

  4. Die Koalitionsaussagen zur Sportpolitik sind völlig ohne Schwung; es ist schlichtweg kaum ein neuer Gedanke erkennbar.

    An zwei Stellen reklamieren die Sport-Tigerenten sogar eine Programmhoheit für sich, die sie gar nicht haben. Denn das Programm Integration durch Sport wird vom organisierten Sport (DOSB, Landessportbünde und Sportvereine) aufgelegt, gestaltet und umgesetzt. Der Bund fördert dieses Programm mit ca. 5 bis 6 Mio. Euro pro Jahr. Diese Summe stagniert seit Jahren, obwohl die große Koalition noch einen Nationalen Integrationsplan auf den Weg gebracht hatte. Also verkürzt gesagt: Es gibt mehr Papier, aber nicht mehr Geld.
    Und auch beim Nationalen Dopingpräventionsplan kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Plötzlich soll allein der ab sofort schwarz-gelb gefärbte Bund diesen Plan umsetzen? Lassen wir die Kirche also besser ruhig auf dem Dorfplatz: Die NADA, die Sportministerkonferenz SMK (also die Bundesländer), der DOSB und seine Organisationen sowie der Bund sollten zur Umsetzung des Dopingpräventionsplans beitragen. Und auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung könnte wirkungsvolle Erfahrungen aus der Aids-Bekämpfung einbringen. Es wäre schön, wenn der Bund wenigstens seine Gelder für die Dopingprävention aufstocken würde, denn die verharren weiterhin bei 300.000 Euro pro Jahr. Zu dieser wichtigen Maßnahme gibt es kein Wort in der Koaltionsvereinbarung.

    Dass der Breitensport von CDU/CSU und FDP nicht erwähnt wird, ist ein Manko und erinnert an die überholte Politik der 90er Jahre. Denn selbstverständlich könnte heute der Bund über Modellprojekte auch den Breitensport fördern und die Sportentwicklung unterstützen. Die Erforschung von Klimaschutz/Umweltschutz im und durch Sport, die demografische Entwicklung und die Herausforderungen für den Sport, eine moderne Sportstättenplanung, das wären nur einige wenige wichtige Vorhaben, die eine moderne Sportpolitik kennzeichnen würden.

    „Sportliche Sanktionen“ in der Dopingbekämpfung? Na ja, vielleicht kann die Redaktionsgruppe da noch mal in die Entwurfsfassung eingreifen und „spotrechtliche Sanktionen“ daraus machen. Von beteilgten Personen hört man übrigens, dass die bayrische Justizministerin Beate Merk erfolglos versucht hatte, die Forderung eines Straftatbestands „Sportbetrug durch Doping“ im Text unterzubringen.

    Es fällt auf, dass einige sehr wichtige Punkte keine Rolle spielen:
    Es gibt keine Aussagen zur Schaffung eines Staatsziels Sport im Grundgesetz. Nicht einmal ein Prüfungsauftag, der sonst zur Befriedung und Überwindung der unterschiedlichen Forderungen an allen Ecken des Koalitionsvertrages zu finden ist, ist das Staatsziel Sport der neuen Koalition wert.
    Ein Präventionsgesetz ist offenbar endgültig ad acta gelegt. Somit resultiert die letzte wichtige gesetzliche Verbesserung aus dem Jahr 2000 (§20 SGB V). Lang ist es her.
    Die langjährigen FDP-Forderungen nach Aufhebung des staatlichen Lotteriemonopols hat genauso wenig den Wahlabend überlebt wie eine deutliche Aussage zum Schulsport.

    Dem DOSB bzw. den Münchner Olympia-Bewerbern ist sicher aufgefallen, dass laut Koalitionsvereinbarung der Bund die Olympiabewerbung „weiterhin“ fördert und unterstützt. Mit dem Haushaltsplan des für den Sport zuständigen Bundesinnenministeriums ist diese Aussage allerdings nicht kompatibel, denn ein entsprechender Haushaltstitel existiert bis zum heutigen Tag nicht. Aber sicher gibt es schon jetzt gewaltige Vorfreude bei den OK-Olympioniken, weil sich die Verbesserung der Einnahmesituation abzeichnet.

