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Das Olympische Bildungsmagazin

Die FIFA unter @SeppBlatter: Personenkult, Korruptionsmaschinen, Ethiksimulation und Propaganda

Mein Lieblingsfoto von Sepp und Don Julio: von der Krönungsmesse 2007 in Zürich

Mein Lieblingsfoto von Sepp und Don Julio: von der Krönungsmesse 2007 in Zürich

Gerade tagt das Exekutivkomitee des Fußball-Weltverbandes FIFA in Zürich (die Tagesordnung). Bin heute nicht vor Ort, werde die anschließende Pressekonferenz aber online verfolgen und live ein bisschen bloggen. Also bitte immer wieder ans Ende des Beitrags scrollen. Auch die beiden folgenden Texte werden ergänzt und verlinkt.

Es ist noch ein bisschen Zeit. Um was es heute ging/geht, habe ich in den vergangenen Tagen u.a. für die Berliner Zeitung und Spiegel Online aufgeschrieben:

* * *

19. März. Die Propagandaabteilung der FIFA arbeitet hochtourig. Am Tag vor dem Treffen des Exekutivkomitees in Zürich veröffentlichte der Fußball-Weltverband Details aus einem „persönlichen Schreiben“ des Katholiken Joseph Blatter an Pontifex Franziskus. „Ohne den Glauben an Gott mit dem Glauben an den Fußball auf eine Stufe stellen zu wollen, möchte ich anmerken, dass beide gemeinsame Werte haben“, schrieb Blatter. Warum so bescheiden? Blatter betrachtet sich und sein Fußballgeschäft doch allen Ernstes als einzig globale Religion:

Fußball ist mehr als eine einzelne Religion“, hat er einmal gedichtet: „Also nur zu sagen, mehr als die katholische Kirche, das wäre für mich zu wenig.“

DOKUMENTE

Zur Orientierung:

Der Fußballpapst konferiert mit seinen Kardinälen aus dem Exekutivkomitee ab Mittwoch im Home of FIFA auf dem Zürichberg, um so genannte Reformmaßnahmen abzusegnen. Ein kastriertes Programm, das seit dem FIFA-Kongress 2011, als Blatter zum vierten Mal gekrönt wurde, exakt jenem Fahrplan folgt, den er und seine fürstlich entlohnten Paladine, PR-Leute und Lobbyisten, ausgeheckt haben. In deren Diktion heißt es, die „Reformen“ werden beim FIFA-Kongress im Mai auf Mauritius abgeschlossen. Von Blatter Angeheuerte wie der Compliance-Experte Mark Pieth aus Basel, die als Teil der Inszenierung lange Zeit still hielten, geben neuerdings Interviews und drohen mit Abbruch der fragwürdigen Geschäftsbeziehungen zur FIFA.

Pieth legte mit dem Unabhängigen Governance-Komitee (IGC) im Februar den zweiten Bericht und sieben als „unverzichtbar“ bezeichnete Forderungen vor. Dazu zählen die Amtszeitbeschränkung für den FIFA-Präsidenten und die Exekutive sowie ein unabhängiger Integritätscheck von Top-Funktionären. Beides wird so nicht kommen. Pieth müsste dann sein Versprechen wahr machen und als Kommissionschef zurücktreten. Letztlich dürfte er für Blatter, der ihn persönlich ausgesucht hat, den Clown gespielt und der Propagandanummer „Reform“ eine Art Autorität verliehen haben. In der „Süddeutschen Zeitung“ erklärte die Kanadierin Alexandra Wrage aus dem Pieth-Komitee nun, es gäbe nur „kosmetische Verbesserungen ohne echte Veränderungen “. Es würden „nur die Liegestühle auf der Titanic umgruppiert“.

Die sieben „unverzichtbaren“ Forderungen des IGC:

The IGC however, reminds the Members of the ExCo that the revision of the Statutes foreseen for Congress 2013 is fundamental: as highlighted in its First Report of March 2012, the IGC stresses the need to introduce transparency and accountability throughout FIFA.

Therefore it is indispensable:

  1. That the President and all Members of the ExCo as well as the standing Committees of FIFA undergo an integrity check performed by an independent body within FIFA centrally prior to their (re-) election.
  2. In order to underline their role and responsibility as Members of the FIFA’s Executive Body the Members of the ExCo should be confirmed by Congress upon their appointment or reappointment by the Confederations.
  3. In order to guarantee transparency and accountability two independent Members should attend the meetings of the ExCo.
  4. Both, the President and the Members of ExCo should be subjected to limited terms of office.
  5. The IGC supports the redesign of the bidding and decision process for hosting decisions, as well as for the governance of development projects, marketing and procurement activities. The corresponding policies need to be reviewed by the IGC.
  6. The IGC welcomes any steps to make the IFAB more democratic and transparent.
  7. The IGC would like to stress the importance of transparency in the area of compensation and benefits. The establishment of an expert subcommittee to the Audit and Compliance Committee is an important step. However, the decisions of the sub-committee need to be made public, to the same degree as in not-for-profit organizations and other international organizations.

