Ach Mensch, ich bin unkonzentriert und vergesslich. Seit einer Woche, seit der BDR-Präsident der Deutschen Presse-Agentur ein Interview gegeben hat, schleppe ich dieses Zitat nun mit mir rum und habe doch versäumt, es in den vorherigen Beitrag einzubauen. Sorry, das ist mir echt peinlich. Deshalb dieser Nachtrag, schließlich passt es schön zum Motto des Blogs, korrespondiert wunderbar mit dem Satz von Hu Jintao, der im Header zu lesen ist. Rudolf Scharping also sagt:
Es ist immer falsch, wenn Politik und Sport vermengt werden.
Genau.
Herr Scharping sagt z.B. auch:
„In Deutschland waren es seit 2007 genau zwei [Dopingbetrüger]: Patrik Sinkewitz und Stefan Schumacher.“
Herr Scharping scheint hier offenbar nicht das beste Gedächtnis zu haben. Tatsächlich gab es in den Jahren 2007 und 2008 folgende Dopingfälle beim BDR:
BAUER, Sven 14.10.07
GALL, Georg 01.05.08
KESSLER, Matthias 24.04.07
KRAFT, Ivonne 06.05.07
METZKE, Philipp 05.05.07
SCHMIDT, Hans-Peter 01.12.07
SCHUMACHER, Stefan 03./15.07.08
SINKEWITZ, Patrik 08.06.07
Woher ist das Zitat? Nur vorsorglich, weil Scharping doch als sehr klagefreudig bekannt ist und seine Anwälte die putzigsten Sachen durchdrücken.
Verwirrend-amüsant auch, dass er „befremdende Widersprüchlichkeit“ in der Debatte diagnostiziert. Selbstdiagnose oder Fremddiagnose?
Die taz übrigens heute unter der tazigen Überschrift „Das war der Radsport, der war“:
@ralf. Fuhr Matthias Kessler nicht mit einer schweizer Lizenz? Aber: Es bliebe auch so ein schlechtes Gedächtnis des BDR-Präsidenten.
@JW: Das habe ich auch gelesen, es ist aus dem im „Rudolf S. sagt…“-Eintrag verlinkten Artikel bei rad-net.
@ JW
Rudolf Scharping: «Propaganda auf dem Rücken anderer»
http://www.rad-net.de/index.php?menuid=9&newsid=16010
@ mb
Natürlich hatte Matthias Kessler eine Schweizer Lizenz. Sein Fall wurde daher ja auch nicht vom BDR, sondern von Swiss Olympic verhandelt. Matthias Kessler ist aber trotzdem deutscher Staatsbürger und als solcher bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen für den BDR startberechtigt (, sofern er momentan nicht gesperrt wäre…) !
Sicher ist es immer falsch, wenn Politik und Sport vermengt werden. Weil Dinge, die vermengt werden könnten, schon rein begrifflich zunächst mal verschiedenartig sein müssten. „Sport“ in der hier verwendeten Bedeutung, also nicht etwa als „sinnfreie Leibesertüchtigung“, sondern als Vermischung von Profitum, Unterhaltungsveranstaltung und Sportpolitik ist mit dem Begriff „Politik“ in weiten Teilen halt deckungsgleich. Und das nicht nur, weil überall Politik sei.
Aber ob der Bundesradsportverteidiger dies so gemeint hat?
Ich habe grad die Zukunft des Radsports entdeckt! Gerade findet die „Tour du Faso“ statt, das bedeutenste Etappenrennen Afrikas. Auf 10 Etappen geht es durch Burkina Faso, heute stehen die 149 km von Koulbila nach Tenkodogo an. Am Sonntag werden auf der abschließenden Etappe nach Ouagadougou werden keine Attacken mehr aus dem Feld erwartet. Wie sich die Geparde verhalten werden, ist jedoch wie stets ungewiss.
http://www.06.live-radsport.ch/details_11280/Tour_du_Faso_(22).html#10
Die Tour du Faso ist längst in der Gegenwart angekommen:
PAFADNAM, Hamado
9.11.2002
Tour du Faso
2 Jahre Sperre 7.2.2003–6.3.2005
Wachstumshormone
ROUAMBA, Saïdou
6.11.2003
Tour du Faso
Verwarnung
Für Herrn Scharping wäre inzwischen zu ergänzen:
FUHRMANN, Bernd 28.09.08
http://www.rad-net.de/modules.php?name=Bekanntmachungen&recid=1628
Hier steht jedoch das Sportstrafverfahren noch aus…
Burckhard Bremer sitzt im Trägerverein des neuen Olympiastützpunktes Brandenburg. Nun denn.
