Fatma Samoura tritt als FIFA-Generalsekretärin ab. Es gibt keinen Grund, das zu bedauern. Es gibt keinen Grund, Samoura für irgendetwas zu feiern. Die Frau aus Senegal ist ein fürstlich bezahltes Maskottchen des FIFA-Diktators Gianni Infantino. Sie hat dessen schmutzigen Geschäfte stets gedeckt.
Vier Wochen vor Beginn der Frauen-Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland gab die FIFA die Trennung von der langjährigen Generalsekretärin Fatma Samba Diouf Samoura bekannt. Die 60 Jahre alte Senegalesin, beruflich im Reich der Vereinten Nationen sozialisiert, wird die FIFA zum Ende dieses Jahres verlassen. Das Timing dieser Trennung ist suboptimal, natürlich. Auf den ersten Blick scheint die Sache klar: Wieder eine Frau, die von den Machos im Fußballbusiness verstoßen wird Doch ein Skandal verbirgt sich dahinter nicht. Samoura war schlichtweg die falsche Frau an der falschen Stelle.
Wenn sie mal aktiv wurde, hat sie nicht anders gehandelt als Gianni Infantino und all die anderen Kerle an der FIFA-Spitze.
Skandalpotential hatten allenfalls die Verpflichtung von Samoura im Jahr 2016 und ihre Performance seither.
Normalerweise erwartet man von einer global operierenden Institution wie der FIFA einen hochprofessionellen Auswahlprozess: Nur die Besten der Besten sollten den Milliarden-Konzern leiten. Doch selbstverständlich gab es einen solchen Sichtungsprozess damals nicht. Vielmehr überraschte der frisch gewählte FIFA-Präsident Gianni Infantino seinerzeit mit der Personalie. Eine Frau, die keinerlei Erfahrungen im Fußball hatte, sollte plötzlich das Tagesgeschäft eines Weltkonzerns mit inzwischen 850 Angestellten leiten. Es gab viele wohlwollende Schlagzeilen über die erste Afrikanerin an der Spitze der FIFA-Administration – und Infantino konnte sein eigentliches Herrschaftssystem aufbauen. FIFA-Präsidenten sollten zwar offiziell nicht mehr das Tagesgeschäft bestimmen, sondern eben: präsidieren. Infantino aber kümmerte das nicht. Er machte, was er wollte.
Samoura steht für das alte System
Einen Mann an Samouras Stelle hätte man wohl Grüß-August genannt. Wie aber nennt man eine Frau, die als Teil einer groß angelegten Täuschung installiert wurde? Als Verwaltungschefin, die nicht wirklich etwas zu sagen hat und letztlich nur ausführt, was Infantino befiehlt: Grüß-Fatma?
Natürlich hätten sich im Fußballbusiness einige geeignete Kandidatinnen für diese Spitzenposition gefunden. Es gibt seit mindestens drei Jahrzehnten herausragende Fußballfunktionärinnen, schon lange vor der Norwegerin Lise Klaveness, die seit einiger Zeit Schlagzeilen macht, weil sie sich mit Mut, Verve und Können den Machos entgegenstellt. Aber darum ging es bei der Installierung von Samoura ja nicht. Es ging allein darum, dass Infantino der Öffentlichkeit ein falsches Bild vermitteln wollte. Diversität! Gleichberechtigung!
Inhaltlich liegen Welten zwischen Frauen wie Samoura und Klaveness. Samoura steht für Intransparenz und Vetternwirtschaft wie in alten Zeiten. Sie hatte im Auftrag von Infantino ihre Aktien daran, dass den einstigen Ethikchefs der FIFA und dem Governance-Chef Miguel Maduro gekündigt wurde. Jenen also, die sich dem System einigermaßen entgegen stemmten.
Zwischenzeitlich, ab 2019, hatte Infantino seine Generalsekretärin für viele Monate nach Kairo geschickt, wo sie die skandalumtoste und dysfunktionale afrikanische Konföderation CAF in einen Vorzeigeverband verwandeln und ebenfalls Infantinos Willen durchsetzen sollte. In Zürich, im Home of FIFA, wurde sie nicht vermisst. Nach drei Jahren des Irrlichterns von Samoura, nach den ersten Skandälchen, gefiel es vielen FIFA-Bediensteten, dass die Chefin in Afrika weilte. Da konnte sie weniger Unheil anrichten. In Zürich etablierten sich die beiden stellvertretenden Generalsekretäre Alasdair Bell und Mattias Grafström als die eigentlichen Bosse – neben Infantino, versteht sich.
Im Gegensatz zu Samoura sind der Brite Bell und der Schwede Grafström echte Vertraute von Infantino, seit vielen Jahren. Bell war es bereits, als Infantino noch die UEFA-Administration leitete, bevor er im legendären Sommer 2015 auf wundersame Weise zum FIFA-Präsidentenkandidaten entwickelte, mit Hilfe der Schweizer Justiz. Grafström startete bei der FIFA als Infantinos Bürochef und war als solcher in dubiose Vorgänge verstrickt. Als Infantino dann ein knappes Jahr vor der Männer-WM 2022 nach Doha zog, wurde FIFA-Politik selbstverständlich nicht in Zürich von Samoura gemacht, sondern in Doha von Infantino.
