Heute vor zwölf Jahren passierte es also. Zürich am 2. Dezember 2010. Wenn ich meinen eigenen Notizen in diesem Theater trauen darf, dann verkündete Joseph Blatter um 16.36 Uhr den Sieg von Russland (und Wladimir Putin flog nach Zürich, wo er abends eine unvergessene Fußball-Pressekonferenz gab, mehr dazu unten), um 16.44 Uhr gab er den Sieg von Katar bekannt, den ich richtig vorhergesagt hatte. Insofern sollte in den folgenden Texten, die ich am 2. Dezember und in der Nacht darauf produziert hatte, eigentlich nicht von einer Sensation die Rede sein. Denn für mich war es keine, ich hatte die Bewerbungsphase ab 2008, vor allem aber 2009 und 2010, bei etlichen Terminen auf einigen Kontinenten intensiv betreut wie kaum ein anderer aus Deutschland.
Also, wer nochmal nachlesen möchte, Content-Republishing ist ja bei vielen Medien sehr in Mode: Hier einige der Texte, die ich damals in Zürich mit einer fiebrigen Erkältung gebastelt habe. Für Onlinemedien, Zeitungen, Radio, alles dabei. So altes Zeug nachzulesen, ist immer erhellend, um sich selbst zu überprüfen – und weil man die meisten Details doch längst vergessen hat. Blogeinträge dazu gab es auch, die fielen aber leider extrem kurz aus, weil das Blog am Tag der Tage kaum erreichbar war, was mich in Zürich in Infarktnähe getrieben hat. Wenigstens derlei Serverprobleme, damals war der Andrang groß und die Technik rudimentär, gehören inzwischen der Vergangenheit an. Die besprochenen Themen aber bleiben fast durchweg aktuell.
Aktueller Bericht, unmittelbar nach der Bekanntgabe:
In einer kolossalen Korruptionskrise hat sich das Exekutivkomitee des Fußball-Weltverbandes FIFA für das große Geld und für die Milliarden aus dubiosen Quellen entschieden. Die Weltmeisterschaft 2018 findet in Russland statt, die WM 2022 im winzig kleinen Emirat Katar. Russland setzte sich in der zweiten Runde mit 13 von 22 Stimmen gegen Spanien und Portugal (7) sowie Belgien und Holland (2) durch. In Runde eins war England mit kläglichen zwei Stimmen ausgeschieden. Die jüngsten Korruption-Enthüllungen der Sunday Times und der BBC hatten unter den Exekutivmitgliedern Wirkung hinterlassen. Zumal der spanische Verbandspräsident, Ángel María Villar Llona, selbst Exekutivmitglied, das Thema angesprochen hatte. „Wir wurden von den Medien oft und ungerecht kritisiert“, schimpfte Villar Llona.
„Aber die FIFA ist eine saubere Institution! Alle meine Kollegen sind ehrenwerte Herren und arbeiten ehrlich und hart! Der gesamte Bewerbungsprozess ist sauber, egal was die Medien erzählen!“
Dieser Bewerbungsprozess, in dem jene gewannen, die mit Milliardensummen nur so jonglieren, bewies doch eher das Gegenteil. Russland und Katar. Das Emirat brauchte vier Wahlgänge zum Sieg. Zunächst scheiterte Australien mit nur einer Stimme, im zweiten Durchgang flog Japan mit drei und im dritten Durchgang Südkorea mit vier Stimmen raus. Im Finale setzte sichKatar 14:8 gegen die USA durch.
Die FIFA hat sich für das große Geld entschieden. Für jene Bieter, um deren Offerten sich zahlreiche neue Korruptionsgerüchte ranken.
„Wir fahren in neue Länder“, jubelte FIFA-Präsident Joseph Blatter.
„Ich bin ein glücklicher Präsident. Wir entwickeln den Fußball.“
Fußballentwicklung in teuren, vollklimatisierten Stadien in einem Land das kleiner ist als Hessen? Bei 50 Grad im Schatten? „Sie haben falsche Vorstellungen“, sagt Scheich Mohammed bin Hamad Al-Thani, der Bewerbungschef Katars. „Es haben schon mehrere Turniere unter ähnlichen klimatischen Verhältnissen stattgefunden.“ Den FIFA-Vorständlern dankte der Spross des Emirs „für ihre mutige Vision“ und sagte:
„Wir versprechen ihnen, dass wir sie nicht enttäuschen werden.“
Um zu verstehen, was am Donnerstagnachmittag in Zürich geschah, muss man eine kleine Zeitreise machen. Ins Frühjahr 1998 etwa, oder ins Frühjahr 2002. Damals hatte Joseph Blatter zwei schwere Wahlkämpfe zu meistern, über denen für immer der Schatten der Korruption schwebt. 1998 kandidierte der damalige Generalsekretär Blatter, der damals mehrfach gelogen hatte und seine Kandidatur lange verneinte, in letzter Sekunde gegen den Schweden Lennart Johansson. 2002 musste er sich, von seinem Generalsekretär Michel Zen-Ruffinen unsauberer Machenschaften verdächtigt, gegen Issa Hayatou aus Kamerun behaupten.
