Er hat es wenigstens versucht:
Natürlich wollte mir Aleksander Ceferin, der gleich neuer UEFA-Präsident wird, vergangene Woche in Kopenhagen nicht so einen Aufsager machen wie Michael van Praag. Auch das unterscheidet die beiden.
Der 12. Außerordentliche UEFA-Kongress, der Wahlkongress, hat soeben in einem Resort nahe der griechischen Hauptstadt Athen begonnen – mit einer Rede des wegen korruptionsverdächtiger Millionenzahlungen gesperrten ehemaligen UEFA-Präsidenten Michel Platini.
Unfassbar.
Dies wird ein kleines live-Blog, den UEFA-Kongress, gerade wird die Anwesenheit der 55 Nationen überprüft, verfolge ich im Internet und in ständigem Austausch mit meinen Vögelchen dort unten in Griechenland. Muss mich gerade um wichtigere fußballerische Belange kümmern – um das deutsche Ehrenamt zum Beispiel, das Sommermärchen-Team des SPIEGEL meldet sich mit einer kleinen Enthüllung, die Schlagzeilen macht:
exclusive @SPIEGEL_Sport, FIFA World Cup 2006: a secret payment to Franz Beckenbauer is unveiled – 5.5 Mio € https://t.co/KdW51QJ4C3
— Jens Weinreich (@JensWeinreich) September 13, 2016
Unsere erste Geschichte auf Spiegel Online:
Franz Beckenbauer hat als Chef des Organisationskomitees für die Fußball-WM 2006 nicht, wie vom DFB bislang behauptet, ehrenamtlich gearbeitet, sondern 5,5 Millionen Euro erhalten, die er und der DFB offenbar am Finanzamt vorbeischleusen wollten.
Versteuert wurden die Beckenbauer-Millionen erst vier Jahre, nachdem er das Geld kassiert hatte – Ende 2010, nach einer Betriebsprüfung des Finanzamts Frankfurt/Main. Das hat der DFB auf SPIEGEL-Anfrage bestätigt. Erste Hinweise auf den Deal finden sich in einem Report, den die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG 2008 im Auftrag der Fifa erstellt hat. Gegenstand der Prüfung war der Ausrichtervertrag zwischen Fifa und DFB für die WM 2006 in Deutschland.
In den Anlagen des Berichts findet sich auch der vom DFB 2004 mit dem staatlichen Sportwettenanbieter Oddset geschlossene Sponsorenvertrag. Oddset wurde damit einer von sechs nationalen Förderern für die Fußballweltmeisterschaft 2006. Insidern zufolge zahlte damals jeder nationale Förderer mehr als zwölf Millionen Euro in die Kasse des WM-OK. Im Falle Oddset gab es aber, laut KPMG-Bericht, noch einen sogenannten Sideletter zugunsten von Franz Beckenbauer. Dieser sah vor, dass Beckenbauer von den dem WM-OK zugedachten Millionen einen erheblichen Teil abbekommen sollte.
Wie der DFB auf SPIEGEL-Anfrage mitteilte, habe Beckenbauer bestimmte Werbeleistungen für Oddset erbringen sollen und hierfür eine Beteiligung an den Erlösen des DFB aus dem Vertrag erhalten. Dazu habe der DFB mit Beckenbauer zwei Verträge geschlossen, einen im Oktober 2004 und einen im Oktober 2006. Diese haben Beckenbauer einen Betrag von insgesamt 5,5 Millionen Euro zugesichert, die „im Zeitraum Februar 2005 bis Oktober 2006 in fünf Raten an Herrn Beckenbauer ausgezahlt wurden“, wie es in der DFB-Stellungnahme heißt.
Kommentar von Jürgen Dahlkamp dazu:
9.43 Uhr: Und die UEFA-Wahl schreitet zügig voran. Gerade wird die Italienerin Evelina Christillin, Präsidentin des Organisationskomitees der Olympischen Winterspiele 2006 in Turin (TOROC), als Vertreterin in das FIFA-Council bestimmt. Eine rote Karte wird gesichtet – der Abweichler wird wohl zügig bestraft, denke ich. Christillins Aufstieg ist Bestandteil des großen Deals, Ceferin zum Präsidenten zu machen. Dafür hat sich der italienische Verband eingesetzt und am vergangenen Freitag mehr als 30 andere Nationalverbände in Florenz darauf eingeschworen.
9.51 Uhr: Eine Analyse zur bevorstehenden Wahl habe ich auf Spiegel Online veröffentlicht:
Vergangene Woche aus Kopenhagen habe ich nicht nur im Blog ausführlich berichtet (Paywall), sondern für SPON auch dies gedichtet:
Das wahrscheinlichste Wahlergebnis sollte gemäß Flurfunk und meinen Vögelchen etwa bei 45-50: 10/5 liegen.