    Bei der „dualen Karriere“ für Spitzensportler mit Behinderungen bleibt die Koalition leider auf halber Strecke stehen. Es wäre sicher ein gutes Zeichen gewesen, wenn man die Bereiche erwähnt hätte, für die der Bund die Verantwortung trägt. In der Bundesverwaltung können sicher Sportlerinnen und Sportler mit Behinderung angestellt werden.

    Alles in allem ist die schwarz-gelbe Koalition mit ihren bisherigen sportolitischen Aussagen sehr kurz gesprungen.

  5. mb,
    eine Frage zu dieser ansonsten perfekten Analyse.
    Mir hat sich noch nicht erschlossen, wofür ein Staatsziel Sport gut sein sollte. Dieses Ziel ist ja in allen Landes-Verfassungen ohnehin festgeschrieben, und Sport, abgesehen von den bekannten Ausnahmen, Ländersache.
    Was also würde damit ermöglicht, was wäre daran mehr als eine rhetorische Übung, die im Grundgesetz generell nicht wirklich etwas verloren haben?
    Ergänzend: Warum hat ausgerechnet die Deregulierungspartei FDP eine solche Forderung aufgestellt, siehst Du darin etwas anderes als selbst liberale Grundsätze sprengende Verbundenheit zum UDIOCM?

  6. ZEIT online-Kommentar von Oliver Fritsch: Doping-Kampf mit falschen Mitteln

    Welche Signale braucht die deutsche Politik noch, um aufzuwachen? […] Deutschland sollte Vorreiter sein. Auch wenn es ein paar Goldmedaillen kosten sollte – das muss ein liberaler Rechtsstaat aushalten.

  7. @ha:

    Was also würde damit ermöglicht, was wäre daran mehr als eine rhetorische Übung, die im Grundgesetz generell nicht wirklich etwas verloren haben?

    Das hilft hier jetzt zwar auch nicht weiter, aber wenn du mal einen Staatsrechtler darauf ansprechen würdest, ob alles, was in den letzten Jahren so ins Grundgesetzt hineingeschriben wurde, dort auch etwas verloren hat, hättest du einen ausgefüllten Abend.

  8. @ ha: Ganz sicher ist nichts rhetorisch im Grundgesetz. Es wird dann immer mal rangezogen, wenn die Richter es brauchen. Spektakulärste Dunkelnorm ist Art. 15 Grundgesetz, aber sie wird sicher auch erwachen,wenn REssourcen knapp werden.

    Man dachte auch, Tierschutz sei rhetorisch (Art 20a GG, das war das erste Staatsziel, das den Weg ins GG fand), denn auch vorher waren Tiere schon geschützt, und Juristen überlegten – how to handle. Wäre dies tatsächlich rhetorisch, dann hätte das BVerfG nicht darauf rekuriert, z.B. (wahllos rausgesucht)hier:

    http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20090220_1bvr226604.html

    (mal mit Steuer-F nach „20a“ suchen).

    Das Tierschutz-Staatsziel vermag die Grundrechte einzuschränken, und so würde es auch beim Sport sein. VIelleicht wird man irgendwann Steuermittel ungleich zugunsten des Sportes verteilen, oder es geht um Polizeieinsätze oder (für Fans durchaus schlimmer) Kostenbescheide, oder es geht nur um Politik – einmal im Grundgesetz, wird „Sport“ ein schwerwiegenderes Argument. Vermutlich bei der Grundrechts-Einschränkung im Anti-Doping-Kampf, aber auch bei Dingen, wo sie die Nase rümpfen dürften.

  9. @ha,
    – zum Nutzen eines Staatsziels Sport: ich wollte bei meinen Anmerkungen zum Koalitionsvertrag ja auch gar nicht für ein Staatsziel Sport werben, sondern nur darauf hinweisen, dass eines der wichtigsten sportpolitischen Themen plötzlich in einer Grundsatzformulierung keine Beachtung mehr findet. Und was hat daraufhin der DOSB in seiner Jubel-PM zur Koalitionsvereinbarung gemacht? Er hat dieses Thema auch gleich mal verschwiegen. Das wäre mit einem DSB-Präsidenten von Richthofen nie passiert, denn der hätte sofort die Forderung der Aufnahme des Sports ins GG formuliert – spätestens in einem Interview. Aber selbst dazu hat DOSB-Präsident Bach (jw, darf ich den Namen so schreiben?) nicht den Mut (siehe von Ralf verlinktes FN-Interview vom heutigen Tage).