Es war der Emir von Katar, der Blatter in jenen Jahren finanziell und mit allerlei nützlichen Tools, etwa seinem Langstreckenjet, unterstützte. Mohamed Bin Hammam, FIFA-Exekutivmitglied aus Katar, reiste damals wochenlang mit Blatter durch die Welt. Die beiden sammelten vor allem in den armen Ländern Afrikas und Asiens Stimmen. Der Emir leistete so genannte Entwicklungshilfe. Katar investierte viel Geld. Bin Hammam, ein Günstling des Emirs, und Blatter haben diese Vorgänge oft genug bestätigt.
Blatter hat mir einmal gesagt, wer so viel Geld investiere wie Katar und der Emir, der sehe halt zu, „dass seine Freunde in die richtigen Positionen kommen“. Das kann man wohl sagen.
(1998 habe ich ihn übrigens in Paris auf der Pressekonferenz nach der Unterstützung von Emir Hamad gefragt. Die Frage lautete in etwa: Lennart Johansson habe ja seinen Wahlkampf-Etat und seine Unterstützer transparent gemacht. Ob er, Blatter, auch die Größe hätte, seinen Sponsor für all die Reisen und die Höhe der Zuwendungen zu nennen, ob es der Emir von Katar gewesen ist? Blatter antwortete: Das Spiel ist gespielt, die Spieler sind unter der Dusche. Wir schauen nach vorn und nicht zurück.)
2003 hat Blatter einen FIFA-Kongress in Katar austragen lassen, den er nach den lang währenden Fehden mit Johansson mit Hayatou (der sich nun selbst Korruptionsvorwürfen ausgesetzt sieht) zu einem Vereinigungskonvent umfunktionierte. Es war eine Propagandashow ersten Ranges mit minutenlangen Ovationen für Blatter.
Am 2. Dezember 2010 hat Blatter nun seine Rechnung mit dem Emir von Katar beglichen.
Man darf davon ausgehen, dass er beim Emir im Wort stand, spätestens seit ihrem Gespräch Ende April in Doha. Damals galt es, letzte Missverständnisse auszuräumen. Denn kurz zuvor hatte sich Bin Hammam, dem Blatter offenbar versprochen hatte, sein Nachfolger zu werden, erdreistet, eine Kandidatur für die Präsidentschaft anzukündigen. Bin Hammam wusste, dass Blatter seinerseits 2011 zum vierten Mal für den FIFA-Vorsitz kandidieren würde und sah seine Felle davon schwimmen. Blatter machte dem Emir nun klar, dass Katar nur die WM 2022 bekommen könnte, wenn Bin Hammam sich beruhige.
(Das habe ich also bereits 2010 korrekt vermeldet, nicht erst vier oder fünf Jahre später wie die Sunday Times, die das seitdem als Weltenthüllung verkauft. Heidi Blake hat das heute gerade wieder im New Yorker getan.)
Das weiß jeder in der Branche. Verschiedene FIFA-Mitarbeiter, die nicht zitiert werden wollen, haben das auch bestätigt. Blatter aber behauptete Ende April, als er von Katar zum IOC-Treffen in Dubai weiter gejettet war, wo ich ihn. dazu befragte:
„Ich habe keinen Deal gemacht. Als FIFA-Präsident werde ich mein Amt doch nicht missbrauchen.“
Nun hat Blatter auf der ganzen Linie gewonnen – und jetzt, nach zweieinhalb absurden Jahren, beweist sich einmal mehr, warum er in einer Nacht- und Nebelaktion mit seinem Generalsekretär Jerome Valcke ab Mai 2008 in Sydney überraschend die WM-Doppelbewerbung durchgepeitscht hatte: Weil er dadurch die Binnenpolitik im 208 Nationen umfassenden Dachverband FIFA besser bestimmen konnte. Weil er die Interessen von zunächst dreizehn, dann noch elf Bewerbernationen perfekt mit seinen eigenen Interessen koordinieren konnte.
Die WM 2018 in Russland, davon hatte einer von Blatters besten Freunden, der skandalumtoste ehemalige Exekutivler Wjatscheslaw Koloskow in Moskau schon seit Wochen gesprochen. Russland garantiert Blatter jegliche Unterstützung für die Wiederwahl 2011. Und Katar ebenfalls. Es gibt keine Herausforderer. Blatter hat ja sogar schon angekündigt, eventuell 2015 auch eine fünfte Amtszeit anzugehen. Die einzige Gefahr, der er ausgesetzt ist, sind die vielen Korruptionsskandale, die ihm um die Ohren fliegen könnten.
Und schließlich Russland. Was für ein perfektes Ablenkungsmanöver von Premierminister Wladimir Putin, welch gigantische Täuschung, angeblich nicht nach Zürich kommen zu wollen, um die FIFA-Exekutivmitglieder nicht unter Druck zu setzen. Welch abgekartetes Spiel. Welch eine Show. Welche eine Lüge. Putin hatte längst die Signale, dass Russland die WM erhält. Als abends um 17.53 Uhr die Russen eine Pressekonferenz geben sollten, erklärten sie nur, dass sie jetzt keine Fragen beantworten und forderten die Reporter auf, um 21 Uhr wieder zu kommen. „Alle Fragen wird unser Premierminister Wladimir Putin beantworten!“
Putin hatte, gemeinsam mit seinen Oligarchen-Freunden, schon vor drei Jahren, im Juli 2007, beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) die Winterspiele 2014 in seine Residenzstadt Sotschi geholt. Sotschi, das wundert niemanden, ist einer der Spielorte bei der WM 2018.
