Anders als beim ewigen FIFA-Partner Adidas, der treu zu Joseph Blatter, zur FIFA und zum DFB hält, regt sich bei amerikanischen Sponsoren erster ernstzunehmender Widerstand. Ende Juni hatte es sich bereits angedeutet, dass Coca-Cola vorpreschen würde. Am 9. Juli hat die Coca-Cola Company in einem Brief an die FIFA-Führung verlangt, den so genannten Reformprozess von einem wirklich unabhängigen Komitee kontrollieren zu lassen – das wäre dann auch das Ende der Regentschaft Blatter, denn der ewige Sepp regiert ja trotz seines angekündigten Rückzugs (dem inzwischen etliche Headlines über angebliche Rückzüge vom Rückzug folgten) noch immer im Home of FIFA auf dem Zürichberg.
Die Nachricht von der Coca-Cola-Initiative, die natürlich viel zu spät kommt, aber immerhin, geht gerade um die Welt. Owen Gibson hat sich im Guardian ausführlich dazu geäußert:
Dies wurde heute, drei Tage vor der Sitzung des FIFA-Exekutivkomitees am Montag in Zürich, in einem Brief von Coke-Direktor Brent Wilson bestätigt. Wilson schrieb an Sharan Burrow, die Generalsekretärin des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB/ITUC).
On July 9th, 2015, The Coca-Cola Company formally requested FIFA leadership to support an independent, third-party commission overseen by one or more eminent, impartial leaders to manage the efforts necessary to help reform FIFA’s governance and its human rights requirements. We believe that establishing this independent commission will be the most credible way for FIFA to approach its reform process and is necessary to build back the trust it has lost.“
Was ist „unabhängig“? Das bleibt eine der Kernfragen. Die FIFA hat schon etliche Kommissionen und Komitees „unabhängig“ genannt.
Kleiner Nachtrag, Samstag, 18. Juli: Es bleibt natürlich dabei, was ich in solchen Fällen immer sage und gestern im Eifer vernachlässigt hatte – noch steht alles nur auf Papier. Noch gibt es keine Maßnahmen. Zumal: Wir wissen nicht, was Coca-Cola der FIFA tatsächlich geschrieben hat. Wir kennen nur den Brief, in dem ein Coke-Manager beschrieb, was sie geschrieben haben wollen/sollen (s.u.). Und selbstverständlich hat franzferdl Recht, der in Kommentar #1 darauf hinweist, dass die Company selbst Dreck am Stecken hat. Haben sie alle. Auch werden die Maßnahmen der Börsenaufsicht SEC das Briefeschreiben beschleunigt haben:
Skepsis bleibt angebracht.
Andererseits: Es entwickelt sich ein Momentum.
Coca-Cola bestätigte das Schreiben an die FIFA nur zwei Tage nach der Anhörung im US-Senat in Washington, auf der die FIFA als Mafia Style Crime Syndicate bezeichnet wurde (in den Dokumenten der US-Justiz wird die FIFA als RICO bezeichnet: Racketeer Influenced and Corrupt Organization). Wenig später erklärte ein zweiter amerikanischer FIFA-Sponsor, McDonald’s, gegenüber dem langjährigen IOC-Sponsor Sports Illustrated:
As a result, we have expressed our concerns directly to FIFA. We believe FIFA internal controls and compliance culture are inconsistent with expectations McDonald’s has for its business partners throughout the world. We are not satisfied with FIFA’s current handling of the recent incidents that go clearly against McDonald’s culture and values. FIFA must now implement meaningful changes to restore trust and credibility with fans and sponsors alike. The world expects concrete actions and so does McDonald’s.”
Der Australier Jaimie Fuller, in der Schweiz ansässiger Chairman des Sportartikel-Herstellers SKINS, der die Initiative #NewFIFAnow anführt, hatte monatelang die FIFA-Sponsoren bearbeitet – in vielen Briefen und persönlichen Gesprächen. Fuller hat entscheidenden Anteil daran, dass erste Sponsoren die Richtung wechseln. Er hat dieses Statement verschickt:
Coca-Cola are to be applauded for having the courage to take an ethical stance on something that is so commercially sensitive. it’s great that Coke understand and respect the power of sport in society and the good that it can do in the right hands. this is the reverse of the culture within FIFA and Coke’s demand for independent reform is a reflection of true leadership. this independent reform needs to be led by an eminent person who enjoys the respect and trust of all cultures, whether they be western, asian, latin american or african. FIFA has shown the inability to reform itself so it must be in independent hands.“
Coca-Cola hat in der obersten von drei Kategorien des FIFA-Sponsoren-Programms bis 2022 unterschrieben und zählt damit neben Visa (bis 2022), Hyundai-Kia (2022), Gazprom (2018) und Adidas (bis 2030!) zu den derzeit nur fünf FIFA-Partnern. McDonald’s zählt neben Anheuser-Bush InBev (Budweiser) für die WM 2018 zu den beiden derzeit einzigen „FIFA World Cup Sponsors“ in der zweiten Kategorie. Vier dieser derzeit sieben Top-Partner der FIFA sind also amerikanische Firmen. Das wurde in den vergangenen Tagen in der Betrachtung der US-Senatsanhörung wieder einmal oft übersehen.
Als Aperçu der Brief von Coca-Cola an den IGB:
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und da dachte ich naivling immer, ein „crime syndicate“ kratzt dem anderen kein auge aus. so kann man sich täuschen.
vielleicht verlangt ja die „FIFA-Führung“ ihrerseits – als taktische retourkutsche – jetzt ein „unabhängiges Komitee“, das die verbrecherischen machenschaften der Coca-Cola Company untersucht…
die von ihr verursachten umweltprobleme, aber auch rassistische Diskriminierung von Schwarzen und HIV-Infizierten in den USA und Afrika, Verletzung der Menschenrechte, Mord, Inhaftierung, Vertreibung, Entführung und Entlassungen von Gewerkschaftern in Kolumbien , Guatemala, Peru, Brasilien, den USA, Venezuela, Palästina, der Türkei und dem Iran sind auch nicht ohne…
Klar, stimmt alles. Ich hoffe, die Company nicht zu sehr gelobt zu haben. Auch einige jener Organisationen und Personen, die von Jaimie Fuller protegiert und mit ins Boot geholt werden, passen mir gar nicht – bzw man könnte „objektiv“ einiges einwenden.
Vollständige Zerschlagung bleibt wohl eher ein Traum, man wird mit Kompromissen leben müssen, die hoffentlich nicht zu arg ausfallen.
Im Übrigen habe ich einen Satz reingeschrieben/nachgetragen, den ich in solchen Fällen immer bringe – auch in „Macht, Moneten, Marionetten“: Noch steht es nur auf dem Papier. Wir wissen auch nicht, was Coca-Cola der FIFA tatsächlich geschrieben hat und wie ultimativ das war. Wie immer besteht die Gefahr, dass man sich mit einer Berichterstattung (wie hier) zum Herold von Spindoktoren macht.
In Sachen Sponsoren bin ich seit jeher vorsichtig und habe die Sony-Emirates-sonstwas-Nummer nie mitgemacht.
Coca-Cola hat eine etwas andere Qualität. Ich wusste davon seit drei Wochen. Coca-Cola ist einer der Gründungspartner des Sponsorenprogramms von FIFA und IOC.
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Es gibt so Anfänge von Äußerungen, nach denen quasi niemals irgendetwas inhaltlich sinnvolles kommt. Eine Antwort eines Konzernführers an den IGB, die mit „Dear [Vorname,]“ beginnt, gehört aus meiner Sicht dazu.
Aber warten wir es ab.
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