Nochmal: Sensationen gibt es eigentlich nicht in dieser Branche.
10.09 Uhr: Michael van Praag hat fertig. Nun Aleksander Ceferin.
Erwartungsgemäß begründete van Praag ausführlich, warum er sich mit seinen 68 Jahren fit und in jeder Beziehung geeignet fühlt, die UEFA zu führen. Der Champions-League-Deal soll überarbeitet werden – das verspricht Ceferin gleich auch. Professionelle Rede ohne den letzten verzweifelten Touch und fast ohne Anspielung auf den übermächtigen Gegner.
Van Praag finishes by quoting Mick Jagger „time is on my side.“ May turn out to be a case of can’t get no satisfaction though.
— Richard Conway (@richard_conway) September 14, 2016
Einmal sagte er, der Fußball sei zu politisiert. Mir hat er in einem Telefonat vergangene Woche, das in ein kleines Interview im SPIEGEL mündete, gesagt, die Dominanz Russlands und Witali Mutkos …
… ist ein katastrophales Zeichen, das ist schlimm. Es sollte nicht so sein, dass eine Regierung bei Wahlen in Sportverbänden so großen Einfluss hat.
Was die UEFA braucht, ist die totale Transparenz, nicht nur in finanziellen Fragen. Dafür stehe ich.
Werde ich Präsident, würde es solche Vorgänge nicht mehr geben. Und werde ich nicht Präsident, kann ich weiter in den Spiegel schauen. Ich habe nichts zu verbergen.
Ceferin ganz raffiniert. Wer ständig sagt, dass er ein Führer sei, der sei es vielleicht nicht. Er meint wohl van Praag.
Bin ich zu jung? Ich bin bald 50 und führe meinen verband seit vier Jahren. Ich denke, wer so spricht, agiert respektlos.
Dann kommt er mit seiner Leier von den kleinen Nationen. Damit punktet er.
I am not a showman. I am not a man of unrealistic promises.
I don’t want to live in an empire of fear.
Das soll er mal seinem Förderer aus Russland erklären, das mit dem „empire of fear“.
Das Ende einer Ära und der Start einer neuen Ära: Stabilität, Hoffnung, neue Machtverhältnisse.
Wer seine Augen gegenüber der Vergangenheit verschließt, ist blind gegenüber der Gegenwart.
Oder so ähnlich. Wie viele der Delegierten begreifen den Satz nicht oder handeln nicht danach?
„Building bridges is great“ – damit meint er van Praag -, aber Hoffnung, Fußballplätze usw bauen, ist besser.
Billige Rhetorik. Wie Blatter. Kommt immer an im Wahlvolk.
Van Praag referenced the Rolling Stones, Ceferin invoked the Scorpions: „The winds of change are blowing through European football.“
— Owen Gibson (@owen_g) September 14, 2016
Jetzt preist er er den Interims-Skandal-Präsidenten Ángel María Villar Llona, der morgen in Spanien vor Gericht muss, wenn es dabei geblieben ist, und den ebenfalls reichlich verwickelten Interims-Generalsekretär Theodore Theodoridis.
Sehr lustig, dass er Good Governance und Transparenz als Kernpunkte seines Programms (beide Programme hier) bezeichnet.
Habe ich mich verzählt oder Ceferin? Denn er spricht davon, dass der Kongress gleich den siebenten Präsidenten der UEFA-Geschichte wählt.
Zählappell (UEFA dazu):
- Ebbe Schwartz
- Gustav Wiederkehr
- Sandor Barcs
- Artemio Franchi
- Jacques Georges
- Lennart Johansson
- Michel Platini
Nummer acht ist Ceferin.
Habe mich nicht verzählt.
Football first. We should stop with politics. Intrigues. Plots.
Na da schau her.
10.30 Uhr: Es wird gewählt.
10.39 Uhr: … Island, Israel …
10.53 Uhr: … Ukraine, Wales …
Das müsste es gewesen sein.
Ja klar.
Maximale Transparenz beim Auszählen in der UEFA. Holla. Das kannte ich bisher nur aus Afrika von CAF-Kongressen. Da werden unter Anleitung des bekanntlich totaltransparenten Schmiergeldempfängers Issa Hayatou sogar in gläserne Wahlurnen benutzt. War das hier etwa auch so? (Habe nicht hingesehen, sondern nur den Ton verfolgt.)
