Nur mal so, damit es nicht in Vergessenheit gerät, das wäre schade: Man hatte ja kaum noch damit rechnen wollen, doch am 11. März 2008 ist es nun so weit. Vor dem Strafgericht des Kantons Zug beginnt tatsächlich der Prozess gegen sechs ehemalige Manager des konkursiten Marketinggiganten ISL/ISMM. Den Managern drohen langjährige Zuchthausstrafen. Es könnte sein, dass in diesem Prozess belastbare Fakten zu jenem flächendeckenden Korruptionssystem bekannt werden, mit dem das ISL-Konglomerat (und seine Vorgänger, Vordenker und Gründungsväter) über zwei Jahrzehnte lang den olympischen Weltsport dominiert haben.
Bizarr daran ist u. a., dass die ISL-Gruppe, die 2001 Pleite ging, Rechte gesichert hatte, die weit über dieses Jahr hinaus gingen, so mit der IAAF (2009) mit Flamengo Rio de Janeiro und Gremio Porto Alegre (jeweils bis 2014, Option bis 2029). Alles Makulatur. All jene, die sich seit vielen Jahren um Aufklärung bemühen, wie etwa Andrew Jennings, sehen in diesem Prozess die letzte Chance, dass die Öffentlichkeit doch mehr darüber erfährt, wie Präsidentenposten in Weltverbände besetzt, milliardenschwere Marketingrechte (TV und Sponsoring) vergeben und Mega-Events (Olympische Spiele, Fußball-WM) vergeben wurden. Danach sind die Bücher geschlossen. Nicht nur einer der Angeklagten hat in kleinem Kreise schon verlautet: Er gehe lieber ins Zuchthaus, als dass er plaudere – und sein Leben verliere.
Ob dieser ISL-Prozess noch ein Erdbeben auslösen kann, ist eher unwahrscheinlich. Ein paar Jahre oder besser: etliche Generationen von Aktenschreddern früher wäre ein solcher Prozess doch viel lustiger gewesen.
Einige Links zu Texten von mir zum ISL-Komplex:
- Juni 2001: „Ich bin nicht bestechlich!“: Joseph Blatter über den ISMM-Konkurs, Schwarzgelder, Stiftungen und seine Zukunft als Fifa-Präsident
- Juni 2001: „Sprechverbot für den Dampfplauderer“: Das Landgericht Berlin untersagt Fifa-Boss Blatter Äußerungen zur ominösen Stiftung Nunca
- November 2002: „The big bubble“: the collapse of an marketing giant
- Mai 2005: „Highnoon in der Schweiz“: In der spektakulärsten Strafsache des Weltsports werden die Prozesse eingeleitet
- November 2005: „In the wake of the ISL collapse“
- Dezember 2005: „Korruption in großem Stil“: Warum hochrangigen Fussball-Funktionären und Managern mehrjährige Haftstrafen drohen
- Januar 2008: „In aller Stille“: Der spektakulärste Korruptionsprozess in der Geschichte des olympischen Sports findet im Frühjahr in Zug statt
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