Dann dieser Text, nach Putins legendärer Pressekonferenz:
ZÜRICH. Beschwingt nahm Wladimir Putin die wenigen Stufen aufs Podest. Noch im Gehen grüßte er auf Schweizerisch: „Grüezi!“ Eine knappe Stunde stellte sich Russlands Premierminister in der Messe Zürich den Fragen der Journalisten. Putin, der mit Russland die Fußball-WM 2018 austragen darf, war einer der Sieger des Tages – neben dem Emir von Katar, dessen Abgesandte die WM 2022 akquirierten, und dem FIFA-Präsidenten Joseph Blatter, der seine reichsten und mächtigsten Verbündeten bediente und sich damit die Wiederwahl im Frühsommer 2011 sicherte.
Seine Position als einflussreichster Mann des Weltsports hat Wladimir Putin ausgebaut. Vor drei Jahren führte er den IOC-Präsidenten Jacques Rogge am Nasenring durch die Manage, als er in einer unappetitlichen Schlacht die Olympischen Winterspiele in seine Residenzstadt Sotschi holte. Kürzlich einigte er sich mit Formel-1-Chef Bernie Ecclestone darauf, dass in Sotschi die Boliden brummen. Und 2018 ist Sotschi Spielort der Fußball-WM. Selbstverständlich. Zwischendurch, 2013, richtet Kasan die Weltstudentenspiele. An allen Projekten werden vor allem die Herrschaften aus Putins Machtapparat und jene Oligarchen profitieren, die sich seinem Willen unterordnen.
Einer dieser Oligarchen, Roman Abramowitsch, Besitzer des FC Chelsea, stellte sich in Zürich zum Freundschaftsfoto, nicht nur mit Putin. „Ich gehe davon aus, dass Herr Abramowitsch in das Projekt investiert“, dozierte Putin. Lautes Lachen unter den Russen. (Aber Abramowitschs ernstes Gesicht werde ich nie vergessen. Für den war das kein Spaß.) Die so genannten Investitionen der Oligarchen werden vom Staat über allerlei Vergünstigungen und Zuschüsse abgegolten – so dass unterm Strich ein Profit garantiert ist. Das ist bei Abramowitsch und der WM nicht anders als beim Milliardär Oleg Deripaska, der in Sotschi nicht nur ein schlossähnliches Anwesen besitzt, sondern den Hafen baut und andere Projekte ausführt. Oder der Gazprom-Konzern, der sich im Nordkaukasus die meisten olympischen alpinen Strecken leistet.
Gemäß FIFA kannte niemand das Ergebnis der Abstimmung, weil das Resultat angeblich vom Notar der Stadt Zürich in versiegelten Umschlägen aufbewahrt wurde, bis Blatter diese live im TV öffnete. Allerdings hat der Fernsehsender Al Jazeera, beheimatet in Doha/Katar, schon eine halbe Stunde vorher den WM-Sieg 2022 vermeldet. Und Dmitri Tschernitschenko, Organisationschef der Winterspiele in Sotschi, twitterte Minuten bevor Blatter den Zettel mit der Aufschrift „Russland“ aus dem Umschlag zog: „Yesss! We are the champions! Hurra!!!!“
Sie haben es gewusst. Nicht nur Al Jazeera, nicht nur Tschernitschenko. Auch Putin, der deshalb auf eine Präsentation vor dem FIFA-Exekutivkomitee verzichten konnte, angeblich, um keinen weiteren Druck aufzubauen. Es war eine Finte, von der sich vor allem die Engländer einlullen ließen, die mit nur zwei Stimmen abgewatscht wurden.
Der Emir von Katar, dem Blatter seit anderthalb Jahrzehnten verpflichtet ist, war ohnehin siegesgewiss.
Die Wahrscheinlichkeit, dass jemals Beweise vorgelegt werden können, wie sich Russland und Katar Stimmen erkauft haben, tendiert gegen Null. Russland und Katar garantieren Verschwiegenheit.
Die Aufführung von Zürich erreichte ihren absurden Höhepunkt, als ausgerechnet Putin die Korruptionsenthüllungen englischer Medien als „inakzeptabel“ kritisierte. Nicht nur Englands Bewerber hatten am wütend erzählt, sie seien betrogen worden. „Glauben sie das“, wollte jemand von Putin wissen. Er grinste. „Nein.“ Ein Wort musste genügen.
