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Das Olympische Bildungsmagazin

Der Freshfields-Bericht zur #WM2006

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Es ist soweit. In wenigen Minuten stellt Christian Duve von Freshfields Bruckhaus Deringer LLP den Untersuchungsbericht zur WM 2006 vor. Die Staatsanwaltschaft, Steuerfahnder, die Schweizer Bundesanwaltschaft, die FIFA-Ethikkommission, das Department of Justice und viele Parteien mehr sind gespannt. Über die Unabhängigkeit von Freshfields kann und will ich keine Angaben machen. Immerhin kann man nun versuchen, die Darstellungen von Freshfields zu überprüfen, deren Anwälte lange Monate die DFB-Archive und alles was noch nicht verlegt und vernichtet war, durchforstet haben. Druckmittel von Justizorganen hatten sie allerdings nicht, sollten sie Interesse an lückenloser Aufklärung der vom Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL enthüllten Vorgänge gehabt haben.

Figuren wie Beckenbauer, Radmann, Netzer, Niersbach & Co. konnte man also nicht zum Plaudern bringen – so wie das derzeit den Amerikanern #FIFAcrime reihenweise gelingt.

Übertragen wird die PK in Frankfurt am Main in diversen Sendern und auf DFB.tv. Ich bleibe heute Nachmittag mal live dabei und mache mich dann wieder an die Arbeit.

Die wunderbaren Autogrammkarten von Protagonisten der WM-2006-Geschichte, mit denen ich diesen Blogbeitrag schmücke, kann man übrigens in diesem Shop kaufen – es gibt diverse Varianten, mit denen ein gewisses Ebook, das nun wirklich vor der ersten Veröffentlichung steht (nach langwierigem Studium des Freshfields-Reports), aufgewertet wird.

13.32 Uhr: Duve verspricht „vollständige Rekonstruktion des Zahlungsflusses“ der 6,7 Millionen Euro und spricht von „neuer Dynamik in den letzten Wochen und Tagen“. Der DFB setze neue Transparenz-Maßstäbe.

Hürden?

Elektronischer Datenbestand entsprach nicht dem des Jahres 2006. Nicht alle physischen Akten waren zugänglich. 100 Ordner bspw bei Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main gesperrt. Einige Ordner nicht auffindbar, zum Beispiel „FIFA 2000“. Sepp Blatter mochte nicht reden.

Markus Kattner, Urs Linsi u.a. wurden nicht befragt. Vertreter der Kirch-Gruppe standen für Auskunft nicht zur Verfügung.

Bestandsaufnahme zum heutigen Zeitpunkt. Es gibt Akten bei der Staatsanwaltschaft und bei der Schweizer Bundesanwaltschaft, in denen sich noch andere Erkenntnisse verbergen können.

Haben alles getan, was man im Rahmen einer privaten Untersuchung tun kann.

Tatsächlich?

13.42 Uhr: Ob da im Detail bisher etwas Neues dabei ist, kann ich in der Hektik nicht sagen. Bisher scheint es kaum über das hinaus zu gehen, was wir im SPIEGEL enthüllt haben. Aber gleich?

6,7 Millionen waren deklariert für die FIFA-Gala – aber sie diente nicht der FIFA-Gala.

Was passierte nun bei der FIFA?

Sofort weiter geleitet, sagt Duve, auf Dreyfus-Konto. Klar.

Jetzt geht es um das Jahr 2002 – Überweisung aus Sarnen (Kanton Obwalden) am 20. August 2002 (10 Mio CHF) gemäß Zahlungsanweisung von Dreyfus vom 16. August 2002. Kontoschließung und Ausgleich im Juli 2005.

Auf dieses Konto sind 4 Tranchen Zahlungen von Beckenbauer und Schwan geleistet worden (insgesamt 6 Mio CHF), diese Beträge sind weiter geleitet worden auf ein Konto einer Gesellschaft in Katar.

Da schau her. Was der Franz auf Sky wohl dazu sagt.