11.11 Uhr: Es ist Ceferin. Natürlich. 42:13 Stimmen. War keine Kunst, das vorherzusagen.
Aleksander Ceferin mit 42 Stimmen #UEFA-Präsident bis 2019. Sieg für Russland, Witali Mutko + seine DFB-Verbündeten pic.twitter.com/56YUgw4fLG
— Jens Weinreich (@JensWeinreich) September 14, 2016
Aleksander Ceferin sagt:
Mein kleines Slowenien ist stolz auf mich, meine Familie ist stolz auf mich, und ich hoffe, dass auch sie eines Tages stolz auf mich sein werden.
Michael van Praag sagt:
Alexsander hat am Freitag in Italien gesagt: We are not enemies. Genau so ist es. Wir sind keine Feinde. Heute hat die Demokratie gesprochen. Ich bitte alle Verbände, die mich unterstützt haben, sich hinter Aleksander zu stellen.
11.16 Uhr: Nachdem die Formalitäten für das Abendessen geklärt sind, noch einmal Villar Llona.
The UEFA congress is now closed.
12.05 Uhr: Pressekonferenz mit Ceferin.
Tariq Panja, Bloomberg, fragt, wo er so plötzlich hergekommen ist und 42 Stimmen gesammelt hat.
Ceferin: Ich habe mich selbst für die Kandidatur entschieden. Es war offenbar die richtige Zeit, die Leute wollten Änderungen und neue Gesichter.
Owen Gibson, The Guardian, fragt nach dem neuen CL-Deal und nach Transparenz und GG, was er da praktisch tun will.
Ceferin: Über die CL wurden wir nicht sauber informiert (siehe ausführlicher meinen Bericht aus Kopenhagen). In Sachen Transparenz muss „viel getan“ werden. Erstens Term Limit, zweitens sollen nur aktive Verbandsvertreter ins UEFA-Exko, drittens soll es ein Compliance Committee geben.
Kürzer geht kaum.
Ein Slowene fragt nach der Entwicklung des slowenischen Fußballs und nach den ersten Schritten als Präsident.
Ceferin: Vorstellen, Hände schütteln, mit allen im UEFA-HQ sprechen. Da hat er viel zu tun. Das kann dauern. Und der slowenische Fußball? Der entwickelt sich jeden Tag.
Richard Conway, BBC, fragt nach der Kampagne. Man wisse, was sich die kleinen Verbände erhoffen, aber was erhoffen sich die großen wie Deutschland und Italien von ihm?
Ceferin: Ich höre mich jetzt vielleicht naiv an, aber ich glaube, die alle glauben an mich und mein Programm. Die kleinen, die mittelgroßen und die großen.
Ein Vertreter des holländischen Fernsehens NOS fragt, wie ein Nobody hinter den Kulissen sagenhafte 42 Stimmen holen konnte.
Ceferin: Niemand kann das nur hinter den Kulissen organisieren. Sie trauen mir.
Frage nach Platini als Ehrenpräsident und nach seiner Wiederwahl 2019.
Ceferin: Wiederwahl? Alles möglich. Zweite Frage: Ich denke nicht daran.
Martyn Ziegler, The Times, fragt nach CL-Änderungen: Priorität? Und nach Sahara-Durchquerungen.
Ceferin: Ob er will oder nicht, er muss sich mit dieser CL-Änderung befassen und das klären. Und ja, er hat die Sahara vier Mal mit dem Auto und einmal mit dem Motorrad durchquert.
Ein Italiener fragt nach der Unterstützung der Italiener.
Ceferin: Klar, sehr wichtig.
Sky fragt nach Zynikern, die meinen, er müsse sehr hohe Freunde haben … Gianni Infantino zum Beispiel.
Ceferin: Ich kenne Infantino seit 2011, als ich Präsident wurde. Alles was da so erzählt und berichtet wurde, waren die Träume von Journalisten.
All the stories about support and staff like that I think are lies.
Ein Türke fragt nach den größten Problemen des europäischen Fußballs.
Ceferin: Match Fixing. Rassismus. Financial Fairplay. …
(Drei Fragen sind noch erlaubt.)
Eine Griechin fragt nach Korruption in Griechenland, also bei den Gastgebern dieses Kongresses.
Ceferin: Ich höre das alles nur aus den Medien.
(Das sagt er gern, auch am vergangenen Donnerstag.)
Ein Slowene fragt, was sein Sieg für Slowenien bedeute.
Ceferin: Kleine Länder können wichtig sein. Wir können auch in anderen Bereichen mehr erreichen. Wir müssen uns nur etwas zutrauen.
