Ein Wiedersehen mit guten Bekannten. Der so genannte Prominentenanwalt Christian Schertz betritt mit der ihm eigenen Rigorosität die Sportbühne.
Grit Hartmann hat (auch) das heute für die Berliner Zeitung aufgeschrieben. Lesebefehl!
In dem bestens recherchierten Text werden gewisse Zusammenhänge im westdeutschen Sportsystem beschrieben. Es tauchen auf: der ehemalige Tauberbischofsheimer Strippenzieher Emil Beck, BAL- und DLV-Chef Helmut Meyer, Chefmediziner Joseph Keul, Birgit Dressel, Horst Dassler (alle verstorben), Armin Klümper (im südafrikanischen Exil) und einige ehemalige Fechter.
Behauptet wird überhaupt nichts. Es wird eine gut dokumentierte Geschichte erzählt. Fakten, Fakten, Fakten.
Für den Beitrag hat Grit Hartmann auch dem IOC-Präsidentschaftsfavoriten Thomas Bach bzw. dessen Sprecher Christian Klaue überaus höflich Fragen gestellt. Bach ist ein Zeitzeuge.
Geantwortet hat Christian Schertz, den aufmerksame Leser dieses Blogs aus meiner lang währenden juristischen Auseinandersetzung mit dem ehemaligen DFB-Präsidenten und Bach-Gefolgsmann Theo Zwanziger kennen. (In deren Rahmen der jetzige DFB-Präsident und Bach-Gefolgsmann Wolfgang Niersbach etliche Wahrheitsbeugungen … aber lassen wir das.)
Grit Hartmann schreibt in der BLZ u. a.:
Der Meister des Floretts, der auch als Funktionär eher die feine Finte schätzt, zückt den Säbel. Fragt man in aller Zurückhaltung, ob er als aktiver Sportler mal behandelt worden ist von den Freiburger Ärzte-Gurus Armin Klümper oder Joseph Keul, lässt der Wirtschaftsjurist das volle Arsenal auffahren:
Sein Anwalt Christian Schertz droht mit „Strafanzeige wegen übler Nachrede und Verleumdung“. Die mit einer solchen Frage „intendierte Unterstellung“ entbehre „jeglicher sachlicher Grundlage“.
Unterstellung? Das ist dann doch eine überraschende Interpretation für eine Frage, die Bach nicht selbst beantworten möchte. Sie hat ihn in Moskau erreicht im IOC-Wahlkampf. Dem Vernehmen nach sind die Ausläufer des deutschen Dopingtiefs auch dort angekommen, was Bachs nervöse Reaktion zu einem Teil erklären mag.
Strafanzeige wegen übler Nachrede und Verleumdung, nachdem Fragen gestellt wurden?
Ein Rückfall in die Steinzeit, finde ich. Mich jedenfalls erinnert das an die Steinzeitkommunikation etwa jener Jahre, als Bach vor mir und einem Kollegen im wahrsten Sinne des Wortes flüchtete, als wir nicht zu so genannten Hintergrundgesprächen zugelassen waren und als ich Thomas Bach noch schriftlich Fragen zu stellen pflegte, und statt des UDIOCM nach Ewigkeiten einer seiner Kanzleikollegen antwortete und sich „Ausforschungsfragen“ verbat.
Ausforschungsfragen?
Den Begriff habe ich nicht vergessen.
Intendierte Unterstellungen?
An solchen Beispielen sieht man mal wieder, wie unsinnig es für Journalisten oft ist, Fragen zu stellen. Meistens kommt ohnehin nichts dabei raus. Nur Drohungen und juristisches Ungemach.
Allerdings: Wo wäre die Menschheit ohne die Lust, die Fähigkeit und das Recht, Fragen zu stellen, wann immer sich Fragen ergeben?
Und, viel viel bescheidener gefragt: Wo wäre der Journalismus ohne Fragen?
* * *
- P. S. 1: Ich bitte darum, klug und zurückhaltend zu kommentieren. Auf Post von Schertz lege ich keinen Wert. Post von Schertz ist teuer.
