BARRA DA TIJUCA. Zwischenbilanz des DOSB. Live aus dem Deutschen Haus. Zunächst etliche Medaillengewinner aus dem Schießen, der Leichtathletik und dem Rudern. Christoph Harting ist wie angekündigt nicht dabei. Er schaut sich jetzt wahrscheinlich Videos an.
„Wir streben Perfektionismus an, den wir eigentlich nie erreichen können“, sagt der Olympiasieger Christoph Reitz, „Mitglied der Sportfördergruppe der hessischen Bereitschaftspolizei“. Vollprofi im staatlichen Auftrag.
Daniel Jasinski lässt den Diskuswettbewerb Revue passieren. „Dann kam der Este und haut alles raus.“ Er kann sich nicht mehr an seinen Konter erinnern im letzten Versuch. „Habe eingeatmet und dann war es auch schon vorbei.“
Die FAZ stellt am frühen Morgen schon die Sinnfrage:
Fühlen Sie sich ausreichend gefördert und ausreichend gewürdigt in der Öffentlichkeit?
Reitz sagt: „Wir zeigen der Öffentlichkeit, dass wir ein schwieriger Sport sind mit einer großen Vielfalt. Die Förderung durch die Deutsche Sporthilfe ist meist schon das Ende der Förderung.“ Der Verband unterstützt beim Kauf von Munition u.ä. – macht das nicht die Bereitschaftspolizei?
Jasinski sagt: Bei der Bundespolizei hat man die Möglichkeit, auch nach dem Sport abgesichert zu sein. Er ist bei der Bundeswehr, der Sportfördergruppe. „Jetzt ist das alles gut, was danach kommt, ist etwas anderes.“ Er studiert nebenbei und muss sich irgendwann um die Zukunft kümmern.
Lustig ist, dass es nach einigen DOSB-Pressekonferenzen hier auch noch einen Auftritt des Handball-Pharaos Hassan Moustafa gibt. Ich denke mal, das wäre ein Grund, auf meinem Stuhl auszuharren. (Sollte es später auch werden.)
Wie hat Daniel Jasinski die Siegerehrung erlebt?
Habe mich eigentlich mehr mit mir beschäftigt. Habe das nicht richtig mitbekommen. Ja, was er da gemacht hat, da muss er sich selbst dazu äußern. Da ist jeder für sich im Endeffekt. Wir reden miteinander, wir haben auch ein Apartment geteilt hier.“
Ein Journalist sagt: „Mit uns redet er ja nicht.“
Jasinski lacht:
So isser halt.
Hatte heute schon diesen Text empfohlen:
wohltuend unaufgeregter Text zu den Harting Brothers und Christophs Olympiasieg. https://t.co/zQGHc3ewBq die kommentare sind es aber nicht
— Jens Weinreich (@JensWeinreich) August 14, 2016
Außerdem fiel mir etwas spät ein, was man in den vergangenen Jahren doch schon alles an schrägen Aktionen medaillendekorierter deutscher Diskuswerfer erlebt hat. Schult, Schmidt, Möllenbeck, die Hartings. Eine Disziplin für Individualisten, und das ist letztlich auch gut so. Typen mit Ecken und Kanten, nicht glattgebügelt. So sollte es sein im richtigen Leben.
Nun wird es eng auf dem Podium. Eine Horde Ruderer nimmt Platz. Baumlange Kerls aus dem Achter. DOSB-Sprecherin Ulrike Spitz hat, verständlich, ein paar Probleme, alle Namen zuzuordnen. Ich verrate nicht, wer es war, aber gestern Nacht kam hier einer mit Medaille rein und rief: „Und jetzt besaufen wir uns so richtig!“ Hoffe für ihn, der Zapfhahn wurde nicht pünktlich 24 Uhr abgestellt.
Der Steuermann Martin Sauer ist die absolute Nummer.
