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Das Olympische Bildungsmagazin

Olympiabewerbungs-Kampagne mit personifizierter Alleinhoffnung

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat eine Kampagne für eine neue deutsche Olympiabewerbung gestartet. Nach sieben meist peinlich und krachend gescheiterten Bewerbungen, inklusive der Verschwendung von Steuermitteln, will man alles irgendwie besser machen – teilweise mit denselben Beratern, die auch für das IOC arbeiten.

Ab Mitte August will der DOSB sogenannte Fachgespräche führen, danach sollen Debatten in den avisierten Städten und Regionen folgen, die für Sommerspiele ab 2036 und Winterspiele ab 2038 in Frage kommen: Berlin, Leipzig, München, Hamburg und NRW. Daraus sollen ein Konzept und eine Bewerbungsentscheidung erwachsen – und ein Bürgervotum. Ohne ein Ja der Bürger soll es keine Bewerbung geben. So lautet das Versprechen.

Was soll das sein? Etwas Neues, ganz gewiss. (Quelle: DOSB)

Inhaltlich gibt es zum Kampagnenbeginn keine neuen Erkenntnisse – und offenbar auch keine bahnbrechenden Vorarbeiten.

– Der DOSB hat keine belastbare und transparente Analyse der seit 1986 sieben gescheiterten deutschen Olympiabewerbungen vorgelegt.

– Der DOSB hat kein Grobkonzept einer möglichen neuen Offerte erarbeitet.

Informationsblockaden des DOSB

Dabei sollte all das doch am Beginn einer sinnvollen Diskussion stehen, wie seit vielen Jahren diskutiert und gefordert wird. Der DOSB bringt es zunächst nicht einmal fertig, seine Kampagnen-Webseite deine-spiele.de mit grundlegenden Dokumenten zu ergänzen. Die Nationale Strategie Sportgroßveranstaltungen böte sich an, die bis Anfang 2021 für eine Millionensumme aus Steuermitteln zusammengeschustert wurde. Auch der Beschluss der DOSB-Mitgliederversammlung vom Dezember 2022 zur Frage der Olympiabewerbung fehlt. Von vielen anderen Dokumenten ganz abgesehen, die der DOSB eisern unter Verschluss hält: Etwa die Protokolle der Sitzungen des Lenkungskreises, der den Bewerbungsprozess plant, oder eine Übersicht zu allen Gesprächen, die DOSB-Führungskräfte in den vergangenen Monaten bereits mit Lokalpolitikern und dem IOC zu einer Olympiabewerbung geführt haben. 

Nichts davon ist öffentlich.

Im Vergleich zum DOSB agieren inzwischen die meisten olympischen Weltverbände transparenter und moderner, denn diese veröffentlichen seit langem Protokolle von Vorstandssitzungen. Im internationalen Vergleich rangiert der DOSB bei Erhebungen zu Good Governance (gute Unternehmensführung) auf hinteren Plätzen. Das alles spiegelt sich wieder in den Veröffentlichungen zum Start dieser Kampagne, die von Buzzwörter – Dialogforen! Fachgespräche! Partizipation! – und Lobpreisungen für angebliche Reformen im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und den IOC-Präsidenten Thomas Bach geprägt ist, der zugleich DOSB-Ehrenpräsident ist.

Interessenkonflikte der DOSB-Beraterfirma Proprojekt?

Da beginnt das Problem. Denn Proprojekt, die wichtigste Beraterfirma der „Stabstelle Olympiabewerbung“ des DOSB, arbeitet zugleich „weiterhin für das IOC“. Das teilte der DOSB auf meine Anfrage mit. Proprojekt habe „die ausdrückliche Genehmigung“ des IOC, den DOSB „bis zu einem möglichen offiziellen Eintritt in das Bewerbungsverfahren beim IOC zu unterstützen“.

