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Das Olympische Bildungsmagazin

Supermacht mit Petrodollars: Katars Expansionsstrategie im Sport

Der Jung-Emir Tamim Bin Hamad Al-Thani hat gut lachen. Läuft alles prächtig bei dieser Handball-WM, in die nicht nur mehr als 220 Millionen Dollar in drei nagelneue Tempel investiert wurden und für die eine komplette Nationalmannschaft eingebürgert wurde – was im IOC, dem Tamim angehört, eigentlich als verpönt gilt, aber das interessiert Tamim doch nicht.

Tamim hat 680 Journalisten die Reise zur WM und einen angenehmen Aufenthalt in Doha bezahlen lassen (dazu mein Beitrag im Magazin Krautreporter: „Katar, Petrodollars und die Journalisten“) und nach dem Sieg gestern gegen Deutschland freut er sich auf das Halbfinale seiner Söldner gegen Polen – und auf das Finale.

Zum Ende der WM gibt es dann vom Weltverband IHF gewiss ähnlich viele Orden, wie Ende November Julio Maglione, treuer Diener von Thomas Bach und Präsident des Schwimm-Weltverbandes FINA, an die Herrscher vom Golf verteilte. Es wurden (fast) alle geehrt, die im nächsten halben Meter Text auftauchen. So läuft das immer:

  • HH Sheikh Tamim bin Hamad bin Khalifa Al-Thani, Emir of the State of Qatar: FINA recognised the important support of Sheikh Al-Thani in the organisation of major FINA events in Qatar, thus bringing additional development to the FINA disciplines in his country and in all the Middle East region.
  • HH Sheikh Ahmad Al-Fahad Al-Sabah, President of ANOC (Association of National Olympic Committees): As for Sheikh Al-Sabah, who honoured FINA with his presence during the Gala “Soirée des Etoiles” on December 1, FINA considered his active role within the Olympic Movement and his constant support to the improvement of the Aquatics’ importance within the Games programme.
  • HE Sheikh Saoud bin Abdulrahman Al-Thani, General Secretary of the Qatar Olympic Committee: The FINA Prize (only one annual prize is awarded), is a distinction that can be attributed to an individual, team or an organisation in recognition of their outstandingly positive actions in favour of our sport. Sheikh Saoud has personally been involved in the remarkable organisation of FINA events in Doha, namely the legs of the FINA Diving World Series and FINA Swimming World Cup, and of course the recent 12th FINA World Swimming Championships (25m).
  • Khalil Al-Jabir, President of Qatar Swimming Association

Das Foto oben wurde bei der Eröffnungsfeier der WM vor zwei Wochen aufgenommen, es zeigt Tamim (links) mit seinem allgegenwärtigen IOC-Kollegen Scheich Ahmad Al-Sabah aus Kuwait (rechts), der einen Stammplatz hier im Blog hat. Damit sind schon wieder zwei der mächtigsten Figuren der Sportwelt genannt (die dritte Figur hört auf den Namen Wladimir Wladimirowitsch Putin, ist jetzt aber nicht das Thema).

Tamim und Ahmad (auch Boss das asiatischen Handballverbandes und als solcher für die Korruption bei der Olympiaqualifikation 2008 mit verantwortlich) haben den mindestens moralisch korrupten Handball-Präsidenten Hassan Moustafa aus Ägypten am Nasenring. Moustafa gehorcht ihnen aufs Wort. Bei Kongressen kann man ihn stets in Hörweite von Scheich Ahmad sehen, meist zusammen mit Ahmads Vertrauten Husain Al-Musallam (u.a. Vizepräsident des Schwimm-Weltverbandes FINA und Generaldirektor des Olympic Council of Asia OCA, wo sein Boss Ahmad vor zweieinhalb Jahrzehnten die Präsidentschaft von seinem Papa übernahm, wie das in diesen Kreisen üblich ist) oder auch Scheich Saoud Al-Thani, von Tamims Gnaden Generalsekretär des katarischen Olympiakomitees QOC und einer der Männer mit den Geldkoffern.

Puh.

Ich will es Ihnen gar nicht leicht machen. Die vielen Aufzählungen und Zusammenhänge müssen sein, sonst sieht ja niemand mehr durch.