6 Mio wiederum auf ein Beckenbauer-Konto in Kitzbühel zurück. Die Infos gibt es erst „seit jüngster Zeit“ gemäß Auskunft von Beckenbauer und dessen Anwalt.

Restbetrag auch nach Katar überwiesen. Also komplette 10 Mio CHF nach Katar überwiesen. Verwendungszweck „Asian Games 2006“.

Wir konnten das aufgrund der Frische der Information noch nicht weiter verfolgen.

Kemco – natürlich. Das ist Bin Hammams Holding.

Bin Hammam hat „gestern die Frage verneint“, ob er einen Betrag von 10 Mio CHF erhalten habe. Bin Hammam sieht keinen Zusammenhang zwischen den Fragen und der WM 2006.

13.55 Uhr: Wird das hier klarer?

Bildschirmfoto Zahlungsflüsse

Und ich muss alle Slides für das Buch neu ausarbeiten :( Oder zumindest korrigieren und erweitern.

Duve:

Bisher kein Beleg für einen Stimmenkauf.

Das ist die wichtigste Botschaft des DFB, gewiss. Ein Beweis ist das nicht.

„Rätselhaft bleibt die Vereinbarung von Beckenbauer und Warner vom 4. Juli 2000“ mit „ungewöhnlichen Leistungen“.

Horst R. Schmidt schätzte den wirtschaftlichen Gegenwert des Warner-Vertrages auf ca 10 Millionen D-Mark ein. Zuzüglich WM-Tickets.

14.03 Uhr: Ich finde das bislang Verkündete inhaltlich extrem dünn – kenne aber natürlich den gesamten Bericht nicht. Nur ein Eindruck.

14.08 Uhr: Nun Rainer Koch. Er erwähnt wenigstens den Verursacher des Ärgers: den SPIEGEL.

Hier ist der Bericht (DFB.de), 380 Seiten:

Koch sagt:

Es ist gelungen, die wichtigsten Fragen des Untersuchungsauftrages sorgfältig zu beantworten. Mir ist in der Welt des Sports keine vergleichbare transparente und selbstkritische Aufarbeitung bekannt. (…) an Interessen der Sportler und Fans orientiert. Wir arbeiten alle an einem glaubwürdigen DFB.

  1. Voraussetzung geschaffen, um Glaubwürdigkeit wieder herzustellen.
  2. Zahlung erfolgte im August 2002, also zwei Jahre nach WM-Vergabe und nach Blatters Wiederwahl.
  3. Kein Anhaltspunkt für WM-Stimmenkauf.
  4. Aber DFB hat 10 Mio CHF auf ein Konto einer Firma aus dem Einflussbereich von Mohamed Bin Hammam geleistet.

Dem gesamten DFB-Präsidium wurde über Monate hinweg Informationen vorenthalten. Rauball, Koch, Grindel – niemand hatte bis 16. Oktober 2015 Kenntnisse von intensiven Suchaktionen in den Archiven des DFB. Verantwortung hat Niersbach. Völligs Versagen der Kontrollmechanismen.

Nicht der Zeitpunkt über Folgen zu sprechen und verbands- oder zivilrechtliche Ansprüche.

Umfangreiche Danksagungen. Auch Dank an Unterstützung durch die FIFA. (Medien hat er vergessen.)

14.17 Uhr: Rauball: Sportpolitische und juristische Aufarbeitung folgt jetzt.

Ich sehe die Erfüllung des Auftrages nicht in allererster Linie aus dem Gesichtspunkt des Rechtes, sondern ein Verband wie der DFB hat es als seine Pflicht anzusehen, unabhängig von rechtlichen Überlegungen … im Sinne der Fans … diesen Dingen nachzugehen, um Glaubwürdigkeit und Vertrauen wieder herzustellen. Ich kenne keine Institution in Deutschland, die eine solche Strahlkraft hat, wenn sie denn funktioniert, die eine solche Strahlkraft hat wie der Fußball.

Und Amen.