Das war von Blatter nie anders geplant. Der Große Vorsitzende hat gerade in mehreren Interviews deutlich gemacht, was er von derlei Interviews hält: Nichts. Pieth habe sich nur intern zu äußern, dürfe Vorschläge machen, über die das Exekutivkomitee entscheide. „Ich habe mit ihm gesprochen“, sagte Blatter, „er hat akzeptiert, dass er sich nicht mehr öffentlich äußert, wenn ich es ihm nicht erlaubt habe.“

Im Original lesen sich die Blatter-Zitate bei Osasu Obayiuwana so:

  • „He was asked to make proposals. He was designated by me, and confirmed by the [FIFA] executive committee, to be the chair of what we described, at the time, as the committee for solutions.“
  • „He is to propose solutions. But he thought, or the people around him thought, that all of the solutions that they propose have to be implemented. This is not possible.“
  • „If he is to make criticisms, I have told him that he should not go public, because he is a part of the reform process.“
  • „If everybody in the reform process goes public and says that they are not happy with this and that, there will be a lot of confusion. We have to avoid that.“
  • „He has now accepted that he would not go public [with his complaints], unless I tell him that he can go public“

Wer die Musik bezahlt, bestimmt die Melodie. Die FIFA hat mehr als eine Milliarde Dollar auf ihren Konten. Sie setzt eine hohe zweistellige Millionensumme für den Personenkult um Blatter und Propagandamaßnahmen ein, zu denen eben auch die Tätigkeit der externen Berater, die Ermittlungsarbeit der Ethikkommission oder das Sponsoring von 20 Millionen Euro für Interpol zählt. Blatter will 2015 die fünfte Amtszeit antreten. Deshalb hat er seinen mutmaßlichen Widersacher und ehemaligen Verbündeten Michel Platini, den UEFA-Präsidenten aus Frankreich, auf dem Kieker. Er macht sich über Platinis Plan der Euro 2020 in ganz Europa lustig. Und es würde niemanden wundern, sollten Blatters Prätorianer an unlängst aufgewärmten Geschichten mitgewirkt haben, die über Platinis Präferenzen bei der Vergabe der WM 2022 an Katar erschienen sind. Derlei Schlagzeilen nutzen vor allem Blatter.

Zwar wurde gerade das Exekutivmitglied Vernon Manilal Fernando aus Sri Lanka, ein Mann mit zweifelhaftem Ruf, für 90 Tage suspendiert. Für das Schwergewicht Manilal Fernando hat das nun auch hauptberuflich Folgen, wie Jean François Tanda in der Handelszeitung berichtet:

Doch im Grunde hat sich in der FIFA kaum etwas geändert. Denn über das angebliche Reformpapier entscheiden Figuren wie Issa Hayatou (Kamerun), Nicolás Leoz (Paraguay), Julio Grondona (Argentinien), Worawi Makudi (Thailand), Chuck Blazer (USA), Michel Platini (Frankreich) oder Witali Mutko (Russland) – und natürlich der Architekt des weltumspannenden Systems des Gebens und Nehmens: Joseph Blatter.

Mutko steht unter der politischen Knute von Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Platini hat mit dem Katargate zu kämpfen. Blazer hat sich selbst mehr als zehn Millionen Dollar Provisionen genehmigt. Die märchenhaften Schwarzkonten von Grondona wurden nie aufgeklärt. Makudi ist in zahlreiche Affären verstrickt, wird von Blatter gedeckt und will Präsident der asiatischen Konförderation AFC werden. Hayatou wurde gerade wieder Afrikas Fußballboss und hat dabei Konkurrenten ausmanövriert, er kassierte einst wie Leoz vom langjährigen FIFA-Marketingpartner ISL Schmiergeld.

Mit Spannung wird der Bericht des Amerikaners Michael Garcia, von Blatters Gnaden zum Chef der Ermittlungskammer der Ethikkommission ernannt, zur ISL-Causa erwartet, die längst gerichtsfest ist. Alles andere als eine Suspendierung von Hayatou und Leoz wäre ein Skandal. Zudem steht die nachträgliche Bestrafung der Brasilianer Joao Havelange (FIFA-Ehrenpräsident) und Ricardo Teixeira aus. Sie haben mehr als zwanzig ISL-Millionen kassiert. Auch Blatters Mitwisserschaft am ISL-Schmiergeldsystem ist gerichtsfest bestätigt. Was also macht Garcia, macht er überhaupt etwas? Das ist die Kernfrage dieser Tage.

* * *

20. März. Volkabstimmungen gehören zur DNA der Schweizer Demokratie. Vor zweieinhalb Wochen wurde die Abzockerinitiative des Unternehmers Thomas Minder landesweit mit beeindruckenden 68 Prozent der Stimmen angenommen. Zeitgleich stimmten die Bürger des Kantons Graubünden gegen eine Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2022. Beides, die Diskussion über maßlose Managergehälter und über Olympiakosten, hat miteinander zu tun. Denn auch Sportkonzerne wie das Internationale Olympische Komitee (IOC) oder der Fußball-Weltverband (FIFA) haben einen schlechten Ruf als Abzockervereine, die von korrupten Funktionären dominiert werden. „Das Image des IOC ist nicht das beste“, sagt Jörg Schild, Präsident des Sportdachverbandes Swiss Olympic. Er sieht darin eines der Hauptprobleme für die gescheiterte Olympiabewerbung.

Schild war einst Staatsanwalt in Basel, dort auch Chef des Betäubungsmitteldezernats. Später war er Regierungsrat und verantwortlich für Justiz, Polizei und Militär. Der Mann kennt sich aus mit schweren Fällen. Als Sportfunktionär hat er sich stets rigoros gegen Korruption ausgesprochen und für Swiss Olympic einen Verhaltenskodex initiiert, der international seinesgleichen sucht. Seit Jahren argumentiert Schild für eine Akzentuierung des Strafrechts, denn Korruption unter Sportfunktionären ist noch immer rechtliches Niemandsland. Wenn das FIFA-Exekutivkomitee wie erwartet am Donnerstag nicht die Mindestreformen absegnet, die der Antikorruptionsexperte und Strafrechtler Mark Pieth ausgearbeitet hat, könnte sich alles ändern. Dann dürfte die Initiative des sozialistischen Nationalrats Carlo Sommaruga beste Chancen haben, Gesetzeswirklichkeit zu werden. „Dann wird alles sehr schnell gehen“, sagt der FIFA-Kritiker Roland Büchel, Nationalrat der SVP. Sommaruga will Korruption unter Sportfunktionären als Offizialdelikt behandeln lassen. Dies würde Strafverfolgungsbehörden erlauben, auch ohne Anzeige gegen korrupte Offizielle tätig zu werden.

