Während die wegen dringenden Blutdopingverdachts gesperrte deutsche Rekord-Winterolympionikin Claudia Pechstein auf ihrer Webseite weiter – Achtung, Kommentar – Unsinn verbreitet und über „Möchtegern-Dopingjäger“ unter den Journalisten schimpft, wird der Fall spannender.
Mit den Elaboraten der Dame, die wohl eher von ihren Beratern fabriziert werden (die gern auch bei den vielen Interviews dabei sind und korrigierend eingreifen), will ich mich gar nicht weiter befassen. Kann jeder nachlesen. Viel interessanter ist, was einer dieser „Möchtegern-Dopingjäger“ gestern in der Süddeutschen Zeitung schreibt.
Lesebefehl:
- „Besuch von Claudias Boyfriend“ – Thomas Kistner in der SZ: „Hamars Polizei ermittelt, ein Mitarbeiter der Pechstein-Agentur soll zu intensiv im Labor recherchiert haben“.
- Der dazugehörige Kommentar: „Glaubwürdigkeit ausgereizt“
Der „Möchtegern-Dopingjäger“ Thomas Kistner, der mir nicht ganz unbekannt ist, erzählt eine spannende Geschichte, die sich am 17. Juli 2009 in Hamar zugetragen hat, dort wo Claudia Pechstein 1994 Olympiasiegerin geworden war und im Februar 2009 nach wiederholt extrem erhöhten Retikulozytenwerten ihren vorerst letzten Wettkampf absolvierte:
(…) „Gegen 20.45 Uhr traf die Polizeistreife ein, das Krankenhaus liegt vier Minuten von hier“, sagt (Hamars Polizeisprecher) Fremstan. Die Kollegen hätten die Personalien des aufdringlichen Deutschen überprüft und ihn dann der Klinik verwiesen. „Ihm wurde gesagt, er kommt in Haft, falls er zurückkehren oder sich nahe der Wohnung der belästigten Frau aufhalten sollte.“
Umgehend landete der Vorfall auch beim Eislaufweltverband ISU. Deren Anti-Doping-Beauftragter, der niederländische Professor Harm Kuipers, erklärte auf SZ-Anfrage: „Ich kann bestätigen, dass dieser Vertreter der Agentur Powerplay in Hamar aufgetreten ist und von der Polizei aus der Klinik entfernt werden musste. Ich kann auch bestätigen, dass die Klinik in Hamar eine Anzeige erstattet hat.“ Kuipers geht davon aus, „dass auch die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada informiert wird“.
Und Polizeisprecher Fremstan sagt: „Das Hospital hat um Untersuchung gebeten. Wir werden ermitteln und den Report an die deutsche Polizei senden.“ (…)
In Hamars Krankenhaus unterwegs war Rafael Jockenhöfer, angeblich „Journalist“ und Geschäftsführer der Powerplay-Filiale Permedia:
Interessant auch dies:
(…) Am Freitag distanzierten sich beide Anwälte von den Ereignissen in Hamar. Bergmann teilte mit, seine Mandantin habe den Agenten „weder beauftragt noch gebeten, für sie tätig zu werden, insbesondere Informationen zu beschaffen. Das Tätigwerden des Herrn, von dem unsere Mandantin erst jetzt erfahren hat, gehört mithin nicht zur Verteidigungsstrategie meiner Mandantin.“
Breucker erklärt: „Der geschilderte Vorgang ist der DESG bislang nicht bekannt und betrifft, wenn er zutrifft, offenbar auch nicht Vertreter oder Mitglieder der DESG.“ (…)
Aber, keine Sorge, Frau Pechstein wird auch diese obskure Episode sicher bald aufklären. Denn schließlich bereiten ihre Berater (Manager Grengel, Schwiegersohn ihres langjährigen Trainers Joachim Franke; Anwalt Bergmann) ja eine Pressekonferenz vor. Da werden sie vielleicht (erstmals) auch Fakten auf den Tisch legen. Schließlich versprach die Olympiasiegerin zuletzt am 20. Juli:
(…) Es gibt immer eine zweite Seite der Medaille. Und die werde ich ausführlich auf meiner Pressekonferenz vorstellen. Diese wird zurzeit noch vorbereitet, die endgültige Terminfindung ist kurz vor dem Abschluss. Sobald es soweit ist, werde ich den Termin bekannt geben. Bis dahin bitte ich noch um ein wenig Geduld. Und um objektive Berichterstattung. (…)
Gewiss doch.