„Ich bin physisch anwesend“, sagt er, „und geistig versuche ich es auch zu sein. das ist sicher eine Stärke von mir.“
Er könne sich nicht erinnern, dass der Bundestrainer Ralf Holtmeyer in den vielen Jahren, die er dabei ist, jemals mehr gesagt hätte als: Ja, hm, Du bist halt auch dabei.
Beim Olympiasieg 2012 war er dabei, natürlich.
„Die Emotionen“, sagt Sauer, „kommen bei mir immer etwas später. Es tut mir leid, dass ich es nicht schaffe, Sie ins Boot mitzunehmen.“ Ein Kollege sagt: „Das Boot ist auch schon voll.“ Kleiner Exkurs in die Politik.
Kann man Medaillen auch ohne das britische System gewinnen, fragt der Herr von der ZEIT?
Der Verband muss handeln, sagt einer der Recken. Ich glaube, das sieht der Verband auch und wird machen. Wir haben ein Nachwuchsproblem. Rudern ist eine Teamsportart. Da muss man zusammen trainieren und die Arbeitsabläufe und den Rhythmus täglich finden.
Anmerkung der Kollegen von correctiv!
Der „Fanreporter“ des deutschen Teams nervt mit seinen Fragen.
Mit diesem Zettelchen hat sich Ulrike Spitz auf die Ruderer vorbereitet:
Michael Vesper zunächst mit etwas sehr Ernstem: Der Kanutrainer Stefan Henze, Opfer eines Verkehrsunfalls vor einigen Nächten, befindet sich weiter in Lebensgefahr. Seine Familie wurde nach Rio eingeflogen.
551 Menschen in 101 Apartments – Höchstbelegung des deutschen Teams derzeit im Dorf.
„Wir sind nach wie vor zuversichtlich“, sagt Vesper, wir waren in den ersten drei Tagen, als wir keine Medaille gewonnen hatten, auch nicht niedergeschlagen, und wir werden jetzt nicht euphorisch.“
London 2012 nach acht Tagen: 58 NOK mit Medaillen. 33 Nationen mit Gold.
Rio 2016 nach acht Tagen: 65 Länder mit Medaillen. 43 NOK mit Gold.
Der Kuchen wird auf mehr Sportler und Nationen aufgeteilt.
Die in London gesetzte Marke werde man nicht erreichen können. „Wir werden weiter viele Überraschungen erleben, positive wie negative.“
Verliere gerade die Übersicht angesichts der vielen Zahlen, mit denen er operiert. Habe ihm nach einer DOSB-Vollversammlung mal attestiert, er könne nicht rechnen. Daraufhin erklärte er mir, dass er Mathematik studiert habe. Halte mich also besser zurück, wenn ich meine Statistik, wie sagt man, nicht selbst gefälscht habe.
Dirk Schimmelpfennig: „Die ersten Tage sind geprägt von den Erfolgen der Schützen, Reiterer, äh Reiter, und Ruderer.“
Die Zielvorgaben müsste man mal wieder ausgraben.
Uns fehlt ein bisschen die Breite, auch die Breite der Spitze.
Im Vergleich zu London sieben Medaillen weniger zu diesem Zeitpunkt. Leichte Steigerung bei Gold und vierten, fünften Plätzen.
Wir haben Probleme gehabt in den Sportarten Schwimmen/Becken und Fechten.
In den Sportarten Schwimmen/Becken. Ich sag doch immer wieder – herrliche Bürokratensprache. Love it.
Ruhe und Geduld. Spiele unter sehr schwierigen Bedingungen. Aber die Teilmannschaften konzentrieren sich. Teilmannschaften – siehe auch.
44 Medaillen war der untere Bereich, den die Verbände als ihren Zielkorridor benannt haben.
Hier sind die Daten nochmal:
Schwimmer haben sehr individuell gefördert. Aber auch damit ist der Erfolg nicht gesichert.
Er geht alle Sportarten durch. Wirkt relativ ratlos.