Es sind weitere Initiativen in der Pipeline. Das Bundesamt für Sport (Baspo) hat im November dazu einen lange aufgeschobenen Bericht vorgelegt, der vom Bundesrat genehmigt wurde. Der Bundesrat erklärte dazu:

  • Der Bericht kommt zur Erkenntnis, dass die bisherigen Massnahmen der (internationalen) Sportverbände nicht ausreichen, um Korruption effizient zu verhindern.
  • Der Sport ist in seiner Primärzuständigkeit gefordert, verstärkt gegen die Korruption in den eigenen Reihen vorzugehen. Notwendig sind harmonisierte und verbindliche Good-Governance-Systeme auf allen Ebenen des organisierten Sports.
  • Parallel zum Sport ist auch der Staat gefordert. Auf dem Spiel steht nicht nur die Integrität des Sports, sondern auch das Ansehen der Schweiz als Sitzstaat zahlreicher internationaler Sportverbände.
  • Die Schweiz prüft nun unter anderem Massnahmen wie die Einführung eines Straftatbestandes des Sportbetrugs. Ausserdem wird die Verschärfung des Korruptionsstrafrechts zum Thema.
  • Geprüft wird in diesem Zusammenhang unter anderem die Frage, ob Mitglieder in der Schweiz ansässiger nationaler und internationaler Sport-verbände dem schweizerischen Korruptionsstrafrecht unterstellt werden sollen.
  • Angestrebt wird ausserdem der Ausbau der internationalen Zusammenarbeit, da es sich bei den unlauteren Machenschaften um weltweit grassierende Phänomene handelt.
  • Die im Bericht angesprochenen Lösungsansätze werden durch das EJPD und das VBS gemeinsam weiter vertieft.

Seit wenigen Wochen ist ein ergänzendes „Gutachten Sportbetrug und Governance“ aus Mark Pieths Basler Institut öffentlich. „Rechtspolitischer Handlungsbedarf ist eindeutig feststellbar“, heißt es darin: „Das geltende Strafrecht bietet zur Ahndung von Korruption im Sport wenig Handhabe.“ Es wird erneut für einen Straftatbestand Sportbetrug plädiert. Die mehr als 60 internationalen Sportdachverbände mit Sitz in der Schweiz sollten endlich „ihre Verantwortung gegenüber den staatlichen Institutionen und der Öffentlichkeit begreifen und die Chance zur Selbstregulierung wahrnehmen“, heißt es.

Das ISL-Bestechungssystem, das vor allem die FIFA erfasste und bisher keinerlei Folgen für vier hochrangige FIFA-Offizielle hatte, wird in dem Papier als „Korruptionsmaschine“ bezeichnet.

Das Baspo teilt mit, man werde das Gutachten analysieren und danach „das weitere Vorgehen planen“. Hochinteressant ist ein anderer Bereich des Sportbetrugs: Pieths Truppe will auch dopende Sportler vom Strafrecht erfassen – in besonders schweren Fällen würden Athleten bis zu fünf Jahren Haft drohen.

Jörg Schild hat in der Korruptions-Diskussion oft griffig formuliert: „Wer nicht hören will, muss fühlen.“ Der Sport habe seine Chance zur Selbstreinigung nicht genutzt. Explizit zur FIFA mochte er sich vor der Exekutivsitzung nicht äußern. „Schauen wir erst mal, was von den Vorschlägen durchkommt und was gestrichen wird.“ Noch gibt er der FIFA eine Chance. Es ist die letzte.

* * *

13.34 Uhr: Topthema in spanischen Medien und auf Twitter sind übrigens gerade die Vorwürfe von Goran Pandev, die FIFA habe die Wahl zu den Welttrainern des Jahres manipuliert – was die Sportfreunde in Zürich vehement verneinen. In England wird, auch wegen Platinis Aussagen im so genannten Fachmagazin Kicker, die Winter-Sommer-Debatte der WM 2022 in Katar angeheizt. Gähn. Aber das habe ich schon im Dezember 2010 gesagt: das wird die Football Writer ein Jahrzehnt lang beschäftigen.

15.13 Uhr: Wie ich stets angekündigt habe: Blatter hat längst den Endpunkt der Reformen festgesetzt:

We are coming to an end of this reform process

#biggestjokeonearth

Das ist der Kongress Ende Mai auf Mauritius.

Blatter sagt, Garcia hätte einen ISL-Bericht an Eckert weiter geleitet. Eine Entscheidung des Richters, Chef der zweiten Kammer der Ethikkommission, werde spätestens am 15. April verkündet.

Später spricht Blatter von 4.000 Seiten ISL-Report, der am Montag an Eckert gegangen sein soll.

Nun darf Zwanziger als Chef der Statutenkommission referieren. Auch er sagt, dass der Reformprozess jetzt zum Ende komme.

15.25 Uhr: Es ist wie immer ein ziemliches Durcheinander und wird gleich noch wilder, wenn die Q&A Runde beginnt. Entscheidend ist, was sie WIRKLICH verabschiedet haben und ob das verteilt wird. Was Zwanziger bisher ausführt, ist absurd erwartbar gewesen und bedeutet:

15.30 Uhr: Die Kollegen in Zürich haben bereist die Pressemitteilung mit den Beschlüssen, aus denen sie nun tweeten. Die PK-Ausführungen bleiben wie üblich diffus.

