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Das Olympische Bildungsmagazin

Handball-WM im Sponsoren-Fernsehen: es bleibt alles in der Familie

Ich bin seit jeher der Meinung, dass es sich am Original besser diskutiert. Handballdeutschland debattiert seit einigen Tagen vehement die Frage, warum die Weltmeisterschaft 2017, die kommenden Mittwoch beim zweimaligen Olympiasieger Frankreich beginnt, wie schon die Weltmeisterschaft 2015 nicht im sogenannten frei empfangbaren Fernsehen zu sehen ist. 2015, als Katar Gastgeber war, auf wundersame Weise ins Finale kam, der Emir (im weitesten Sinne, es ist alles Emir Tamim, denn Katar ist eine Erbmonarchie) die Reisen vieler Hundert Journalisten bezahlte und tausende Fans aushielt, 2015 also – war das (fast) genauso.

Zur Erinnerung an die damalige WM, wie heute auch ein Thema des Journalismus:

Für die WM 2015 sprangen ARD und ZDF einige Wochen zuvor ab. Kurz vor WM-Beginn schnappte Sky zu. Diesmal wollten ARD und ZDF wegen der Satelliten-Restriktionen des Rechtemaklers beIN SPORTS wieder nicht. Auch Sky mochte nicht. DAZN stieg ebenfalls aus. Und es kam zum bemerkenswerten Deal, eingefädelt von Jung von Matt/sports, dass die DKB Bank AG, Premium-Partner des DHB und Titelsponsor der Männer-Bundesliga, große Teile der WM auf ihrer Webseite überträgt.

Das ist eine neue Qualität, zum ersten Mal übernehme ein Sponsor die Berichterstattung von einem derartigen Großereignis, heißt es nun nahezu flächendeckend.

Der Journalismus sei in Gefahr, wird behauptet.

Dazu vorerst zwei Anmerkungen:

1) Die ganz große Nummer: Schon mal was von NBCUniversal gehört? NBC hat seit 1964 (zunächst mit Unterbrechungen, ab 2000 durchweg) bis 2032 knapp 19 Milliarden Dollar für olympische Übertragungsrechte an das IOC gezahlt – das sind etwa 45 Prozent aller Marketingeinnahmen in der Geschichte des IOC. Zeitweise war die damalige Mutterfirma General Electric auch einer der TOP-Sponsoren des IOC. Da ist und war alles eins, Sponsor, Medienhaus und, sorry: Journalismus. Da wird mindestens bis 2032 alles eins bleiben.

2) Im Handballbusiness ist das grundsätzlich so eine Sache mit dem Journalismus, das hat Katar vor zwei Jahren grandios bewiesen (nochmals der Link von oben). Zum anderen muss man nur mal regelmäßig Handball-Übertragungen auf diversen Sendern schauen oder sich mal auf die Presseplätze eines Bundesliga-, Pokal-, oder Champions-League-Spiels setzen – die sogenannte unabhängige Berichterstattung ist quasi ständig in Gefahr. DKB-TV bei der WM 2017 kann nicht viel schlimmer sein. Schaun mer mal. Bleibt einem ja kaum etwas anderes übrig.

Ein Blick zurück lohnt sich immer. Deshalb habe ich mir mal die Minutes der Council-Sitzungen der vom dubiosen Pharao Hassan Moustafa mit eiserner Hand geführten IHF angesehen und darüber für Spiegel Online gestern ein Textlein gedichtet, das es hier wie meistens kolossal erweitert, verlinkt und mit Dokumenten versehen gibt – wir sind schon mittendrin.

Natürlich ist das Problem hausgemacht, es ist ein Problem der Handballfamilie, wie der Pharao gern sagt. Hören Sie, ein Klassiker:

:

Insofern ist die Empörung der DHB-Führung ziemlich scheinheilig. Der DHB paktiert traditionell und in verschiedenen Führungsteams mit Hassan Moustafa. Gab es je Ausnahmen? Wenn man es nicht besser drauf hat, dann muss man mit dieser Situation leben, sollte aber nicht irreführend nach der Politik rufen und/oder die öffentlich-rechtlichen Anstalten öffentlich unter Druck setzen.