- P. S. 2: Ich habe dem DOSB- und Bach-Sprecher Christian Klaue bereits meine Meinung zu diesem Vorgang gesagt.
- P. S. 3: Den Demagogenstreit, an dem Schertzens Kanzlei verdient hat, habe ich mit Theo Zwanziger vor einem Jahr in einem Podcast aufgearbeitet.
- P. S. 4: Christian Schertz hat mich bzw die Berliner Zeitung 2006 mal in einem Rechtsstreit mit der FIFA vertreten.
Weiter gehts:
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Ist das etwa eine intendierte Unterstellung?
Der Schluss gefällt mir besonders:
@ Stefan: Lass mich bitte noch ne Weile darüber nachdenken, ob Du jemals so weise kommentiert hast. Klug? Ja. Witzig? Ja. Zurückhaltend? So nicht nicht.
Fein.
Wenn schon „schönste Sätze von ha“, dann doch wohl der:
Seine engsten Mitarbeiter, die aus dem Elsass zum Beispiel, haben ihn wirklich Le Patron genannt.
Führt jetzt etwas weg, aber man kann ja gar nicht oft genug sagen, um was für eine auch moralisch korrupte Truppe es sich bei diesem IOC handelt, diesem angeblichen Weltgewissen für alles Mögliche. Eine der besten Betrachtungen, die ich zum aktuelleren Diskussionsgegenstand entdecke, längerer Ausschnitt – und „proaktiv“ scheint das neue Schlagwort der Bewegung für deren azivilisatorische Hampelei, um die eigene Charta zu unterlaufen:
Russia and the IOC Agree: Don’t Be Openly Gay at the Olympics
Wenn die olympische Familie nur noch dem größtmöglichen Profit hinterherläuft, werden die „Kompromisse“, die dann sogar derbe Verletzungen der Menschenrechtscharta einschließen, für die olympische Idee sehr fatal.
Lasst uns jedoch erst einmal nach Katar zur FIFA-WM gehen, dort scheint es noch obskurer als in Russland zu werden. Nicht zu vergessen, dass dort auch die OS winken. Die Katari werden kaum während der Spiele die Scharia aussetzen. Homosexualität ist demzufolge verboten. Dann könnte man dort auch als Gast zu Haftstrafen und Peitschenschlägen beim Nachweis der„Sodomie“ verurteilt werden.
Nachdem sich schon Blatter schrecklich desavouiert hat, müsste das dann der künftige IOC-Präsident übernehmen. Wo wir wieder bei Thomas Bach wären. Wie er das dann seinen Parteifreunden erklären will, darauf darf man gespannt sein. ;)
Aber die olympischen Führer werden schon eine Lösung finden.
Genialer Hinweis, Herbert, und so richtig:
Russland und Katar – für mich gibt’s da einen Unterschied: Der lupenreine, so perfekt IOC-kompatible Demokrat Putin dreht die Zeit zurück. Kann man von den Golfmonarchien nicht sagen.
Und ich bezweifle ja irgendwie doch, dass Bach seinen Parteifreunden überhaupt jemals etwas zu erklären hat – jetzt nicht und als Präsident erst recht nicht. Aktuelles Beispiel: Gestern haben die MdBs von FDP und Union übereinstimmend festgestellt, dass ihre Terminkalender am ursprünglich von den Liberalen vorgeschlagenen Sondersitzungstermin am 29. August aber sowas von prall gefüllt sind. Neuer Termin: 2. September. Und so kurz vor dem Termin in Buenos Aires ist dem Bach, das gebietet ja nun wirklich die Staatsräson!, eine Teilnahme nicht mehr zumuten.
Ich denke, das ist alles nur ein Missverständnis — ich meine, nachdem St. Sepp erfahren hat, dass sein Kollege Petrus in Qatar des Sommers tagsüber manchmal die Sauna anwirft, hat er ja auch sofort reagiert und die Initiative ergriffen und alle Hebel in Bewegung gesetzt um wahlweise entweder die Klimazonen oder den WM-Termin zu verschieben.