http://www.myheimat.de/potsdam/beitrag/65371/neuer-olympiastuetzpunkt-brandenburg/
„„Der neue Olympiastützpunkt gehört jetzt von der Anzahl seiner Kaderathleten zu den größten Deutschlands“, erläuterte Jürgen Barth vom Geschäftsbereich Leistungssport des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Neu ist, dass er künftig als DOSB-Vertreter dem Trägerverein ebenso angehört wie die Sportdirektoren der Sportfachverbände Kanurennsport (Jens Kahl), Radsport (Burckhard Bremer), Judo (Manfred Bio) und Sportschießen (Heiner Gabelmann).“
SZ: Rudolf Scharping schwenkt um
Oh, mal wieder pro Schenk in diesem Blatt.
Was bei ihrem Gegner ja auch nicht schwer fällt.
Was sie aber nicht kompetenter macht.
Dass sie als Präsidentin des BDR schon gescheitert ist. steht sogar im Text der SZ. Tja, Qual der Wahl…
Wobei. woran ist sie damals eigentlich gescheitert? Eigenes Unvermögen oder den Widerständen im Verband? Oder Kombination der beiden?
Dieses Scheitern war natürlich ein Scheitern am Bösen. Wo sie doch grundsätzlich, siehe Aufzählung im Text, beinahe eine Heldin ist – wie fragwürdig sie auch immer agieren mag.
Der Anlass ihrer Demission 2004 war ja der Fall Christian Lademann. Bizarr ist, dass dieser Fall durch ein Gutachten der Uniklinik Freiburg ;) , seitens der Medizinischen Kommission des UCI, jedoch auch durch den Kölner Prof. Schänzer als jenseits von Doping eingestuft wurde.
Dass sie vom Sportdirektor Bremer nicht rechtzeitig informiert worden war, zeigt ja schon das Problem. Dass Herrenpräsidium, dem sie als Frau auch noch vorstand, misstraute ihr und ihren Fähgikeiten, den Vorfall sensibel zu klären. Ob Dopingfall – durch damals drei nicht unwesentliche Autoritäten entkräftet, mehr ging formal kaum – oder nicht, das weitere Vorgehen von Schenk war zumindest ungeschickt. Sie weiß wahrscheinlich, wo es hingehen soll, über den Weg dahin und die erforderlichen Methoden und Bündnisse scheint sie unsicher. Das hat sie jedoch auch schon in ihren anderen Funktionen offenbart. Da sich das bei ihr kaum geändert haben wird, kann man bei einer erfolgreichen Kandidatur ob künftiger Erfolge eher skeptisch sein.
Besser wäre, sie läßt es sein – ihre Wiederkehr kann man eh kaum nachvollziehen – und überläßt den Radsport weiter sich selbst und seinen Versuchen sich zu erneuern oder auch nicht.
Mit Lademann – der dann einige Jahre später als Doper überführt wurde -, ist Schenk ungut vorgeprescht, was zum Misstrauensvotum 2004 im BDR-Präsidium führte. Er hatte auffällige Blutwerte, die aber unter sanktionswürdigen Grenzwerten lagen. Schenk meinte, man habe einen Dopingfall vertuschen wollen; es war aber keiner. Und der Freiburger Arzt – Yorck Olaf Schumacher – hatte diese Werte dem BDR (wenn auch nicht Schenk) sogar mitgeteilt; er setzte später vor Gericht durch, dass Schenk nicht mehr behaupten durfte, er habe etwas vertuschen wollen.
Ich könnte dieser Präsidentin übrigens etwas abgewinnen: Wenn die nächste Empörungswelle gegen die menschenrechtswidrigen Wada-Kontroll-Regeln durch SZ und andere Medien scheppert, hätte man eine Zuordnungs-Option mehr. Bisher wusste man da ja nicht so recht, ob Schenk nun als bezahlte Anwältin der Spielergewerkschaft oder als TI-Vertreterin spricht. Es blieb auch etwas im Vagen. Im Fall ihrer Wahl könnte dann, womöglich die klarste Variante, die BDR-Präsidentin sprechen ;)
Mitunter sprach sie ja auch als Beraterin des FIFA-Präsidenten. Aber das wurde dann irgendwie doch der Herr Pieth. Und Frau Schenk war sauer.