Schon in den vergangenen Jahren hatte Proprojekt teilweise zugleich für das IOC, den DOSB und mitunter für das Bundesinnenministerium gearbeitet. Proprojekt und seine Führungskräfte wie Geschäftsführer Stefan Klos werkelten an fast allen gescheiterten deutschen Olympiabewerbungen der vergangenen Jahrzehnte. Im Auftrag des DOSB evaluierten Klos & Co ihre Arbeit selbst in einer sogenannten Vermächtnisanalyse, die natürlich bilanzierte, dass Olympiabewerbungen, auch krachend gescheiterte, irgendwie eine ganz dufte Sache seien. Proprojekt war federführend bei der Erstellung der Nationalen Strategie Sportgroßveranstaltungen. Proprojekt ist wieder dabei und verkauft für den DOSB den Olympiabewerbungsprozess des IOC als bahnbrechend, transparent und neu. Kein Wunder, denn daran hat Proprojekt im Auftrag des IOC ebenso verdient.

Ich hatte auch auf derartige merkwürdige Konstellationen 2021 in meiner Expertise für den Sportausschuss des Bundestages hingewiesen:

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Offiziell bewirbt sich Deutschland zwar noch nicht. Vom IOC und olympischen Propagandisten aber wird Deutschland längst in der Liste der Interessenten geführt, mit denen man über Olympische Spiele diskutiert. Öffentlich nachvollziehbare und kontrollierbare Regularien, wie sie sogar die FIFA gerade zur Frauen-WM 2027 vorgelegt hat, für die sich Deutschland mit Belgien und den Niederlanden bewirbt, gibt es im IOC nicht mehr. 

Man ist halt im Austausch mit Lausanne. Das muss irgendwie reichen, dachte man immer, damals, heute und morgen. Denn die Hoffnung des DOSB hat einen Namen: Thomas Bach.

Nur wird man das den Menschen nicht so erzählen, denn wie sagte ein ehemaliger deutscher Sportminister einst: ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.

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DOSB-Führungskräfte mit Olympiabewerbungshoffnung (Mitte neben Pierre de Coubertin) in der IOC-Konzernzentrale. (Foto: Christophe Moratal/IOC)

Inzwischen, kleiner Nachtrag, sind auch andere deutsche Olympiabewerbungsinteressierte in Lausanne aktiv. Immer dasselbe, eine Fortsetzungsgeschichte, Teil 2.036, diesmal: Stefan Klett & Co:

Historisches Desaster von DOSB, NRW und Lobbyist Michael Mronz

Spätestens seit Februar 2021 ist bewiesen, wie fragwürdig und intransparent das internationale olympische Bewerbungsverfahren geworden ist. Selbstverständlich spielten deutsche Olympiabewerber – der DOSB und die angebliche „Privatinitiative“ des Lobbyisten Michael Mronz – dabei unrühmliche Hauptrollen. Der DOSB und Mronz waren Anfang 2021 in Gesprächen mit dem IOC über das Projekt NRW 2032, und die deutschen Parteien glaubten, diese Videokonferenzen seien ernst gemeint, eine Entscheidung über die Sommerspiele falle frühestens im Jahr 2032. Sie fielen aus allen Wolken, als die IOC-Führung sich Ende Februar 2021 auf die Olympiastadt Brisbane festlegte.

Gruppenfotos mit der großen Hoffnung haben schon damals nicht geholfen.

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Wer zuletzt lacht: Rheinländer Mronz, Rücker, Laschet – Profi Bach. (Foto: IOC/Greg Martin)

Auch zur historischen DOSB/NRW/Mronz/Laschet-Pleite, als die großen deutschen Olympiabewerbungsexperten nicht mal mehr begriffen, dass die Entscheidung für 2032 längst gefallen ist, gab es einiges in diesem Theater:
live von der 138. IOC-Session: Brisbane 2032. Enjoy the Games!
Tokio, was vom Tage übrig bleibt (21. Juli 21)
IOC-Ultimatum für Alfons Hörmann (DOSB, CSU)
Seine Olympische Heiligkeit: Thomas Bach (FDP)
Der verzweifelte Versuch von DOSB und BMI, die Kommunikationsherrschaft zu erlangen
Olympia in NRW? „Wir sind zu jedem Tag bereit“, sagt Armin Laschet
Stellungnahme(n) für den Sportausschuss zur Nationalen Strategie Sportgroßveranstaltungen
Gegen die Wand (2): Brisbane und #NRW2032
Paradoxon Olympia 2032: Berlin ist draußen, NRW ist ein Kandidat, ohne zum Kandidaten gekürt worden zu sein
– schon 2017 habe ich das Desaster korrekt vorhergesagt: Gegen die Wand: Deutschland und seine Olympiabewerbungen #NRW2032

NRW-Verantwortliche und der DOSB bezichtigten sich gegenseitig der Unwissenheit und schimpften über die Intransparenz des IOC. Unvergessen die Pressekonferenz des damaligen NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU). Es war die peinlichste der vielen Bewerbungspossen in diesem Land. Inzwischen waren die Deutschen also nicht mal mehr in der Lage, die Signale aus der von einem Deutschen geführten IOC-Zentrale zu deuten.