Flink noch zwei Links:
- Robert Ide auf Zeit-online: „Die Schattenläuferin“
- Berliner Morgenpost: „Affäre Pechstein beschäftigt norwegische Polizei“:
(…) Ralf Grengel, Geschäftsführer der Powerplay Management GmbH und mit dem Journalisten Jockenhöfer seit vielen Jahren gut bekannt, war über die Aktion informiert.
„Ich wusste davon“, bestätigte er der Berliner Morgenpost. „Für mich ist es nur legitim, die Original-Messprotokolle sehen zu wollen, die Claudia belasten. Bislang sind nur die von der ISU genannten Werte bekannt.“ Ein Original-Messprotokoll habe noch niemand gesehen.
Sollte bei der Recherche unkorrekt agiert worden sein, sei „das natürlich nicht in Ordnung“. Von einer Strafanzeige sei ihm allerdings bisher nichts bekannt. Grengel bestätigte, seine Mandantin habe „von der Recherche nichts gewusst. Sie soll sich voll und ganz aufs Training konzentrieren.“ (…)
das hat ja schon fast Privatfernsehen-Züge. Dunkle Gestalten, die versuchen, sich Zugang zu Doping-Laboren zu verschaffen, mysteriöse Firmenkonstrukte, dementierende Anwälte.
Grandios. Da merkt man erst mal, wie wichtig professionelle Berater sind.
Wie leicht könnte eine solche Situation sonst ausser Kontrolle geraten…^^
Mal abgesehen vom fragwürdigen Vorgehen, warum sind die vollständigen Daten des Labors eigentlich nicht in der Verhandlung auf den Tisch gekommen? Soweit bekannt, wurde das doch schon im Vorfeld von der Pechstein-Seite angemahnt. Diese Excel-Tabelle mit den Werten ist doch ehrlich gesagt ein Witz. Die Daten und Protokolle gibt es doch im Labor. War es so schwierig, die zur Verhandlung als Kopie beizubringen?
*pfeif*
Claudia hat ’nen Boyfriend, und den hat sie nicht ohne Grund…
JW,
Schöner Artikel vom „Möchtegern-Dopingjäger“ im August 2007.
Investigativ ist aber nichts weiter drin gewesen?
Da ist Radsport ungefährlicher?
sport bild exklusiv: Fehler im Fall Pechstein
Schade, dass der in sportbild erwaehnte PK-Termin nicht den Weg auf die homepage von Claudia Pechstein gefunden hat.
dpa: Pechstein im Glück?
JW in der SZ: Formfehler gesucht
@ Ralf: Die dpa-Meldung ist mir auch neu. Dazu kann ich derzeit nichts sagen. Da ist wohl jemand von der Pechstein-Seite gut gefüttert worden.
Müssen Zeitungen eigentlich jede dpa Meldung einzeln bezahlen?
@ Walter: Die gibt es im Paket. Manch einer verzichtet ja inzwischen auf dpa und klaut stattdessen irgendwo im anonymen Netz, dazu wurde in den vergangenen Monaten viel geschrieben. Manch einer kauft nur bestimmte dpa-Pakete. Die Agentur musste mit den Preisen wohl schon ziemlich runter gehen.
FTD: „dpa überdenkt Preismodell“
Ich würde denen auch nichts mehr abkaufen.Hier sieht man die Arbeitsweise schön,sie schreiben einen Artikel.Kommt eine Neuigkeit dazu,kopieren sie dies in den alten Artikel hinein und verkaufen es wieder.
Nach einem halben Jahr wird die Ursprungsinformation völlig verdreht wiedergegeben,weil sie inzwischen 25mal kopiert wurde?
@ Walter: Dass Sachverhalte ständig wiederholt werden müssen, ist (leider) normal. Da hat man es in einem Fachblog einfacher, und selbst da wird ständig wiederholt :)
Helfen Sie mir, was ist jetzt Ihr Vorwurf an dpa in dieser Sache bzw. auf den gerade veröffentlichten Beitrag?
