Aus den Trümmern in die Trümmer
PROLOG
ÖSV-Präsident Schröcksnagel
Gold von Johannes Dürr
im sonntägigen 50-km-Langlaufrennen
Dafür bleibe ich extra noch da
Eine Medaille
am Schlusstag
Dürr kann noch
für einen Knalleffekt sorgen
I. TOUR DE SKI, JANUAR
Es war geil
Der Stern
geht auf
Ein Wunder
Gesundheitliches Wunder
Triumph trotz Stockbruch
Hart erarbeitet
Hoffnungsträger
Da habe ich mir ein Herz genommen
Es ist einfach unglaublich
Endlich haben wir es geschafft
Überragende Leistung
Der Niederösterreicher
nutzte seinen Gewichtsvorteil
Wachsexperten
Sportler-Psyche
irre
natürlich im positiven Sinne
Dass er bergauf laufen kann
haben wir gewusst
Und gerade bergauf
macht dem Niederösterreicher
niemand so schnell etwas vor
Ich hatte nie Angst
dass mich irgendjemand überholt
Er ist eine Ausnahmeerscheinung
das haben wir immer schon gewusst
Wie der 26-Jährige
Richtung Stockerl
Großmaul Petter Northug stehen ließ
beeindruckte
die gesamte Weltelite
Acht Jahre
nach den folgenschweren Dopingrazzien von Turin
Salt Lake City 2002
Wiederbelebung
des österreichischen Langlaufs
Johannes Dürr
feierte bei der Tour de Ski
einen historischen Erfolg
für den österreichischen Langlaufsport
Ich spüre kein Misstrauen bei den Kollegen
und auch nicht bei den Medien
Der Langlaufsport
sei tot gewesen
in Österreich
man habe sich fast schämen müssen
Langläufer zu sein
so Dürr
nach dem Exploit
Ich glaube daran und hoffe
dass der Sport sauber ist
Er selbst sei in diesem Winter
bereits 13 mal
zumeist im Training
getestet worden
Sinnbildlich für den neuen Weg
steht Johannes Dürr
der sogar als Medaillenanwärter gehandelt wird
Der Langdistanzspezialist ist stolz
Er trägt dazu bei
seinem durch viele Negativschlagzeilen
beschädigten Sport
wieder zu einem besseren Image zu verhelfen
Es ist schön
dass der Glaube in den Sport zurückgekommen ist
Es fühlt sich gut an
dass der Langlauf wieder Wertschätzung erfährt
betonte Dürr
Es sei wichtig
der Jugend zu zeigen
dass Langlauf gar nicht so deppert ist
Ich sehe mich als Teil eines neuen Werks
stehe für einen sauberen Weg
Ich wäre doch ein Depp
würde ich alles aufs Spiel setzen
Ich habe ja noch viel vor
II. SOTSCHI, FEBRUAR
Medaillenkandidat
am Sonntag
beim Skating-Marathon
er ist brutal gefährlich
Johannes Dürr ist am Schlusstag
Österreichs einzige
und somit letzte Medaillenhoffnung
Das ist eine neue Garde
Das ist auch Schicksal
Mit Dürr aus den Trümmern
Am 9. Februar wurde er
beim Olympiadebüt im Skiathlon Achter
Danach flog er nach Österreich zurück
und bereitete sich in Obertilliach
auf die 50 km vom Sonntag vor
Es wird schmerzen
und Dürr kann leiden
Pfeiffersches Drüsenfieber
Die von vielen Rückschlägen begleitete Rückkehr
verlief zäh
Das österreichische Fernsehen
hat den Langlauf wiederentdeckt
In Sotschi erreichte der Skiathlon
einen Marktanteil von über 50 Prozent
Weiteren Schub
auch an Fördergeldern
brächte eine erfolgreiche Kandidatur von Seefeld
für die nordischen Skiweltmeisterschaften 2019
Sein Schwiegervater ist Gottlieb Taschler
der italienische Vizepräsident der Internationalen Biathlon-Union
Dürr hat die Olympiastarts
strikt auf seine Stärken ausgerichtet
Dürr war nach seinem ersten Bewerb
in die Heimat zurückgekehrt
zehn Tage in Obertilliach
in Ruhe
trainieren
Freitag kehrt er nach Sotschi zurück
III. TJA
Dürr hat bereits die Heimreise angetreten
Obertilliach in Osttirol
Dort fand offenbar die verhängnisvolle Dopingkontrolle statt
am 16. Februar
Dopingalarm!