    – zur Rolle der FDP
    Tatsache ist, dass die FDP die einzige Fraktion im Bundestag war, die zu diesem Thema überhaupt eine parlamentarische Initiative gestartet hatte. Aber: Dieser Gesetzesantrag 16/387, der im Frühjahr 2009 vom deutschen Bundestag abgelehnt wurde, hatte „nur“ die Kultur erwähnt, nicht aber den Sport.

    http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse/a06/anhoerungen/Archiv/11_Staatsziel_Kultur/index.html

    Die FDP-Sportpolitiker haben – unwidersprochen von allen anderen Fraktionen und vom DOSB – immer behauptet, die FDP wäre auch für ein Staatsziel Sport; dabei haben sie sich auf einen FDP-Fraktionsbeschluss berufen, der aber nie im Deutschen Bundestag oder ggf. im Sportausschuss des Deutschen Bundestages zur Abstimmung gestellt wurde.

    @ha, in Kenntnis dieser Fakten würde ich deiner Einschätzung einer „liberalen Grundsätze sprengenden Verbundenheit zum UDIOCM“ sicher nicht widersprechen.

  10. Ganz interessant, das Bach-Interview. Das mit dem Phönix des Sport ist ein alter Hut. Wäre reizvoll, SICHER. Eurosport oder DSF (früher der Sportkanal) könnten ja schon eine ähnliche Rolle haben.

    Gut, DSF vergessen wir ganz schnell wieder! Eurosport und Eurosport 2 sind in Sachen Vielfalt durchaus beachtlich. Und doch: Auch hier bekommt Fußball (Jugend, Frauen, Sonstiges) immer mehr Gewicht. Das könnte sich auch beim ARD/ZDF-Sportkanal so entwickeln. Ist ja auch eine Kostenfrage. Die Weltmeisterschaft im Kunstradfahren zwei Stunden live, dann das Spitzenspiel der Rollhockey-Bundesliga, gedolgt von der DM im Ringen usw. Wäre spannend, würde aber viel kosten (und so kaum angenommen). Sprich: Auch mit solch einem Kanal gäbe es noch viele Sportarten mit weiter sehr wenig Präsenz.

    Eurosport 2 bringt ja z. B. Lacrosse. Weiß jetzt nicht, ob Lacrosse aus Nordamerika generell spannender ist als z. B. Wasserball aus Deutschland. Eher nicht. Da die Sportart aber schon mal produziert wird, kann man die Fernshbilder exportieren. Während man (trotz der durchaus passablen Vertretung der Öffentlich-Rechtlichen in der Breite des Sports) vor der Haustür teuer selbst produzieren müsste.

  11. Zu Bubkas-Forderung. Die ist mir grundsätzlich sympathisch. Vom Gefühl her sollte es gegen Andre Agassi irgendeine Sanktion geben.

    Der Verstand allerdings fragt sich, wo eine Handhabe dafür herkommen soll. Das Doping-Vergehen selbst scheint nicht so schwerwiegend zu sein, als das man über ein Jahrzehnt später schwerste Geschütze auffahren müsste. In Verbindung mit der dreisten Lüge bekommt es allerdings eine neue Dimension.

    Trotzdem: Das größere der beiden Probleme ergibt sich für mich ganz klar aus dem beschriebenen Verhalten der ATP (gegen die es auch noch heute eine Handhabe geben könnte/sollte). So unerfreulich Agassis Fehlverhalten ist, das Verhalten dieser Organisation stellt den eigentlichen Skandal dar.

    Wenn ich die Sache richtig interpretiere hat es ja nichtmal so etwas wie ein Verfahren gegeben. Das macht die Sache für mich noch gravierender, als wenn Agassi die Leute erfolgreich belabert hätte, nachdem die Sache zumindest mal auf dem Tisch gewesen wäre.

    Seinen Schilderungen zufolge hat er vom positiven Test aber auf inoffiziellem Wege erfahren (sollte auch nicht passieren) und dann mit dem Lügenbrief möglichen Sanktionen vorgegriffen.

    Wenn die offizielle Seite so handelt, dann erweist sich letztlich das ganze System als unsinnig. Wenn ich nicht bereit bin, mich mit positiven Kontrollen seriös auseinanderzusetzen (sie Vorstufe von sie zu sanktionieren) dann brauche ich ja erst gar keine durchführen.