Q & A

Erste Frage der FAZ an Blatter nach ISL-Folgen auch für ihn.

Blatters Antwort ist wie immer schräg, in der englischen Übersetzung, die ich hier höre, sowieso. Er weicht aus, das kann ich sicher sagen. 15. April. Na klar.

Nun mischt sich der Chefpropagandist und Informationsblocker Walter de Gregorio ein. Damit ist das Thema beendet.

15.37 Uhr: Jean Francois Tanda vergleicht die Beschlüsse mit den 7 Forderungen von Pieth (s.o.) und zählt aus. Keine der sieben Forderungen sei erfüllt.

Ist Pieth noch an Bord oder schon zurückgetreten?

Blatter verweist auf Zwanziger.

Please Mr. Zwanziger, repeat.

Lächerlich.

Zwanziger nimmt sich die Punkte nun auch vor und erzählt der Welt, Pieth hätte die Reform gelobt.

Aber er ist nicht FIFA. Er ist nur ein Berater. Er kann nicht hundertprozentig bekommen, was er will!

Zwanziger erzählt, im Exko würden Leute sitzen, die Ahnung haben von Compliance und Transparenz.

Wie der Integritätscheck ablaufe, sei nicht entscheidend (in house oder extern), Hauptsache, es gibt überhaupt einen, sagt Zwanziger.

Integritätscheck, lächerlich, wird von der FIFA durchgeführt.

Zwanziger sagt, er glaube nicht, dass Pieth zurücktrete.

15.45 Uhr: Die letzten beiden Fragen, sagt Informationsblocker und Propagandist de Gregorio. Albanien ist dran und fragt nach Kosovo.

Zuvor hat Blatter wiederholt, was er in Interviews, die die FIFA richtigstellen musste, zu Katar 2022 gesagt hat (Verschiebung von Sommer auf Winter).

15.48 Uhr: Ich weiß nicht, ob die Journalisten in Zürich mehr bekommen haben, aber diese Pressemitteilung hier, die gerade online erscheint, ist der erwartete Witz:

Exekutivkomitee spricht sich klar für weitere Governance-Reformen aus und verstärkt den Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung

(FIFA.com) Donnerstag 21. März 2013

Unter dem Vorsitz von FIFA-Präsident Joseph S. Blatter hat das FIFA-Exekutivkomitee über die letzten beiden Tage am FIFA-Sitz in Zürich seine erste Sitzung des Jahres abgehalten.

Weit oben auf der Tagesordnung stand dabei der Governance-Reformprozess der FIFA. Gemäß vereinbartem Reform-Aktionsplan erörterte das FIFA-Exekutivkomitee heute die verbliebenen Governance-Reformvorschläge, die zuvor bereits von der zuständigen Arbeitsgruppe der Generalsekretäre der Konföderationen und der FIFA-Kommission für rechtliche Angelegenheiten geprüft worden waren. Das Exekutivkomitee einigte sich dabei auf die Vorschläge, die dem FIFA-Kongress am 30. und 31. Mai auf Mauritius vorgelegt werden. Die ersten Reformen waren vom FIFA-Kongress im Mai 2012 mit überwältigender Mehrheit gutgeheißen worden. Das Exekutivkomitee verabschiedete ebenfalls das FIFA-Organisationsreglement.

Ein weiterer wichtiger Schritt im laufenden FIFA-Governance-Reformprozess ist die Verabschiedung des neuen Allgemeinen Reglements für FIFA-Entwicklungsprogramme, das am 1. Juli 2013 in Kraft treten wird.

Dem Exekutivkomitee wurden zudem die Namen der Kandidaten für die Rechtsorgane (Disziplinar-, Berufungs- und Ethikkommission), die Audit- und Compliance-Kommission sowie für das weibliche Mitglied des Exekutivkomitees präsentiert, die beim 63. FIFA-Kongress gewählt werden.

Die Exekutive beschloss diesbezüglich, dem Kongress die Hinzuwahl zweier weiterer Frauen ins Exekutivkomitee vorzuschlagen, zusätzlich zum weiblichen Mitglied, das beim bevorstehenden Kongress gewählt wird.

Ebenfalls vorgelegt wurde ein Bericht von Michael J. Garcia und Hans-Joachim Eckert, den beiden Vorsitzenden der Untersuchungskammer bzw. der rechtsprechenden Kammer der Ethikkommission, über die bisherige Arbeit dieser Kommission. Unter anderem gratulierten die beiden Vorsitzenden der FIFA darin zur Qualität des geltenden FIFA-Ethikreglements sowie zur Unterstützung und Mitwirkung seitens der FIFA. Zum ISL/ISMM-Fall wurde mitgeteilt, dass der Vorsitzende der Untersuchungskammer dem Vorsitzenden der rechtsprechenden Kammer einen Bericht vorgelegt habe, den dieser derzeit prüfe.

Im Anschluss an die letzte Sitzung der Strategiekommission wurde eine FIFA-Arbeitsgruppe gegen Rassismus und Diskriminierung gebildet, die von FIFA-Vizepräsident Jeffrey Webb geleitet wird. „Rassismus und Diskriminierung haben die Gesellschaft und damit unseren Sport so fest im Griff, dass wir konkret handeln und mehr tun müssen, um den Fussball davon zu befreien. Wir müssen einerseits die Aufklärung und die Prävention verstärken und andererseits die Disziplinarstrafen verschärfen“, betonte derFIFA-Präsident.