Gerade wird wieder heiß über Katar und seine Expansionspolitik diskutiert. Nicht nur am Beispiel der Handball-WM und des fulminanten PR-Stunts, viele Hundertschaften Journalisten zu finanzieren. Das Kulturkomitee des Europarats, das sich seit einigen Jahren mit Sportverbänden, Mega-Events, Korruption, Matchfixing und Good Governance befasst, bezeichnete die Vergabe der Fußball-WM 2022 an Katar als „zutiefst illegal“ und „völlig vergiftet“ und forderte eine Neuvergabe der WM.

Human Rights Watch hat heute seinen World Report 2015 (pdf) vorgelegt. Darin gibt es ein Kapitel zu Mega-Events, in dem Minky Worden so manche Mär der Sportkonzerne auseinander nimmt. Worden spricht von „five main abuses“ bei Mega-Events:

  1. forced evictions without due process or compensation
  2. abused and ex- ploited migrant workers
  3. silencing of civil society and rights activists
  4. threats, intimidation, and arrests of journalists
  5. ugly discrimination

Im heutigen interessanten Interview mit der FAZ, in dem viel über Katar geredet wird, sagt Worden:

Wir können belegen, dass sich die Lage in einem Land, in dem die Menschenrechte verletzt werden, durch die Vergabe von Sport­veranstal­tungen verschlechtert, wenn es dort keine funktionierende Justiz gibt. Eine Fußball-WM wie in Qatar, für die 200 Milliarden Dollar ausgegeben wird, hat das Potential für massive Menschen­rechts­ver­letzungen, vor allem gegenüber Arbeitsmigranten im Stadion- und Infrastrukturbau. Verbände müssen immer wieder öffentlich bloßgestellt werden, damit sich etwas ändert. Das ist eine Evolution, die sich im Zeitalter der sozialen Netzwerke allerdings immer schneller vollzieht.

Ich möchte meinen Krautreporter-Text ergänzen mit einigen Anmerkungen zur Expansionspolitik Katars über den Sport und einigen Basics, die man drauf haben sollte. Dazu habe ich einige Auszüge aus meinem Buch „Macht, Moneten, Marionetten“ überarbeitet. Derzeit schreibe ich noch wie wild am Ebook „2022“, in dem die Katar-Passagen ausgeweitet werden und das hoffentlich in ein paar Tagen in der ersten Version erscheinen kann. Also, für zwischendurch, auf die Schnelle:

Die Ambitionen des Emirats Katar suchen ihresgleichen in der olympischen Geschichte. Das winzige Wunderland ist nach BIP pro Kopf von 98.814 US-Dollar mit großem Abstand die reichste Nation der Erde. Dort sprießen Wolkenkratzer aus der Steinwüste wie in anderen Ländern Pilze aus fruchtbarem Boden. Katar verfügt über die drittgrößten Erdgasvorkommen der Welt und mehrt seinen Reichtum täglich um gigantische Beträge. Erdöl ist ebenfalls reichlich vorhanden, gemäß OPEC-Statistik liegt man in der Fördermenge auf Rang 24. Katar hat, die andere Seite der Medaille, den weltweit höchsten CO2-Ausstoß pro Kopf der Bevölkerung.

Die Reserven an fossilen Brennstoffen sind endlich (obgleich Gas noch lange vorhanden ist). Auch deshalb wird Katar mit vielen hundert Milliarden Dollar umgebaut. Gemäß des Masterplans Qatar National Vision 2030 (QNV) kauft sich Katar in einige der größten Konzerne des Planeten ein und soll für eine Zeit lebensfähig gemacht werden, wenn Gas und Öl zur Neige gehen. Katar wird zu einem Hub in vielen Bereichen ausgebaut: Sport, Handel, Tourismus, Kunst.

  • Einige der Beteiligungen über die Qatar Holding resp. die Qatar Investment Authority (siehe Übersicht unten: „Die Al-Thanis“): Credit Suisse, Volkswagen AG, Hochtief, Harrods, Lagardère, Vivendi, Barclays, London Stock Exchange.

Das Land wird in allen Bereichen modernisiert, wobei diese Aussage relativ zu betrachten ist, denn binnen weniger Jahrzehnte entwickelte sich Katar quasi aus dem Mittelalter, besiedelt von einigen zehntausend Beduinen, zu einer Supermacht. Es ist weder daran gedacht, die Scharia abzuschaffen, noch das sklavenhalterähnliche Kafala-System gänzlich zu kippen, obgleich im Mai 2014 unter internationalem Druck Änderungen versprochen wurden, die Amnesty International ein halbes Jahr später zerpflückte.