Unter den 40 olympischen Weltverbänden (es müssten 40 sein, wenn ich die fünf neuen Sportarten für Tokio 2020 mitzähle) ist die IHF nach wie vor eine der rückständigsten und total undurchsichtigen Föderationen. Die Steigbügelhalter des Hassan Moustafa sind – auf der großen Ebene – die Sport-Aristrokraten des Emirs von Katar und, seit Ewigkeiten, Scheich Ahmad Al-Fahad Al-Sabah aus Kuwait. Das Haus Adidas und der DHB zählen ebenfalls zu den wichtigsten – auf kleinerer Ebene – Unterstützern des verrufenen Ägypters.

Pharao Hassan Moustafa, DHB-Präsident Andreas Michelmann

Die Handballfamilie: Pharao Hassan Moustafa, DHB-Präsident Andreas Michelmann

Vieles davon kann man hier im Blog nachlesen (tag: Hassan Moustafa), etwa in Texten meines Freundes Christer Ahl, des ehemaligen IHF-Schiedsrichterwarts. Das war meine vorerst letzte Begegnung mit dem Pharao im Sommer in Rio de Janeiro, als er mich im Deutschen Haus in Gegenwart der geradezu unterwürfigen DHB-Funktionäre Andreas Michelmann (Präsident) und Bob Hanning (Vizepräsident) anfuhr, ich solle das Maul halten.

Christer Ahl hat mal eine schöne Überschrift für einen seiner Texte und Vorträge gewählt: „Hassan Moustafa and the priority of personal enrichment.“

Kommt das nicht auch den Vorgängen um den Vertrag mit dem Rechtehändler beIN SPORTS aus Katar nahe?

Schauen wir uns den Vorgang etwas näher an.

Der Fernsehvertrag, über den Handball-Deutschland immer wieder entgeistert debattiert, wurde am 21. Dezember 2013 beschlossen. Auf der Councilsitzung des Weltverbandes IHF in Belgrad, am vorletzten Tag der Frauen-WM, stellte unter Tagesordnungspunkt 4.1.2 zunächst IHF-Marketingchef Luc Weber die vier Offerten für den WM-Zyklus 2015-2017 vor, der je zwei Frauen- und zwei Männer-Weltmeisterschaften beinhaltete.

(#Handballfamilie #Sportfamilie #Familienbande: Luc Weber ist der Sohn des hier im Blog bestens bekannten Jean-Marie Weber, einst Kassenwart von Horst Dassler und Schmiergeldzahler der ISL-Gruppe in einem der größten und nachhaltigsten Korruptionssysteme der Sportgeschichte.)

Die Europäische Rundfunkunion (EBU), der ARD und ZDF angehören, war aus dem kruden Bieterprozess beizeiten ausgestiegen. Die Rechte waren nicht in einem transparenten Wettbewerb ausgeschrieben worden, stattdessen hatte des IHF-Exekutivkomitee lediglich ausgewählte Rechtehändler angefragt. Weber legte nun die Gebote dar:

  • UFA Sports war bereit 62 Millionen Schweizer Franken Lizenzgebühr und 8 Millionen für Produktionskosten zu zahlen.
  • Sportfive bot zunächst 52,75 Millionen CHF, dann nur noch 41,5 Mio für die Rechte.
  • Infront, geführt von Joseph Blatters Neffen Philippe Blatter, bot 46 Millionen (plus 12 Mio Produktion).
  • Das vierte Angebot kam von Al Jazeera, Staatssender aus Katar, wo gerade der IHF-Kongress stattgefunden hatte: 88 Millionen Franken Lizenzen und 12 Millionen Produktionskosten – insgesamt 100 Millionen Franken. (Aus den Al Jazeera Sportkanälen wurde ab Januar 2014 beIN SPORTS, deren Holding wiederum die beIN MEDIA GROUP ist.)

Im Original:

President Moustafa gave the floor to Mr Weber from the IHF Marketing Department who presented to the Council the IHF marketing income of 2013 amounting to 3.5 million EUR for both senior world championships (2 million EUR for Men’s WCh in Spain and 1.5 million EUR for Women’s WCh in Serbia).

As for the TV rights, Mr Weber informed the Council that the current contract with UFA Sports (fee of 52 million CHF + 8 million CHF for production) will end on 31 December 2013.

He outlined that for the new TV rights contract, no classic tender process was effected as per the IHF Council decision made in Barcelona on 26 January 2013, according to which the Executive Committee was authorized to start investigating the value of handball and to present the best possible offer for the TV rights (2014-2017) to the Council for decision.