    Was ich eigentlich noch feststellen wollte: Ein ungutes Gefühl habe ich bei dem Bubka-Statement gerade deswegen, weil es einerseits so wohlfeol klingt, andererseits aber auch Bubka klar sein müsste, wie sich die Lage darstellt. Insofern scheint mir die Forderung bei näherer Betrachtung ein Ablenkungsmanöver vom skandalösen Fehlverhalten des Verbandes zu sein.

    Mit Sicherheit wäre die (Tennis)-Geschichte anders verlaufen, wäre Agassi gesperrt worden. Dann hätte er wesentlich weniger Geld eingespielt, und er wäre vermutlich weg vom Fenster gewesen. Nun, und ob er als Dopingsünder zum Grafen aufgestiegen wäre, tja … auch das weiß man nicht.

    Wenn einer im entscheidenden Moment einmal seinen Macht- und Geldtrieb auf Teufel komm raus ausleben kann (Agassi 1997) und später dann ebenso ungestraft seinen Geltungsdrang (Geständnis in den Agassi Memoiren 2009), dann ist das natürlich überhaupt keine gute Sache, gesamtgesellschaftlich gesehen vor allem.

  12. Ich bin ja nun wirklich für stramme Dopingstrafen. Aber nicht, wenn sie einer wie Sergei Bubka fordert. Ausgerechnet der!! Wer so einen abenteuerlichen, heute noch gültigen und nicht annähernd erreichten Weltrekord aufgestellt hat in einer Zeit, da Trainingskontrollen so häufig waren wie ein Lottohauptgewinn, zumal bei Russen und Ukrainern, der sollte sich zurückhalten. Wenn der IAAF-Vize und Möchtegern-IAAF-/IOC-Boss Agassi kreuzigen will, ist das die pure Heuchelei. Aber mit solchen Appellen kann man sich natürlich fit machen für höchste Weihen.

  13. @nocheinjurist: Ähm, unter der Gefahr, dass wir schon wieder die Halle leer spielen: Wo sehen sie, dass bei diesem Beschluss das BVerfG auf 20a rekuriert hätte? Und wo darf ich die Erkenntnis herauslesen, das Tierschutz-Staatsziel vermöge die Grundrechte einzuschränken? Ich lese dort von einer ganz normalen Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht/ Menschenwürde.

    Und allgemein: mag sein, dass man jedes weitere Staatsziel, so wie eigentlich jedes Wort im GG als Rechtfertigung für eine unbedingt gewollte Folge heranziehen kann.
    Das gelingt im Zweifel aber auch ohne dieses Staatsziel. Positives Beispiel wäre – um bei Peta zu bleiben – die Existenz einer strafbaren Tierquälerei auch schon vor der Einfügung des Art 20a GG. Auch hier hat m.E. der Tierschutz Grundrechte eingeschränkt, so wie sie es vom Sport erwarten. Ganz ohne Staatszielbestimmung.

  14. Oh ja, sternburg, das nenne ich Halle leer spielen. Müsstest Du nicht eigentlich längst alle Deine Examen absolviert haben? Oder ist man/bist Du als Jurist, der Du eventuell schon bist, nicht nur am Geschäft, sondern sogar noch am juristischen Diskurs interessiert? Gibt es so was? Ich meine, so was wie etwa bei Journalisten, die einfach nicht anders können, als hin und wieder über journalistische Qualität und die Wege dorthin zu diskutieren. Zum Beispiel.

  15. Tja Jens, die Wahrheit ist wie immer brutal und schmutzig: Ich bin schon lange Jurist, die Lebenszeitverschwendung Examen stehen trotzdem noch aus.

    Und wie jeder ordentlich justierte Subsumtionsautomat bin ich jederzeit an (hust) „Hintergründen und Strukturen“ interessiert. In meiner Freizeit.

  16. @ sternburg: Halle leerspielen…? tsts, bisschen mehr Brust raus, bitte ;-)

    Wollte nur der Auffassung, Dinge würden im Grundgesetz rhetorischen Charakter tragen, entgegentreten. Und das anhand einer Norm darstellen, von der am Anfang viele sagten, sie hätte vllt. diesen rhetorischen, oder besser: klarstellenden, aber irgendwie auch überflüssigen Charakter. Die Norm eignete sich deshalb, weil die technische Bezeichnung als Staatsziel gleich war zu dem, was der Sport anstrebt.