Schon gar nicht ist vorgesehen, die seit 1822 bestehende Dominanz des Al-Thani-Clans zu brechen. Katar bleibt eine konstitutionelle Erbmonarchie.

Emir Hamad Bin Khalifa Al-Thani hat den Qatar National Vision Plan mit seinem Dekret 44 des Jahres 2008 verabschiedet. Von Beginn an hatte er Tamim, dem damaligen Thronfolger, Zweitsohn mit seiner Zweitfrau Mozah, die Hauptrolle in der Umsetzung des Masterplans zugeteilt. Tamim stand immer an der Spitze des Supreme Committees.

Katar war bis 1971 britisches Protektorat und erklärte im September 1971 seine Unabhängigkeit von der Krone. In jenem Jahr wurde das größte Gasfeld der Welt entdeckt, die Quelle des Reichtums.

Das Qatar Olympic Committee (QOC) wurde erst 1979 gegründet. Seit 1984 nimmt Katar an Sommerspielen teil, 2012 in London erstmals mit Sportlerinnen, nachdem Katar 2008 neben Saudi-Arabien und Brunei das einzige Team gestellt hatte, das nur aus Männern bestand. Bisher gab es vier Bronzemedaillen, von denen eine, die eines ehemals bulgarischen Gewichthebers, eingekauft war, so wie es seit den 1980er Jahren in Katar üblich war. Hundertschaften von Athleten wurden eingebürgert. Inzwischen sind deren Kinder aktiv, so wie Katars derzeit bekanntester Sportler, der Hochspringer Mutaz Essa Barshim, Asienmeister, Hallenweltmeister und Olympiadritter in London. Barshims Vater stammt aus dem Sudan und wurde als Lauf-Gladiator naturalisiert. Mutaz Essa Barshim zählt zu den ersten Absolventen der Aspire Academy. Seine Leistungen sind ein Beweis mehr dafür, dass sich die exorbitanten Summen, die Katar in Hardware, Sportler und Betreuerpersonal investiert, auszuzahlen beginnen. (So betrachtet sind die eingekauften Handballer ein Schritt zurück.)

Im Juni 2013 übergab Hamad die Macht an Tamim, den neuen Emir, der bereits seit Februar 2002 dem IOC angehört. Bei seiner Aufnahme während der Session in Salt Lake City war Tamim zarte 21 Jahre alt – er ist das jüngste IOC-Mitglied aller Zeiten und hatte quasi schon von Geburt an zahlreiche wichtige Ämter im Sportbusiness inne.

In seiner Antrittsrede am 25. Juni 2013 sagte Tamim u.a.:

Qatar has transformed from a State that some people could barely know its location on the map to a major player in politics, economy, media, culture and sport worldwide.

We will continue, dear brothers, our keenness on advancing the national economy, developing services, constructing public facilities, and upgrading youth and sports sector. Also we will give an attentive care to our investment for future generations, and diversify the sources of income of the State of Qatar.

We can not develop the humans without developing health, education, culture and sports fields, which are in turn cannot be developed without investing effort and money.

Eine Übersicht zu den Al-Thanis:

al-thani-sippe

Der Sport spielt als attraktives Element der Soft Power eine zentrale Rolle in den Plänen der Al-Thani-Sippe und ist einer von 14 Sektoren des QNV 2030, aus dem wiederum eine Qatar Sport Sector Strategy 2011-2016 abgeleitet wurde. Die Eroberung des Weltsports begann aber nicht erst 2008, sondern bereits in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre, mit einem Engagement für die FIFA als Ersatzausrichter einer Junioren-WM, wenige Jahre später dann mit den Vorbereitungen auf die Asienspiele 2006, dem ersten ganz großen Projekt, das in Europa kaum wahrgenommen wurde.

Doha soll zur Sporthauptstadt des Planeten werden. Einen so ehrgeizigen und umfassenden Plan, der die Sportwelt längst in ihren Grundfesten erschüttert, hat es nie zuvor gegeben. Allein bis zur höchst umstrittenen Fußball-WM 2022 sind mehr als 200 Milliarden Dollar für Infrastrukturmaßnahmen verplant. Dabei wird es nicht bleiben.