Zwei Jahre später hat der sportpolitische Komplex diese Vorgänge schon wieder vergessen oder verdrängt. Mronz spielt weiter den Mronz und ist ganz geschäftig. DOSB-Funktionäre und Sportpolitiker pilgern gern nach Lausanne und malen ein rosarotes olympisches Bild. Man müsse nur Vertrauen haben in den IOC-Präsidenten Bach, dichtete vor wenigen Tagen Michael Mronz, dann würden olympische Träume erfüllt.

Von solchen Psalmen und Lobeshymnen ist die DOSB-Kampagne geprägt. Klar, es soll Debatten geben mit den Menschen, aber vor allem will man Emotionen schüren. Passender Weise hat der DOSB dafür eine weitere Agentur verpflichtet, deren Name Programm ist: TAS Emotional Marketing GmbH.

Derartige Ansätze am Kern des Problems vorbei führen wieder in die Sackgasse, glaubt der Sportsoziologe Christoph Breuer, der mehrere Studien zur Akzeptanz des Spitzensports vorgelegt hat – und der seit langem mit dem DOSB kooperiert. Breuer erklärte kürzlich bei einer Anhörung im Sportausschuss des Bundestages: Wenn der Spitzensport, seine Verbände und Funktionäre „nicht als integer wahrgenommen werden“, dann finden sich „in westlichen Demokratien keine Bevölkerungsmehrheiten für Olympische Spiele“.

Laut DOSB stehe allerdings die Mehrheit der Deutschen einer Bewerbung positiv gegenüber. So war das schon immer. Man beruft sich auf irgendeine putzige eigene Erhebung und wundert sich später, wie es passieren konnte, dass die Menschen bei Referenden anders entscheiden.

Kein Konzept, aber Debatten über Bundesmittel

In den vergangenen Tagen hatte es im sportpolitischen Berlin nach meinen Anfragen für den SPIEGEL und SPORT & POLITICS hektische Betriebsamkeit gegeben. Zu klären war die Information, ob im nächsten Bundeshaushalt bereits ein Posten für die Olympiabewerbung eingestellt werde, ohne dass diese überhaupt beschlossen ist. Als Gerücht hielt sich eine Summe von 5 Millionen Euro ab 2024. Der DOSB teilt dazu mit:

„Klar ist, dass, sollte es zu einer Bewerbung kommen, was derzeit noch nicht klar ist, der Bund eine Teil der Kosten tragen muss. Über konkrete Zahlen wurde bislang nicht gesprochen, geschweige denn welche beantragt.“

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärt:

„Im Rahmen des regelmäßigen Austausches wurde seitens des DOSB – mit Blick auf den Auftrag des Koalitionsvertrags – auch der grundsätzliche Wunsch nach einer finanziellen Beteiligung des Bundes im Strategieprozess ab dem Jahr 2024 vorgebracht.“

Es gibt demnächst ein neues Magazin.
Und das sollte Pflichtlektüre für alle sein, die über eine Olympiabewerbung debattieren. Am Layout werde ich selbstverständlich noch basteln, aber viel wichtiger ist der Inhalt: Was auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes in Deutschland an Akten zu Olympiabewerbungen zugänglich ist, habe ich im Grunde gesichtet und gesichert. Das hat niemand sonst getan. Der DOSB verweigert natürlich Akteneinsicht. Seit 1991 habe ich sämtliche Olympiabewerbungen, national und international, meist sehr intensiv betreut und dazu recherchiert, war auch bei fast allen IOC-Entscheidungen vor Ort, egal auf welchem Kontinent. Aus dieser Kombination – Dokumente, Wissen, Recherche – entsteht dieses Heft zu Deutschlands Olympiabewerbungen und den aktuellen Versprechen von DOSB, IOC und anderen üblichen Verdächtigen. Olympische Bildung vom Feinsten. Wenn Sie mich fragen: Sie sollten es kaufen.