14.21 Uhr: Nun der künftige DFB-Präsident Reinhard Grindel (CDU).

Er will eine „Stabsstelle Compliance und Controlling“ einrichten. Und eine Ethikkommission mit „unabhängigen Experten“ (da kommt Herr Duve gerade recht). Aha.

Und schon spricht er von der EM-Bewerbung 2024.

„Neue Integrität gewinnen“, sagt Grindel.

Q & A

  • Michael Ashelm (FAZ) fragt u.a. ob man sich von Niersbach hintergangen fühle, fragt außerdem nach Abzugsfähigkeit der 6,7 Mio (wichtig wg Steuer) und Zeitpunkt der Kenntnis über die Vorgänge.

Rauball: Dazu werden wir irgendwann zu einem Beschluss kommen, den werden wir dann natürlich auch veröffentlichen.

Grindel: Erinnert an seine Aussage vom Oktober, als er Niersbach gesagt habe, er hätte sich vorherige Info erwünscht. Zur Steuer: Ist jetzt Sache der Anwälte.

Ganz so transparent mögen die Herren nicht antworten.

Die Antwort von Duve ist inhaltlich dünner als unsere ersten SPIEGEL-Berichte.

  • Nils Kaben (ZDF) weißt auf Widerspruch hin zwischen Behauptung, es habe keinen Stimmenkauf gegeben, und 10 Mio an Bin Hammam plus Warner-Vertrag.

Duve zu Warner-Vertrag: Wir können nicht ausschließen, dass nicht andere Teile des Vertrages über Dritte ausgeführt wurden. Wenn es spannend wird, hatte er angeblich keine Zeit, diese Dinge zu verifizieren. Behauptet, man habe Fakten verifizieren wollen. Es könnte auch andere Gründe gegeben haben, als WM-Vergabe und Blatter-Wahl.

  • Rafael Buschmann (DER SPIEGEL): Fragt nach Bin Hammam, Kemco und weiterer Prüfung.

Duve sagt, formal wäre der Auftrag jetzt abgeschlossen.

  • Marc Behrenbeck (Beckenbauer-Sender Sky): Fragt nach Niersbach, der im Bericht sehr sehr stark belastet werde, aber noch in FIFA- und UEFA-Vorstand sitzt – ist er da noch haltbar?

Koch: Bittet Rauball, weil der für internationale Aufgaben zuständig ist. Lustig.

Rauball: Es wird insgesamt mit den Kollegen diskutiert werden – sachlich, personell, juristisch. Ermittlungszeitraum von fast anderthalb Jahrzehnten. Da müsse jetzt eine Entscheidung „auch mal gründlich überlegt werden dürfen“.

  • Alfred Draxlers Reporter von Sport-BILD fragt nach dem „entliehenen FIFA-Ordner“ aus dem DFB-Archiv.

Duve: Ich möchte jetzt hier keine Namen nennen. Eine DFB-Mitarbeiterin ist bekannt.

Grundsätzlich (von mir): Der DFB schaut auf die Steuerbehörde, auf die Staatsanwaltschaft, auf die Bundesanwaltschaft, auf die FIFA-Ethikkommission etc – die Bundesanwaltschaft, die Ethikkommission, die Steuerbehörde schauen auf Freshfields und den DFB.

  • Marc Schmidt (BILD): Warum keine Selbstanzeige bei der Steuerbehörde?

Grindel: Gibt es keinen Grund, einen solchen Schritt zu gehen, wenn sie nicht objektiv überzeugt sind …

Klar: Die Gefahr der Aberkennung Gemeinnützigkeit besteht. Da wird seit Monaten heiß verhandelt.

  • Fragesteller von Sky – habe Frage nicht recht verstanden.

Koch meint, man habe „mehr aufgeklärt, als uns mancher zugetraut hat“.

Geld ging nach Katar, darauf verweist Koch mehrfach schon. Soll wohl bedeuten: Da ist es dann verschollen, hat aber nichts mit der WM zu tun.