Die sportpolitische Weltkarte verschiebt sich weiter. 2012 finden zwar noch Sommerspiele in London statt, doch dann: 2014 Winterspiele in Sotschi, Fußball-WM in Brasilien, 2016 Sommerspiele in Rio de Janeiro, 2018 Fußball-WM in Russland und Winterspiele in Pyeongchang (Südkorea), aber kaum in München, davon ist nach diesem FIFA-Entscheid zugunsten der mit Milliarden gefüllten Schatullen auszugehen. 2022 Fußball-WM in Katar. 2026 wollen die Chinesen unbedingt die WM. 2030, zur Hundertjahrfeier, wird die WM sehr wahrscheinlich in Argentinien und Uruguay ausgetragen. Hallo, Europa? 2034 könnte es mal wieder klappen – in zweieinhalb Jahrzehnten.
Wladimir Putin präsentierte sich als glücklicher, mächtiger Mann. Er war kurz aus Kaliningrad herüber gejettet und flog schnell wieder nach Moskau. Was er sich nun noch wünsche, wurde er gefragt. „Russische Siege.“ Um dann mit einer Volksweisheit abzutreten.
„Bei uns sagt man: Wer nichts riskiert, trinkt auch keinen Champagner!“
Und noch, passend zum Tage, ein langer Hintergrund im Radio zu Korruption im Sport, ebenfalls am 2. Dezember 2010 veröffentlicht:
Der Fußball-Weltverband FIFA hat heute in Zürich zwei Weltmeisterschaften vergeben: Die WM 2018 findet in Russland statt, die WM 2022 wird in Katar ausgetragen. Die Entscheidung des FIFA-Exekutivkomitees wird seit Wochen von Korruption-Enthüllungen begleitet. Zwei bestechliche Exekutivmitglieder – Amos Adamu aus Nigeria und Reynald Temarii aus Tahiti – wurden suspendiert und durften nicht mit abstimmen. Vier weitere einflussreiche Funktionäre wurden ebenfalls gesperrt.
Doch drei andere Exekutivmitglieder, die schon vor Jahren eine zweistellige Millionensumme an Schmiergeld von der Vermarktungsagentur ISL/ISMM kassiert haben, durften mit abstimmen. Dazu gehört Ricardo Teixeira, der Präsident des brasilianischen Fußballverbandes, der auch als Chef des WM-Organisationskomitees 2014 agiert. Gegen ihn wird nun in Brasilien ermittelt. Die Veröffentlichung weiterer Namen von bestochenen Top-Funktionären versuchen FIFA-Anwälte derzeit zu verhindern.
Derlei Skandale werden von den Amtsträgern gern als Einzelfälle beschrieben. FIFA-Präsident Joseph Blatter kürzlich am Rande des DFB-Bundestages in Essen:
„Die FIFA hat 208 Verbände. Und wenn einige Individuen aus diesen 300 Millionen Teilnehmern der FIFA vielleicht korrupt sind, dann kann man nicht sagen, die ganze Familie ist korrupt. Das kann man nicht sagen.“
Typisch Blatter. Er spricht stets von seiner Familie. In Wahrheit sind diese Fälle nur die Spitze des Eisberges. Korruption im Sport ist zu einem Dauerthema geworden. Das globale Geschäft mit den Olympischen Spielen oder Fußball-Weltmeisterschaften garantiert Milliardengewinne für die Sportverbände. Die Verlockung ist groß, sich dabei auch privat die Taschen zu füllen. Verbände, Funktionäre, Vermarktungsfirmen, Trainer, Betreuer, Athleten, sogar Politiker – viele Personen und Institutionen verdienen auf illegale Weise.
Täglich werden kleine und große Fälle von Manipulationen bekannt. Vom größten Korruptionsskandal der Sportgeschichte rund um die Firma ISL/ISMM, die mehr als 142 Millionen Schweizer Franken Schmiergeld gezahlt hat, sind auch Funktionäre des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) betroffen: IOC-Doyen Joao Havelange, der FIFA-Ehrenpräsident, Issa Hayatou aus Kamerun und Lamine Diack aus dem Senegal, der Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF.Korruption folgt nicht dem klassischen Täter-Opfer-Prinzip. Es gibt nur Täter – Geber und Nehmer. Die sind sich in der Regel einig und schließen auch keine Verträge ab. Das macht die Aufklärung so schwierig. Zumal die Geschädigten anonym bleiben – meist sind es die Steuerzahler.
Kriminologen wie Britta Bannenberg, Professorin an der Universität Gießen, gehen davon aus, dass in allen Bereichen der Gesellschaft mehr als 95 Prozent der Korruptionsfälle nie öffentlich werden. Von den wenigen Fällen, die juristisch verhandelt werden, endet nur ein kleiner Prozentsatz mit einem Schuldspruch. Der Sport macht da keine Ausnahme.
„Nein, im Gegenteil. Der Bereich des Sports ist ja noch abgeschotteter, weil es keine Kontrollstrukturen von außen gibt. Das Strafrecht zum Beispiel, das natürlich im Grundsatz bei Unternehmen und Verwaltungen einsetzbar ist, das greift im Sport ja meistens schon gar nicht. Weil nämlich Akteure gar nicht bestochen werden können. Die eigentliche Bestechung im Kern, die ist vom Strafrecht überhaupt nicht erfasst. Und auch Funktionäre, die ihre Stimme abkaufen lassen, die sind vom Strafrecht in den meisten Ländern nicht erfasst. Und dann ist auch für alles andere, was vielleicht möglich wäre, also Schadensersatzklagen, überhaupt gar kein Raum.“
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In der ISL-Affäre wurden nur wenige der Schmiergeldempfänger bekannt. Die FIFA zahlte sogar ein Schweigegeld von 5,5 Millionen Franken an die Justizkasse des Kantons Zug, um die Veröffentlichung weiterer Namen zu verhindern. Experten bezeichnen derlei Abmachungen als Korruptionsverdunklungsvertrag. Es war nicht der einzige in der ISL-Affäre.