Ein anderer Slowene erwähnt seine Bemerkung, dass viele Medien Slowenien mit der Slowakei verwechseln.
(Das hat Ceferin ebenfalls in Kopenhagen gesagt)
Ceferin: Ja, ja, stimmt. Ich werde alles tun, damit die uns nicht mehr verwechseln.
Matt Slater, PA, fragt nach van Praag und dessen Tweets vergangene Woche.
Ceferin: Vor Wahlen werden manche Leute nervös und machen Fehler. Es ist zu früh zu sagen, wer in der UEFA künftig was machen wird.
Das hört sich nicht so an, als sollte van Praag da eine Zukunft haben.
Es geht um die Tweets hier nach der Josimar-Geschichte. Ich denke, das habe ich vergangenen Donnerstag erwähnt, kommt auch in der Aussage von van Praag oben zum Ausdruck – er meinte Mutko mit den machtgeilen Politikern, hat er mir gesagt.
I am shocked after reading this information https://t.co/Ky3WmaKOlD in @JosimarFotball. (1/3)
— Michael van Praag (@MichaelvanPraag) September 6, 2016
If it is true, than we are back to the old-school way of doing business in the football world. That is exactly what I want to change. (2/3)
— Michael van Praag (@MichaelvanPraag) September 6, 2016
We need an honest football leader. No power hungry politician. Someone you can trust with football. (3/3)
— Michael van Praag (@MichaelvanPraag) September 6, 2016
17.40 Uhr: Wir sitzen hier ja hinter der Paywall. Da kann ich nun auch meine Analyse vor der Wahl und einen ersten Text hinein kopieren, den ich gerade an einige Medienpartner geschickt habe. Ansonsten ist Schluss für heute in diesem Theater. Bin erschöpft, denn zwischendurch mussten noch zwei WM-2006-Texte gefertigt werden.
Einer ist bereits online und wird gleich nochmal aktualisiert und ergänzt:
- Gunther Latsch, Jürgen Dahlkamp, Jörg Schmitt, JW: Die faulen Ausreden des DFB
Ein zweiter geht gleich online oder im Laufe des Abends. Der ist mir ein bisschen ans Herz gewachsen, weil er mit langem Aktenstudium verbunden war.
Meine UEFA-Vorwahl-Analyse auf SPON:
Alte Seilschaften, neuer Präsident
Die Wahl von Aleksander Ceferin zum neuen Uefa-Präsidenten gilt als sicher. Trotz der Skandale hat sich im Machtzentrum des europäischen Fußballs wenig geändert – und der DFB spielt eine zweifelhafte Rolle.
Der Umwälzungsprozess im Weltfußball hat bislang Dutzende Top-Funktionäre aus den Ämtern gespült – Europa blieb davon bisher weitgehend verschont. Im Vorfeld des 12. Außerordentlichen Uefa-Kongresses war daher auch bestens zu beobachten, wie wenig sich in der Europäischen Fußball-Union geändert hat.
Am heutigen Mittwoch wird nun also im Grand Resort Lagonissi Hotel nahe der griechischen Hauptstadt Athen der achte Präsident in der Geschichte des Verbands gewählt. Die Frage lautet längst nicht mehr, wer Präsident wird, sondern lediglich, wie hoch der Slowene Aleksander Ceferin den Niederländer Michael van Praag besiegt. Doch nur 40:15 oder gar mit knapp 50 Stimmen der Uefa-Mitgliedsländer?
Der ungleiche Kampf zwischen dem 48-jährigen Ceferin und van Praag, 68, ist allerdings keine Auseinandersetzung zwischen Alt und Jung, wie er von manchen Lobbyisten aus dem Uefa-Business gemacht wird. Wobei van Praag ohnehin nicht für das alte System steht, sondern viel eher für Erneuerung und Transparenz. Ceferin wiederum vertritt als kometenartiger Aufsteiger der Saison die alten, nach wie vor dominierenden Seilschaften.
Nun darf auch noch Michel Platini in Griechenland vorbeischauen, der ehemalige Präsident, der wegen einer korruptionsverdächtigen Millionenzahlung vier Jahre gesperrt ist. Die rechtsprechende Kammer der Fifa-Ethikkommission unter dem deutschen Richter Hans-Joachim Eckert hat ihm einen Auftritt in Lagonissi angeblich aus „humanitären Gründen“ erlaubt.
Vielleicht spricht Platini vor dem Wahlkongress gar keine Abschiedsworte, sondern gibt ein Versprechen ab. Das Versprechen, dass er nach seiner Sperre – die nicht wirklich eine ist – auf die große Bühne zurückkehrt. Sein designierter Nachfolger Ceferin jedenfalls wird exakt von jener Fraktion gemacht und protegiert, die schon Platini, den ehemaligen Weltfußballer, 2007 auf dem Uefa-Kongress in Düsseldorf, ins Amt bugsierte.