Therefore several partners were invited to tender for the four senior events during the four-year period 2014-2017 (2015 Men’s WCh in Qatar & 2015 Women’s WCh in Denmark, 2017 Men’s WCh in France & 2017 Women’s WCh in Germany).

He reported that the following offers had been received, explaining that several companies also submitted offers for 1.5 cycles (2015-2017 + 2019) and 2 cycles (2015-2017, 2019-2021), but that only one-cycle offers shall be taken into consideration in order to give the future Council the freedom to decide on the TV rights holder of the next period. He added that one offer from EBU had been withdrawn.

Nachdem Weber die Grobdaten verkündet hatte, klärte IHF-Präsident Hassan Moustafa das Procedere.

Das Council solle sofort über den neuen TV-Partner entscheiden. Die Details würden später verhandelt, nachdem er gemeinsam mit Schatzmeister Sandi Sola aus Kroatien den Vertrag mit den Kataris unterschrieben habe.

Der Franzose Jean Brihault fragte kurz nach, ob es nicht besser wäre, wenn man jetzt in die Details ginge, um genau zu wissen, worüber man eigentlich abstimme und was das für Auswirkungen auf die TV-Übertragungen der vier Weltmeisterschaften habe.

Darauf ging Moustafa gemäß Protokoll nicht ein.

Protokoll der IHF-Councilsitzung vom Dezember 2013: Es musste schnell gehen, das märchenhafte Angebot aus Katar wurde akzeptiert, ohne Vertragsdetails ausgearbeitet zu haben, die bis heute Handballdeutschland beschäftigen.

Protokoll IHF-Council vom 21.12.2013

Es wurde sofort abgestimmt.

Moustafa enthielt sich offiziell der Stimme, klassischer Brauch unter Sport-Despoten (so wie Blatter, Bach, Samaranch et al), denn es war alles vorbereitet:

Al Jazeera erhielt mit 16:0 Stimmen die TV-Rechte.

Wenige Minuten später ließ Moustafa einem seiner treuen Gefährten, dem gerade ins Council gewählten Slowaken Frantisek Taborsky, eine jährliche Apanage für das Ehrenamt in Höhe von 50.000 Franken zuschustern. Dann war es an Moustafas langjährigen engsten Verbündeten Miguel Roca Mas aus Spanien, dem Präsidenten zu danken: Weil Moustafa diesen grandiosen Vertrag mit Al Jazeera vorbereitet hatte, sollte er eine saftige Gehaltserhöhung bekommen. Bis dahin erhielt Moustafa mindestens 500.000 Franken jährlich, nebst dubioser Geheimverträge als Lobbyist in Höhe von 602.000 Euro wie einst mit Sportfive (SPIEGEL: „Moustafa hatte Geheimvertrag mit Vermarktungsagentur“).

Jetzt genehmigten ihm die Kameraden einen Aufschlag in angeblich sechsstelliger Höhe. Wie viel genau Moustafa mittlerweile in und an der IHF verdient, weiß man nicht.

Geschäftsgeheimnis.

Das Sitzungsprotokoll hält die Dankesworte des Ägypters fest: Er mache es nicht des Geldes wegen, sagte Moustafa, „sondern aus Liebe zum Handball und für unsere Handballfamilie“.

Natürlich.

Protokoll IHF-Council vom 21.12.2013

Die IHF-Propagandaabteilung zitierte Moustafa anschließend mit den Worten: Die IHF sei in „Ländern wie Pakistan, Indien, den USA, Kanada, China oder Australien noch schwach. beIN hat dort Kanäle und kann alle Haushalte erreichen.“ Dafür erreichte die IHF in einem Kernmarkt wie Deutschland bei der WM 2015 in Katar kaum noch Zuschauer, als das Turnier beim Bezahlsender Sky nur von einigen Hunderttausend Menschen verfolgt wurde – anders als bei der Europameisterschaft 2016, als knapp 13 Millionen in der ARD das Finale Deutschland gegen Spanien sahen.

Nun ist wieder WM, und es wiederholt sich die Diskussion aus dem Jahr 2015. Mit dem Unterschied, dass diesmal auch Sky ausstieg und die WM nur auf der Internetseite der DKB zu sehen sein wird.