Sie wissen, dass ich oft und gern meckere, hier aber sehe ich einen neuen Sachverhalt, so sich die Behauptung beweisen lässt. Und da setze ich an: Ich hätte schon auch von dpa klarere Informationen: Um welche Proben handelt es sich genau? Aber ich weiß gar nicht, ob der Schreiber die Liste kennt, jedenfalls hatte ich in den vergangenen Wochen den Eindruck, er kennt/kannte sie nicht, sonst hätten die Berichte teilweise etwas anders ausgesehen.
@Jens
Sorry, jetzt muss ich nachfragen. dpa schickt eine Meldung in den Ticker und verwendet dazu aufgrund subjektiver Lücken nicht die neuesten Informationen ? Kann ja mal passieren, aber bei dieser Problematik kann das doch nicht mit Schusseligkeit entschuldigt werden. Tendenziöse Meldungen sind mir, da ich Augen- und Ohrenzeuge bei der in der Meldung beschriebenen Sache war, schon mal aufgefallen. Aber das man als die deutsche Nachrichtenagentur so arbeiten kann, wundert mich schon. Da hat man wohl von ADN gelernt ? (Vllt. tue ich ADN jetzt unrecht ?)
Hm, in der verlinkten DPA-Meldung war das Kuipers-Zitat noch nicht. Er wundert sich erst im Folgeartikel von Spiegel Online.
Wenn bzw. dass ein Offizieller zu dem Sachverhalt zwei unterschiedliche Werte nach einer Probe) Stellung bezieht, gibt der Sache meiner Ansicht nach mehr Relevanz.
Oder andersrum: In der DPA-Meldung heißt es ja nur „nach DPA-Informationen“. Dabei wäre gerade in solch einem Fall interessant, woher die Informationen kommen – zumindest aus welcher Richtung. Gut, sind es offizielle Informationen, kann man die Quelle zu deren Schutz vielleicht nicht nennen. Aber „nach DPA-Informationen“ könnte dann in diesem speziellen Fall auch heißen, „Gerüchten zufolge“, „Gerüchten, die wir selbst in die Welt setzen zufolge“ oder „nach Aussage der Pechstein-Fraktion …“
Sport Bild hatte mich wie schon bei der ersten Berichterstattung ÜBERHAUPT NICHT ÜBERZEUGT. Da merkte man, dass die Pechstein-Seite „Stimmung machen“ bzw. Zweifel säen wollte.
Interessant in Sachen dpa-Meldung ist jedenfalls, dass die betreffende Probe (wenn das stimmt …) genommen wurde, NACHDEM Pechstein aus dem Verkehr gezogen worden war. Die „Beweisführung“ ist also nicht direkt, aber immerhin „indirekt“ betroffen.
Wenn ich mir z. B. den Fall Lisa Hütthaler oder wie sie heißt anschaue (versuchte nach eigener Aussage eine Laborantin zu bestecken), dann kann ich nichtmal ausschließen, dass es zwei unterschiedliche Werte gab, weil einer manipuliert wurde, weil dass der Verteidigung hilft.
Jedenfalls: Würde sich das auf Werte vor dem 7. Februar beziehen, dann würde mich diese Abweichung spontan mehr „beindrucken“.
@ Ralf Kohler: Freut mich, dass wir mal ähnlich denken. Ich kann fast jede ihrer Einschätzungen unterschreiben. Schreibe gleich auch noch etwas dazu. Grundsätzlich glaube ich – Achtung, dies ist eine Kommentarspalte, es handelt sich im folgenden also um einen Kommentar -, dass hier die eine Seite geschickt angebliche Meldungen lanciert hat, um die Kommunikationsherrschaft an sich zu reißen. Da beispielsweise dpa, wir hatten das kürzlich schon mal diskutiert, noch nach Wochen offenbar nicht in Besitz der 95er Liste war bzw. diese Excel-Datei in Gänze möglicherweise nicht studiert hatte (anders ließ sich der Sinngehalt einiger Meldungen schwerlich interpretieren), wundert mich diese plötzliche „Exklusivität“ am Vorabend einer live übertragenen PK ganz besonders. Bzw. wundert es mich nicht ;(
Tja, und ich dachte, wir hätten schon öfter mal ähnlich gedacht, Jens Weinreich (wenn auch vielleicht nicht gleich).
Zu Beginn der Pechstein-Sache war`s in jedem Fallschon mal so.
Eigentlich hatte ich schon einige leichter nachvollziehbare Beiträge als den zur DPA-Meldung. Wobei ich ja nicht ausschließlich meine Meinung sage, sondern Fragen aufwerfe und(verschiedene) Modelle durchspiele.