Russische Funktionäre entscheiden darüber, sie haben mehr als ein Dutzend osteuropäischer Verbände im Schlepptau. Von den ganz großen Verbänden stimmen auch die Franzosen, Portugiesen und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) für den Rechtsanwalt Ceferin, der weder ein überzeugendes Programm vorzuweisen hat, noch eine beeindruckende Vita als Fußballfunktionär neuen Typs.
Ceferin steht für das alte System, das belegten die vergangenen Wochen mit den vielen Geschichten über Wahlabsprachen und Hinterzimmer-Deals, vorzugsweise eingefädelt von Russlands Sportminister, Fifa-Councilmitglied und Fußballverbandschef Witali Mutko. Ceferin streitet alles ab und tut so, als sei er Opfer der Verschwörung westlicher Medien. Der gesamte Wahlkampf lässt sich im Grunde auf eine Aussage von Mutko reduzieren. Man wolle Ceferins Gegenspieler Michael van Praag verhindern, weil der holländische Verbandschef mit seinem Eintreten für Transparenz und einem neuen Geschäftsklima einen Keil in die Fußballfamilie getrieben habe.
Mutko. Platini. Ceferin. Und Fifa-Präsident Gianni Infantino mischt auch kräftig mit: Dessen frisch verpflichteter Berater Kjetil Siem, ein Norweger, hat für Ceferin aktiv Wahlkampf betrieben. Und der DFB agiert wieder einmal auf der Seite jener, die das alte System vertreten und verteidigen. Alles wie gehabt also in der Uefa. Wenn der neue DFB-Präsident Reinhard Grindel nun in Griechenland Äußerungen von sich gibt, die als Kritik am Auftritt von Platini interpretiert werden, ist das wenig ernst zu nehmen. Es entscheiden Taten, nicht Worte.
Der DFB und Grindel hätten Zeichen für eine Erneuerung setzen können. Sie haben es nicht getan, so wie es ihre Vorgänger nicht getan haben. Der suspendierte Wolfgang Niersbach – ehemals DFB-Präsident sowie Vorstand in der Uefa und im Weltverband Fifa – ist stets auf dem Platini-Zug mitgefahren. Platini hatte 2016 Fifa-Präsident werden wollen, für Niersbach schien der Weg auf den Uefa-Thron geebnet. Es kam etwas anders.
Die Novizen Grindel und Friedrich Curtius, von den Sommermärchen-Enthüllungen des SPIEGEL in die Positionen als Präsident und Generalsekretär des DFB gespült, werden seit Monaten auf internationalem Parkett belächelt. Naiv seien sie, sagen Uefa-Delegierte. Zu offensichtlich haben sie ihr Hauptanliegen vertreten, die Bewerbung für die Europameisterschaft 2024. Sie waren deshalb eine leichte Beute für die mit allen Wassern gewaschenen Vollprofis um Witali Mutko.
Da können die Deutschen hundertmal beteuern, die Entscheidung für den Kandidaten Ceferin sei aus sportfachlichen Erwägungen getroffen worden. Dem Ceferin-Herausforderer van Praag hat Grindel allerdings auch persönlich gesagt, dass die EM-Bewerbung höchste Priorität habe. Dabei erhofft man sich eben auch die Unterstützung der Russen. Warum eigentlich, wo Deutschland bislang allein auf weiter Flur ist und nicht einmal einen Gegenkandidaten für die EM 2024 hat?
Ausgerechnet die Russen, die mit ihrem von Mutko mit initiierten Staatsdopingsystem die Sportwelt in Atem halten, die zudem verdächtigt werden, die WM 2018 gekauft zu haben, weshalb die Schweizer Bundesanwaltschaft ermittelt. Diese Konstellation bleibt brisant. Muss der DFB doch demnächst im politischen Berlin die üblichen Staatsbürgschaften und Unterstützungspakete aus Steuermitteln akquirieren.
Beim Uefa-Kongress sollte es eigentlich „um die Programme der Kandidaten gehen und um deren Reputation“, hat van Praag gesagt. Stattdessen entscheiden alte und frisch geknüpfte neue Seilschaften. Die Dominanz der Russen-Fraktion um Witali Mutko hält der Holländer für ein „katastrophales Zeichen“. Van Praag sagt: „Das ist schlimm. Es sollte nicht so sein, dass eine Regierung bei Wahlen in Sportverbänden so großen Einfluss hat. Was die Uefa braucht, ist die totale Transparenz, nicht nur in finanziellen Dingen.“ Die Transparenzfrage aber wurde, in guter alter Uefa-Tradition, auf unbestimmte Zeit verschoben.