Schock
Der österreichische Wintersport
steht neuerlich
vor einem Dopingskandal großen Ausmaßes
Das Österreichische Olympische Comité bestätigt
Johannes Dürr
Medaillenanwärter
ist positiv auf das Blutdopinghormon Erythropoetin
getestet worden
Dürr gab sein Dopingvergehen zu
und betonte
dass er allein gehandelt habe
und niemand anderer
darin involviert sei
Dürr droht eine Sperre
von bis zu vier Jahren
Bereits bei den Spielen
2002 in Salt Lake City
und 2006 in Turin
hatte es Dopingvorfälle
im nordischen Lager der Österreicher gegeben
Spritzen
Hausdurchsuchungen
Olympiaausschlüsse
Wettkampfsperren
Geldstrafen
Gerichte
EPILOG
Nächster Tiefschlag
auf der größtmöglichen Bühne
von dem sich
der nordische Bereich
im österreichischen Spitzensport
lange nicht erholen dürfte
Wir sind über diese Meldung schockiert
Wir haben Maßnahmen eingeleitet
Ausgerechnet Dürr
Super-GAU!
Das darf doch wohl nicht wahr sein!
Wie Phönix
aus der Asche
und retour
Das ist wirklich
ein trauriges Kapital
und ein schwarzer Sonntag
für uns
Leider haben wir
jetzt einen Einzeltäter
der überführt werden konnte
* * *
Quellen: ORF, derstandard.at, NZZ, Tiroler Tageszeitung, laola1.at, sportnet.at, APA, NÖN, Kleine Zeitung, Kronenzeitung, Salzburger Nachrichten, Wiener Zeitung, Nachrichten.at u.a. Wie bei den bisherigen neun ARD/ZDF Poems gilt: Sämtliche Zitate sind so gefallen, alles Original – nur von mir neu komponiert.
Häme? Nicht bei mir. Hier zeigt sich ein grundsätzliches Problem im Journalismus/Sportjournalismus. Es gab schon andere Beispiele dafür – natürlich auch in Deutschland.
Zur Wahrheit gehört allerdings: Ich habe bis heute keinen Text gefunden, der thematisiert hätte, ob Dürrs fabulöse Leistungssteigerung nicht mit Doping erklärbar wäre. Ich höre jetzt u.a. in der ARD Experten, die sagen, man habe sich das denken können – nur haben sie das vorher besprochen?
Ich sage natürlich auch diesmal, beim zehnten Poem: Schade, dass es keinen olympischen Kunstwettbewerb mehr gibt.
Ich kann mich aber erinneren, dass der ARD-Kommentator bei dem Berglauf am Ende der Tour de Ski Dürrs Leistung in einem Nebensatz schon angezweifelt hat. Also so ganz ohne Verdacht war das nie. Ausserdem ist es fragwürdig einen Sportler ohne hinreichenden Verdacht und Indizien nur aufgrund seiner Leistung vorzuverurteilen. Selbst wenn einen das Gefühl meistens bestätigt.
Abgesehen davon denke ich, dass dem Wintersport, speziell den Ausdauer Disziplinen, in den nächsten Jahren so etwas wie dem Radsport passieren wird.
Okay, Felix. Das wird schon so sein, wenn Du es gehört hast.
Österreichs Langlauf/Biathlon, Personen, Strukturen etc – das sind noch immer Fakten und Indizien, lieber Felix.
Es geht nicht um Gefühle, sondern um kriminalistisches/journalistisches Gespür. Auch ich habe vor vielen Jahren mal Märchen geglaubt. Die historische Lehre aus derlei Geschichten und Strukturen ist aber, und das darf man wissen als Journalist (sogar als Konsument): Geschichte wiederholt sich. Wunder gibt es nicht.
Dennoch ein zweites Mal: Es geht mir nicht um Häme – ich notiere, was seit Januar zu Dürr berichtet wurde.