Als Vorsitzender der Schiedsrichterkommission war der deutsche Funktionär Manfred Prause bei jenem Council-Meeting im Dezember 2013 zugegen. Der Offenburger Prause, der auch bei der am Mittwoch beginnenden WM als Oberschiedsrichter tätig ist, erinnert sich am Telefon nur vage an die Sitzung in Belgrad. „Der Vertrag wurde in den Grundzügen vorgestellt“, sagt Prause, „aber die Details handelt doch der Präsident aus.“ Auf die Frage, ob damals klar gewesen sei, was dieser Vertrag für die verschiedenen Märkte und Nationen bedeute, antwortete Prause kurz und entschieden: „Nein. Definitiv nicht.“

Inzwischen zählt die beIN MEDIA GROUP zu den größten TV-Sportrechtehändlern der Welt. Die Erbmonarchie Katar, deren Emir Tamim Bin Hamad Al-Thani auch dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) angehört, beherrscht mit ihren Milliarden und Firmen wie beIN weite Teile des Weltsports. Katars Rechtedealer beIN ist, anders als normale Rechtehändler, nicht auf den Weiterverkauf der TV-Pakete angewiesen. 100 Millionen mehr oder weniger sind Spielgeld, Peanuts. So erklären sich die erstaunten Reaktionen diverser deutscher TV-Sender, die allesamt über die Arroganz der Kataris und deren monatelanges Schweigen klagen. BeIN lässt sich keine Zugeständnisse abringen. Wenn beIN dekretiert, dass TV-Signale für Satelliten-Kunden verschlüsselt werden müssen, dann wird daran nicht gerüttelt. Für ARD und ZDF war das, 2015 und 2017, das Ausstiegskriterium.

Den Deutschen kamen Hassan Moustafa und seine Freunde aus Katar nur insoweit entgegen, als dass sie ihnen im Herbst 2014 eine Wildcard für die WM 2015 in Katar zuschusterten; jener WM, die den Aufstieg der Nationalmannschaft unter dem Trainer Dagur Sigurdsson begründete. Sportlich hatte die DHB-Auswahl die Qualifikation verpasst. Also ließ Hassan Moustafa Australien, das qualifiziert war, von der Teilnehmerliste streichen und bediente Deutschland, weil das ja angeblich die TV-Präsenz stärken würde.

Inhaltlich hat sich in der TV-Diskussion um die WM 2015 und 2017 kaum etwas geändert. Damals war der DHB-Präsident Bernhard Bauer „massiv enttäuscht und geschockt“. Sein Nachfolger Andreas Michelmann sagt diesmal: „Das ist wirklich ein Ärgernis.“

Gelegentlich verlangt der DHB-Lobbyist im Bundestag, Frank Steffel (CDU), auch Präsident des Bundesligisten Füchse Berlin, Handball solle in die sogenannte TV-Schutzliste eingetragen werden. Paragraf 4 des Rundfunkstaatsvertrages hält fest, welche Sport-Großereignisse „von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung“ im frei empfangbaren Fernsehen gezeigt werden müssen und nicht im Bezahlfernsehen verschwinden dürfen: Olympische Spiele (Sommer und Winter) sowie bei Fußball-Welt- und Europameisterschaften alle Spiele mit deutscher Beteiligung, die Eröffnungsspiele, die Halbfinals und die Finals. Außerdem alle Heim- und Auswärtsspiele der Fußball-Nationalmannschaft, die Endspiele im DFB-Pokal sowie in der Champions League und der Europa League mit deutscher Beteiligung.

Diese Schutzliste wurde übrigens Gesetzestext, nachdem 1996 der damalige FIFA-Generalsekretär Joseph Blatter gemeinsam mit dem Schmiergeldempfänger Havelange, damals FIFA-Präsident, beim Wettbewerb um die WM-Fernsehrechte 2002 und 2006 Mitbewerber zugunsten der ISL-Gruppe und des Kirch-Konzerns ausgetrickst hatten. In Deutschland fürchtete man damals, die Fußball-Weltmeisterschaften würden im Bezahlfernsehen verschwinden. Ich habe das 1998 im Buch „Das Milliardenspiel“ gemeinsam mit Thomas Kistner exklusiv aufgedröselt. Wer mag, hier im Blog: Kleiner Rückblick: Sepp Blatter, die milliardenschweren TV-Rechte, Leo Kirch und die ISL.

Vieles an den Vorgängen in der IHF, vor allem auf der entscheidenden Sitzung, erinnert mich an die Vorgänge damals in der FIFA.