  • Ulrike John (dpa) fragt nach Beckenbauer und wer außer Niersbach seit Sommer 2015 davon gewusst habe.

Rauball: Im Präsidium selbst war keiner involviert, wir sind erst durch den Fragenkatalog des SPIEGEL darauf aufmerksam gemacht worden.

  • Fragesteller (nicht erkannt): Sind Beckenbauers Behauptungen, das Geld ging an die FIFA-Finanzkommission.

Antwort ist im Prinzip: das ist Quatsch. Geld wurde sofort weitergeleitet (wie ursprünglich vom SPIEGEL dargestellt). FIFA-Finanzkommission hat kein eigenes Konto, erklärt Grindel wahrheitsgemäß. Was dazu wohl SZ-Enthüller Hans Leyendecker sagt?

  • Frage nach WM-Tickets für Warner.

Duve: Keine Belege für zusätzliche Tickets – kann es aber nicht ausschließen.

  • Frank Hellmann (frei) fragt, ob Beckenbauer & Co „ein Gefühl der Reue“ vermittelt hätten.

Duve: Personen haben schon Verantwortung dafür übernommen. Beckenbauer habe Fehler eingestanden, Horst R. Schmidt habe Bauchschmerzen eingestanden und Zwanziger falsche Umstände reklamiert.

  • Nils Kaben erneut: Fragt nach Zahlungszweck und stellt damit „die Frage, um die sich alles dreht“.

Duve: Das hat uns natürlich auch interessiert. Die Beteiligten haben uns immer gesagt, das sei notwendig gewesen, um den FIFA-Zuschuss für das WM-OK zu bekommen.

Jetzt wird es albern, finde ich – ohne den Bericht studiert zu haben. Jedenfalls: Duve behauptet, die Schilderungen der Beteiligten seien aufgrund der Aktenlage schlüssig nachvollziehbar.

  • Rafael Buschmann fragt nochmals nach Niersbach und danach, ob Rauball diesem „noch vertrauen“ könne.

Rauball: Verweist auf Gremienarbeit.

  • Frage nach Folgeauftrag für Freshfields.

Koch: Auftrag noch nicht vollständig erledigt. Es fehlt noch der rechtliche Bewertungsteil. Ganz wesentlicher nächster Schritt – welche Ansprüche sind jetzt zu verfolgen für den eingetragenen gemeinnützigen Verein DFB.

Wir haben gar kein eigenes Ermessen, ob Ansprüche durchgesetzt werden, wir stehen hier in der Pflicht und würden uns selber strafbar machen.“

  • Frage danach, warum sich die Herren so schwer mit dem Rücktritt von Niersbach tun.

Rauball: Weil wir nicht alleine darüber entscheiden. da gibt es Gremien beim DFB. Das ist eine der Lehren aus dieser Veranstaltung, dass wir dazu zurückkehren müssen, die Leute entscheiden zu lassen, die dafür gewählt worden sind.

  • Benjamin Hofmann (kicker) fragt nach Gesamtkosten.

Grindel antwort wohl nur nach Kosten für Freshfields: kleinerer siebenstelliger Betrag. „Wie hätte die deutsche Öffentlichkeit reagiert, wenn wir bei einer bestimmten Summe gesagt hätten: jetzt ist Schluss.“

Unsere große Hoffnung, dass vielleicht ein paar Menschen sagen, was der DFB in der Aufklärung geleistet hat, das verdient Respekt. Wir glauben, dass der Weg, den wir gegangen sind, es wert ist.

  • Marc Schmidt nochmal nach 6,7 Mio, die angelich Kommissionszahlung für WM-Zuschuss gewesen sein sollen.

Duve: Erzählt, dass er eine Aussage nur mittelbar wiedergeben bekommen habe. Nichts genaues weiß man nicht.

  • Frage nach teilweiser Erbringung aus Warner-Verträgen. Wenn Leistungen erbracht worden sind, ist es dann nicht Bestechung?

Koch: Ich habe bis zum heutigen Tag nicht von Bestechung gesprochen. Und ich tue es auch nicht.