sportstrategy

Quelle: Aspire. Qatar Sport Sector Strategy 2011-2016

Katar wird die Fußball-WM 2022 behalten. Die WM-Bewerbung war zu großen Teilen Chefsache, involviert waren Emir Hamad, der die ganz großen Deals auf Staatsbesuchen erledigte, sein Lieblingssohn Scheich Mohammed, der an der Spitze des Bewerbungskomitees werkelte, das wie das WM-Organisationskomitee vom CEO Hassan Al-Thawadi geleitet wird, und auch Tamim hatte entscheidende Aufgaben. Die vielen Enthüllungen rund um die WM-Vergabe werden vom FIFA-Präsidenten Joseph Blattern, Katar, anderen einflussreichen Offiziellen aus dem arabischen Raum und korrupten Funktionären (u.a. von der afrikanischen Konföderation CAF) in absurder Weise als Rassismus gebrandmarkt. Diese dumme und verlogene Botschaft verbreitet auch Scheich Ahmad Al-Sabah aus Kuwait, der Königsmacher im IOC, Unterstützer von Thomas Bach, Boss des asiatischen Olympiakomitees OCA, Chef des IOC-Entwicklungshilfeprogramms „Olympic Solidarity“ und – wie immer – Verbündeter des FIFA-Präsidenten. Bei etlichen Gelegenheiten, auch zum Abschluss der Asian Games 2014, versprach der IOC-Scheich:

We won’t take the World Cup from Qatar because of some negative media opinion. I think it’s more racism than reality.

Angeblich hätten sich westliche Medien, allen voran die Murdoch-Presse (Enthüllungen der Sunday Times), gegen Katar verschworen.

Hinter diesem Unsinn verbirgt sich eine Propaganda, die u.a. von PR-Firmen wie BLJ Worldwide und dessen Präsident Michael Holtzman entwickelt wurde. Holtzman hat sich seine Sporen in diesem ziemlich schmutzigen Geschäft vor anderthalb Jahrzehnten als PR-Mann der Olympiabewerbung 2008 der chinesischen Parteibonzen in Peking verdient. Damals war er noch für Weber Shandwick tätig – an der Seite von Jon Tibbs, der Lesern dieses Blog gut bekannt ist. Weber Shandwick, Burson-Marsteller, Hill+Knowlton Strategies, JTA, Vero Communications und einige andere – es sind stets dieselben üblichen Verdächtigen, die meist für Millionenbudgets Märchen erzählen und Berichterstattung beeinflussen.

Ob für das IOC, für Massenmörder der chinesischen KP, für Aserbaidschans Diktator Ílham Alijew, den Gastgeber der ersten European Games 2015, für Wladimir Putin und die Winterspiele in Sotschi, für den turkmenischen Gernegroß Gurbanguly Berdimuhamedow, der sein Land ausplündert und Menschen- und Bürgerrechte mit Füßen tritt, der in Ashgabat für viele Milliarden einen Olympiakomplex errichten ließ, für die Sommerspiele 2016 in Rio, 2018 in Tokio, für die Olympiabewerber 2022 (Almaty und Peking) für Scheich Al-Sabah oder die Erbmonarchen der Al-Thani-Sippschaft. Sie alle verdienen sich dumm und dämlich an diesen Klienten – und behaupten, es diene der Völkerverständigung.

All that jazz.

All that olympic jazz.

BLJ ist zum Beispiel für den Emir, für Staatsfirmen und Stiftungen in Katar in Aktion, war bereits in die WM-Bewerbung involviert und hat eine peinliche Vergangenheit als Partner der Diktatoren Muammar Al-Gaddafi (Libyen) und Baschar Al-Assad (Syrien). Da werden gern harte Kaliber aufgezogen. Lügen gehören dazu. Eingekaufte Berichterstattung, das volle Arsenal. Assads Helfer Michael Holtzman erzählt nunmehr der Welt, etwa in BBC-Interviews, die Recherchen über Katar 2022 seien hasserfüllte Kampagnen eines Lynchmobs, ohne Belege: rassistisch motivierter Journalismus. Wie kann man eine solche PR-Kanaille wie Holtzman nur ungefiltert zu Wort kommen lassen?

