Und es sprach David Howman, Generaldirektor der Weltantidopingagentur WADA:
Ich hätte gern eine deutsche NADA, die so stark ist wie andere starke NADAs. Die WADA wird gern mit daran arbeiten, dass die NADA auf dieses Niveau kommt.“
Was für eine Ohrfeige für die immer dubioser agierende – angeblich unabhängige – nationale Agentur, in der ein sportpolitischer Komplex (DOSB und Vasallen, BMI, MdB wie die DLV-Vizepräsidentin Freitag) die Richtung bestimmt. Und diese Richtung stimmt nicht, meint nicht nur Fritz Sörgel in der Berliner Zeitung:
Mann weiß gar nicht, wo Mann anfangen soll, seine Fragen zu stellen. Mann schüttelt den Kopf. Unfassbar, was sich in der so genannten Dopingbekämpfung abspielt. In der Erfurter Affäre ist natürlich auch die WADA nicht frei von Schuld. Aber anders als die NADA versucht sich WADA-General Howman wenigstens ansatzweise an Öffentlichkeit, während in BonnBerlinFrankfurt nur gemauschelt wird.
Grit Hartmann hat sich am Montag auf dem Frankfurter Flughafen mit David Howman getroffen, der für zwei Interviews extra von Montreal eingeflogen ist – ein äußerst erstaunlicher Vorgang. Grit Hartmanns Interview mit Howman, veröffentlicht auf Zeit Online, ist Pflichtlektüre:
Mit Genehmigung der Autorin hier die Kern-Passage aus dem Gespräch:
Grit Hartmann: Die Nada informierte Ende April über die neue Meinung der Wada, eine angeblich „finale Einschätzung“. Die sei „richtungsweisend für das weitere Vorgehen“. Das heißt: Die Einleitung weiterer Dopingverfahren ist nicht geplant. Zu diesem Zeitpunkt stand das einzige Gutachten, das die Nada selbst in Auftrag gegeben hat, noch aus. Der Gutachter Prof. Heiko Striegel ist inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass es sich auch 2005 schon um Blutdoping gehandelt hat. Wie bewerten Sie das Vorgehen der Nada? War die Wada informiert, dass die Nada noch ein Gutachten erwartete?
David Howman: Zuerst einmal ist klar: Die Wada fällt keine Entscheidungen. Sie kann einen Rat geben, aber mehr nicht. In diesem Fall hat uns die Nada in eine Situation manövriert, in der wir nicht sind. Sie hat suggeriert: Was die Wada sagt, das ist eine Entscheidung. Das ist komplett falsch. Deshalb mische ich mich jetzt ein und sage: Nein, nicht wir entscheiden. Und, nein, über das ausstehende Gutachten waren wir nicht informiert.
Grit Hartmann: Wie lautet jetzt Ihr Rat?
David Howman: Ich empfehle, aus den mehr als 20 Athleten, die vor 2011 in Erfurt Blut bestrahlen ließen, einen herauszugreifen und ihn vors Schiedsgericht zu bringen. Wenn dabei festgestellt wird, dass diese Methode schon immer verboten war, ist es leichter, weitere Dopingverfahren einzuleiten. Die Nada muss jetzt ihren Job machen. Sie muss entscheiden, welchen Fall sie auswählt. Unser Job ist es, das zu beobachten. Und wenn das Schiedsgericht falsch entscheidet, dann haben wir das Recht, beim Weltsportgerichtshof CAS in Berufung zu gehen.
Grit Hartmann: Was also ist die Wada-Auskunft vom 26. April wert?
David Howman: Der Brief von Olivier Rabin kann nur als das genommen werden, was er ist. Ein Zwischenstand, basierend auf den Informationen, die uns zur Verfügung standen. Da uns Informationen fehlten, ist diese Einschätzung hinfällig. Unvollständige Informationen ergeben keine finale Antwort. Der Brief ist nichts wert. Das ist der Kern. (…)
Grit Hartmann hat die Geschichte auch für Tageszeitungen aufgeschrieben. Lesebefehl, ihr Beitrag:
* * *
David Howman, der Generaldirektor der Welt-Antidoping Agentur, wirkt erschöpft, aber konzentriert. Diese Sache klarzustellen – das ist dem Neuseeländer so wichtig, dass er dafür einen 13-Stunden-Flug nach Deutschland auf sich genommen hat. Für zwei Interviews und zweieinhalb Stunden sitzt er am frühen Montagmorgen in einem Hotel am Frankfurter Flughafen, bevor er wieder in den Flieger steigt.