Lustig:

Vertrag war ganz sicher dafür gedacht, in den Tagen vor der WM-Vergabe Ruhe in die Gesamtabläufe (oder Zusammenhänge/JW) zu bekommen.

  • Achim Muth (Main-Post) fragt nochmal nach entliehener Akte.

Duve: Hat uns natürlich elektrisiert. (Aha!) Wir haben die betreffende Person befragt, die sich leider nicht daran erinnern konnte.

DFB-Propagandachef Ralf Köttker sagt noch:

Meldense sich einfach wenn Nachfragen vorhanden sind.

16.43 Uhr: Der Sportinformationsdienst (sid) hat einen wichtigen Aspekt so zusammengefasst:

Die beim DFB auffindbaren Unterlagen waren nicht vollständig. Ein Ordner zu Vorgängen, welche die FIFA im Jahr 2000 betreffen sollten, wurde allem Anschein nach im Juni 2015 ausgeliehen und konnte nicht mehr gefunden werden“, steht im Abschlussbericht von Freshfields, der am Freitag in Frankfurt/Main vorgestellt wurde.

Eine Mitarbeiterin Niersbachs habe im Alleingang Dokumente im Archiv gesucht. „Nach eigenen Angaben konnte sich die Mitarbeiterin daran nicht erinnern. Sie entlieh am 22. Juni 2015 den Ordner ‚FIFA 2000‘, der im Laufe der Untersuchung nicht mehr zu finden war. Die Mitarbeiterin von Wolfgang Niersbach bestritt bei der Befragung durch Freshfields, dass sie Akten vernichtet hätte.“

Darüber hinaus sei „nicht auszuschließen, dass frühere DFB-Mitarbeiter Akten nach ihrem Ausscheiden vernichtet haben. Manche Akten wurden oder werden privat verwahrt.“ Die Ermittlungen seien an Grenzen gestoßen, „da elektronische Daten fehlten, physische Akten und Dokumente für uns nicht zugänglich waren und Personen, die wir gerne befragt hätten, sich nicht äußern wollten oder konnten“.

Innerhalb des DFB sei es zudem einzelnen Nutzern „jederzeit“ möglich gewesen, Daten zu entfernen. „Des weiteren waren einzelne Dateien mit Passwörtern geschützt, deren Entschlüsselung bis heute nicht möglich war“, teilte die Kanzlei mit.

23.14 Uhr: Bin mit dem ersten Studium durch, wobei ich einiges nur überflogen habe. Natürlich eine Fülle von Details, die das Bild vervollkommnen, ganz nette Zusammenfassung der WM-Bewerbung (etwas für sportpolitische Gourmets), einige Fehler von Freshfields und Unsauberkeiten bei Quellenangaben (dieses Blog hier ist auch betroffen), abenteuerliche Schlussfolgerungen (kein Zusammenhang zwischen Kirch-Aktionen/Verträgen und WM-Bewerbung), absurde Stellungnahmen (Radmann wusste im Prinzip von gar nichts, kommt einem manchmal so vor, als wäre der Guru nicht dabei gewesen), großzügige Einschätzungen (bei Niersbach zum Beispiel), insgesamt erschreckende Mängel (gesperrte, vernichtete, verschwundene Akten, Gesprächsverweigerungen etc) – die in der Summe meiner Meinung nach nicht das von Koch und Rauball propagierte sportpolitische Fazit rechtfertigen.

Versteige mich vorerst zu dieser Einschätzung: Insgesamt eine Enttäuschung in fast allen wichtigen Fragen. Geklärt ist gar nichts.

Wichtigste Bestätigung gewiss: Die zehn Mio CHF wurden auf ein Kemco-Konto überwiesen und flossen also nach Katar zu Bin Hammam (der das Gegenteil behauptet).