Insgesamt aber hatten die professionellen Wahrheitsverdreher gegen die Wucht der weltweiten Berichterstattung, ob nun zu Sklavenarbeit oder Korruption, seit 2010 doch wenig entgegen zu setzen. Proaktiv und erfolgreich waren die Maßnahmen gewiss nicht. Mit Aktionen wie bei der Handball-WM versucht man es nun etwas anders. In anderen Ländern wie Dänemark wurde das unmoralische Angebot aus Katar übrigens, anders als in Deutschland, gleich öffentlich verhandelt:

Vier Bemerkungen noch dazu:

  1. Bei nahezu allen Tagungen und Kongressen, auf denen sich kritische Journalisten treffen (etwa bei Play the Game) sind Beobachter aus den PR-Divisionen Katars zugegen. Meist zu zweit oder gar zu dritt. Ihnen entgeht nichts.
  2. Jean François Tanda hat schon Ende 2010 im Züricher Tages-Anzeiger darüber berichtet, dass Katar in der Bewerbungsphase zur Weltmeisterschaft 2022 über die Business-Intelligence-Firma Kroll Associates im „Projekt Seleucia“ nicht nur FIFA-Funktionäre ausspionieren ließ, sondern offenbar auch Journalisten. Inzwischen haben mir mehrere britische Reporter von gehackten Telefonen und der Verfolgung durch private Ermittler berichtet.
  3. Gut dotierte Verträge irgendwo im PR-Imperium Katars werden bis heute Journalisten angeboten.
  4. Kürzlich wurde wieder viel Geld in ausführliche telefonische Umfragen unter Journalisten ausgegeben, um das internationale Stimmungsbild unter den Kritikern auszuloten.

Für „Macht, Moneten, Marionetten“ habe ich einen Olympic Power Index entwickelt, eine Datenanalyse, die olympische Macht wenigstens ansatzweise messbar machen soll. Der Index besteht aus vier Kategorien: Events, Positions, Marketing und Hosting. Im Event-Index liegt Katar im gesamten Untersuchungszeitraum und nach Auswertung von gut 2.000 olympischen Weltmeisterschaften, Mega-Events und Multi-Sport-Events von 1980 – 2022 auf Rang 21. Von 2010 – 2022 ist es Rang sechs, wobei schon in diesem Jahr die auf Platz fünf liegenden Südkoreaner und Kanada auf Platz vier überholt worden sein sollten, das wird sich im nächsten Index zeigen.

Katars Vormarsch wurde bisher nur von gelegentlichen Niederlagen unterbrochen, wie der Bewerbung um die Leichtathletik-WM, die 2017 in London und ausnahmsweise nicht in Doha stattfindet, oder den Olympiabewerbungen 2016 und 2020, denen das IOC-Exekutivkomitee den Status einer Candidate City verweigerte.

Anfang Mai 2014 wurde Doha vom Council des Weltverbandes FIG in Kuwait die Turn-WM 2018 zugesprochen. In Doha wird seit 2008 auch im Turnen alljährlich ein Weltklasse-Event ausgetragen, das in diesem Jahr World Challenge Cup hieß. So macht es Katar in vielen Sportarten. Wenn der Olympic Power Index mit Weltcups und Einladungswettbewerben erweitert würde, die sonst kaum ein Land auf der Welt bezahlen kann und will, die für Katar aber Peanuts sind, käme die Sonderrolle des Emirats erst richtig zur Geltung.

Gerade hat der Leichtathletik-Weltverband IAAF die WM 2019 an Doha vergeben. Barcelona wurde im ersten Wahlgang eliminiert. Im Finale gewann Doha mit 15:12 gegen Eugene, die Leichtathletik-Hochburg im US-Bundesstaat Oregon, die ein einzigartiges Konzept präsentiert hatte. Ein familiäres Sportfest mit Tradition. Wie bitte? Tradition, Nachhaltigkeit, wen interessiert denn das?

Die Shopping List des Emirs ist unendlich. Derzeit werden in Doha jährlich mehr als 40 internationale Wettbewerbe ausgetragen, nicht einberechnet sind die Winter-Trainingslager von Vereinen der halben Fußball-Welt, wie jüngst des FC Bayern (zum fünften Mal in Folge), der anschließend den viel diskutierten Abstecher nach Saudi-Arabien machte. Eine vielfache Anzahl von Wettbewerben wäre problemlos möglich, Anlagen sind auf Weltklasse-Niveau vorhanden. Nur das Beste vom Besten – gerade wieder am Beispiel der Handball-WM und der drei neuen Hallen zu besichtigen.