    Und wer das Urteil liest, sieht, dass a) mit der Norm versucht wird, zu argumentieren (passt gar nicht zu Rhetorik), und b) in diesem Fall wenig mit ihr anzufangen ist. Ein gutes Beispiel für das Aufhebens, das vor Einführung des 20a GG gemacht wurde, mit viel ebdrucktem Papier und radio-takes, und dem Ergebnis.

    OT on — Und persönlich wünsche ich viel Erfolg im Examen — OT off

  17. @ jw: Mal ne allgemeine Disclaimer-Frage: Wenn man über Personen schreibt, muss man dann disclaimern, ob die Leute, zB Freunde bei facebook oder deutschen Kopien sind? Also, ist das so relevant, wie die Medien, für die man arbeitet?

  18. @ nocheinjurist: „Man“ muss gar nichts, wie Sie wissen. Ich finde nicht, dass ich zum Beispiel jedes Mal, wenn ich ein DLF-Interview oder einen Beitrag verlinke (wie oben), darauf hinweisen muss, dass ich regelmäßig für den DLF arbeite. Wer hier liest, findet das an vielen Stellen, zum Beispiel auch in meiner Vita. Und wer auf Facebook mein „Freund“ ist, nun ja, das scheint mir auch nicht wichtig genug, zumal zwischen Facebook-„Freund“ und Freund doch beträchtliche Unterschiede bestehen. Zum Glück gibt es da noch keine Rechtssprechung, dafür ist Facebook, sind andere Tools zu neu :)

    Ich bin mir ziemlich sicher, dass Netzwerk nicht gleich Netzwerk ist. Oder soll ich Ihnen auch alle Twitter Follower offenlegen? Haben Sie das Gefühl, ich hätte „etwas“ offenlegen sollen?

    Ich denke, wir müssen uns alle erst an Social Media Tools gewöhnen. Wir stehen erst am Anfang der Kommunikations-Revolution. Wenn es etwas zu disclosuren gibt, was über bloße Social Media Nutzung hinaus geht, werde ich das schon tun. Disclosure heißt es übrigens, nicht Disclaimer. Das habe ich vor einiger Zeit auch mehrfach falsch gemacht und wurde an dieser Stelle dankenswerter Weise korrigiert. (Es steht aber noch unter manchem meiner Beiträge falsch, glaube ich.)

    Schauen Sie mal hier, da stehen sogar zwei „disclosures“, und wenn ich’s gerade nochmal sehe, finde ich, dass keiner nötig war. Ist ein bisschen wie mit der Zeichensetzung. Manchmal wird’s albern.

  19. Was halten „wir“ eigentlich von Timon Saatmann als SID-Chefredakteur?

    Ich weiß ja nicht und will nicht vorschnell urteilen, aber irgendwie denke ich spontan an den fliegenden Händler aus der Sesamstraße, der Ernie z. B. heiße Luft verkaufen will.

    Kollege Saatmann scheint mir ein großes (Selbst)-Verkaufstalent zu sein. Was mir auf seiner Homepage auffällt: Alles hat er scheinbar schon gemacht, nur dass er 2007 die halbe Tour de France kommentiert hat, das führt er nicht auf. Peinlich, oder ein Fall von vergeßlich?
    Ansonsten denke ich anderthalb Jahrzehnte zurück, da hatte der SID mit Heinz Reudenbach für eine ähnliche nicht unbedingt naheliegende Personalie gesorgt. Der vom ZDF bekannte Kollege war aber wohl nicht zu lange bei der Agentur.

    Aber wünschen wir mal Saatmann, seinen künftigen Untergebenen und der Klientel alles Gute. Oder besser noch DAS BESTE (was immer das auch sein mag, hehe).

  20. JW für dradio.de (19.12.): „Skurrile Antwort“ – Bündnis-Grüne wollen Aufklärung über Pechstein-Gutachten

    Der langjährige Sportsprecher Winfried Hermann ist unzufrieden mit den Auskünften des BMI:

    „Es ist schon eine skurrile Antwort. Denn auf der einen Seite wird alles bestätigt, nämlich dass man bezahlt hat, und gleichzeitig wird gesagt: Aber wir haben es ja nicht beauftragt. Aber letztendlich bezahlt das BMI die Kosten. Und das ist meines Erachtens absolut unangemessen, weil es nicht mit einer Krankheitsbedrohung zu tun hat und von daher auch nicht begründbar ist.“

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