23.31 Uhr: Zwei erste Einschätzungen, die ich in weiten Teilen nachvollziehen kann und ähnlich sehe:

Jetzt befassen sich die Profis mit dem Sommermärchen. Staatliche Ermittler und Behörden aus drei Nationen sind an dem Fall dran. Niersbach muss auch die Fifa-Ethikkommission fürchten, die den Freshfields-Bericht sogleich anforderte.

Viele Antworten hat Freshfields erst angedeutet, viele offene Fragen müssen geklärt werden: Welchen Zweck hatte die Millionenzahlung? Was hat Sepp Blatter mit all dem zu tun? Wieso hat Fedor Radmann sein Protokoll nicht unterschrieben? Wer war die zwölfte Stimme Deutschlands? Warum wollte der DFB vier Tage vor der WM-Wahl im Juli 2000 einen Vertrag mit Jack Warner aufsetzen? Landeten die Beckenbauer-Millionen am Ende bei ihm, dem damaligen Verbüdenten bin Hammams? Warum war der Adidas-Chef in die ganze Sache involviert? Und warum sprang der DFB dafür ein und vertuschte dann alles?

Das war auch eine Lehre dieses Tages, die Hidden Agenda dieser Präsentation. Wie schwer und mühsam es ist, wie viel personellen Einsatz es erfordert, in diesem schmutzigen Business Fußball ein paar Überweisungen nachzuvollziehen.

Die Gründe für die Zurückhaltung der Aufklärer liegen auf der Hand: Sie hatten nur einen eingeschränkten, um nicht zu sagen geringen Einblick in die Komplexität rund um die WM-Vergabe. Viele der damals handelnden Personen (…) sind mittlerweile gestorben. Andere Schaltfiguren wie Wolfgang Niersbach, Fedor Radman oder Beckenbauer leiden seit einigen Monaten anscheinend unter partiellem Gedächtnisverlust und konnten den Freshfields-Anwälten nicht wirklich weiter helfen.

Am Ende, und das ist ein Skandal im Skandal, offenbarte sich den Aufklärern ein Bild der Vertuschung und Verklärung. Bei der Sichtung der DFB-Unterlagen stellte Freshfields fest, dass elektronische Datenbestände mittlerweile gelöscht wurden und dass ganze Dokumentenstapel nicht mehr auffindbar waren. Einer der verschwundenen Ordner trug den Namen: „Fifa 2000“. (…)

Es gleicht fast einem Wunder, dass die Freshfields-Untersuchung unter diesen Vorzeichen tatsächlich etwas zu Tage förderte, das zumindest ein wenig Licht in das große Dunkel rund um die ominöse 6,7-Millionen-Euro-Zahlung bringen konnte, die der SPIEGEL im vergangenen Oktober enthüllte: Erst vor Kurzem gab der Testamentsvollstrecker von Louis-Dreyfus den Freshfield-Anwälten den Hinweis, sich doch mal ein Konto im schweizerischen Örtchen Sarnen anzusehen.

Dort fand Freshfields heraus, dass Beckenbauer, der einstige Chef des WM-Organisationskomitees, und sein Kompagnon Schwan insgesamt zehn Millionen Schweizer Franken nach Katar transferieren ließen. Empfänger: Kemco, eine Unternehmensgruppe von Mohammed Bin Hammam, der 2011 von der Fifa im Zuge eines Korruptionsskandals lebenslang gesperrt wurde. Dass Beckenbauer auf direktem Wege an einer Überweisung an Bin Hammam beteiligt war, zieht die einstige Lichtgestalt tief in die Dunkelheit der Korruptionswelt. (…)

Doch was passierte anschließend mit dem Geld? Wofür oder für wen wurde es von Katar aus eingesetzt? Die Fragen konnten weder Duve noch die drei Vertreter des DFB beantworten.

30 Gedanken zu „Der Freshfields-Bericht zur #WM2006“

  1. Ich finde das inhaltlich bisher extrem dünn.

    Immerhin ist doch nun bewiesen, daß der Franz das ursprünglich eigentlich alles aus der eigenen Tasche zahlen wollte. Schließlich hat er die erste Überweisung getätigt.