Schlechtester FIFA-Verwaltungschef? Linsi oder Selfie-Fatma?
Die FIFA wurde 1904 gegründet. Seither gab es neun Generalsekretäre, einen Interims-Verwaltungschef – und als Nummer elf eine Generalsekretärin. Langjährige FIFA-Mitarbeiter sind sich sicher, dass nur Fatma Samoura und der Schweizer Urs Linsi für den inoffiziellen Titel des schlechtesten Generalsekretärs in der FIFA-Historie in Frage kommen.
Der gewesene Banker Linsi dilettierte von 2002 bis 2007 unter dem allmächtigen Präsidenten Joseph Blatter. Zu den vielen atemraubend hilflosen Auftritten von Linsi zählt die Episode vom September 2005, als er bei einer Sitzung in Marrakesch daran verzweifelte, die Regularien für eine Auslosung von zwei Teams zu erläutern. Es ging nur darum, für die WM-Playoffs auszulosen, welches Team im ersten Spiel Heimrecht haben sollte: Australien oder Uruguay. Linsi scheiterte an der Aufgabe. Nachdem der neben ihm sitzende Präsident Blatter erst eine Weile gefeixt und sich über die Unfähigkeit seines Generalsekretärs amüsiert hatte, rettete er den Tollpatsch und erklärte das Prozedere selbst.
Man weiß nicht, ob Samoura in der Lage gewesen wäre, eine derartige simple Aufgabe auszuführen. Man weiß es vor allem deshalb nicht, weil Infantino seine Generalsekretärin bei derlei Gelegenheiten immer seltener auftreten ließ. Samoura spielte bei großen FIFA-Events kaum eine Nebenrolle. Dass sie tatsächlich anwesend gewesen sein muss, etwa bei den Weltmeisterschaften 2018 in Russland und 2022 in Katar, das erfuhr die Öffentlichkeit vor allem über ihren Twitter-Account. Inhaltlich hinterließ Samoura allein dort Spuren. In der Geschichte der FIFA gibt es keine andere Führungskraft, die dermaßen viele Selfies veröffentlicht hat. Dieser Rekord bleibt.
Ein Beleg für irgendeine nachhaltig positive Wirkung ihrer siebenjährigen Tätigkeit ist noch nicht gefunden. Man weiß gesichert, dass Fatma Samoura im Laufe der Jahre mehr als 10 Millionen Euro an Gehalt und Boni kassiert hat. Auch das hat sie mit Urs Linsi gemein. Der wurde von Blatter sogar noch mit einer Abfindung von sieben Millionen Euro bedacht. Schweigegeld.
Der Abgang zum 31. Dezember 2023 wird Samoura gewiss ebenfalls versüßt, selbst wenn es nur ein Teil der gewaltigen Summe sein dürfte, die Linsi einst für seine Entlassung erhielt. Ob Samoura zu den bisher erhaltenen rund zehn Millionen Euro nun ein oder zwei Millionen dazu bekommt, ist in einem milliardenschweren Unternehmen wie der FIFA nahezu unerheblich. Zum Vergleich: Ab 2015, als die amerikanische Justiz das kriminelle FIFA-System zu zerschlagen drohte, hat der Weltverband mehr als ein Jahr lang zehn Millionen monatlich an Anwälte und Lobbyisten gezahlt, um im Rahmen der Strafverfahren in den USA nicht zu einer kriminellen Organisation erklärt zu werden.
Vielleicht muss man die Investition in Samoura aber ganz anders betrachten: Gewiss hatte die Personalie der afrikanischen FIFA-Generalsekretärin in manchen Teilen der Welt die erhoffte Wirkung. Reine PR, ein Täuschungsmanöver. Aus Infantinos Sicht waren es zehn gut investierte Millionen.
Höhepunkt des Wirkens von Fatma Samoura? „I love you, president!“ Mal reinschauen:
That's all you need to know #FIFAcrime and Gianni Infantilo.
— SPORT & POLITICS (@JensWeinreich) March 16, 2023
Eso es todo lo que necesitas saber.
C'est tout ce que vous devez savoir.
Mehr muss man nicht wissen.
それだけで十分です。 pic.twitter.com/3mAy03qid3
Sie wolle sich künftig mehr um ihre Familie kümmern, hat Fatma Samoura zur Trennung von der FIFA verlauten lassen. Niemand muss das glauben. Wahrscheinlicher ist, dass sie in nicht allzu ferner Zukunft als CAF-Präsidentin oder in einer anderen Position zurückkommt und in das FIFA-Council einzieht.
Sie hat Gefallen gefunden am Glamour, am Show-Biz, am fürstlichen Gehalt, an den Hinterzimmer-Deals. Das unterscheidet sie gewaltig von Frauen wie Lise Klaveness, die dieses kaputte System sprengen wollen.
Eine kürzere Version dieses Textes wurde zuerst im SPIEGEL veröffentlicht: „Klappt die Olympiabewerbung mit dieser Kampagne?“