Selten so gelacht: Es freuen sich der Fifa-Präsident Blatter (links) und sein erster Vizepräsident (Don) Julio Grondona aus Argentinien. Wieder haben sie eine Wahl gedeichselt – einen Gegenkadidaten für den Fifa-Chef gab es nicht. Immer wieder Blatter. Der Sportkamerad, der einst Josef hieß, sich später Joseph nannte und seinem Namen das Initial S. (Sepp) hinzufügte, wird uns noch einige Jahre erhalten bleiben. Mindestens bis 2011 ist dieser Joseph S. Blatter (71) nun Präsident des Fußball-Weltverbandes Fifa. Man darf momentan davon ausgehen, dass er dann eine weitere Amtsperiode dran hängt. Bis 2015 also. Im Interview mit ard.de („Blatter hat alle abgestraft“) habe ich versucht, einige Antworten auf das Phänomen Blatter zu geben. Mein aktueller Bericht über die Fifa-Krönungsfeierlichkeiten im Zürcher Hallenstadion für die Berliner Zeitung:
ZÜRICH. Es wird schon noch was mit dem Friedensnobelpreis, keine Frage. Joseph Blatter, der 71 Jahre alte Schweizer Fex aus dem Bergdorf Visp, tritt nun seine dritte Amtszeit als Präsident des Fußball-Weltverbandes (Fifa) an. Er bleibt einer der mächtigsten Sportfürsten der Welt. In seine nächste Amtsperiode fällt auch die WM 2010 in Südafrika, für die sich Blatter am Donnerstag auf dem 57. Fifa-Kongress wieder mächtig ins Zeug warf. „Es gibt einen Plan A und es gibt einen Plan B“, sagte Blatter. „Aber ich möchte sagen, dass wir auch im Plan B nur von einem ausgehen: Südafrika, Südafrika, Südafrika!“ Und schon schmetterten die Fanfaren, wie mehrfach an diesem Tage.
Die Fifa hat sich im Hallenstadion von Zürich einen neuen Slogan gegeben. Hieß es bisher immer „For the Good of the Game“ (Dem Fußball zuliebe), so gehen die Gutmenschen von der Fifa nun in die Offensive und geben sich nicht mehr nur mit dem Treiben auf Sportplätzen ab. „For the Game. For the World“, lautet das neue Motto der Fédération Internationale de Football Association. Für die Welt, darunter machen sie es nicht. „Gefällt ihnen das?“ rief Blatter den Vertretern von 207 Nationalverbänden zu. „Ich sage ihnen: Lächeln sie! Für das Spiel! Für die Welt!“ Prasselnder Applaus. „Danke!“
So ging das den ganzen Tag. Es gab keine Spielverderber. Als um 14.04 Uhr Tagesordnungspunkt 15 an der Reihe war, die Wahl des Präsidenten, verließ Blatter theatralisch den Saal. Es trat auf: Don Julio Grondona, erster Fifa-Vizepräsident, ein notorischer Geschäftemacher aus Argentinien. Grondona nuschelte etwas ins Mikrofon und brachte mit Mühe zusammen, was eh schon alle wussten: Freunde, es gibt nur einen perfekt geeigneten Kandidaten. Den sollten wir auch wieder zum Boss küren. So geschah es. Beifall, Applaus, und die einzige Überraschung des Tages bestand darin, dass der listige kleine Fußball-Cäsar um 14.07 Uhr nicht aus dem Türchen wieder herein flutschte, durch das er die Arena verlassen hatte, sondern durch eine Pforte auf der anderen Seite. Ergriffen teilte er mit: „Ja, ich nehme die Wahl an.“ Alsdann überreichten ihm Kinder einen kolossalen Globus. Welch ein Symbol: Sepp schultert die Last der Welt.
Götzen wie Erich Honecker oder Leonid Breshnew ließen früher Passagen vom „lang anhaltenden Beifall“, bei dem sich „die Delegierten von ihren Plätzen erhoben“ oder vom „lang anhaltenden Beifall mit Hurra-Rufen“ ins Protokoll stanzen. Blatters Hofstaat müsste die Wahrheit über die Maßen beugen, wenn behauptet werden würde, es hätte in Zürich Ovationen gegeben. Es blieb merkwürdig ruhig im Saal. Blatter, der für Stimmungen ein unvergleichliches Näschen hat, wird es registriert haben, schließlich hatte er zuvor auch manches Gegenstimmchen gönnerhaft gerügt, etwa bei der Verabschiedung des Finanzreports (201:1) oder des neuen Finanzplans (200:1). „Da gibt es immer noch eine Gegenstimme! Egal, das ist ja hier eine demokratische Abstimmung.“ Gewiss.