Die ISL-Gruppe unterhielt ein ausgeklügeltes Korruptionssystem mit Dutzenden von Briefkastenfirmen, geheimen Stiftungen und Schwarzkonten in zahlreichen Ländern. Mindestens 140 Millionen Franken wurden zwischen 1989 und 2001 bis zum Konkurs der Firma bezahlt. Ein ISL-Manager, der sich vor zwei Jahren nicht etwa wegen Korruption, sondern wegen Unterschlagung vor Gericht verantworten musste, sagte damals aus, Schmiergeld an Sportfunktionäre zu zahlen sei …
“… als wenn man Lohn bezahlen muss. Sonst wird nicht mehr gearbeitet. Sonst wären diese Verträge von der anderen Seite nicht unterschrieben worden. Diese Praxis war unerlässlich, sie gehörte zum Stil des Geschäfts.“
Der organisierte Sport macht Korruption leicht. Denn das Sport-Business mit seiner eigenen Rechtswelt hat strukturelle Probleme, die von den Verantwortlichen stets geleugnet werden, sagt Britta Bannenberg:
„Es sind sehr wenige Menschen mit sehr hoher Macht in diesen Bereichen tätig. Und sie werden im Grunde auch von staatlichen Spitzen hofiert und sind dadurch fast sakrosankt. Das ist eine ganz besondere Konstellation, die ja kaum Vorstandschefs von großen Unternehmen genießen. Und dadurch stehen sie noch mehr außerhalb der staatlichen Kontrolle. Aber es gibt ja auch kaum staatliche Regelungsmechanismen. Das staatliche Strafrecht greift für sie ja nicht. Und deshalb können sie sich auch leicht zurückziehen in ihre wortgewaltigen Ankündigungen der Konsequenzen, die dann aber ohne jegliche rechtliche Relevanz sind, weil selbst ihre Selbstkontrolle oder Eigenkontrolle im Grunde überhaupt nicht ausreichend ist, aber auch nicht konsequent durchgezogen wird.“
Sportverbände erfreuen sich am Prinzip der partiellen Rechtlosigkeit. Im Sport prallen drei juristische Normwelten aufeinander, wie Fachleute sagen:
– Die gewöhnliche Rechtswelt,
– das Recht in autonomen Sportorganisationen, etwa Verbandsrecht,
– und die so genannte rechtsfreie Spielwelt, etwa Spielregeln.
Absurd an dieser Konstellation ist, dass milliardenschwere Unternehmen wie das IOC, die FIFA oder der finanzstarke Deutsche Fußball-Bund (DFB) nach dem Vereinsrecht organisiert sind. Sie operieren zwar wie internationale Konzerne, sind aber – beispielsweise – nicht von internationalen Anti-Korruptions-Konventionen erfasst, die im Bereich der Wirtschaft gelten: Weder von den Abkommen der Europäischen Union, der OECD, des Europarats oder der Vereinten Nationen.
Rund 60 internationale Sportverbände residieren in der Schweiz und genießen vielfältige Sonderregeln, Steuerbefreiungen und werden nicht einmal vom Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb tangiert. Das hat der Bundesrat, die Regierung der Schweiz, so beschlossen. Zwar gibt es nun, ausgelöst durch die jüngsten Enthüllungen zum FIFA-Sumpf, zaghafte Diskussionen darüber, ob diese Sonderregelungen gerechtfertigt sind, doch ob Schweizer Politiker den Worten Taten folgen lassen und die Korruptionsregeln auf Sportkonzerne und deren Amtsträger ausweiten, steht in den Sternen.
Jörg Schild war lange Jahre Staatsanwalt im Drogendezernat. Heute ist er ehrenamtlicher Sportfunktionär und Präsident des Nationalen Olympischen Komitees (Swiss Olympic). Auch er befürwortet eine Gesetzesverschärfung.
„Der Sport hatte in den vergangenen Jahren genügend Möglichkeiten zu beweisen, dass er die Probleme selbst lösen kann. Ich meine, der Sport hat diese Chance nicht genutzt. Und jetzt müssen wir diese Diskussion führen.“
Aktuelle Initiativen zur Korruptionsbekämpfung im Sport sind auch aus Deutschland nicht bekannt. Im Gegenteil: Wann immer sich Deutschland um Sport-Großereignisse bewirbt, werden Institutionen wie FIFA oder IOC Steuerbefreiungen, Sondergesetze und allerlei Vergünstigungen garantiert. So auch in der laufenden Bewerbung Münchens für die Olympischen Winterspiele 2018. Das Bundeskabinett machte jüngst rund 50 Zusagen, die finanzielle Konsequenzen haben. Zum Beispiel: eine Ausfallbürgschaft und auch die Zusage, für eventuelle Verluste des Organisationskomitees gerade zu stehen.