  2. Niersbach wurde erst am 5.Juni 2015 über die Vorgänge informiert (Gespräch mit Hans und Sandrock)? CL-Finale in Berlin. Was war jetzt mit dem Treffen in einem Frankfurter Hotel zu einem früheren Zeitpunkt?

  3. Musterhafte Kalmierungstaktik im Weltfußball: Fahnenproduktion und Ticketgeschiebe im Vorfeld der WM-Vergabe, um „Ruhe in die Gesamtabläufe zu bekommen“ (Vermutung von Rainer Koch).

    Sensationell.

  4. Ja ich weiß ja auch nicht, da willst Du einmal eine WM im eigenen Land, und dann kommen die ganzen Afrikaner und Kariben mit irgendeinem Voodoo-Zauber, und Du hast plötzlich Geld wo Du auch nicht weißt, wo kommt das so plötzlich her, und dann ists auch schon wieder weg. Als deutscher Funktionär, der sich jahrzehntelang quasi für Gotteslohn krumm macht, schaust Du da natürlich dumm aus der Wäsche.
    Früher in Malente, da gabs so eine Jukebox, da hast Du mal Geld reingesteckt und Du konntest Dir aussuchen, welche Musik gespielt wird. Heute hast überall Ethikkommissionen und die Musik kommt aus dem Netz.

  5. Zu der Grafik mit den Zahlungsströmen:

    Irgendwann im Laufe des Bewerbungsprozesses haben einzelne Verantwortliche des DFB eine Vereinbarung mit der Gruppe um Bin- Hamman getroffen, die den DFB 10 Mio. Schweizer Franken gekostet hat.

    Wofür dieser Betrag genutzt werden sollte – mutmaßlich persönliche Bereicherung, aber in welchem Umfeld. Es könnte sich sowohl nur um die Bewerbung gehandelt haben oder aber um eine Kasse für künftige Aktivitäten wie Präsidenten-Wahlen.

    Es spricht nichts dagegen, dass die Leistungen zeitlich auseinander fallen. Das gab es bei den zehn Millionen USD für Warner aus der WM 2010 ja auch. Zudem hat es den Vorteil, dass die Zahlungen in den dann notwendigen legalen Geldströmen untergehen kann.

    Anfang 2002 wurde die erste Teil-Einlösung des Geld-Versprechens eingefordert. Vielleicht war der Anlass die Wiederwahl von Blatter, vielleicht brauchten bestimmte Privatpersonen auch nur das Geld.
    Beckenbauer hat zunächst die Mittel bereitgestellt und sein Manager Schwan hat das über die Schweizer Kanzlei organisiert.
    Der Tod von Schwan war dann der Auslöser, diese Verbindlichkeit umzufinanzieren, damit sie in der Abwicklung/Erbmasse nicht auftaucht. Da würde sie nur zu unnötigen Fragen führen. Daher die Zahlung von Louis-Dreyfus an die Schweizer Kanzlei im Jahr 2002. Entweder hat man Louis-Dreyfus direkt versprochen, das Darlehen im Jahr 2005 zurückzuzahlen oder es gab einen anderen Grund [Spekulation: Die Krebsdiagnose und die Notwendigkeit, die Bücher zu bereinigen.]

    Ich spekuliere hier nur ohne jedes Insider-Wissen und ohne die persönlichen Schicksale von Schwan / Louis-Dreyfus als Ausrede zu benutzen, nur als externen Auslöser von Ereignissen.
    Man muss folgendes Bedenken: Kern einer guten Vertuschung ist, dass es keine juristischen Beweise für eine Vertuschung gibt und keine juristischen Beweise für die Straftat, die vertuscht werden soll.
    Nur das hat nicht funktioniert, weil externe Ereignisse dieses unmöglich gemacht haben und improvisiert werden musste.