Hinsichtlich der FIFA-Finanzen genehmigte das Exekutivkomitee den Finanzbericht 2012 mit einem Jahresergebnis von USD 89 Millionen (Ertrag von USD 1166 Millionen, Aufwand von USD 1077 Millionen). 69 % der Ausgaben flossen in Wettbewerbe und Fussballentwicklungsprojekte der FIFA.

Das Jahresergebnis entspricht dem Beschluss der FIFA, ihre Reserven moderat zu erhöhen und laufend mehr in ihre Kernaufgaben, insbesondere Fussballförderungsprogramme, zu investieren.

Das Exekutivkomitee billigte ebenfalls das FIFA-Aufwandbudget 2014 in Höhe von USD 1412 Millionen.

Auf Antrag des jordanischen Fussballverbands bewilligte das Exekutivkomitee eine Spende von USD 200.000 zum Kauf von Fussballausrüstung und Spielkleidung für syrische Flüchtlinge, darunter viele Kinder, die in einem Flüchtlingslager an der Grenze zwischen Syrien und Jordanien leben.

Domenico Scala, Vorsitzender der Audit- und Compliance-Kommission, legte einen Bericht über die Tätigkeit seiner Kommission vor, die im letzten Jahr im Rahmen des FIFA-Governance-Reformprozesses die alte Auditkommission ersetzte und mit erweiterten Zuständigkeiten ausgestattet wurde.

  • Berichte wurden auch zu den bevorstehenden FIFA-Wettbewerben vorgelegt. Zudem wurden folgende Beschlüsse gefasst:
  • FIFA Konföderationen-Pokal Brasilien 2013: Die Exekutive nahm mit großer Zufriedenheit zur Kenntnis, dass das Turnier enormen Anklang findet. Schon 75 % der Tickets wurden verkauft. Das Unternehmen, das das Torlinientechnologie-System für dieses Turnier liefern wird, wird am 2. April 2013 bestimmt.
  • FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Brasilien 2014™: Zwei Spiele der Gruppe F der Afrika-Qualifikation werden vorgezogen (5. und 12. Juni statt 7. und 14. Juni 2013), damit Nigeria rechtzeitig zum FIFA Konföderationen-Pokal nach Brasilien reisen kann. Weitere Informationen zur Sitzung der Organisationskommission für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ in dieser Woche finden Sie in der rechten Spalte.
  • FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Russland 2018™: Die Vorrundenauslosung findet am 24. oder 25. Juli 2015 in Sankt Petersburg statt.
  • FIFA Klub-Weltmeisterschaft Marokko 2013: Der Spielplan wurde genehmigt.
  • FIFA U-17-Frauen-Weltmeisterschaft 2014: Aufgrund der neuen Garantien, die die staatlichen Behörden Costa Ricas vorgelegt haben, und des CONCACAF-Berichts hat das Exekutivkomitee Costa Rica wieder zum Ausrichter dieses Turniers bestimmt.
  • FIFA Frauen-Weltmeisterschaft Kanada 2015™: Der Spielplan der Endrunde, die erstmals mit 24 Teams ausgetragen wird, wurde provisorisch genehmigt.
  • FIFA Beach-Soccer-Weltmeisterschaft Tahiti 2013: Der Spielplan wurde genehmigt.

Zu den Fällen von FIFA-Mitgliedsverbänden wurden folgende Beschlüsse gefasst:

  • Antigua und Barbuda (ABFA): Die Frist zur Durchführung von Wahlen wird bis 15. Mai 2013 verlängert.
  • Gambia (GFA): Das Mandat des GFA-Normalisierungskomitees wird bis 30. Juni 2013 verlängert.
  • Guatemala (FNFG): Die Exekutive versicherte dem FNFG einstimmig seine Unterstützung hinsichtlich seines Disziplinarentscheids im Fall von Spielmanipulationen, der vor einem lokalen Gericht bestritten wurde (weitere Informationen finden Sie in der rechten Spalte). Die FIFA wird den Fall genau überwachen, damit die vom FNFG verhängten Strafen ordnungsgemäß vollstreckt werden.
  • Indonesien (PSSI): Die Exekutive begrüßt es, dass ein ordnungsgemäß einberufener PSSI-Kongress am 17. März 2013 die Vorgaben der FIFA erfüllt hat. Zum jetzigen Zeitpunkt sind deshalb keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Die Lage wird aber weiter genau überwacht.

Weitere Punkte:

  • Der internationale Spielkalender 2014-2018 wurde verabschiedet.
  • Irak: Das Exekutivkomitee gab einem Antrag des irakischen Fussballverbands statt, womit dieser zu Hause wieder internationale Freundschaftsspiele austragen darf.
  • Der FIFA Ballon d’Or 2013 findet am 13. Januar 2014 in Zürich statt.

Die nächste Sitzung des FIFA-Exekutivkomitees findet am Dienstag, 28. Mai 2013, auf Mauritius statt.

15.49 Uhr: De Gregorio macht Schluss.

Blatter sagt nochmal, der Reformprozes sei on a good track. Hohohoho.

Unity in my Executive Committee!

15.55 Uhr: Die PM ist natürlich unvollständig. Ich denke, in Zürich gibt es mehr Infos auf Papier. Denn einige Dinge, wie etwa die gekippte automatische Vizepräsidentschaft für die britischen Verbände, die bereits getwittert wurden, tauchen hier nicht auf. Abwarten. Hat manchmal doch was für sich, vor Ort zu sein.

16.22 Uhr: Einige Reaktionen:

Natürlich bleibt Pieth dabei. #noballs

Nachtrag, 22. März, 10.34 Uhr: Jetzt steht ein zusätzliches Papierchen mit zehn Punkten auf der FIFA-Webseite. Sehr dünn.