16 Medaillen nach 139 von 306 Wettbewerben. Eventuell beim Gold (8/11) besser als in London. Aber sonst weniger Medaillen.
Wir lassen und nicht blenden davon, dass wir im Medaillenspiegel gestern Abend auf Platz vier standen. Aber wir sind auch stolz, dass wir schon acht Goldmedaillen gewonnen haben. Wir werden den Status Quo ganz aktuell in den Reformprozess und in die Umsetzung des Reformprozesses einfließen lassen.
Schwierige Rahmenbedingungen: Er nennt Hygiene, Sauberkeit, die Auswirkung auf das Team hätten (im Sinne von: Infekten), Transport (lange Wartezeiten, Verspätungen).
Das Problem dürften aber andere auch haben.
Nun geht es um die andere Art der Sauberkeit.
Vesper:
Ich gehe davon aus, dass unsere Mannschaft sauber ist. Sie ist vielfach getestet worden. Eine Generalverdächtigung werde ich nicht aussprechen. Aber natürlich gehört es zum Grundgedanken der Fairness, dass alle, die zum Wettkampf antreten, unter gleichen Bedingungen getestet werden.
Das alte Lied. Er sagt selbst: Das alles schließt nicht aus, dass es Dopingphasen in der Vorbereitung gegeben haben kann.
Auch Vesper wirkt nervös und unsicher, als er „über ein Bündel von Reformen“ spricht, die auf die Spiele ab 2020 gerichtet seien. Erst Strukturen, dann reden über finanzielle Mittel …
… das Öl, mit dem man dann die Maschine schmieren muss, damit sie auch richtig ins Laufen kommt.
„Unstreitig“ sei, dass es auch mehr Geld brauche.
Qualifikation ist manchmal alles, sagt Schimmelpfennig. In den kostenintensiven Spielsportarten zum Beispiel haben sich fünf Mannschaften qualifiziert – und alle stehen mindestens im Viertelfinale, die FußballerInnen sogar schon im Halbfinale.
Jetzt spricht er über eine „nach-aktive Förderung“. Ich lerne weiter dazu oder um mit Schimmelpfennig zu sprechen, „bis runter auf eine individuelle Differenzierung“.
„Seit ich in dieser Funktion bin, beklagen, oder ich sags mal positiver: fordern unsere Athleten, dass alle Sportler unter den gleich Bedingungen getestet werden und antreten. Aber unsere Sportler zeigen nicht mit den Fingern auf andere.“ Sagt Michael Vesper.
Vesper mag nicht über Strukturreformen sprechen. „Jetzt während der Spiele werden wir das nicht tun.“ Er wirkt, sagte ich es bereits?, sehr genervt. Extrem angespannt.
Da frage ich ihn doch mal, wie sehr er unter Druck steht. Das Mikro kommt: wie sehr steht er unter Druck (nicht ob, das sieht jeder).
Seine Gesichtsfarbe legt noch flink einen Rotton zu.
Ich stehe überhaupt nicht unter Druck. Wie meinen Sie das? Ich stehe überhaupt nicht unter Druck. Ich gehe hier mit meinem Team meiner Arbeit nach.
Ein Herr vom Hessischen Rundfunk spricht nun über das „Bröckeln der olympischen Idee“.
Schimmelpfennig spricht nun über „die Standardisierung und Anpassung der Standards im Antidopingkampf“.
Jetzt wird Vesper nach einer Studie der Deutschen Sporthochschule gefragt, über die die FAZ berichtet hatte, wonach das Vertrauen der Deutschen vor allem in nationale und internationale Sportfunktionäre extrem gesunken sei. Darüber möchte er nicht reden, da er das Papier nicht kenne. Ich hatte gestern den Autor Christoph Breuer kontaktiert und nach Details gefragt, die er vorab der FAZ gegeben hatte. Breuer schrieb, am Montag werde man eine Zusammenfassung vorbereiten und verbreiten.
Harting hatte bisher keine Übung darin gehabt, aus dem Wettkampfmodus umzuschalten bis zur Siegerehrung. Man sollte das nicht allzu hoch spielen.