Eine kleine Auswahl der wichtigsten Events in Doha:

  • Tischtennis-WM 2004
  • Squash-WM 2004
  • Westasienspiele 2005
  • Gewichtheber-WM 2005
  • Asienspiele 2006
  • Hallen-WM Leichtathletik 2010
  • Asien Cup Fußball 2011
  • Arab Games 2011
  • Squash-WM 2012
  • Kurzbahn-WM Schwimmen 2014
  • Squash-WM 2014
  • Handball-WM Männer 2015
  • Box-WM 2015
  • Straßenrad-WM 2016
  • Turn-WM 2018
  • Leichtathletik-WM 2019
  • Fußball-WM 2022
  • Dazu seit langem Weltcup- und WM-Serien, ATP und WTA-Tennisturniere, Golfturniere, die Diamond League der Leichtathletik, der Handball Super Globe, die Klub-WM im Volleyball und ungezählte asiatische Meisterschaften.

Auch im Hosting-Bereich ist Katar als Ausrichter von Kongressen extrem aktiv und erfindet immer neue Gelegenheiten, die Sportwelt nach Doha einzufliegen. (Doha Goals, Kongresse von Aspire und ICSS, zuletzt die FINA Convention etc pp.)

Sportfunktionäre hat Katar nicht viele, es bleibt fast alles in der Al-Thani-Familie, weshalb man im Positions-Ranking, für den ich rund 2.000 Vorstandpositionen in rund 120 Sport-Weltverbänden ausgewertet habe, nur auf Rang 37 kommt – gleichauf mit Algerien und Kuba, knapp vor Guatemala. Katar hat auch nur 18 Sportklubs, aber mehr Verbände, sogar schon im Eishockey, insgesamt jetzt 22 olympische Föderationen. Das ändert sich ständig, man kommt mit dem Zählen kaum hinterher. Katar klärt alles mit Geld und verzichtet auf die Ochsentour seiner Funktionäre in Weltverbänden. Mitglieder der Herrscherfamilie sind es gewohnt, dass man ihnen Platz macht.

ioc gartenparty mit scheichbeteiligung

Scheich Saoud Bin Abdulrahman Al-Thani (der Herr im Zentrum dort oben), Generalsekretär des katarischen Olympiakomitees QOC, der bei der Handball-WM gerade wieder über Katars Olympia-Ambitionen sprach, gehört zu diesem Clan und ist einer der wichtigsten Figuren der Sportwelt, auch wenn er als Vorstandsmitglied der FIBA nur ein Pünktchen in den Index einbringt. Aber Scheich Saoud sitzt an der Geldquelle. Gerade hat er die Bewerbung für die Leichtathletik-WM mit einer Sonderzahlung von 37 Millionen Dollar entschieden. Er macht Verträge über Entwicklungshilfe und Kooperationen, die in aller Welt heiß begehrt sind. Außer dem IOC-Präsidenten und Fürsten und Prinzen verursacht kaum jemand einen Auflauf wie Saoud, wenn er den schweren, dunklen Limousinen entsteigt und in Kongresszentren eilt, wo sogleich Dutzende Funktionäre Schlange stehen, um sich mit ihm zum Plausch zurückzuziehen.

Zu Katars Sport-Strategie zählt ganz zentral das Aufkaufen von TV-Sportkanälen, Vereinen (Paris St. Germain) und das Sponsoring von legendären Klubs (FC Barcelona, Sponsoring läuft aus). Für diesen Bereich ist der ehemalige Tennisprofi Nasser Al-Khelaifi (Foto oben links) inzwischen im Range eines Ministers zuständig. Khelaifi ist eine weitere zentrale Figur: Er ist Boss von PSG, das QSI gehört (Qatar Sports Investment, siehe Al-Thani-Grafik oben), er ist Boss von QSI und des Networks beIN Sports inklusive der beIN Media Group. Weitere Funktionen vernachlässigen wir an dieser Stelle mal.

Die Sportwissenschaft, die Sportgeschichte (das von einem Deutschen aufgebaute Olympiamuseum), die Sportmedizin (Aspetar, wo der Sohn des FIFA-Exekutivmitglieds Michel d’Hooghe werkelt) und das obskure Zentrum für Sicherheit im Sport (ICSS) werden ebenfalls gefördert. Man hat nichts vergessen. Alle Expats wurden und werden fürstlich entlohnt und verbreiten nur Gutes über ihre katarischen Gönner.