24 Gedanken zu „Die FIFA unter @SeppBlatter: Personenkult, Korruptionsmaschinen, Ethiksimulation und Propaganda“

  1. Was sich mir noch nicht erschlossen hat (hab noch nirgends eine Erklärung daür gelesen): Warum eigentlich tut sich die UEFA als Bremse hervor für das, was man vielleicht Reform nennen könnte? Offenkundig ist das ja seit dieser der „Deklaration“ von Ende Januar, die auch der DFB unterzeichnet hat und mit der einige von Pieths „unverzichtbaren“ Forderungen schon gekippt sind. (Ohne UEFA gibt’s dafür bekanntlich auch im Mai keine Zweidrittelmehrheit).
    Man kann sich ja noch zusammenreimen, warum Platini 12 Jahre Amtszeit für den nächsten FIFA-Gott bevorzugt statt der von Pieth vorgeschlagenen acht. Aber sonst? In meinen Augen jedenfalls ein sehr guter Grund dafür, die tatsächlichen und mutmaßlichen Gauner genauso auf diesem Kontinent zu verorten wie anderswo ;)

  2. # UEFA wird (s. Wahl von Platini im Januar 2007) von merkwürdigen Gestalten dominiert, die aus der Ukraine (Surkis), Zypern (Lefkaritis), sonstwo noch aus Südosteuropa und vom DFB kommen. Das alles hat ja schon die EM 2012, EM 2016 (24 Teams) und die EM 2020 (12 Nationen oder waren es 100?) generiert.

    # Europa ist stets um die Vorherrschaft im Weltfußball besorgt.

    # Europas große Verbände (wie FRA, DFB, ESP, ITA etc) agieren kaum transparenter als Verbände in Asien, Afrika oder in der Karibik.

    # Blatter ist der gerissenere Taktiker/Politiker.

    # Platini ist politisch eher ein Trottel.

    Das sind so einige Stichworte, Fakten und Gedanken.

  3. Wenn Zwanziger – in völlig debilem Duktus gestern von der dpa zu „Mr. Twenty“ erklärt – wirklich gesagt hat …

    im Exko würden Leute sitzen, die Ahnung haben von Compliance und Transparenz

    … ist das für mich eindeutig der Satz des Tages. Wahrscheinlich meint er die paar aus der Konklave, die nicht durch Korruptionsvorwürfe / -verdacht belastet sind ;)

  4. Und ich finde ja, Pieth soll ruhig bleiben.
    Damit hat er zwar seinen Ruf dann wirklich demontiert – aber als Plaudertasche ist er doch nützlich. Wie jüngst mit der kleinen Geschichte, dass Grondona den Ethik-Ermittler Ocampo verhindert hat. (Der eine mit bekannten Verbindungen zur Militärdiktatur, der Andere hat einige Vertreter derselben zur Strecke gebracht.) Und wenn er jetzt noch etwas über Spaniens medial etwas unterbelichteten Villar LLona ausplaudert, die europäische Stütze der Lateinamerika- und Katar-Fraktion, ist das doch hübsch …

    So entstehen übrigens Legenden, Tweet oben: „TI wisely jumped ship early …“ How early? Exactly when it was clear that Schenk wasn’t appointed IGC’s chair ;)

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  9. Du bist mir doch hoffentlich nicht böse, wenn ich Deine enge und ausgiebige Begleitung dieses Ereignisses zwar als sehr wichtig und dankenswert empfinde, selber aber keinen Buchstaben lese? „Da setzt ich mich lieber an eine schwülen Sommertag in die Küche und sehe zu, wie sich das Linoleum wellt“ (Garfield), da kommt im Zweifel mehr Spannung auf.

    Sollte sich wider erwarten doch mal irgendetwas von Belang ändern sagst Du uns doch gesondert Bescheid, oder?

  10. Das ist offenbar ein Problem. Einige Trottel verfolgen die Show noch, und alle anderen langweilen sich. Doping ist überraschender.

  11. Die Schweiz prüft nun unter anderem Maßnahmen wie die Einführung eines Straftatbestandes des Sportbetrugs.

    – so das oben zitierte Papier des schweizerischen Bundesrates.
    Hi-hi! „Der Sport“ (gemeint ist das unter dieser Bezeichnung auftretende, in seinem genau zur Hälfte halbweltlichen business allerdings jedwede sprichwörtlich-sportliche Fairness gerade konterkarrikierende, dabei allerdings noch immer globalen Anspruch heischende bzw. diesen dabei gerade erst setzende Sportverbandswesen) hat doch längst mit „der Politik“ (gemeint ist die unter dieser Bezeichnung auftretende und in Wirklichkeit gerade so politik- wie staatsverdunkelnde, globale Betriebswirtschaftskirche des heissen Geldes) in deren Ansageführerschaft, der Zweck heilige die Mittel, fusioniert:
    Was wären denn „die Staaten“ alle heute noch ohne die betrügerische propagandistische, an der Oberfläche zivil scheinende, aber im Kern militaristisch-mafiös gedeichselte Inszenierung ihres „souveränen/nationalen“ Gesichts für die fans wie die nolens-volens dabei auch dazu gemachten couchpotatoes gleichermaßen im und durch den „sportlichen Wettbewerb der Nationen“? – Es würde sich doch ohne diesen schneller und für eine größere Masse an Menschen als erwünscht herausstellen, dass es mit dem Traum staatlicher Souveränität in der Epoche der Elitenglobalisierung bereits ein- für allemal aus und vorbei ist.