Er ist halt nicht der Mensch, der gerne in die Medien geht. Dem einen liegt das mehr, bei ihm in der Familie ist ja das andere Extrem vorhanden, und der andere macht das weniger gern. Wir freuen uns alle sehr, dass und wie er diese Goldmedaille gewonnen hat. Das ist einfach großartig.
Allgemein gefragt nach Rio de Janeiro.
„Zu sagen, viele Stadien seien nicht voll, ist schon gestrunzt“, sagt Vesper.
Gestrunzt.
Abtritt Vesper. „Ich komme gleich“, raunt er mir zu.
Und gleich kommt auch Hassan Moustafa.
10.26 Uhr: Der Pharao. Halle hier für 12.000 Zuschauer. Man hat ihm gesagt, 81 Prozent Auslastung. Es sei das beste Olympiaturnier bisher.
Der DHB-Präsident Andreas Michelmann, ein anhaltinischer Landsmann, sagt, man habe bisher der Monokultur im Sport ein Schnippchen geschlagen. Die Mannschaft sei auf dem richtigen Weg.
Mein Dank gilt Hassan Moustafa.
Sagt Bob Hanning. Denn nur wegen der höchst umstrittenen Wildcard zur WM 2015 in Katar sei man zur EM gekommen, konnte Europameister werden und sich für Brasilien qualifizieren.
Und nun wird eine Kooperation der IHF mit der sportwissenschaftlichen Fakultät der Uni Leipzig besiegelt. Moustafa hat dort, damals noch an der DHfK, 1974 ein wenig studiert. Michelmann hat auch in Leipzig studiert, allerdings Germanistik. Bisher gibt es zwei IHF-Handballakademien, eine in Schanghai, eine in Auburn (USA), nun eine in Leipzig.
Dietrich Späthe, Lehrwart der IHF, spricht über das angedachte Netzwerk von IHF Handball Academies. Erstens Basisausbildung, Handball bekannt machen, gleichzeitig Leistungssport und Trainerausbildung verbessern. Drittens Forschungsprojekte anstoßen.
Weiß gerade nicht, was ich hier eigentlich mache und will jetzt keinen Streit mit dem Pharao anfangen. Schnell weg, ein Auto finden.
12.32 Uhr: Ich blieb doch noch und stellte eine Frage. Was daraufhin passierte und wie der Pharao ausrastete und mich beschimpfte, lesen Sie in einem neuen Kapitel der Rio-Expedition.
IHF Academies? Ist das dieselbe Art von Akademie, die der DFB so großzügig in Jack Warners Reich gefördert hat, damals?
Du solltest Dich bei mir als Gagschreiber bewerben. Ich zahle ein Lachen pro Spruch.
Hm, wenn die Stadien so gut ausgelastet sein sollen, wieso sehe ich dann im Fernsehen größtenteils recht leere Zuschauerränge der Austragungsorte?
Mir fällt ein berühmter Gag von Richard Pryor ein, der so geht, dass seine Frau, die ihn beim Fremdgehen mit ihrer besten Freundin erwischt, fragt: „Glaub mir, Schatz, es sieht nicht danach aus, wonach es aussieht! Wem glaubst du: mir oder deinen lügenden Augen?“
@Stefan/JW
Ich für meinen Teil möchte mich von derlei ebenso sinistren wie haltlosen Unterstellungen auf das Schärfste distanzieren! Herr Moustafa und Jack „Zero to Hero to Zero“ Warner sind weder verwandt noch verschwägert! #Fakt
Allein die Vorstellung, der Pharao könnte überhaupt an unsittlichen Beziehungen zum schnöden Mammon interessiert sein — lächerlich! Bekanntlich zahlt er ja sogar seine Dienstreisen aus eigener Tasche!
Pingback: live aus Rio (18), Liebesgrüße vom Pharao: „Mund zu!“ • Sport and Politics