ICSS, das mittlerweile weltweit eine Führungsrolle einnimmt, hat kürzlich ein für Millionen gemeinsam mit der Sorbonne erstelltes Forschungsprojekt vorgestellt. Good Governance, Sport Integrity, Matchfixing usw usf – allerdings mit einem entscheidenden Manko: Die zweifelhafte Rolle Katars wird darin genau so wenig thematisiert wie die Geschäfte von Oligarchen und Diktatoren oder die vielen unaufgeklärten Fälle von Korruption unter führenden Sportfunktionären. Man beschränkt sich auf illegale Wetten (legale Wettanbieter sind ja immer Sport-Sponsoren und deshalb in der Branche per se die Guten) und Spielmanipulationen. Die Korruptions-Definitionen sind lächerlich dünn und vernachlässigen die Funktionärsbranche fast komplett. Nicht einmal gerichtsfest belegte und von Journalisten ausrecherchierte Korruptionssysteme (ISL) werden erwähnt. Das ICSS mag mit honorigen Vertretern besetzt sein, die gewisse Vorzüge katarischer Gastfreundlichkeit genießen. Es liefert mit seinen für viel Geld verpflichteten so genannten Wissenschaftlern aber eher einen ideologischen Überbau zur Sport-Expansionspolitik seiner Finanziers, als das es bisher zur Aufklärung beiträgt.

Die Aspire Academy, gegründet 2004, soll bis 2020 die Nummer 1 unter den Sportausbildungs-Einrichtungen weltweit sein. Im Programm Aspire Football Dreams wurden seit 2007 mehr als zwei Millionen minderjährige Fußballer vor allem in Entwicklungsländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas gesichtet, die besten von ihnen werden nach Doha verfrachtet und dort geschult. Auch aus diesem Programm mit seinen zahlreichen fragwürdigen Verästelungen, wie dem Aspire-Farmteam AS Eupen in der zweiten belgischen Liga, werden bald Weltklassespieler hervorgehen – Katar will 2022 aber sogar mit mehr einheimischen als eingekauften Spielern die WM bestreiten.

Dies nur als minimale, unvollständige Aufzählung einer historisch einmaligen Strategie, der ich mich im nächsten Ebook umfassender widme.

Doha hat im Dezember 2006 die Asian Games ausgetragen, logistisch ähnlich anspruchsvoll wie Olympische Sommerspiele: damals mit 9.500 Sportlern und 424 Entscheidungen in 39 Sportarten (gegenüber 10.500 Sportlern und rund 300 Entscheidungen in 28 Sportarten bei Olympia). Danach bewarb sich Doha für die Spiele 2016 und 2020, wurde aber vom IOC-Exekutivkomitee stets in der ersten Runde gestoppt. Die Argumentation des IOC überzeugte mäßig.

Mittelfristig dürfte der Olympiazirkus am Persischen Golf gastieren. Denn anders als IOC-Präsident Rogge wird sich sein Nachfolger Bach nicht dagegen stemmen. Zumal Bach als langjähriger Präsident der Ghorfa, einer arabisch-deutschen Geschäftsanbahnungsgesellschaft, bestens in der Region vernetzt ist. Die Scheichs und Emire bauen auf ihn. Es heißt, Bach sei dafür gewesen, Doha in die Finalrunde zu nehmen. Im Juni 2008 stellte ein IOC-Bericht (Games of the XXXI Olympiad Working Group Report) ausdrücklich fest, Doha sei in der Lage, die Sommerspiele 2016 auszutragen.

Fragen der Menschenrechte, Arbeitsrechte und Demokratie-Indizes spielen keine Rolle. In einem kaum nachvollziehbaren Bewertungssystem lag Doha hinter Tokio und Madrid gleichauf mit Chicago, deutlich vor Rio de Janeiro. Doch Doha wurde (wie Prag und Baku) der Status einer Candidate City und der Finaleinzug verweigert.

Die Begründung des IOC auf der SportAccord-Messe in Athen war kurios: Doha hätte einen Termin vorgeschlagen (14. bis 30. Oktober 2016), der außerhalb des vom IOC vorgegebenen Rahmens liege (15. Juli bis 31. August). Die Kataris behaupteten, der Termin sei mit dem IOC abgestimmt gewesen. Das IOC argumentierte: Der Termin ließe sich nicht mit dem internationalen Sportkalender in Einklang bringen. Einige IOC-Mitglieder erklärten, Olympische Spiele so spät im Oktober würden mit den Interessen der Fernsehsender und den großen amerikanischen Profiligen kollidieren. Dohas Bewerbungschef Hassan Ali Bin Ali kritisierte:

Ich glaube nicht, dass hier eine technische Entscheidung getroffen wurde.