    Ist es nicht genau diese unabdingbar scheinende, massenmedial traumhaft zu hebelnde „Impressions“-Macht, mit der da aufseiten aller nationalen Sportverbände am bis auf weiteres hoffnungslos gestellten gesellschaftlichen Regulierungs[wunsch]tisch gepokert wird? Und hinter deren vereins- und fahnenbunter, „national“ ausgewiesener, gleichwohl ohne irgendwelche belastbaren Kontrollstrukturen im Sinne einer demokratischen Moderne monolithisch/archaisch organisierter Fassade jene fröhlichen Urständ‘ da herrschen?

    Manchmal ist mir, als würde ich aus einem Albtraum erwachen und mich an ein logo-haftes Über-Motto erinnern, eine Art Signet, mit dem eine globale, orwell-artige Unterdrücker- und Kontrollmacht gleichsam spielerisch den Erdball erobert hatte, und das niemand rechtzeitig genug als das erkennen hatte können, was es war. Es sieht genau aus wie das FIFA-Emblem: ein zweidimensional dargestellter, in Vorder- und Rückseite zerlegter Globus, der statt mit irgendwelchen alten politischen Grenzen mit einem Wabengitter in strikt apolitische Zellengefängnis-Räume zur perfekten, militaristischen, „sentimentalitäts“- bzw. gnadenlosen Überwachung nach „sportpolitischen“, alle anderen politischen Gangarten programmatisch depotentialisierenden Maßgaben aus einer ihr Gesicht grundsätzlich hinter den Kulissen haltenden Zentrale unterteilt ist.

    Und dann dämmert mir, dass ich zu einem zwangsläufig immer winziger werdenden Kreis von Trotteln gehören muss, die die Show überhaupt noch verfolgen.

  12. Pingback: Andrew Jennings: What I told the FBI about the FIFA crooks : sport and politics

  13. Pingback: Twitter-Wahrheitsdroge für @SeppBlatter, doch Rücktritte nur von Jack the Ripper und Alexandra Wrage : sport and politics

  14. Nun geht er von Bord: Mark Pieth. Seine Resümee klingt sehr nüchtern. Zwischen den Zeilen schimmert allerdings durch, dass bei der FIFA derzeit nicht mehr zu machen ist.
    Das Steuer- und Vereinsrecht der Schweiz scheint internationale Sportunternehmen bei ihren Betrügereien geradezu zu schützen. Vielleicht dürfen ja auch bald der IOC, die FIFA und die UCI an die Börse. Lohnen würde sich das zwar nicht für den Sport, für deren Shareholder bestimmt. Ethisch gäbe es auch kaum Probleme, da eh nur noch zählt, „was hinten rauskommt“.
    Wenn dabei bis zur Eröffnung der FIFA-WM, egal ob im Sommer oder Winter, noch ein paar Nepalesen und Inder verdursten, wird es kaum jemanden jucken. Die Funktionäre verdienen dran und die Stars wie Messi Co. wollen ja bloß spielen.

    Den Russen hätte man schon längst die Hölle heiß gemacht und deren gelenkte Demokratie wieder einmal zu recht in Frage gestellt. Die Kataris – weil sie ja sowieso demokratiefrei sind – läßt man dementieren und relativieren, ohne das sich jemand so richtig stört. Wenn dann auch noch der Tod von asiatischen Gastarbeitern in Deutschland für die Auseinandersetzung zwischen Zwanziger und Nierbach bzw. das Wulffsche Engagement für die WM in Katar instrumentalisiert wird, beschleicht einen der Verdacht, dass diese eklatante Menschenrechtsverletzung doch einigen ganz gut in den Kram passt.

    http://www.sueddeutsche.de/sport/debatten-um-fussball-wm-in-katar-wie-blatters-muskelspiel-ausartet-1.1788287

  15. Mich würde vorab nur mal interessieren, ob JW von den Machern des ZDF vorab konsultiert worden ist. Denn mehr an Insider-Wissen von einem außerhalb des Inner circle dürfte in D wohl kaum einer haben.

  16. Müssen sie doch nicht. Wir sind ein freies Land. Markus Harm macht das beim ZDF seit ein paar Jahren und kennt sich besonders im Reich von Jack the Ripper auf T&T gut aus.

    Ich fand die Kleinigkeiten gut und immer wieder wichtig. Zum Beispiel die Passage auf Mauritius, als er zeigt, dass die FIFA-Bosse in einem abgeschottenen Ressort nächtigen, wo niemand reinkommt. Keine journalistischen Schmeißfliegen. Er hat dazu auch erwähnt, dass überhaupt kaum jemand von den Schmeißfliegen auf Mauritius war. So wollen es FIFA, IOC und andere Konzerne. Wie albern es dann oft ist, hat die Miami-Passage gezeigt, man kommt nicht ran an die Typen. Ich war 2011 mal auf einem CONCACAF-Kongress in Miami und in deren Hotel – aber dort waren zwei oder drei Etagen für die FIFA-Familie geblockt, auf die man nur mit dem richtigen Schlüsselcode kam – zusätzlich Diensthabende auf den Etagen, die Eindringlinge zurückwiesen.

    Man kann sich dann eigentlich nur für die Krawallmethode mit Doorstepping entscheiden oder für eine zurückhaltendere Variante, wie gestern. Die Doorstepping-Nummern in BBC-Panorama von Andrew Jennings bei Blatter und Warner & Co sind legendär (Fuck your mother … unfortunately my mother died several years ago … you are garbage), kaum zu toppen.

    Wenn Du keine Enthüllungen hast und keinen Zugang, dann kann das sehr schwer und ermüdend sein.