Für das Diskussionsniveau dieser Weihestunde darf der Auftritt des asiatischen Konföderationspräsidenten Mohamed Bin Hammam als prächtiges Beispiel gelten. Der Katari referierte über die Arbeit der von ihm geleiteten Entwicklungshilfe-Kommission. In diesem Goal-Programm sind bisher 300 Projekte in 190 Ländern verwirklicht worden. „Liebe Freunde, glauben sie nicht, dass wir noch einmal dem Schöpfer dieses Vorhabens Danke sagen sollten?“, flötete Bin Hammam. Beifall. Bin Hammam zu Blatter: „Lieber Präsident, wir danken ihnen!“ Und zu den Delegierten: „Sollen wir dieses Programm weiterführen?“ Beifall. „Ich danke ihnen, Herr Präsident, dass sie uns diese Vision gegeben haben.“
Blatter bemühte sich herzhaft, das Bild von einer Herde friedlicher Fifa-Schäfchen zu zeichnen, die von der garstigen Außenwelt bedroht werde. „Wir müssen die Werte des Fußballs verteidigen gegen die Teufel, die es gibt“, rief er. „Wenn wir gegen die Dämonen kämpfen, müssen wir unsere eigenen Gesetze durchsetzen und nicht darauf warten, bis uns fremde Gerichte sagen, wo es lang geht.“ Als Teufelswerk bezeichnete er „Doping, Korruption und Rassismus“. Und weil er gleich so schön in Fahrt war, warf er dem Schotten John McBeth, der ihn als Trickser und Schlitzohr bezeichnet hatte, Rassismus vor. „Glückwunsch an die vier britischen Verbände für ihren Entschluss, eines ihrer Mitglieder zu ersetzen, das die Karibik angegriffen hat, das Afrika angegriffen hat mit verleumderischen, rassistischen Äußerungen. Das entspricht nicht unserer Ethik.“
Wie es um die Ethik der Fifa bestellt ist, lässt sich überzeugend an der gerichtlichen Auseinandersetzung um die Sponsorenverträge mit den Kreditkartenmultis Visa und Mastercard nachweisen. Mit beiden hatte die Fifa Verträge geschlossen – irgendwie blöd. Das fanden die Konzerne auch, der Fall ist vor einem New Yorker Gericht anhängig, und in den Gerichtsakten findet sich eine Fifa-interne Mail, in der gefragt wird, wie man es so aussehen lassen kann, als hätte die Fifa noch einen Funken von Geschäftsethik. Derzeit entgehen der Fifa knapp zwei Millionen Dollar Einnahmen aufgrund von eklatanten Managementfehlern und systemimmanenten Wahrnehmungsverzerrungen. Blatter erklärte seinem Völkchen dazu nur: „Es wird uns etwas kosten. Aber es wird sie überhaupt nichts kosten.“ Was denn nun? „Sie müssen nichts aus der eigenen Tasche zahlen. Wir werden es woanders wieder reinholen. Wer kann da Besseres bieten?“
Blatter predigte zwei seiner Lieblingsvokabeln: Hoffnung und Liebe. Mehrfach rief er aus: „Es geht um Hoffnung und Liebe!“ Seine Fußballfamilie, seine Brüder und Schwestern, sollten künftig mehr Intellekt und Herz einbringen in diese böse Welt. „Der Fußball ist oft Opfer, er wird zur Geisel gemacht von Vertretern eines bestimmten Milieus.“ Und natürlich von den, wie er es formulierte, „niederträchtigen Medien“. Aber auch das kriegt er noch in den Griff, ganz gewiss. Er muss nur ganz fest dran glauben im Banne der Dämonen.
Und noch zweimal zum Blatter-Sepp:
- 30. Mai 2007: Krönung in einer sonderbaren Welt
- 31. Mai 2007: Kostprobe des Weltverbesserers
Schade, dass sich bislang kein Journalist mit den Vorgängen in Peru befasst, finde nur Agenturmeldungen.
Haben die Korruptions-Vorwürfe gegen den dortigen Verbandspräsidenten Hand und Fuß?
Wer weiß was?
Wenn ja, wäre das ein weiterer Blatter-Skandal – nicht eine „Einmischung des Sports in die Politik“ (Zitat Blatter)sondern die versuchte Beeinflussung der Justiz eines souveränen Staates durch den „Bundesverdienstkreuzträger“.
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