Außer dem Fußball ist keine Sportart gesondert in der Liste. Andererseits sind alle derzeit 40 olympischen Sportarten dabei – allerdings nur jeweils bei Olympischen Spielen. Und DHB und DOSB erklärten schon vor zwei Jahren, sie hielten nichts davon, Handball in die TV-Schutzliste aufzunehmen. Hassan Moustafa, der wie kaum eine andere Person von dem umstrittenen TV-Deal mit Al Jazeera/beIN SPORTS profitiert hat, spielt sogar den großen Politiker. Im vergangenen Jahr behauptete er mehrfach, er habe einen Brief an Angela Merkel geschrieben und um Unterstützung gebeten. Die Bundeskanzlerin habe geantwortet, dass sie sich nicht einmischen werde.

Jenseits gelegentlicher verbaler Ausbrüche fährt die DHB-Führung ohnehin einen Schmusekurs zum IHF-Pharao. Weder auf dem Kongress 2015 in Sotschi noch auf Council-Sitzungen wurde die TV-Frage thematisiert.

Man will es sich mit Moustafa nicht verderben: Im Dezember findet in Deutschland die Frauen-WM statt.

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Nachtrag am 17. Januar 2017, 13.54 Uhr: Gerade hat die IHF eine lange Stellungnahme veröffentlicht. Alles nur Missverständnisse und böse Unterstellungen und Unwissenheit in den deutschen Medien.

Was aber meint die IHF bzw was meint der Pharao mit „inakzeptablen, rufschädigenden Unterstellungen, die jeglicher Realität entbehren“?

Im Original:

Pressemitteilung der Internationalen Handball Federation zur Berichterstattung in deutschen Medien über die Handball-Weltmeisterschaft in Frankreich

Basel, 17.01.2017. Wie weithin bekannt, ist die deutsche Medienwelt im Allgemeinen gut informiert und verbreitet Informationen in entsprechender Form. Im Hinblick auf die Handball- Weltmeisterschaft 2017 in Frankreich wurden der deutschen Öffentlichkeit allerdings wesentliche Umstände der Vergabe der TV-Rechte falsch kommuniziert. Ohne die tatsächlichen Sachverhalte in Erfahrung zu bringen, ohne die IHF oder beIN Sports zu befragen, das heißt ohne Recherche und grundlegendes Wissen, wird die Fernsehkooperation zwischen der IHF und beIN Sports als ein aus vermeintlichen persönlichen, insbesondere finanziellen Interessen entstandener Handel, einhergehend mit z.T. inakzeptablen, rufschädigenden Unterstellungen, die jeglicher Realität entbehren, dargestellt.
Hierzu sind folgende Sachverhalte klar bzw. richtig zu stellen:

1. Der Vertrag zwischen beIN Sports und IHF entspricht den Qualitätskriterien im Weltsport für derartige Verträge und beachtet die international geltenden rechtlichen Gepflogenheiten.

2. Laut Vertrag hat beIN Sports das Recht auf die Vermarktung der TV-Rechte in verschiedenen Ländern weltweit. Aus diesem Grund verlangt beIN Sports Geo- Blocking in allen großen Märkten, um die Rechte in jedem Land gesondert vermarkten zu können. Ein in mehreren Ländern empfangbares Signal eines TV-Senders führt unweigerlich zu einer bedeutenden Wertminderung der Rechte. Wäre beispielsweise das deutsche TV-Signal in Spanien empfangbar, wären spanische TV-Sender möglicherweise nicht am Erwerb der TV-Rechte interessiert. Daher ist es im Interesse von beIN Sports, die individuellen Märkte zu schützen.

3. Der Vertrag wurde einstimmig vom Rat der IHF verabschiedet. Dem Rat der IHF gehörten bei der Vergabe unter anderem Repräsentanten aus den europäischen Nationen Frankreich, Spanien, Kroatien, Schweden, Slowenien, Tschechische Republik und Deutschland an. Sie alle haben dem Vertrag zugestimmt.

4. Die IHF forderte in einer beschränkten Ausschreibung insgesamt zehn TV-Stationen und Rechtehändler auf, ein entsprechendes Angebot abzugeben. Dies ist ein völlig übliches, den zu beachtenden rechtlichen Vorgaben entsprechendes Verfahren. Insgesamt vier konkrete Angebote legte die IHF-Marketingabteilung schließlich dem Rat der IHF zur endgültigen Beschlussfassung vor.