Um die Blutdoping-Affäre am Erfurter Olympiastützpunkt geht es, um den Ruf der Institution Wada und auch um seinen eigenen. Denn Howman hatte im Februar erklärt, die Bestrahlung von Sportlerblut mit UV-Licht sei wohl Blutdoping, sie stehe seit Jahren auf der Verbotsliste. Das galt, bis die deutsche Nada vor vier Wochen eine Kehrtwende der Montrealer Betrugsbekämpfer verkündete: Die Erfurter Praktiken, hieß es nun, seien erst ab 2011 von den Dopingregeln erfasst.
Das sorgte selbst bei Wada-Präsident John Fahey für Irritation. „Er hat mich damit beauftragt“, sagt Howman, „den Fall noch einmal persönlich zu durchleuchten und dem Exekutivkomitee ein Positionspapier vorzulegen.“ Das Resultat der Akteneinsicht war wenig erfreulich: „Eine Menge ist schief gelaufen in der Kommunikation.“ Vor allem dies: „Wichtige Informationen“ halte die deutsche Agentur bis heute zurück. Und Howman, der drei Jahrzehnte als Anwalt tätig war, weiß, was wichtig ist: „Beispielsweise haben wir die Ermittlungsunterlagen der Staatsanwaltschaft nie zu Gesicht bekommen. Das ist okay. Aber man sollte dann von uns keine Meinung erwarten.“
Der an Peinlichkeiten reichen Geschichte der Nada ist allein damit zweifellos ein Novum hinzugefügt. Mehr noch aber hat den Wada-General ein anderer Umstand verärgert. Ihm ist nicht entgangen, wie eilig die Bonner Agentur dem Wada-Bescheid folgte: Nada-Chefin Andrea Gotzmann flötete sogleich, ihre „überlegte Vorgehensweise“ sei richtig gewesen. Von 30 Athleten, deren Blut der Erfurter Arzt Andreas Franke seit 2005 manipuliert hatte, blieben nur noch jene zwei, gegen ohnehin Verfahren laufen: die Eisschnellläuferin Judith Hesse und der Radler Jakob Steigmiller. Howman kommentiert das frostig: „Die Nada hat uns in eine Situation manövriert, in der wir nicht sind. Sie hat suggeriert, die Wada entscheide. Das ist komplett falsch. Ein Sportgericht hat zu entscheiden.“
Das gelte, daran lässt Howman keinen Zweifel, auch für Athleten, die ihr Blut vor 2011 in Erfurt manipulieren ließen: „Ich empfehle, einen Fall für ein Dopingverfahren herauszugreifen. Die Nada muss jetzt ihren Job machen.“ Aufgabe der Wada sei es, zu beobachten und dann gegebenenfalls beim Weltsportgerichtshof CAS in Berufung zu gehen.
Ganz kann Howman freilich die fragwürdige Läuterung des Dopingskandals auch im eigenen Haus nicht wegreden. Durchgesickert ist, dass bei weitem nicht alle Mitglieder des für die Verbotsliste zuständigen Komitees, das angeblich die Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt hat, befragt worden sind. Dessen Vorsitzender, der Brite Richard Budgett, soll gar geglaubt haben, in Erfurt seien Sportler über die Haut mit UV-Licht bestrahlt worden. Howman will das nicht bestätigen, sagt aber: „Der Kern ist, dass keiner unserer Experten alle Fakten auf dem Tisch hatte.“
Was also ist die Auskunft der Wada noch wert? „Da uns Informationen fehlten, ist diese Einschätzung hinfällig. Unvollständige Informationen ergeben keine finale Antwort. Sie ist nichts wert.“
Der Neuseeländer lässt sich durchaus auch auf die komplizierteren Fragen der Causa ein, etwa auf die Argumente einiger früherer Gutachter der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein. Sie berufen sich auf die Überschrift über dem Blutdoping-Paragrafen in der Wada-Verbotsliste – Verbesserung des Sauerstofftransports, lautet sie. Da Manipulation von 50 ml Blut den Sauerstofftransfer nicht erhöhe, seien die Erfurter Praktiken bis zu einer Regelpräzisierung Anfang 2011 erlaubt gewesen. Howman hält das für einen „Denkfehler“. Jeder Anwalt, der Gesetze zu interpretieren habe, wisse, dass es auf den Gesetzestext ankomme, nicht auf die Überschrift. „Der Text sagt klar, was unter Blutdoping zu verstehen ist. Blutdoping ist der Gebrauch von Blut und Produkten aus roten Blutzellen.“ Das habe aber nicht er, sondern ein Schiedsgericht zu entscheiden.
