Im August 2016 waren während der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro vorab einige Details (Factsheet: ausgewählte Ergebnisse) jener Studie veröffentlicht worden, die nun in ganzer Pracht vorliegt:
- Christoph Breuer, Kirstin Hallmann (Deutsche Sporthochschule Köln), Michael Ilgner (Deutsche Sporthilfe): „Akzeptanz des Spitzensports in Deutschland – Zum Wandel der Wahrnehmung durch Bevölkerung und Athleten“
Hallmann und Breuer hatten 2011 schon eine Studie zur gesellschaftlichen Relevanz des Spitzensports vorgelegt. Insofern lassen sich einige Befragungsergebnisse vergleichen. Das Interesse an Leistungssport ist noch vorhanden, nur schwindet das Vertrauen in Sportler (in Maßen) und Funktionäre (rasant).
Drei Fragestellungen, die bereits im Sommer Schlagzeilen gemacht haben:
1) Ich habe Vertrauen, dass deutsche/internationale Athleten moralisch integer handeln und die Einhaltung von Regeln sowie FairPlay und Unbestechlichkeit beachten.
- Vertrauen in deutsche Sportler: 81,3 %
- Vertrauen in internationale Sportler: 39,3 %
2) Ich habe Vertrauen, dass deutsche/internationale Sportfunktionäre moralisch integer handeln und die Einhaltung von Regeln sowie FairPlay und Unbestechlichkeit beachten.
- Vertrauen in deutsche Funktionäre: 27,0 %
- Vertrauen in internationale Funktionäre: 16,9 %
3) Ich habe Vertrauen, dass deutsche/internationale Sportverbände moralisch integer handeln und die Einhaltung von Regeln sowie FairPlay und Unbestechlichkeit beachten.
- Vertrauen in deutsche Verbände: 62,7 %
- Vertrauen in internationale Verbände: 33,4 %
Die Befragung wurde im Mai 2016 durchgeführt. Ich halte jede Wette, dass die Werte heute, ein halbes Jahr später, weiter in den Keller gegangen sind und die Studie in Teilen quasi überholt ist.
33,4 Prozent „Vertrauen“ in das IOC?
Niemals.
In der Pressemitteilung der Sporthilfe vom vergangenen Donnerstag wird Professor Breuer mit den Worten zitiert: „Wir konnten erstmals eine Kausalkette nachweisen, dass die Akzeptanz des Spitzensports in der deutschen Bevölkerung maßgeblich vom Vertrauen in die Integrität der Athleten, der Verbände und insbesondere der Funktionäre abhängt.“
Nun denn. Lesen bildet:
Zum Vergleich die Studie aus dem Jahr 2011:
2011, das waren noch Zeiten. Recht interessant, wie sich die Pressemeldungen der Sporthilfe unterscheiden (2011, 2017)
Es fehlt dieser Tage ein wenig am Propaganda-Willen und damit an realitätsfernen Jubel-Statements von Funktionären (glaubt sowieso niemand) und Politikern (glauben nicht viele).
Damals, 2011, wurden noch dieser Sportminister zitiert …
Sport tut Deutschland gut. Der Sport schafft Gemeinschaftserlebnisse, kreiert Vorbilder für Kinder und Jugendliche und ist ein wichtiger Integrationsfaktor. Und unsere erfolgreichen Athleten stärken das Ansehen Deutschlands in der Welt. Mir ist es ein persönliches Anliegen, dass der Athlet im Mittelpunkt steht. Ich werde gerne Teil der Kampagne „Dein Name für Deutschland“, weil ich auch als Privatperson einen Beitrag für die Erfolge unserer Athleten in London leisten möchte.“
Hans-Peter Friedrich (CSU), damals Bundesinnenminister
… und dieser Vertreter der Parallelgesellschaft Sport:
Diese Studie zeigt vor allem eins: Sportler sind herausragende Repräsentanten unseres Landes und haben dabei eine Vorbildfunktion wie wenige andere Menschen. Wenn zwei Drittel der Bevölkerung Glück und Stolz empfinden, wenn deutsche Athletinnen und Athleten Medaillen gewinnen, dann ist das für den Sport Ansporn und Verpflichtung zugleich, unser Land sympathisch und erfolgreich zu vertreten. Dabei brauchen die Sportler Unterstützung, die unter anderem von der Sporthilfe kommt. Auch ich bin einst von der Sporthilfe gefördert worden. Das gab mir damals den nötigen Rückhalt. Ich begrüße es sehr, dass bei „Dein Name für Deutschland“ jeder Einzelne etwas für die Förderung von unseren Athletinnen und Athleten tun kann. Die heute vorgelegte Studie lässt uns auf noch mehr Unterstützung in der Bevölkerung hoffen.“
Thomas Bach (FDP), damals Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, heute IOC-Präsident
Wie gesagt, 2016 sah das deutlich anders aus. 2017 dürfte es noch deutlicher anders aussehen.
Die Autoren schreiben u.a.:
Nur etwas mehr als die Hälfte (53,3 %) der Befragten würde es begrüßen, wenn mehr Geld in die Förderung des Spitzensports investiert würde. Wie dies geschehen soll, darüber besteht stärkere Einigkeit. Fast zwei Drittel (65,0 %) lehnen es ab, dass mehr Steuermittel für die Förderung des Spitzensports ausgegeben werden. Schließlich sind 72,2 % der Befragten der Ansicht, dass die Förderung des Spitzensports aus Steuermitteln zu Lasten der Förderung anderer gesellschaftlicher Aufgaben geht. Folglich sind 63,6 % dafür, dass sich die Wirtschaft stärker für die Förderung des Spitzensports engagiert. Dass sich jeder Einzelne stärker engagieren solle, wird mehrheitlich abgelehnt (62,3 %).“
TK in der SZ: IOC ist die Braut, der keiner traut
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