    Ich hatte 2004 bei der Blatter-Dokumentation The Untouchable, vom dänischen und schwedischen Fernsehen produziert (aus der die Blatter-Bin-Hammam-Tätschelszenen im Auto stammen, die immer wieder gern eingeschnitten werden, wie gestern), mal monatelang mit Blatters Leuten über Zugang diskutiert. Das war ebenfalls ermüdend, man wird dadurch natürlich etwas zahmer, weil jedes harte Vorgehen mit Liebesentzug (hier: Bilder- und Zugangsentzug) bestraft werden kann.

    Am Ende freut man sich über einige Bilder und Situationen, die bleiben und sich einprägen. Manchen mag das zu wenig sein. Ich finde, das geht in Ordnung.

    2010/11 hatte ich mit Albert Knechtel die Olympiabewerbung 2018 verfolgt, auch so ein unfassbar kompliziertes Ding, Kampf um Zugang in München, in PyeongChang, beim IOC, unterschiedliche Erwartungen in Redaktionen, hausinterne bzw ARD-Querelen, das volle Programm. Haben uns dann für so eine Art Presenter-Nummer entschieden – jedenfalls bin ich oft durchs Bild gerannt, die hilflosen Aufsager, die ich an verschiedenen Orten probiert habe, blieben nicht drin, wenn ich mich recht erinnere. Hinter dem Rücken hieß es danach: schwach, war nichts zu sehen, Großmaul hat nicht geliefert. Quatsch, denn wie 2004 habe ich auch 2011 bei den ersten Sitzungen gesagt: wenn Ihr Enthüllungen erwartet, muss ich Euch enttäuschen. Oder Ihr bezahlt mich mindestens ein halbes Jahr voll, dann dürft Ihr zumindest kleinere Exklusivitäten erwarten.

    Auf Twitter lief gestern einiges, es hieß, Harm habe sich zu sehr in den Vordergrund gedrängt. Sehe ich gelassen. Wenn ich es richtig verstehe, ich habe Zoom zu selten gesehen, dann geht es dort doch um Presenter-Reportagen. Ist so gewollt.

    Ich bin ja nur gelegentlich TV-Arbeiter und habe deshalb nur beschränkte Erfahrungen mit dem Problem Nähe-Distanz, um Bilder zu bekommen. (Als Schreiber, Radiomann und Knipser habe ich natürlich auch Erfahrungen zu dieser Thematik.) Habe gerade noch einmal die Reportage „Ich, Putin“ von Hubert Seipel gesehen. Zwei Jahre alt. Ich erinnere mich, dass ich damals viele Bilder und manche Szenen und Aussagen klasse fand, insgesamt aber dachte: Oh Gott, viel zu weich. Jetzt, beim zweiten oder dritten Mal schauen mit zwei Jahren Abstand, sage ich eher: großartig. Spagat ziemlich gut geschafft. Habe im Ebook daraus zitiert und empfehle dringend, diesen Film anzusehen.

  17. Ich hab´s heute noch einmal angeschaut. Naja, dass Harms wohl mehr als nötig auf dem Schirm ist, stimmt ja.
    Aber okay, ist halt eitle Eigenwerbung.
    Für einen normal Sterblichen, wie die meisten ja sind, ist es immer wieder ein Schock, wie die Dinge so laufen. Aber das wissen ja alle inzwischen und die Mehrheit hat sich damit abgefunden. Die Ohnmacht ist allgegenwärtig. Nur wenige, wie Andrew Jennings, haben Eier und rufen in die Wüste. Ob er weiß, was er dabei riskiert ? Es kann jedoch auch sein, dass das System sich zum Schein darauf einläßt, weil es weiß, dass es kaum Konsequenzen geben kann. Höchstens Kosmetik, Fassade, Makulatur. Dann macht eben die Tochter von Teixeira die Sache weiter, sie wird schon die Kontrolle nicht verlieren. Aber vllt. sind wir auch mit unseren Erfahrungen einfach verwöhnt, und denken, es muss überall so sein. Noch scheint alles so zu bleiben, wie es ist. Aber unumstößlich, glaub´ ich nicht. Wie Blatter allerdings vor der Kamera so kokkettiert, ist schon grenzbereichig. Er scheint sich seines Ladens, zumindest solange er lebt, sicher zu sein. Als man Platini im Film sah, musste ich so an Vergleichbares vor 25 Jahren denken. Wenn die Alten erst einmal weg sind, dann machen wir es anders. Wie man sich früher geirrt hat, so kann man sich auch heute irren. Insofern soll sich Platina auch nicht sicher sein, ob er nicht gleich mit weggefegt wird.

    Die WM in Brasilen ist noch lange nicht gelaufen. Wie viele Favelas will denn das Militär während der WM besetzen, ohne dass es jemand bemerkt ?
    Die Mächtigen, wo auch immer, haut nicht einmal mehr die Wahrheit mehr um – so scheint es – und sie lassen sich sogar machmal darauf ein, wie die Pressedame der Vorbereitungskommission in Katar. Andererseits : Werden Grenzen überschritten, entscheidet schon mal eine andere Pressedame, dass der Chef das Interview mit dem deutschen Fernsehen beeendet. Skurril.

  18. Die WM in Brasilen ist noch lange nicht gelaufen. Wie viele Favelas will denn das Militär während der WM besetzen, ohne dass es jemand bemerkt ?

    Spätestens wenn sich der 10. Brasilianer bei Olli Kahn für die WM 2002 bedankt hat, wirds rundgehen. Das wird nicht schön!

  19. Ich fand die Kleinigkeiten gut und immer wieder wichtig. Zum Beispiel die Passage auf Mauritius, als er zeigt, dass die FIFA-Bosse in einem abgeschotteten Ressort nächtigen, wo niemand reinkommt.

    Volle Zustimmung! Ich habe in dem Beitrag auch immer wieder interessante Details für mich entdeckt.

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