Aktueller Text zur Ceferin-Wahl:
Der Slowene Aleksander Ceferin ist am Mittwoch in Athen erwartungsgemäß zum Präsidenten der Europäischen Fußball-Union (UEFA) gewählt worden. 42 der komplett vertretenen 55 Nationalverbände stimmten für Ceferin, darunter auch der in der WM-2006-Affäre einmal mehr in Negativ-Schlagzeilen geratene Deutsche Fußball-Bund (DFB). Ceferins Herausforderer Michael van Praag erhielt dreizehn Stimmen, darunter die des englischen Verbandes FA und Belgiens, und durfte sogar zufrieden damit sein. Ein Ergebnis von 50:5 oder höher hätte niemanden verwundert, zu gewaltig waren die Fliehkräfte hinter dem bis vor kurzem international nahezu unbekannten Ceferin.
Vor allem die Russen mit ihrem Sportminister Witali Mutko hatten nachweislich für den Senkrechtstarter lobbyiert und wollten den partiell durchaus aufmüpfigen Holländer van Praag verhindern. Ceferin verunglimpfte bestens belegte Medienberichte etwa über ein Treffen in Moskau mit mehr als einem Dutzend Nationalverbänden nach seiner Wahl einmal mehr als „Lügen“ und „Träume von Journalisten“. In seiner viertelstündigen Präsentation vor dem Kongress hatte er seinen 20 Jahre älteren Widersacher van Praag konsequent attackiert und einmal mehr an die Unterstützung der kleinen und mittleren Nationen appelliert. Er sei mit fast 50 Jahren Lebenserfahrung reif und gut genug für diesen Job, der ihm auch die Mitgliedschaft im Council des Weltverbandes FIFA, die FIFA-Vizepräsidentschaft und von beiden Verbänden zunächst einmal mindestens 500.000 Dollar Aufwandsentschädigung jährlich einbringt. „Mein kleines Slowenien ist stolz auf mich, meine Familie ist stolz auf mich, und ich hoffe, dass auch sie eines Tages stolz auf mich sein werden“, sagte Ceferin.
Mit 48 Jahren ist der Anwalt aus Ljubljana, dessen Kanzlei traditionell beste Beziehungen nach Russland unterhält, einer der jüngsten Präsidenten eines internationalen Sportverbandes. Er ist zunächst bis zum ordentlichen UEFA-Kongress 2019 gewählt und muss sich dort seiner Wiederwahl stellen. Ceferins Förderer, der langjährige UEFA-Generalsekretär und heutige FIFA-Präsident Gianni Infantino, ist sogar noch zwei Jahre jünger. Die UEFA ist neben dem Fußball-Weltverband FIFA und dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) die umsatzstärkste Föderation überhaupt. Im aktuellen Finanzbericht werden Erlöse von mehr als zwei Milliarden Euro für die Saison 2014/15 bilanziert. Das ergibt im Vierjahresturnus rund acht Milliarden Euro – die FIFA und das IOC setzen derzeit in ihren Vierjahreszyklen jeweils etwa fünfeinhalb Milliarden Dollar um. Gleichzeitig bleibt die UEFA mit ihren Statuten in den wichtigen Fragen Transparenz und gute Unternehmensführung weit hinter der FIFA, dem IOC und vielen anderen internationalen Verbänden zurück. Infantino hatte einst als rechte Hand des wegen korruptionsverdächtiger Millionenzahlungen gesperrten einstigen UEFA-Präsidenten Michel Platini wichtige Reformen nachweislich verhindert.
Zu den Absurditäten des 12. Außerordentlichen UEFA-Kongresses in Griechenland gehörte der Auftritt von Platini, der 2007 von den meisten jener Verbände zum Präsidenten gekürt wurde, die nun Ceferin wählten. Platini erklärte, er habe ein reines Gewissen und sei überzeugt, „keinen einzigen Fehler gemacht zu haben“. Er werde weiter gegen seine vierjährige Sperre kämpfen. Interims-Präsident Ángel María Villar Llona aus Spanien, der von seiner Kandidatur zurückgetreten war und sich am Donnerstag in seiner Heimat in einer verbandsrechtlichen Frage vor Gericht verantworten muss, lobte Platini in den höchsten Tönen. Ceferin war da zurückhaltender. Es sei eine neue Ära angebrochen, sagte er.