Die Millionen könnten im Herbst im Rahmen der Bereinigungssitzung in den Haushalt eingestellt werden. Momentan sei „keine Haushaltsreife gegeben“, sagt FDP-Sportsprecher Philipp Hartewig. „Ob sich die Voraussetzungen in Richtung Bereinigungssitzung ändern, wird sich zeigen. Grundsätzlich sind wir aber für eine mögliche Olympiabewerbung sehr offen.“ SPD-Sportsprecherin Sabine Poschmann erklärt:

„Die Bereitstellung von Mitteln kommt nur in Frage, wenn plausibel gemacht wird, wofür und warum die Mittel genau benötigt werden und dies im Einklang mit den genannten Vereinbarungen im Koalitionsvertrag steht.“

Natürlich kritisierte die Opposition in Gestalt des CSU-Politikers Stephan Mayer die Vorgänge:

„Das Ansinnen des DOSB, in den kommenden Haushalt fünf Millionen Euro für eine deutsche Olympiabewerbung einstellen lassen zu wollen, ist hier nicht bekannt. Dieses Vorgehen würde aber insofern nicht überraschen, da es erneut Ausdruck einer Hinterzimmerpolitik des DOSB wäre, die in der jüngeren Vergangenheit bereits häufiger zu beobachten war.“

Das ist mehr als witzig: Als Parlamentarischer Staatssekretär und Parteifreund des ehemaligen DOSB-Präsidenten Alfons Hörmann hat Mayer jahrelang selbst Hinterzimmerpolitik betrieben.

Inzwischen wird der DOSB von zwei SPD-Mitgliedern geführt, vom Präsidenten Thomas Weikert und dem Vorstandsvorsitzenden Torsten Burmester. Im Grunde werden sogar alle wichtigen sportpolitischen Positionen von der SPD kontrolliert. Nun sagt Mayer:

„Es ist der völlig falsche Ansatz, eine mögliche Bewerbung mit der Akquise von Haushaltsmitteln zu beginnen. Einer Bewerbung erweist der DOSB damit einen Bärendienst. So droht bereits ein frühes Scheitern.“

So droht bereits ein frühes Scheitern? Kommt einem doch bekannt vor, nicht wahr?

Auf meine Anfragen äußersten sich auch Tina Winklmann und Philip Krämer, die für die Grünen im Sportausschuss des Bundestag sitzen. „Zum jetzigen Zeitpunkt rechnen wir nicht mit einem Haushaltstitel über fünf Millionen für die Olympiabewerbung“, teilen sie mit.

„Wir möchten den dringenden Appell an größtmöglicher Transparenz hervorheben. Wir sind uns der Bedeutung und Tragweite einer solchen Entscheidung bewusst und möchten sicherstellen, dass alle relevanten Informationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.“

Genau das ist in dieser Kampagne nachweislich nicht gegeben.

Derweil diskutiert man in Berlin offenbar schon ganz andere Zahlen: Von 10 Milliarden Euro Kosten für Olympische Spiele in Deutschland ist demnach die Rede, höre ich. Das soll die Obergrenze sein. Das wären zwar einige Milliarden weniger, als die Olympiaplaner von Hamburg (2024) und Leipzig (2012) einst kalkuliert hatten, in beiden Fällen ging es intern um mehr als 18 Milliarden Euro.

Doch auch eine Deckelung auf 10 Milliarden Euro für ein zweiwöchiges Sportfest wäre eines nicht: nachhaltig und kosteneffizient.

Halten wir vorerst fest: Es gibt angeblich keine Bewerbung. Es liegt kein Konzept vor. Aber es wird über Milliarden geredet.

Eine kürzere Version dieses Textes wurde zuerst im SPIEGEL veröffentlicht: „Klappt die Olympiabewerbung mit dieser Kampagne?“

Ein Gedanke zu „Olympiabewerbungs-Kampagne mit personifizierter Alleinhoffnung“

  1. Sg Herr Weinreich, auch wir OLYMPIA-OLDIES, GERMAN OLYMPIANS, GDOler, die sich an der Basis für den Sport und den sportlichen Nachwuchs engagieren stellen uns FRagen! Kommen aber nicht durch,… nach oben! Ihnen besten Dank für Ihre Arbeit! D Büttner OLY

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