Warum das nie jemand thematisiert hat? Weil niemand (Fans, Journalisten, Experten) tatsächlich an den „sauben Athleten“ glaubt und nur noch hofft, dass sich die Herrschaften nicht erwischen lassen. Und solange nichts bewiesen ist, wird so getan, als ob alles in Ordnung wäre. Gewisse Sportarten bzw. -verbände erinnern mich an das Orchester auf der Titanic, das ja auch (der Legende nach) bis zum bitteren Ende nicht aufhörte zu spielen.
Spiegel Sport-Blog
Schöner Artikel!
Kein Live-Blogging der Abschlussfeier? Bei so wunderschönen Bildern?
seiner exzellenz von der sternburg kann so ein wunsch natürlich nicht abgesprochen werden…
Bernhard Kohl im Kurier-Interview: „Es ist fast unmöglich, ohne Doping vorne mitzumachen“
TT: Nach Dopingfall Dürr: ÖSV-Boss erwägt Aus für Langlaufsport
Johannes Dürr im Interview mit der Zeitschrift „Sportwoche“.
Nur ein Anreißer online: http://sportnet.at/home/wintersport/skinordisch/1566807/Johannes-Durr-exklusiv_Ich-habe-Dopingkontrollen-bestanden
EPO sei die einfachste Methode gewesen, sagt er. Interessant.
Zusammenfassung von APA via Standard:
http://derstandard.at/1392686342403/Duerr-Ich-war-bloed-aber-nicht-so-bloed
Einige Quotes:
SpOn: Paralympics: Italienischer Sledgehockey-Spieler positiv getestet
dpa: Polnischer Bobfahrer bei Olympia des Dopings überführt
IOC: Swedish ice hockey player Nicklas Backstrom to receive Sochi silver medal
IOC: IOC sanctions Austrian cross-country skier Johannes Duerr for failing anti-doping test at Sochi 2014
IOC: IOC sanctions Polish bobsledder Daniel Zalewski for failing anti-doping test at Sochi 2014
IOC: IOC sanctions Latvian Ice Hockey Player Ralfs Freibergs for failing anti-doping test at Sochi 2014
SpOn: Lettischer Eishockeyspieler [Vitalijs Pavlovs] für 18 Monate gesperrt
FIS: Decisions of the FIS Council Meetings in Barcelona
Hajo Seppelt, Wolfgang Bausch und Rolf-Günther Schulze für die ARD: Zum Blutdoping nach Deutschland
Neuer Link: Geheimsache Doping – der betrogene Betrüger
sportschau.de: Hajo Seppelt über die möglichen Konsequenzen im Fall Johannes Dürr
Johannes Aumüller und Thomas Kistner in der SZ: Ein Beutel Blut im Auto
SZ-Kommentar von Thomas Kistner: All die schwarzen Schafe
Hajo Seppelt und Jörg Winterfeldt für sportschau.de: Geheimsache Doping – Blutige Langlauf-Angelegenheiten
Johannes Dürr im SpOn-Interview: „Es ist kein gutes Gefühl, als Verräter dargestellt zu werden“
Das habe ich irgendwo so ähnlich schon mal gehört. *grübel*
cycling4fans.de: Dr. Mark Schmidt
ORF: Auch Stefan Denifl gesteht Blutdoping
Thomas Kistner in der SZ: Spuren nach Tirol und Wien
Wenn man diese Zentrifuge Matschiner damals schon nicht wegnehmen konnte, wieso hat man nicht überprüft, was mit dieser geschieht?
Hajo Seppelt und Jörg Winterfeldt für sportschau.de: Blutige Geschäfte – die aktuellen Hintergründe der Doping-Razzia
Johannes Knuth in der SZ: Der Sonnenkönig der Skination
Peter Ahrens für SpOn: Der Ski-Patriarch
Johannes Aumüller in der SZ: 55 000 Euro für die Erfurter Praxis
ORF (ZIB 2, 05.03.): Stefan Matschiner im Gespräch
Hajo Seppelt, Jörg Mebus, Jörg Winterfeldt und Josef Opfermann für sportschau.de: „Lucky Luke“ Dürr dopte bis Ende 2018
NÖN: Dürr-Buch-Autor Prinz: „Betrug und Vertrauensbruch“