Der von Russlands Sportminister und FIFA-Vorstandsmitglied Mutko unterstützte Ceferin behauptete sogar, politische Einflussnahme habe im Verbandsfußball ebenso wenig zu suchen wie Intrigen und Verschwörungen. „Ich will nicht in einem Reich der Angst leben“, sagte Ceferin. Auf die Frage, wie er Michael van Praag künftig in die UEFA einbinde, antwortete er auf der Pressekonferenz noch einsilbiger als gewöhnlich. Die Richtung gab er allerdings schon vor, die scheint kompatibel mit dem Wunsch Witali Mutkos, van Praag aus der Führungsebene zu verbannen: „Es ist zu früh zu sagen, wer in der UEFA künftig was machen wird“, erklärte Ceferin.
Die heiß umstrittene Reform der Champions League versprach Ceferin zu überarbeiten, blieb aber auch da sehr vage. Europas neuer Fußballboss mit wundersamen Beziehungen machte am Mittwoch nur einen Fehler, den konnte er lässig verschmerzen. In seiner Rede sagte er, die UEFA wähle ihren siebenten Präsidenten. Aleksander Ceferin ist allerdings der achte.
@jens
da du hier ja offenbar den popkulturellen part zu unterschlagen gedenkst, ergänze ich mal:
als deutscher patriot fällt die entscheidung pro ceferin da natürlich leicht. die scorpions! vermutlich war das zitieren der scorpions sogar eine bedingung des dfb(-präsidenten — kommt der nicht sogar aus dem großraum hannover?!) für die unterstützung. ;-)
WZ-Kommentar von Harald Pistorius: Gute Freunde kann niemand trennen…
@ cf: Popkultur wird völlig überschätzt. Weißt Du doch. Da ich Dir andererseits keinen Wunsch ausschlagen kann und darf, wurden Deine Tweets in den Beitrag eingebaut.
Ich überlege gerade wie das in meine Theorie passt, dass der gesamte Komplex „Kauf der WM 2006“ überhaupt so verworren ist und aufgeflogen ist, weil einige unvorhergesehene Dinge passiert sind, etwa der FIFA-Wahlkampf 2002, der Tod von Louis-Dreyfus. Danach musste man Pläne umstricken. Es passt aber trotzdem in das Gesamtbild.
Ich vermute das der/die Sponsoren- und Werbe-Deal(s) zwischen WM-Sponsoren und Beckenbauer schon 2000 geplant waren um graue Zahlungen in einem Strom von grundsätzlich legalen Berater- und Sponsoring-Verträgen untergehen zu lassen. Jetzt von „Vergütung“ zu reden kann PR sein, weil man glaubt damit besser zu fahren als zu sagen, hey wir haben
bestochenVorteile gewährt, aber das war bis 2002 in Deutschland und der Schweiz legal.Das der DFB die Steuern nicht abgeführt hat, sondern zunächst Beckenbauer als Steuerschuldner sah, ist verständlich. §50a EStG und Steuer-Abkommen lassen da Spielraum zu.
Florian Bauer für sport inside (11.09.): Keine gute Wahl
Gunther Latsch im SpOn-Video: „Der Wille zur bösen Tat ist eindeutig“
SZ: Anwälte verteidigen 5,5-Millionen-Zahlung an Beckenbauer
Johannes Aumüller und Thomas Kistner in der SZ: Des Kaisers Ehrenamt
Uli Hesse für 11freunde.de: »How the mighty have fallen« – Was passiert jetzt mit Franz Beckenbauer?
Michael Horeni in der FAZ: Des Kaisers wahre Kleider
SZ-Kommentar von Lothar Müller: Luftgeist Beckenbauer erreicht den Boden
SZ-Kommentar von Thomas Kistner: Das Kreuz mit der Selbstaufklärung im Sport
Johannes Aumüller und Thomas Kistner in der SZ: Brisante Widersprüche in der Causa Beckenbauer
Lars Wallrodt für die Welt: Das edle Bild vom Heiligen Franz ist endgültig zerstört
Mario Stäuble und Thomas Knellwolf im Tages-Anzeiger (01.09.): Dieser Mann verschaffte Beckenbauer Fifa-Millionen
ZDF-Video: Bleibt bei der UEFA alles beim Alten?
Was ist nun dran an den WADA Leaks?
@Walter
Mit dem lupenreinen neuen UEFA-Chef und dem kaiserlichen Ehrenamtler hat es zwar nicht so viel zu tun, aber…
Nunja, die Antwort darauf muss wohl zweiteilig ausfallen — rein inhaltlich scheinen die Dokumente ja authentisch und insofern „wahr“ zu sein. Zumindest ist mir jetzt nicht bekannt, dass einer der betroffenen Athleten den Inhalt bestritten hätte. Robert Harting twitterte ja sinngemäß, dass er ohnehin dafür wäre, dass die TUEs veröffentlicht werden. Auch Simone Biles bestätigte ja wohl die Medikation.