Man muss oder kann jedenfalls sich ja eine Meinung auch über die Diskussion bestimmter Fragen bilden. Das ist das, was ich teilweise nicht verstehe: Dass, der eine oder andere den Eindruck vermittelt, er oder sie könnte auch zu speziellen Fragen die (richtige) Meinung aus der Tasche ziehen.
Ist schon gut, Ralf, ich glaube, wir verstehen uns :)
Sie (und auch andere) könnten an entsprechender Stelle – beispielsweise – noch was zu Danja Müsch (und Ralf Scholt) sagen …
Da z. B. habe ich mich gewundert, dass noch niemand (irgendwas) gesagt hat. Aber die Ressoucen sind natürlich endlich und Rom wurde auch nicht an einem Tag (mit Weltrekorden überschwemmt oder so).
Pingback: Die Blutkontrollen von Claudia Pechstein (2) : jens weinreich
Michael Reinsch in der FAZ: Fall Pechstein: Klare Ansage vom Macher
Bitte den Quote noch schließen, hab ich vergessen.
Der Kommentar dazu wurde schon geschrieben:
Homer mal Vergil im Quadrat
@24 Vielen Dank, habe das mit Vergnügen gelesen! Wobei ich mir nicht ausdenken möchte, was passiert wäre, stünden jene Zeilen hier im Blog. ;-)
Was ist denn mit Jürgen Roth passiert ? Dass er sich so herabläßt und so wagnerisch über so einen belanglosen ISU-Skandal schreiben muss ? Da gäbe es bestimmt Wichtigers zu vermelden. Er sollte weitermachen und über die wahren Sümpfe des alltäglichen Lebens schreiben. Aber wahrscheinlich hat ihm ein (falscher) Freund einen falschen Tipp gegeben. Kann ja vorkommen.
@Herbert Du wirst es nicht glauben, aber das ist eine Buchkritik und hat nichts mit irgendeinem ISU-Skandal zu tun.
Buchkritik?
Eher , auch milde ausgedrückt , sehr ungenau;-) und medizinisch zweifelhaft;-)
Zeugt von wenig Sachkenntnis, aber die war ja bei dieser „Buchkritik“ auch nicht gefordert.
@ stefan
Ich will dir nicht mit dem Üblichen kommen. Aber Lesen ist eben auch eine Kunst.
Aber da wir gerade dabei sind. Es ist schon tief im roten Bereich, wie der „Buchkritiker“ seine angelesenen Vorurteile missionarisch verbreitet und sich dabei noch großartig vorkommen muss. Ich habe das Beschriebene jedenfalls anders erlebt, leide nicht an Realitätsverlust und distanzierter Selbstwahrnehmung, und kann wohl reflektieren. Da wird der Autor wohl bald Post bekommen, wenn er sie nicht schon hat.
Das Lesen ist meiner Meinung nach nicht die große Kunst, eher das Verstehen.
Aber das wollen manche vielleicht nicht. Schade!
Sag ich doch, Roth hätte ja mal hier lesen können….
ich meinte übrigens nicht Jürgen Roth…
@Herbert Ja, und? Wer will die Passage bestreiten? Schließlich steht da auch
Das ist schon alles sehr wasserfest formuliert, auch wenn eine bestimmte Person danach erwähnt wird. Möglicherweise hat der Herr Roth daraufhin auch
einen Anruf persönlichen Besuch klare Ansage Currywurst mit Pommes SchrankeBrief bekommen, aber da dürfte er sehr gelassen sein und sich anschließend wieder der kunstvollen Lektüre von Homer widmen.OK, dann mach ich das auch mal. ;-)
@ Stefan
Du kommst dir bestimmt sehr gebildet vor. Mag ja sein. Aber hier willst du doch bloß bestimmten Leuten den Narren machen. Da braucht´s weder Sitten noch Bildung. Aber du weißt ja: Nur wer strebend sich bemüht, den können wir erlösen.
Die Welt zu verstehen und sich nicht verwirren zu lassen, ist keine en passant zu lösende Aufgabe. Da muss man schon ´ne Weile für arbeiten. Aber ich lass´ dir Zeit und setz´dich nicht unter Druck. Hab´ich mit meinen Kindern auch nicht getan.
Leute. pls. Lasst bitte den Quatsch. Contenance!
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