Dieser Großzügigkeit der Gastgeberländer großer Sportevents stehen häufig Sportfunktionäre gegenüber, die skrupellos Selbstbedienung betreiben.
Britta Bannenberg, ehemalige Leistungssportlerin und heute Präsidentin der Kriminologischen Gesellschaft:
Natürlich ist das ambivalent. Der Staat will Medaillen. Er will Erfolge. Er will glänzen im nationalen Bereich mit eben internationalen Sporterfolgen. So ist es. Natürlich sagt das auch keiner offen, dass gewisse Dinge geschehen, die man eigentlich auf sonstiger staatlicher Ebene sonst nicht duldet: Bestechungen, Betrügereien, Untreue aber auch gesundheitliche Schäden von vielen Menschen, die dann eben fast gezwungenermaßen zum Doping übergehen, um weiter Erfolg zu haben.“
Doch wo beginnt Korruption, was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff? Es gibt verschiedene Korruptionsbegriffe, juristische, theologische, wirtschaftswissenschaftliche, sozialwissenschaftliche, politikwissenschaftliche – und moralische. Die Nichtregierungsorganisation Transparency International verwendet diese schlichte, aber einprägsame Definition:
„Korruption ist der Missbrauch von anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil.“
Im vergangenen Jahr hat Bayerns Justizministerin Beate Merk einen Entwurf für ein deutsches „Gesetz zur Bekämpfung des Dopings und der Korruption im Sport“ vorgelegt. Sie scheiterte am Widerstand der Sportverbände und zahlreicher Politiker. Selbst in ihrer Partei fand die CSU-Politikerin dafür keine Mehrheit. Während der Olympiabewerbung Münchens ist erst recht nicht damit zu rechnen, dass der Straftatbestand Sportbetrug eingeführt und damit Doping sowie Bestechlichkeit und Bestechung generell unter Strafe gestellt wird.
Der einzige Sportpolitiker aus dem Bundestag, der sich stets für einen Straftatbestand Sportbetrug eingesetzt hat, ist der Bündnisgrüne Sportsprecher Winfried Hermann. Selbst er stellt fest …
„… dass eigentlich das Thema Korruption im Sport mindestens genauso wichtig ist wie das Thema Doping. Dass aber, im Unterschied etwa zur Bekämpfung des Dopings, wir bei der Korruptionsbekämpfung im Sport ganz am Anfang stehen, und es eigentlich kaum Strukturen und kaum Maßnahmen gibt, um Korruption im Sport aufzudecken. Und schon gar nicht gibt es Strukturen, die das sozusagen wirksam verhindern.“
Die Kriminologin Britta Bannenberg kämpft seit langem für einen Straftatbestand Sportbetrug.
„Also im Grunde müsste die gesamte Strafbarkeit im Bereich der Wettbewerbsverstöße und der Bestechungsdelikte ausgeweitet werden auf Verantwortliche des Sports. Das heißt auf der einen Seite auf Sportfunktionäre, auf der anderen Seite aber auch auf Akteure im sportlichen Wettbewerb. Das sind zwei unterschiedliche Ebenen, aber die sind bisher nicht erfasst. Und damit fehlt oft jeglicher Ansatzpunkt für die staatliche strafrechtliche Kontrolle. Das was wir heute Compliance nennen, das sind ja Bestrebungen insbesondere im Bereich der Wirtschaft, aber auch der öffentlichen Hand, das Recht zu beachten und einzuhalten. Also etwas ganz Banales eigentlich. Dass man eben nicht besticht, nicht betrügt, keine Untreue begeht und nicht stiehlt. Das geschieht häufig nur, also dass diese Selbstkontrolle aktiviert wird, wenn ein ausreichender öffentlicher Druck vorhanden ist.“
Auf der politischen Ebene bleibt das Thema vernachlässigt. Und dies, obwohl der Sport jedes Jahr mit einer Milliardensumme aus den öffentlichen Haushalten gefördert wird. Winfried Hermann:
„Wir Grünen haben uns vorgenommen, dass wir im nächsten Jahr dieses Thema noch mal so aufgreifen, dass es auch im Sportausschuss ausführlicher beraten werden kann. Denn ich glaube tatsächlich, dass wir da einen Handlungsbedarf haben als Gesetzgeber, aber auch als Finanzier des Sports. Wenn ein Verband keine Strukturen schafft, die vorgegeben sein müssen, dann gilt das gleiche wie beim Doping-Kampf, dann können Mittel nicht mehr fließen. Also solche Dinge müssen wir diskutieren und dann entwickeln. Aber da muss ich sagen: Da sind wir in der Sportpolitik wirklich am Anfang.“
Die Strukturen der Korruption im Sportbusiness unterscheiden sich kaum von jenen, die in anderen gesellschaftlichen Bereichen greifen. Der Sport bietet perfekte Schnittmengen von Wirtschaft, Medien und Politik und offeriert eine Grauzone, in der sich trefflich ungeschützt kungeln lässt. Es gibt Korruption in allen Schattierungen und Größenordnungen. Im Grunde kann unterschieden werden zwischen:
1. Korruption in der Ausübung bzw. Durchführung des reinen sportlichen Wettkampfes: Geber und Nehmer sind Sportler und Offizielle. Dazu zählen Doping, Spielabsprachen, Manipulationen von Kampf- und Schiedsrichtern.