Vielmehr war das Misstrauen gegenüber Katar zu groß. Rogge hat, wenngleich ziemlich planlos, einen absurden Bieter-Wettstreit und wahnwitziges Stimmen-Geschacher vermeiden wollen. Offiziell wurde über Terminfragen debattiert und darüber, dass Olympia wegen der klimatischen Bedingungen wohl nie in der Golf-Region ausgetragen werden könnte, wenn das IOC stur an seinem Zeitrahmen festhielte. (Die Leichtathletik-WM 2019 soll vom 28. September bis zum 6. Oktober stattfinden.) „Wir haben die Frage des Datums immer klar, sauber und ehrlich kommuniziert“, sagte Hassan Ali bin Ali und erinnerte daran, dass zuletzt im Jahr 2000 die Sommerspiele in Sydney in der zweiten Septemberhälfte ausgetragen wurden. 1956 fanden die Sommerspiele in Melbourne gar von Ende November bis Anfang Dezember statt – doch damals war der Sportkalender entspannter.

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Geschäftspartner: IOC-Präsident Bach im Herbst 2014 in Doha, mit Scheich Saoud und Nawal El Moutawakel. (Quelle: Screenshot Video QOC)

Im Mai 2012 wiederholt sich das Spiel. Diesmal tagt das IOC-Exekutivkomitee in Quebec City, wieder bei SportAccord. Wieder verweigert man der Applicant City Doha den Status einer Candidate City. Diesmal für das Jahr 2020. Wieder ist die Entscheidung von den technischen Kriterien nicht gedeckt. Wieder schneidet Doha besser ab als eine Stadt, die es in die Finalrunde schafft: Istanbul. Diesmal lässt das IOC Tokio, Madrid und Istanbul als Candidate City zu. Wieder werden Doha und Baku aussortiert. Wieder werden Terminfragen und die klimatischen Bedingungen diskutiert.

Der Bericht (Games of the XXXII Olympiad Working Group Report) geht ausführlich auf den Oktober-Termin ein. Für TV-Stationen sei es problematisch und würde schlechtere Quoten bringen, heißt es. Dies könne die gesamte olympische Vermarktung belasten. Außerdem sei es Katar kaum zuzutrauen, Olympia 2020 und die Fußball-WM 2022 kurz nacheinander zu meistern. Den IOC-Prüfern um Olympic Games Executive Director Gilbert Felli ist klar, dass wieder eine politische Entscheidung getroffen wird.

12 Exekutivmitglieder stimmen in Quebec City ab, 12 stimmen für Tokio und Madrid, 11 für Istanbul – drei für Doha, niemand für Baku. „Enttäuscht und geschockt“ sei sie, sagte Dohas Bewerbungschefin Noora Al-Mannai. Sie wurde deutlicher als ihr Vorgänger Hassan Ali bin Ali vier Jahre zuvor. Das IOC habe „zu 1.000 Prozent eine politische Entscheidung getroffen“.

Das Aus für Doha kam in einer turbulenten Zeit. Fünf Monate zuvor hatte die FIFA die WM 2022 an den Emir vergeben. Gerade hatte Mohamed Bin Hammam, damals noch FIFA-Präsidentschaftskandidat, in Port of Spain karibische Fußballfunktionäre mit je 40.000 Dollar zu schmieren versucht. Klar ist, dass IOC-Präsident Rogge ähnliche Geschichten und Schlagzeilen verhindern wollte und deshalb Doha erneut aus dem Rennen nahm. Einige IOC-Mitglieder haben das deutlich signalisiert, doch keiner wollte sich so zitieren lassen.

Mit Katar verdirbt man es sich besser nicht. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Im Übrigen gilt: Zur Not organisiert Katar auch Winterspiele.

Die bringen alles fertig.

Nie zuvor hat ein Land in so kurzer Zeit so viel Geld in die Branche gesteckt. Nie zuvor hat ein Land in so kurzer Zeit einen so komplexen Plan in die Tat umgesetzt. Nie zuvor hat ein Land, zumal von dieser Größe, in allen Bereichen des Sportbusiness dermaßen eingekauft. Katar sprengt alle Dimensionen. Zehn Milliarden mehr oder weniger spielen dort keine Rolle.

Katars Vormarsch ist einmalig in der Geschichte des Sports.

* * *

MMM2022

16 Gedanken zu „Supermacht mit Petrodollars: Katars Expansionsstrategie im Sport“

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