BARRA DA TIJUCA. Ich hatte ein Erlebnis der besonderen Art. Mit dem Zorn des Pharaos ist im Grunde nicht zu spaßen, auch wenn es sich nur um einen kleinen, abkassierenden Handball-Pharao handelt: Der Ägypter Hassan Moustafa, Präsident des Weltverbandes IHF, Partner von Adidas, treuer Diener von Scheich Ahmad Al-Fahad Al-Sabah, Husain Al-Musallam und der katarischen Sport-Aristrokatie, Skandalnudel, Journalisten-Sponsor, Großverdiener, der sich für Verträge, die er Kraft seines Amtes aushandelt, schon mal die Apanage in unbekannte Höhen vergrößern lässt, der Geheimverträge unterhält, der Kontrahenten gnadenlos ausbremst. Mit anderen Worten: ein ganz normales, vollgeschätztes Mitglied der olympischen Familie.
Oder um mit Bob Hanning zu sprechen, Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB):
Mein Dank gilt Hassan Moustafa.
Denn ohne Hassan hätten die Deutschen nicht das eine oder andere WM-Turnier bekommen (2017 wieder bei den Frauen und 2019 bei den Männern), und ohne Hassans Wohlwollen wären sie 2015 nicht zur WM nach Katar geflogen, denn dafür hatten sie sich ja nicht qualifiziert. Was einigermaßen schade war, denn sonst hätte man kaum diesen rasanten Aufstieg einer wunderbaren Mannschaft verfolgen können, der in Rio möglicherweise mit Olympiagold gekrönt wird. Hanning erinnerte heute an diesen Zusammenhang mit der Wildcard, die des Pharaos Truppen damals an Deutschland verteilten, nachdem sie Australien einen WM-Platz weggenommen hatten. So läuft das im Reiche Hassan Moustafas.
Deutschland ist ein wichtiger Markt, der DHB kriecht vor ihm, in Deutschland verdiente er fürstlich mit mindestens einem Geheimvertrag, und in Deutschland hat er ja auch einen Fürsprecher und Sportkameraden, den IOC-Präsidenten aus Tauberbischofsheim.
Der Pharao und seine Freunde aus Deutschland feierten heute im Deutschen Haus einen Kooperationsvertrag der IHF mit der sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig. Hassan Moustafa hatte 1974 mal ein paar Monate in Leipzig an der DHfK verbracht, wie andere ehrenwerte Familienmitglieder auch. FINA-Vize und IOC-Mann Sam Ramsamy fand dort sogar seine große Liebe und ehelichte die Sächsin Helga, die ihn bei jedem der vielen Termine in aller Welt begleitet, das Paar lebt quasi aus dem Koffer. Hassan Moustafa weiß sogar noch, dass die DHfK nicht „Deutsche Hochschule für Körperkultur und Sport“ hieß, wie gern verbreitet, sondern nur „Deutsche Hochschule für Körperkultur“.
So weit, so gut.
Ich wollte die gegenseitigen Lobpreisungen überhaupt nicht unterbrechen und war eigentlich schon auf dem Absprung, da formulierte Hassan Moustafa einen Satz, den ich wegen der darauffolgenden gewissen Turbulenzen nur noch bruchstückhaft wiedergeben kann, er sagte sinngemäß, aber fast wörtlich:
Der Handball ist in der Zukunft fair und korrekt.
Die Aussage gefiel mir so sehr, dass ich um das Mikrofon bat und mich bei Herrn Moustafa erkundigte, ob das denn auch für Funktionäre und die IHF-Spitze unter seiner Führung gelte und wann sich die IHF eine Good-Governance-Kur verordne.
Nachdem er eine Weile über die segensreichen Wirkungen des Handballsports und die Fairness auf der Platte räsoniert hatte, erinnerte ich ihn ausgesprochen höflich daran, dass ich die Funktionärswelt meinte. Die IHF.
Er bat mich, das auszuführen. Ich meinte, dass doch alle die Geschichten der vergangenen Jahre kennen würden, die Geschichten über Spielverschiebungen, Schattenwirtschaft und Korruption. Mehr mochte ich nicht sagen, denn ich wollte ja keinen Vortrag halten, wie es manche Journalisten im Deutschen Haus gern tun, sondern hatte lediglich eine kurze, präzise Frage gestellt:
Wann Fairness und Korrektheit und Good Governance in der IHF Einzug halten? Wann hört das Geschacher in der IHF auf?
Hassan Moustafa wurde lauter und meinte, dem versammelten Rest der Medien, die es bis hierhin ausgehalten hatten, etwas über mich erzählen zu müssen. Wie unsauber ich arbeiten würde und dass ich ihn 2013 darum gebeten hätte, „Sie und anderer Mann von Ihnen“, Material über Thomas Bach zu liefern, um dessen Wahl zum IOC-Präsidenten zu verhindern. Wie ich als Deutscher überhaupt dazu käme, die Wahl eines Deutschen verhindern zu wollen.
Sie sind nicht korrekt — in welcher Richtung ist die IHF nicht sauber?
Ich bat ihn, nicht so zu schreien.
Er riet mir:
Mund zu!
Mal davon abgesehen, dass er sich das mit Thomas Bach ausgedacht oder mich verwechselt hat (ich ahne schon, mit welchem Duo) oder beides, der Pharao sprach die Unwahrheit. Spötter mögen einwenden, dass sei man doch gewöhnt, dass ein Pharao wie Hassan Moustafa die Wahrheit variiert. Stimmt auch wieder.