5. Unter Berücksichtigung der üblichen Stimmenthaltung des Präsidenten erfolgte die Rechtevergabe an beIN Sports durch die Ratsmitglieder einstimmig. Dies begründet sich zum einen im großen Unterschied in der Lizenzsumme, aber auch in dem um 50% erhöhten Produktionsbudget, das die weitere Entwicklung des Produktes Handball-WM ermöglicht. BeIN Sports bot des Weiteren an, unterentwickelten und aufstrebenden Handballnationen das TV-Signal zur Förderung des Handballs unentgeltlich zur Verfügung zu stellen – dem ist beIN Sports bisher erfolgreich nachgekommen. Zudem war das von beIN Sports vorgelegte Angebot das wirtschaftlich mit Abstand bestdotierte aus dem Bieterkreis (42,85% höher als das zweitbeste Angebot).

6. Auf der Grundlage dieses Vertrages wird die WM weltweit in knapp 180 Märkten im Fernsehen übertragen. In Europa übertragen u.a. die EBU-Mitgliedssender Dänemarks, Kroatiens, Frankreichs, Norwegens, Polens und Spaniens die WM auf einer ihrer öffentlich-rechtlichen Sendeplattformen. Geo-Blocking ist in diesen Ländern ganz offensichtlich möglich und ist auch Vertragsbestandteil zwischen TV-Rechteinhaber beIN Sports und dem jeweiligen Sender. Warum dies nicht in Deutschland möglich sein soll, erschließt sich für die IHF nicht und kann nur von den entsprechenden frei empfangbaren Sendern beantwortet werden.

Die IHF wurde von beIN Sports darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Verträge mit zahlreichen öffentlich-rechtlichen TV-Sendern europaweit problemlos zustande kamen. Diese lizenzierten TV-Sender haben Maßnahmen zur größtmöglichen Verringerung bzw. Vermeidung eines Overspills in die umliegenden Gebiete ergriffen. Diese Maßnahmen umfassen beispielsweise die Verschlüsselung des Satelliten und die Bereitstellung eines Sendesignals über digitale terrestrische Wege. TV-Sender der sogenannten großen Handballnationen wie TVP (Polen), DR (Dänemark) und TV2 (Norwegen) sind in der Lage, ihr Übertragungssignal dahingehend zu verschlüsseln, dass die Interessen der Rechteinhaber gewahrt werden.

Es sollte zudem bekräftigt werden, dass den deutschen TV-Sendern auf Grundlage einer abgewandelten Satellitenübertragung zur Minimierung eines Overspills jegliche Möglichkeit zum Erwerb der Rechte eingeräumt wurde. Nach langer Verhandlung kam beIN Sports mit der DKB überein, alle Spiele der Handballweltmeisterschaft der Männer 2017 kostenfrei live auf sämtlichen digitalen Geräten (via https://handball.dkb.de) zu übertragen. Deutschland hat weltweit eine der höchsten Penetrationsraten (Breitband und mobil), wodurch die Veranstaltung für den Großteil des Marktes frei zugänglich wird. BeIN Sports schloss mit allen größeren deutschen TV-Sendern und -portalen Verträge, die eine Nachberichterstattung und Highlights des Turniers in Kurzform ermöglichen, was wiederum eine weitreichende Berichterstattung über die WM gewährleistet.

7. Des Weiteren muss erwähnt werden, dass sich die TV- und Marketingeinkünfte unter dem amtierenden IHF-Präsidenten um bis zu 1000% vermehrt haben. Zudem führte der Präsident ein Ausschreibungsverfahren für TV-Verträge und eine gesonderte Vergabe sowohl der TV- als auch der Marketingrechte ein, welche von der vorherigen Führung lange Zeit gesamthaft an eine einzelne Agentur vergeben wurden, ohne andere Agenturen zum Zuge kommen zu lassen. So wurde ein transparenteres Vergabeverfahren geschaffen, das gleichzeitig zu wesentlich höheren Einnahmen für den Handball führt.

8. Die IHF hat selbstverständlich und entgegen verbreiteten Meldungen eine Übertragungsverpflichtung – online oder im klassischen TV – im Vertrag mit beIN Sports in den sogenannten großen Handballnationen verankert. Hierzu gehört auch der deutsche Fernsehmarkt. Daher war und ist die Möglichkeit einer Übertragung einer WM auch in Deutschland vertraglich gewährleistet. Wie üblich in sogenannten Buyouts von Rechten liegt es dann allerdings am Rechteinhaber und den interessierten Parteien, eine wirtschaftliche und technische Lösung zur Übertragung zu finden.