    Hier ist die Vertuschung ein hypothetischer Berater-Vertrag für Beckenbauer/Schwan, über den das WM-OK die Abflüsse rechtfertigen kann. Es würde nie jemand hinterfragen ob der vereinbarte Tagessatz für Beckenbauer angemessen waren. Soviel wie Beckenbauer für die WM um die Welt flog war jeder Betrag PR-seitig abgesichert.

    Externe Ereignisse könnten der Tod von Schwan, die Erkrankung von Louis-Dreyfus oder unerwartete Komplikationen bei der Wiederwahl von Blatter gewesen sein, so dass die Gegenleistung entweder unerwartet früh oder zu häufig umorganisiert werden musste. Dadurch entstanden (Geld-)Spuren, die nicht mehr erklärbar waren und zudem als juristische Indizien für Straftaten erhalten können.

  6. Schon der Wahnsinn, wie sich „Renommierte“ zum Verdunkelungs-Steigbügelhalter machen lassen. Immerhin hat weder Freshfields, noch Deringer oder der kleine Bruckhaus die Hand erhoben und gesagt: „Ungeschicktes Verhalten, das alles.“

    Da muss halt das FBI kommen und der Rest, um den Laden sauber zu kriegen.

  7. Das „Gute“ am Sport ist, dass er nicht mehr mit der Aufarbeitung seiner Schweinereien nachkommt.

  8. Ob bekannt wird, was die Arbeit von Freshfields insgesamt gekostet hat? Es wäre ziemlich witzig, wenn sich die Rechnung auf 6,7 Mio. Euro beliefe… ;-)

  9. Dann sollte der DFB es der FIFA nachmachen und Restitution also Antrag auf Entschädigung beim der US-Bundesanwaltschaft stellen.

    Da man in den DFB-Akten nichts findet schiebt man es halt auf die Privatpersonen Beckenbauer, Schwan, Louis-Dreyfus, usw.

    „FIFA has become notable for the defendants‘ bribery and corruption, not its many good works,“ lawyers for soccer’s world body state in the claim. „FIFA is entitled to restitution for this harm to its business relationships, reputation and intangible property.“

    FIFA files for compensation, Reuters

  10. Eine vollständige Rekonstruktion des Zahlungsflusses wird es niemals geben, aber der ganze Skandal hat auch was Gutes: Der alles verschlingende Moloch wird in Frage gestellt, hier und da dürfte es personell zu einer Erfrischung kommen.

  11. Endlich demnächst der große Grindeltag. ZDFsport.de betreibt schon PR, spricht von „unbestrittentem“ Engagement und von neuen starken Mann. Kennen die ÖRs eigentlich ihre eigene Mediathek? Schon hier gepostet, Grindel’s Transpranzfrei zu seinem Wahlkrampthema „Transparenz“ (Minute 35, u.a.)

    http://www.ardmediathek.de/tv/die-story/Steuerfrei-e-V-Millionengesch%C3%A4fte-mi/WDR-Fernsehen/Video?bcastId=7486242&documentId=31187524

    Germany’s next Queraussteiger.

  12. Glückwunsch, BV, das könnte noch eine Punktladung werden!

    Denn Freshfields arbeitet ja weiter, schreibt der DFB:

    Nach Abschluss des Berichts ist die Kanzlei Freshfields derzeit noch mit der juristischen Prüfung beauftragt, ob sich aus den Vorgängen für den gemeinnützigen Verband möglicherweise Schadensersatzansprüche ergeben könnten.

    Zwischenstand:

    gezahlt 2015: 2,21 Mio €
    gezahlt 2016: 2,90 Mio €
    ———————
    gesamt: 5,11 Mio €
    zzgl 19 % USt: 0,97 Mio €
    ———————
    Betrag inkl USt: 6,08 Mio €
    zzgl juristisches Gutachten

  13. Michael Ashelm in der FAZ: Niersbach für ein Jahr gesperrt

    „Dieser Entscheid trifft mich hart. Die nun verhängte Sanktion halte ich für unangemessen und überzogen“, teilte Niersbach mit. Er wolle sich anwaltlich beraten lassen, ob er Rechtsmittel einlegen werde.

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