2. Korruption in Verbänden und bei der Organisation von Wettbewerben: Geber und Nehmer sind zumeist Offizielle. Beispiele sind die Vergabe von Ämtern, Marketingrechten oder Großveranstaltungen wie Olympischen Spielen und Fußball-Weltmeisterschaften.
3. Korruption außerhalb des eigentlichen Wettbewerbs: Geber und Nehmer kommen aus Sport, Politik, Wirtschaft. Hierzu zählt letztlich auch der Missbrauch des Sports zu politischen Zwecken. Und natürlich Formen der organisierten Kriminalität wie Drogenhandel, Menschenhandel, Geldwäsche, die im Sportbusiness akut zunehmen.
Im Winter 1998/99 erlebte das IOC fast sein Waterloo. Die Abkürzung steht für International Olympic Committee. Für Verbrechensbekämpfer bedeutet das Kürzel IOC auch: International Organized Crime. Im Bestechungsskandal um die Olympiabewerbung von Salt Lake City wurden sechs Mitglieder ausgeschlossen, vier weitere traten zurück, etliche wurden verwarnt. Auch damals lautete die offizielle Sprachreglung: Es handele sich um bedauerliche Einzelfälle. Von systematischer Korruption könne keine Rede sein. Andere Bewerbungen um die Austragung von Olympischen Spielen hat die hausinterne Prüfungskommission gar nicht erst untersucht.
Auf dem IOC-Gipfeltreffen Ende Oktober dieses Jahres in Acapulco, wo sich unter anderem Vertreter von 130 Sportministerien trafen, stand Korruptionsbekämpfung nicht auf der Tagesordnung. Der belgische IOC-Präsident Jacques Rogge betonte zwar, er begrüße die jüngsten Maßnahmen der FIFA, sechs Funktionäre zu suspendieren. Grundlegende Schritte aber hält Rogge nicht für erforderlich: Auch nicht die Gründung einer Welt-Anti-Korruptions-Agentur analog zur Welt-Anti-Doping-Agentur, über die seit einiger Zeit debattiert wird.
Die größte Gefahr macht Rogge derzeit im organisierten Wettbetrug aus.
„Das IOC beschäftigt sich seit drei Jahren intensiv mit der Frage der illegalen Wetten. Wir haben von Beginn an mit den Weltverbänden gearbeitet, die am ärgsten betroffen waren: Cricket, Tennis, Reiten – jenen Verbänden also, die schon etwas getan hatten. Wir haben diese Zusammenarbeit dann auf den gesamten olympischen Bereich ausgeweitet und haben während der Sommerspiele 2008 in Peking erstmals ein weltweites Warnsystem installiert. Es gab absolut keinen Hinweis auf Wettmanipulationen. Auch nicht 2010 bei den Winterspielen in Vancouver. Aber das bedeutet nicht, dass das nicht passieren könnte. Besonders nach unseren Erfahrungen mit dem Korruptionsskandal um Salt Lake City sage ich natürlich: Sag niemals nie!“
Im Vorfeld der Sommerspiele 2012 in London soll die Zusammenarbeit mit Interpol und anderen Ermittlungsbehörden ausgebaut werden – aber eben nur auf dem Sektor der Wett-Manipulationen.
„Das ist unser Aktionsplan: A haben wir allen Olympiakomitees und Verbänden, die noch keine Regularien haben, Hilfestellung gegeben, um ihre Regeln anzupassen und jene zu sanktionieren, die im illegalen Wettgeschäft tätig sind. B haben wir mit ihnen Präventionsstrategien ausgearbeitet, um die Sportler zu schützen. Und C wollen wir eine Firma, ein Radarsystem über alle Sportarten hinweg installieren, nicht nur für Olympischen Spiele, das könnte auf alle Meisterschaften angewendet werden. Und schließlich treffen wir uns im Frühjahr mit den Regierungen, um darüber zu beraten, welche juristischen Hebel angesetzt werden müssen. Man kann das ein bisschen mit dem vergleichen, was wir in der Dopingbekämpfung unternommen haben, als wir die Welt-Anti-Doping-Agentur gründeten.“
Multifunktionär Thomas Bach ist Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes und Chef der Juristischen Kommission des IOC. Er hat ebenfalls ausschließlich den Wettbetrug im Fokus:
„Der Wettbetrug und die daraus folgende Korruption im Sport, die Manipulation von sportlichen Ereignissen, erfordert ganz eigene Maßnahmen, weil das vollzieht sich alles außerhalb des Sports. Hier hat der Sport keinen Einflussbereich, keine Überwachungsmöglichkeiten, im Gegensatz zu anderen Fällen wie Doping oder auch Korruption – das vollzieht sich innerhalb der Organisation. Deshalb brauchen wir dort verstärkt die Hilfe von Staaten, Regierungen und Gesetzen. Dort sind wir vollkommen darauf angewiesen, dass dann auch, wenn die Staaten ihre Maßnahmen ergreifen, hoffentlich auch abschreckende Maßnahmen, dass dann sofort auch die Information an den Sport erfolgt, so dass dann auch mögliche Manipulateure sofort aus dem Verkehr gezogen werden.“
Der Sport, der stets auf seine Unabhängigkeit pocht, kooperiert im Wettbereich auch deshalb mit staatlichen Institutionen, weil die Einnahmen aus einem florierenden Geschäft mit Sportwetten und im Wett-Sponsoring überlebenswichtig sind. Sonst aber verbitten sich Funktionäre und Verbände gern externe Einmischung und verweisen auf die angebliche Unabhängigkeit.