Eine ganz andere Frage ist aber, was das nun bedeutet. Und hier muss man sagen, dass zumindest der von den Hackern kommunizierte Spin — „Da! Vertuschung! Alle gedopt!“ — so natürlich Quatsch ist. Denn es handelt sich, nach allem was man bislang weiß, nicht um geheimnisvoll vertuschte Dopingfälle, sondern um formal korrekt beantragte medizinische Ausnahmegenehmigungen (TUEs eben).
Und auch wenn es müßig ist, darüber zu sinnieren, ob die Hacker nun tatsächlich aus Russland kommen, so liegt doch zumindest die betriebene Relativierung des russischen Staatsdopings rein faktisch stramm auf „Kreml-Linie“.
Aber immerhin werfen die Leaks ein Schlaglicht auf die Schattenwelt der TUEs. Dass da wohl manches im Argen liegt, ist jetzt aber auch keine Sensation — die großen Erfolge der Asthmatiker-Fraktion in Schwimmbecken und Langlaufloipe sind ja quasi schon legendär. Insofern wäre es schon
wünschenswerthöchst angebracht, wenn die Verantwortlichen da zukünftig erstens endlich genauer hinschauen und zweitens für mehr Transparenz würden. Um zumindest die eklatantesten Auswüchse in den Griff zu kriegen.In diesem Zusammenhang sicher auch interessant, was Jörg Jaksche in einem längeren Interview auf cyclingtips.com sagt…
Und als Zugabe noch das Gespräch mit dem Sportmediziner Jeroen Swart zum selben Thema (Team Sky/Bradley Wiggins/TUE):
Michael Ashelm in der FAZ: Geheimzahlungen der Uefa an Platini
Soho… Josimar hat in Sachen Čeferin nochmal nachgelegt und ist auf einen Millionen-Kredit der UEFA an den slowenischen Verband gestoßen, der mit dem Geld offenbar den slowenischen Fußball gefördert hat, indem er Anteile an einer Sportlotterie kaufte:
Was the UEFA loan spent on the stock market?
Sehr souverän auch die nachgetragene Reaktion des slowenischen Verbands auf die Bitte von Josimar um Stellungnahme:
An dem Kredit war neben Čeferin und dem damaligen UEFA-General Infantino u.a. auch Marios Lefkaritis als Chef der UEFA-Finanzkomission maßgeblich beteiligt…
(Aber nicht erschrecken — der ‚Daily Mail‘-Artikel zu den lupenreinen Grundstücksgeschäften von Herrn Lefkaritis ist natürlich ein ganz alter Hut aus dem Oktober 2013)
Allerdings sollte den Leuten bei Josimar mal jemand möglichst schonend beibringen, dass wir die Jahrtausendwende jetzt doch schon eine ganze Weile hinter uns haben…
Und es mag zwar irgendwie ganz
sympathischbodenständig wirken, dass sie sich offenbar allein auf ihre journalistische Arbeit konzentrieren und ihr Geld nicht für so Technik-Gedöns-Personal vergeuden wollen — aber dass sie sich nun ausgerechnet das vermutlich weltweit einzige WordPress-Theme aussuchen mussten, dass konsequent kein Veröffentlichungsdatum anzeigt…Da wundert es mich fast, dass sie nicht auf ‚Comic Sans‘ als Schriftart setzen. Dilettanten!
Jürgen Ahäuser in der FR: „Spielen’s Lotto“: der Beckenbauer-Flop
Die inniglichen Kuschelbeziehungen zwischen DFB und Wettbranche/Oddset waren ja schon mal 2014 ein Thema — zumindest in einigen Medien. Als man an der Otto-Fleck-Einflugsschneise für Skandälchen nämlich die von der linientreuen Fifa geforderte Ethikkommission für Nationalverbände ablehnte.
https://www.welt.de/print/wams/sport/article126354203/Ohrfeigen-fuer-Reformer.html
Von Kalle Rothmund war damals nach dem Spiegel-Schreck ja auch wieder zu lesen.
http://www.kicker.de/news/fussball/wm/startseite/643507/artikel_rothmund-verharmlost-wm-affaere.html
Hier sind noch so einige „Sachen voranzubringen“™.
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sid: bild: Radmann kassierte drei Millionen für Tätigkeit im WM-OK
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