Insofern überrascht es mich auch nicht, wenn gerade getickert wird +++Fußballweltverband fordert Klarstellung+++
Schon alleine das explizite Einfordern eines warmen Empfangs ist doch eine echte Kampfansage!
Guck-Befehl: NDR „Extra Drei“ über verbotene Praktiken bei Staffel-Läufen, beim Rodeln sowie über Putins Posen:
Njet! Njet! Njet!
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Zu dem von „ha“ verlinkten Extra-3-Beitrag, insbesondere zu dem mit YMCA unterlegten Schlussclip fällt mir nur ein: Die größten Kritiker der Elche sind selber welche. Überraschend wär’s jedenfalls nicht. Man frage mal bei der katholischen Kirche nach.
Sie haben Recht. Wer Russland kennt, weiß, dass die beinahe alles können. Zeitsprünge von 200 Jahren vor und zurück, wobei die Landung die Russen bis zum nächsten Sprung kaum interessiert hat.
Bezüglich Bach wäre ich mir da nicht so sicher. Aber vllt. erklärt es ihm der Außemminister in einem Vier-Augen-Gespräch persönlich. ;)
Die Monarchen wird es freuen: Ein Lob von einer deutschen Frau.
Den Unterschied zwischen Feststellung und „Lob“ sollten Sie kennen, Herbert.
Ich habe das angemerkt, weil die Russen gern auf angebliche „kulturelle Traditionen“ verweisen. Das kann man für die arabische Welt in Betrachtungen einbeziehen, aber nicht fürs Reich des Vorzeige-Heteros auf dem Präsidentenstuhl. Siehe: Gogol, Tschaikowsky, Nijinski, Nureev, Eisenstein, Zwetajewa …
Wobei nicht zu vergessen ist, dass eine Feststellung auch auch als Lob verstanden werden kann.
Bei aller kritischen Sicht auf Putin und sein Reich sollten wir nicht vergessen, dass mit diesem Thema sich noch ganz andere sehr schwer tun bzw. getan haben.
Deutschland, vor allem – West hat sich lange erst mühsam von seinen Vorbehalten befreit.
Den östlichen Neudemokratien wird man da halt auch noch Zeit gewähren müssen. Walesa ist ja kein Nobody und traf mit seiner Bemerkung unlängst sicher auch den Nerv so mancher :
http://www.welt.de/politik/ausland/article114063326/Walesa-wuerde-Schwule-hinter-Mauer-verbannen.html
Aber okay, wir schweifen ab.
Herbert,
also ich finde Putin gut, er sollte nicht so demokratisch werden wie Obama ;-) er sähe einfach scheiße aus ;-)
Putin vs Obama
Hi Walter, back to life ?
It´s almost devastating – the differences between the most powerful man on earth.
Überraschend macht Barack noch beim Tanzen eine gute Figur, obwohl seine Beine das nicht erahnen lassen. Das hat er dann jedoch auf keinem Fall mit dem Präsidenten in spé gemein. Denn als Fechter – das ist gesichertes Wissen – braucht man nicht nur ab unterhalb der Gürtellinie Vorausetzungen für eine einigermaßen aufrechte Haltung. Aber hier werde ich leider schon wieder unsicher.
BTW, Walter, ich hoffe, dass dir inzwischen klar geworden ist, mit dieser enthüllenden Botschaft – ob es nun lediglich eine Anspielung auf die Fechter sein sollte oder nicht – endgültig in den Files der NSA gelandet zu sein. Du bleibst eben unverbesserlich. ;)
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Herbert,
in den Files landen alle , mit RFID dan ganz schnell.
In Wyoming haben sie angefangen, dann folgt hier im vereinigtem Wirtschaftsgebiet Brandenburg?
Mein mdr sagte mir gestern, der Westen sagte sich in den 70ern, dann kauft halt dem Dopingmist im Osten ;-)
Deshalb haben sie nur systemisch gedopt und nicht systematisch.
Sind jetzt alle Journis durchgeknallt? Deshalb las ich mal hier bei Jens nach, fand aber auch nichts
Achim Muth in der Mainpost: Das Schweigen des Thomas Bach
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