Die Kriminologin Britta Bannenberg hält nicht viel von selbst ernannten Ethik-Kommissionen und Ethik-Richtlinien, die von Personen bestimmt werden, die selbst im Zentrum der Kritik stehen. Sie zieht Parallelen zu anderen Korruptions-Sphären.
„Allein ist das völlig nutzlos. Das hatten wir alles schon im Bereich der Wirtschaft aber auch der öffentlichen Verwaltungen. Als die ersten Skandale in Deutschland bekannt wurden, das war in den späten achtziger und in frühen neunziger Jahren, da war die erste Reaktion: Wir verabschieden Ethik-Richtlinien und wir verabschieden Selbstverpflichtungen. Und das allein hat überhaupt gar nichts gebracht. Man glaubt aber häufig damit, erst einmal die Öffentlichkeit beruhigen zu können. Aber das ist alles Worthülse, das muss man eben so erkennen“
Die strukturellen Probleme geht der Sport aus guten Gründen nicht an. Das System basiert auf vielfältigen Verflechtungen und Mitwisserschaft. Das Geben und Nehmen darf als Aggregatzustand der Branche bezeichnet werden. Oft werden diejenigen geächtet, bestraft und ihrer Ämter enthoben, die sich um Transparenz bemühen, die Vorgänge aufdecken und als so genannte Whistleblower eigentlich geschützt werden müssten. Britta Bannenberg:
„Denn letztlich hat man ja die Erfahrung, dass Trainer, Manager, Betreuer, bis hin zu Funktionären wieder eine Einheit bilden, die diese Mauer des Schweigens immer aufrecht erhalten, und die auch einzelne Sportler immer wieder ins Geschehen ziehen. Also zum Teil ist da ein umfassender Personalaustausch von Doping- und korruptionserprobten Menschen unabdingbar. Mit denen geht es nicht. Weil sie die entsprechende Verhaltensweisen derart verinnerlicht haben, dass es ganz normal finden, zu manipulieren und ihre eigenen Interessen dabei zu suchen. Da müsste man also ebenfalls ansetzen und dann die Verbandkontrolle wirklich auch von außen zu erhöhen. Sonst wird auch das nicht funktionieren. Setzt man weiterhin auf Selbstkontrolle von Verbänden, dann wird sich nicht viel ändern.“
Gegen derlei Parallelgesellschaften empfiehlt die Juristin knallharte juristische Maßnahmen. Gesetze, die in einigen großen Korruptionsfällen – etwa bei Siemens oder Daimler – durchaus Wirkung hinterließen.
„Der wirkliche Druck entstand im Grunde erst dadurch, dass insbesondere das amerikanische Strafrecht weltweit zur Anwendung kam. Das hat halt ein paar Besonderheiten. Und dieses scharfe Schwert bedeutet, dass man die ganze Organisation, das gesamte Unternehmen als Täter ansehen kann. Wenn man ein ganzes Unternehmen mit staatlicher Kontrolle verfolgen kann, dann führt erst das dazu, dass Aufklärung wirklich betrieben wird. Und im Falle, dass das dann nicht geschieht oder nicht ausreichend geschieht, wird das ganze Unternehmen mit einer Sanktion belegt oder hat sogar börsenrechtliche Konsequenzen zu fürchten. Und wenn man das auf die großen Wirtschaftsunternehmen der Sportverbände, die weltweit natürlich riesige Geschäfte machen, übertragen würde, dann hätten wir die Lösung.“
Mit anderen Worten: Eine Lösung ist nicht in Sicht. Denn in der Spezialdemokratie Sport gelten weiterhin andere Gesetze.
Das war also damals. Wobei, was ich damals noch nicht wusste, da greife ich mal Bannenbergs Erwähnung des amerikanischen Strafrechts auf: Die Ermittler haben hier längst mitgelesen und Informationen gesammelt. Die Arbeit hat sich also gelohnt. Ich hatte das zum Video von Jung & Naiv kürzlich unter Berufung auf Steve Berryman erwähnt, der sich viele Jahre später, im Oktober 2019, persönlich bei mir bedankt hat: Ohne unsere Arbeit wären es kaum zu den FIFA-Anklagen gekommen. Es waren einige Mosaiksteinchen.
Zürich im Dezember 2010 war eines dieser Mosaiksteinchen.
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