Eindrucksvoll, wie @JensWeinreich eben den IHF-Präsidenten dazu geführt hat, sich selbst zu demontieren
— Alexander Bonengel (@Sky_AlexB) August 14, 2016
Selten so gelacht. „Sie erzählen Unsinn. Fabulieren Sie ruhig weiter“, riet ich Moustafa, und bat den DHB-Pressesprecher, den IHF-Präsidenten vor sich selbst zu schützen. Was dieser natürlich nicht tat, denn so ein IHF-Präsident ist ja ein hoher Gast und eine Art Familienoberhaupt.
Absurdes Theater.
Glücklicher Weise waren wir in Barra, nicht in Ägypten, Katar oder Kuwait, wo sich der Pharao so gern aufhält und wo seine Gönner sitzen. Dort hätte er unbotmäßige Fragesteller wohl abführen lassen.
Wer schützt eigentlich Journalisten vor durchgeknallten, lügenden Funktionären?
In der Familie macht das niemand.
Hassan Moustafa hat mir auf meine große Umfrage beim Olympischen Kongress 2009 in Kopenhagen mal dies gesagt:
Und wie sagte einst des Pharaos Instrukteur Husain Al-Musallam, die rechte Hand des IOC-ANOC-OCA-Handball-Scheichs Al-Sabah?
Anschließend fragten BILD-Reporter, ob ich ihnen Details zum Pharao vor der Kamera erzählen wollte. Nein. Das wollte ich nicht. Kann jeder nachlesen, es gibt doch Archive, es gibt Dokumente, auch hier im Blog steht eine Menge dazu.
Nehmen wir diese Zusammenfassung einiger für den Pharao stinknormaler Vorgänge, aus dem Sport Governance Observer der Organisation Play the Game, in der ich sehr gern mitarbeite:
Hassan Moustafa, the Egyptian President of the International Handball Federation, received over 300,000 euro in travel reimbursement without presenting receipts. He also established a salary raise (from a part-time fee of 30,000 Swiss Franc to an annual 500,000 Swiss Franc as a full-time employee) and his fellow board members (a 500 % increase) so that they receive more than the International Handball Federation’s total development aid. Moreover, he allegedly secured a personal contract worth 602,000 euro with German sports marketing company Sportfive, which later acquired the IHF broadcasting rights.
Immerhin hat der SGO der IHF leichte Verbesserungen attestiert:
Main strengths are: Elections of senior officials, Good athletes representation, Solid ethics code, ethics committee, and conflict of interest rules
Auf dem Papier liest sich das okay.
Main weaknesses are: Weak internal audit committee, Weak allocation process for major event, Lack of term limits
Mehr über die Geschäfte des Pharao kann man zum Beispiel hier nachlesen:
- Mein Text auf Krautreporter.de: Katar, Petrodollars und die Journalisten
Ein Großteil der Berichterstattung über diese bizarre Handball-WM wird also von Journalisten geliefert, die sich von den Gastgebern aushalten lassen. Manch einer von ihnen hat die Offerte anfangs selbst noch als „gigantische PR-Aktion“ bezeichnet. Die Namen der Reporter und Medien sind mir gar nicht so wichtig. Zu einigen hatte ich in den vergangenen Tagen Kontakt. Ich will niemanden an den Pranger stellen, sondern die Problematik skizzieren. Ich habe stichprobenhaft überprüft, ob auch nur einer derjenigen, die Katars, nun ja, Gastfreundschaft genießen, seine Leser, Hörer und Zuschauer darüber informiert hat, wer die Reise bezahlt.
Offenbar haben nicht nur freie Journalisten die Angebote angenommen, die pro Person 4.000 bis 5.000 Euro kosten dürften, zurückhaltend kalkuliert. Die WM-Organisatoren übernahmen alles: Flug und Unterkunft für zweieinhalb bis drei Wochen, zwar nicht in den besten Hotels von Doha, aber doch in ziemlich exquisiten wie dem Mövenpick Tower & Suites, gleich neben dem Hilton Hotel, wo die deutsche Nationalmannschaft logiert. Das bringt, neben der Kostenersparnis, auch eine Zeitersparnis, die angesichts des knackigen Arbeitsprogramms bei so einer WM nicht zu unterschätzen ist. Denn die Konkurrenz, all jene Journalisten, die ihre Reisen selbst bezahlt haben oder von ihren Arbeitgebern bezahlen ließen, muss sich zu Terminen mit dem deutschen Team im Taxi durch den Stau kämpfen. Das kann schon nervend sein, auf jeden Fall anstrengender, als lässig vom Mövenpick zum Hilton zu schlendern.
Etwa 20 deutschen Journalisten wurden die Reisen bezahlt. Insgesamt soll Katar für 680 der 1.711 akkreditierten Medienvertreter die Kosten übernommen haben, schreibt die Neue Zürcher Zeitung. Das sucht seinesgleichen. In der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt Katar übrigens auf Rang 113 von 180 erfassten Nationen.
Hier im Blog wurde der Handball-Pharao seit 2008 auch schon oft genug erwähnt, von Anfang an gerne auch in Kombination mit dem Schlagwort „Korruption“.
Darunter finden sich dann beispielsweise auch die Beiträge von Christer Ahl, dem ehemaligen Vorsitzenden der Schiri- und Regelkommission der IHF. Oder meine Analyse zu Katars Expansionsstrategie im Sport. Ausnahmsweise ohne Korruptionstag, sondern einfach nur die volldemokratische Sportfunktionärsrealität: Hassan Moustafa oder: wenn Stimmzettel in Einkaufstüten fliegen.
Normalerweise sind Handball-Reporter dankbarer dem Pharao gegenüber. Aber ich bin ja kein Handballreporter, sondern nur, traditionell, Handballliebhaber.
So kann man den Auftritt von Hassan Moustafa natürlich auch vermelden:
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