Nichtsdestotrotz hat die IHF in Person des Präsidenten Moustafa in mehreren Runden in Leipzig, Berlin und Paris versucht (in Anwesenheit des Deutschen Handballbundes), insbesondere zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern bzw. deren TV- Rechteagentur und dem Rechteinhaber der Senderechte an der WM zu vermitteln und eine gemeinsame Lösung zu finden. Auf Initiative der IHF fand daraufhin ein Austausch zwischen den technischen Abteilungen von beIN Sports und SportA (ARD/ZDF-TV- Rechteagentur) statt. Seitens beIN Sports wurde SportA ein technischer Vorschlag zur Lösung der Overspill-Problematik präsentiert, der von SportA als nicht praktikabel abgelehnt wurde. Des Weiteren wandten sich IHF-Präsident Dr. Hassan Moustafa und der Präsident des Deutschen Handballbundes, Andreas Michelmann, in einem Schreiben an Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, in dem sie die Bundesregierung um Unterstützung bei der Konfliktlösung baten, um eine Übertragung der Handballweltmeisterschaft im frei empfangbaren TV in Deutschland zu gewährleisten.

10. beIN Sports ist ein weltweit tätiges Unternehmen und im Besitz vieler TV-Rechte und agiert in der Verwertung der entsprechenden Medienrechte sehr professionell.

11. Auch den klassischen TV-Sendern hätte es offen gestanden, sich ggf. um Streamingrechte zu bemühen und auf ihren Plattformen zu übertragen. Daran bestand allerdings kein Interesse, obwohl zuletzt bei den Olympischen Spielen viele Spiele der deutschen Mannschaft teilweise auch nur im Stream zu sehen waren.

Es fällt auf, dass in Deutschland bis heute in keinem der journalistischen Kommentare zur WM die Frage beantwortet wird, warum die WM in mehreren Ländern von EBU-Mitgliedssendern übertragen wird und dies in Deutschland angeblich nicht möglich ist, weil ein Geo-Blocking für öffentlich-rechtliche TV-Sender nicht in Frage kommt. Würde man sich darum bemühen, so müsste man erkennen, dass es allein an den deutschen TV-Sendern liegt, dass die WM aus Frankreich in Deutschland nicht übertragen wird. Die Forderung zum Overspill des Sendesignals kommt vielmehr einer Erlaubnis gleich, dass in Märkten außerhalb Deutschlands Sender das Sendesignal kopieren können, ohne dafür zu bezahlen, was auszuschließen ein ebenso verständliches wie legitimes Ziel ist und sein muss, nicht zuletzt um die Vertragspartner, die für die in Anspruch genommenen Rechte Zahlungen leisten, in ihren Rechten zu schützen.

Zusammengefasst ist daher der Vergabeprozess vollkommen korrekt abgelaufen und hat insbesondere Dr. Moustafa im Interesse der IHF, gedeckt von einstimmigen Beschlüssen der zuständigen Gremien gehandelt, so dass die in einigen deutschen Medien erhobenen Vorwürfe gänzlich haltlos sind.

7 Gedanken zu „Handball-WM im Sponsoren-Fernsehen: es bleibt alles in der Familie“

  1. Wieder ein sehr interessanter Artikel!
    Mal eine Frage: was würde eigentlich passieren, wenn man erreichen würde, Handball-Turniere zu Ereignissen „von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung“ zu erklären, aber gleichzeitig der Rechte-Inhaber die freie Übertragung so teuer (oder technisch unmöglich) macht, daß ARD/ZDF sich weigern?
    Könnte dann der DHB beim Verfassungsgericht die Übertragung einklagen und ARD/ZDF MÜSSTEN die Rechte zahlen, auch wenn es „Milliarden“ kostet?

    (das gleiche könnte natürlich auch jederzeit beim Fußball passieren…)

    danke!

  2. Ergänzung, taufrisch:

    http://www.die-medienanstalten.de/presse/pressemitteilungen/kommission-fuer-zulassung-und-aufsicht/detailansicht/article/zak-pressemitteilung-012017-uebertragung-der-handball-wm-im-internet-voraussichtlich-zulassungspfl.html

    ZAK-Pressemitteilung 01/2017; Übertragung der Handball-WM im Internet voraussichtlich zulassungspflichtig/Ausstrahlung aufgrund des außergewöhnlichen Einzelfalls geduldet

    Die geplante Übertragung der Handball-WM auf einem Internet-Portal der Deutschen Kreditbank (DKB) ist aus Sicht der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) aller Voraussicht nach als zulassungspflichtiger Rundfunk einzustufen. Aufgrund der besonderen und außergewöhnlichen Einzelfallsituation wird die Ausstrahlung der Handball-WM auf dem Internet-Portal der DKB geduldet.

    Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) hat die DKB für die Medienanstalten kurzfristig um Stellungnahme gebeten. Der Sachverhalt wird bis zur nächsten Sitzung der ZAK, die am 31. Januar in Stuttgart stattfindet, aufbereitet.

    Sollte die ZAK zu dem Ergebnis kommen, dass es sich bei der Übertragung der Handball-WM im Internet um Rundfunk gehandelt hat, muss die DKB mit einer Beanstandung rechnen.

  3. Eine Ergänzung im Detail: Die „TV-Schutzliste“ wird bei solchen Vorgängen gerne von Leuten ins Spiel gebracht, um dem wütenden Stefan Sportschaugucker das Bemühen um eine einfache Lösung vorzugaukeln. Sie würde hier aber überhaupt gar nichts bringen. Anders als oft behauptet (und auch von Dir so formuliert, Jens) scheibt die nämlich keineswegs vor, welche Ereignisse „im frei empfangbaren Fernsehen gezeigt werden müssen“.

    Gezeigt werden muss da gar nichts. Es geht lediglich darum, dass ein Pay-TV-Anbieter bestimmte Veranstaltungen nicht ausschließlich im Pay-TV übertragen kann, ohne die Übertragung gleichzeitig auch im Free-TV zu übertragen oder interessierten Free-TV-Sendern zu halbwegs fairen Konditionen anzubieten. Hier gab es aber gar keinen Sender, der das zu den aufgerufenen Konditionen übertragen wollte. Weder im Free- noch im Pay-TV. Die Schutzliste hätte an der Situation exakt Null geändert.

    Wobei man natürlich trotzdem darüber nachdenken darf, ob eine jährlich stattfindende Handball-WM eines der „Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung (Großereignisse) in der Bundesrepublik Deutschland“ sein kann; bzw. wie lächerlich sich jemand macht, der dergleichen behauptet. Aber das nur am Rande.

    Die Prüfung der ZAK hat damit wiederum gar nichts zu tun. Dabei geht es lediglich um die alte (sehr deutsche) Frage, ab wann ein Internet-Livestream „Rundfunk“ darstellt und deswegen in Deutschland eine „Rundfunk-Lizenz“ benötigt (verkürzt dargestellt).

    Unter meinem Aluhut fallen mir eine Vielzahl an Fragen in der Richtung ein, warum die DKB, die zwar in Berlin sitzt, aber im Ergebnis quasi komplett dem Freistaat Bayern gehört (der sicherlich die Telefonnummer des BLM kennt), dieser Problematik nicht einfach aus dem Weg ging, indem sie frühzeitig selber eine solche Lizenz beantragt hat. Aber das gehört vielleicht nicht unbedingt in dieses Theater.

  4. Stimmt natürlich, was Du schreibst, sternburg. Das sind so Details, die immer wieder verfälscht aufgeschrieben werden, und leider schreibe ich es dann auch manchmal so auf. Wobei ich den Rundfunkstaatsvertrag, den ich da verlinkt habe, sogar noch gelesen habe, jedenfalls die entsprechenden Passagen. Notiz an mich: (noch) aufmerksamer sein.

  5. Habe ich diesen Frank Steffel eigtl. im DLF richtig verstanden? Bügelt der die Kritik an der Vergabe an die DKB ernsthaft damit ab, dass man ja noch die semilegalen Streams auf englischen/arabischen Seiten abrufen könnte? Und im gleichen Atemzug die Free-TV-Sender dafür kritisiert, dass sie es wagen ihr Recht auf EU-weite Ausstrahlung tatsächlich wahrzunehmen?
    http://www.deutschlandfunk.de/handball-wm-in-frankreich-dauerhaft-werden-das-die.1346.de.html?dram:article_id=376394

  6. Ich bin ja seit Jahren dafür, bei ARD/ZDF eine Verschlüsselung einzuführen. Natürlich würde man dann nur noch das bezahlen müssen, was man auch sieht. Im Gegensatz zu den heutigen 17,50 Euro. Wenn die Handball-WM dafür ein Hebel ist (was ich bezweifle): Immer her damit!

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