Howmans Botschaft ist also klar. Und für die Bonner Nada – die eher Interesse an der Vermeidung eines Dopingskandals demonstrierte als an der Ahndung von möglichen Dopingfällen – herrscht Erklärungsnotstand. Vor allem vor dem Hintergrund, dass das Bundesministerium des Innern, mit Erfurt als Dopingfinanzier in der Kritik, von Anfang an eine „nicht eindeutige Verbotslage“ reklamierte, um weitere Dopingverfahren abzuwenden. Auch DOSB-Präsident Thomas Bach legte die Interpretation nahe, die Blutbehandlungen seien erst ab 2011 verboten. Ein größerer Skandal so kurz vor den Londoner Spielen, gar die fällige Debatte über Dopingmentalität an einem deutschen Olympiastützpunkt, passte erkennbar wenig ins Konzept – weder dem BMI noch Bach, der im nächsten Jahr IOC-Präsident werden möchte.
Dass die Medaillenzählerei in der deutschen Sportfamilie seit je schwerer wiegt als der „saubere Sport“, den Bach gerade bei der ersten Nominierungsrunde fürs Olympiateam fromm beschwor, verdeutlicht ein weiterer Fakt, der nun neue Brisanz gewinnt: Aus dem „härtesten Konkurrenzkampf, den es je gegeben hat“ (Bach über London), wird der DOSB womöglich eine bereits nominierte Radsportlerin wieder aussortieren müssen. Sie gilt als Medaillenkandidaten – und zählte 2010 zu Frankes Kunden.
Howman jedenfalls sagt auch zu diesem speziellen Fall:
Wenn es Vorwürfe gibt gegen Olympiateilnehmer, sollten diese Vorwürfe mit großer Dringlichkeit behandelt und vor ein Sportgericht gebracht werden.“
* * *
Nachtrag, 18.05 Uhr: Ich hatte für einen Beitrag der NADA auf die Schnelle einige Fragen gestellt. Fragen und Antworten von Kommunikationschef Berthold Mertes zur Lektüre:
Lieber Herr Weinreich,
die von Ihnen als fundamentale Kritik qualifizierten Aussagen von David Howman bewerten wir in mehreren Punkten als falsch.
FRAGE: Wie bewerten Sie die Aussagen – und die doch fundamentale Kritik – von David Howman?
ANTWORT: Wir haben der WADA keinerlei relevante Unterlagen vorenthalten. Zu der in Erfurt angewendeten Methode stehen wir seit Frühjahr 2011 in einem engen und guten Austausch mit den Fachgremien der WADA. Einschränkungen betreffen Bestandteile der staatsanwaltlichen Ermittlungsakten, aus denen wir nur sehr begrenzt Informationen weitergeben dürfen – nur solche, die zur Beurteilung von Erlaubnis bzw. Verbot der Methode dienen.
Eine Weitergabe des in Auftrag gegebenen Gutachtens an die WADA erfolgt selbstverständlich, aber erst nach Vorliegen und Bewertung des kompletten Gutachtens. Wasserstandsmeldungen – wie zuletzt an die Öffentlichkeit gelangt – sind wenig hilfreich.
Den von Howman geäußerten Vorwurf, nicht explizit nach „M1“ gefragt zu haben, können wir widerlegen. Die Frage wurde in der umfangreichen Korrespondenz mit den Fachgremien der WADA mehrfach gestellt, ganz klar und zum wiederholten Mal am 20. Februar 2012 an das Science Department.
FRAGE: Was hat sich die NADA vorzuwerfen?
ANTWORT: Wir haben uns nichts vorzuwerfen. Wir arbeiten weiterhin gewissenhaft daran, Licht ins Dunkel der Erfurter Vorgänge zu bringen und werden auch die kurz bevorstehende Veröffentlichung des Schiedsspruchs im Fall Hesse sowie das Gutachten in seiner Gesamtheit bewerten, bevor wir die nächsten Schritte gehen.
FRAGE: Warum wurde ein Zwischenstand der WADA als ENDGÜLTIGES Urteil verkauft?
ANTWORT: Die von Ihnen als „Zwischenstand der WADA“ bezeichnete WADA-Mitteilung vom 26. April wurde von uns als „finale Einschätzung der WADA“ zur UV-Behandlung von Blut bezeichnet, was die Interpretation der WADA-Code-Paragrafen M1 und M2.3 angeht. Danach kam die WADA zu dem Schluss, dass die Methode erst durch den zum 1. Januar 2011 neu aufgenommenen Paragrafen 2.3 verboten sei. Diese WADA-Aussage bezeichneten wir von Beginn an als „richtungsweisend“. Dies schließt nicht aus, dass uns ein der WADA-Einschätzung widersprechendes Ergebnis des von uns beauftragten Gutachtens zur Einleitung von Verfahren veranlassen könnte, die Vorgänge vor 2011 betreffen. Dennoch steht das große Gewicht der WADA-Einschätzung für ein Sportschiedsgericht außer Frage. Deshalb auch unsere Einschätzung als „richtungsweisend“.