Mir ist zwar auch ziemlich schleierhaft, für was Frau Schenk eigentlich steht, aber die „rigorose Doping-Gegnerin“, als die sie nicht nur der SZ gilt, nötigt mir mal wieder ein Schmunzeln ab. War sie doch in ihrer damaligen Funktion als BDR-Präsidentin maßgeblich an der öffentlichen Rehabilitation des Dopers Ullrich mit seiner rührenden Geschichte vom „Discopillen“-Ausrutscher beteiligt („wir lassen ihn nicht fallen!“); eine Großtat, auf die sie auch noch stolz schien, nachdem sich der gute Junge mit dem größten Dopingskandal der deutschen Sportgeschichte revanchiert hat. Gut, da die Entzauberung des Wunderknaben und Schwiegermutterschwarms als feiger Betrüger den deutschen Profiradsport auf Jahre hin erledigt hat, kann man Frau Schenk im Nachhinein vielleicht tatsächlich ein äußerst gelungenes Antidoping-Management bescheinigen. :D
Ihr Verhalten im Fall Ullrich ist insbesondere dann problematisch, wenn man noch ihre Politik im Fall Jörg Paffrath sieht. Der wurde seinerzeit wg. Dopings für 6 Monate und wegen verbandsschädigenden Verhaltens lebenslänglich gesperrt. Am Freitag wollte sie dazu glauben machen, dass Paffrath aufgrund des Dopings lebenslänglich gesperrt wurde, auf die Frage, wer das 1. Gnadengesuch Paffraths ablehnte, erklärte sie: „Daran erinnere ich mich nicht mehr!“. Ich hab das mal zusammengeschrieben: http://triathlon-inside.blogspot.de/2013/03/sylvia-schenk-zum-gnadengesuch.html
Mangelnde Transparenz. Mangelndes Erinnerungsvermögen. Mangelnde Regelkunde? Mangelnde Kenntnis in FIFA-Fachfragen. Puuuh.
Aber bessere Presse. Somit perfekt geeignet für den Job.
Kann man nur mit Sarkassmus ertragen sowas…
dpa: Showdown: Schenk und Co. gegen Scharping
Oh, der zwischenzeitliche Team-Telekom- und Rabobank-Fahrer Robert Bartko … Vom Sensations-Olympiasieg auf der Bahn in Sydney gar nicht erst zu reden. Versteht bestimmt aus persönlicher Erfahrung eine Menge vom Anti-Doping-Kampf ;)
cycling4fans.de: Dossier: Doping und der Internationale Radsportverband UCI
cyclingquotes.com: Boogerd admits to doping
vn: Rolf Sorensen admits to doping during his cycling career
Wikipedia: Robert Bartko
Hier beweist Bartko anlässlich des Armstrong-Oprah-Talks schon mal den Durchblick, der eines BDR-Vizepräsidenten würdig wäre:
Spannende Wahl, zwischen Regen und Traufe.
Michael Reinsch in der FAZ: Attacke statt Windschatten
Das Foto erscheint mir irgendwie nicht ganz passend!?
Markus Völker in der taz: Allianz gegen den Wolkenmann
(Das Bild im FAZ-Artikel (#29) wurde inzwischen übrigens ausgetauscht.)
Sabine Spitz im taz-Interview: „Es ist unfassbar“
FR-Kommentar von Wolfgang Hettfleisch: Scharpings dünne Bilanz
Wolfgang Hettfleisch in der FR: Rudolf Scharpings Sinneswandel
Jonathan Sachse hat für SPON mal einen kleinen Rudolf-Scharping-Faktencheck gemacht: Die fragwürdigen Aussagen von Rudolf Scharping
Liveblogging bei Jonathan Sachse mit Wahlergebnis:
J. Sachse gibt einen guten Einblick. Danke.
Die Schenk war einfach schwach und in ihrer Botschaft unklar. Da war spätestens klar, dass Scharping auch als das kleinere Übel für viele den Zuschlag erhalten musste. Und dann auch noch eindeutig. Der BDR sollte sich schnell nach präsidialen Alternativen umschauen. Sonst beginnt der BDR die dritte Erneuerung mit dem alten Präsidenten.