FRAGE: Wann wird der Striegel-Bericht publiziert?
ANTWORT: Das Striegel-Gutachten ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bei uns eingetroffen. Wir rechnen täglich damit, werden es danach aber zunächst prüfen, bewerten und übersetzen müssen, bevor wir es an die WADA weitergeben.
FRAGE: Und schließlich: Ist es richtig, dass Sie für heute ausgewählte Journalisten zu einem Gespräch geladen haben? Wenn ja, ist das eine Reaktion auf Howman? Warum erfolgte diese Einladung ausgewählt und nicht öffentlich?
ANTWORT: Es ist richtig, dass wir ausgewählte Journalisten zu einem Hintergrundgespräch eingeladen haben. Um möglichst breit, transparent und ausgewogen informieren zu können, waren dies die Nachrichtenagenturen dpa, SID und dapd. Es ist richtig, dies als Reaktion auf die Aussagen von David Howman zu werten, von dessen Interview wir überrascht waren. Wir hätten seine Anwesenheit in Deutschland gerne genutzt, um persönlich mit ihm über das Thema Erfurt zu sprechen. Als wir darüber informiert wurden, war er leider schon nicht mehr im Lande. Unabhängig davon hatte Howman uns mit Datum 31. Mai 2012 in der Angelegenheit Erfurt angeschrieben. In unserer Antwort, die wir noch vor Kenntnis des Interviews formulierten, regen wir ein persönliches Gespräch an. Dieses Angebot gilt auch weiterhin.
Beste Grüße
Berthold Mertes
Leiter Kommunikation und Marketing
Es gibt in Deutschland und in Erfurt sicher Machenschaften in Zusammenhang mit Doping, die aufgedeckt werden müssen. Die „Erfurter Blutdoping-Affäre“ ist es (leider) nicht.
violavoncramon.de: Causa Erfurt: Grüne beantragen Befassung im Sportausschuss am 13. Juni 2012
dpa: Konflikt mit WADA: NADA wehrt sich gegen Vorwürfe
dpa schreibt, die NADA „wehrt sich gegen Vorwürfe“.
Interessant. So weit ich höre, soll es heute dort ein so genanntes Hintergrundgespräch mit ausgewählten Journalisten gegeben haben. So organisiert man sich seine Presse – oder?
Das kennen wir in Deutschland, im sportpolitischen Deutschland zu Genüge.
Ich habe eine entsprechende Anfrage zu den Hintergründen dieses angeblichen Hintergrundgesprächs gestellt – bislang ohne Antwort.
sid: Heftige Kontroserve zwischen WADA und NADA
Ich möchte auf folgende Problematik hinweisen im Kontext “Howman”. Er geht offenbar davon aus, dass die OMAC-Definition (Olympic Movement Anti doping Code) des Blutdopings in der Erfurter Diskussion gilt, die ich für wesentlich besser halte als die WADA-Defintion. Ich habe die Formlierung des OMACs aus dem CAS-Urteil von 2003. Dort heißt es wörtlich:
“14. The relevant definitions in the OMAC are the following: Chapter I Article 1 DEFINITIONS
Blood Doping means the administration of blood, red blood cells and related blood substances to an athlete, which may be preceded by withdrawal of blood from the athlete who continues to train in such a blood-depleted state.”
Die WADA-Definition 2011 lautet dagegen wörtlich:
„M 1 Enhancement of oxygen transfer
The following are prohibited:
Blood doping, including the use of autologous, homologous or heterologous blood or red blood cell products of any origin.“
Könnte vielleicht mal ein Jurist dazu Stellung nehmen.
Wenn es zwischen den für die Einhaltung des WADA-Codes zuständigen nationalen Filialen und der internationalen (Dach)Organisation Kompetenz- und Auslegungsgerangle gibt, dann sollte man das unbedingt und zwar konsequent mit den betroffenen Sportler klären. :D
Die WADA kann zwar nicht entscheiden, aber den Hut will sie schon gern aufbehalten. Was treibt denn bloß diese Leute an ? Ihr Salär und ihre Verbundenheit mit dem sauberen Sport ? Tippe mal risikolos auf Erstes.
Übrigens schön, dass die Unzulänglichkeiten des WADA-Systems thematisiert werden. Jetzt scheint es zu passen. Es entwickelt sich, das Flugwesen. ;-)
JW für SpOn: Dopingjäger bekämpfen sich gegenseitig
Die WADA trägt ebenso Schuld an dem Schlamassel. Sie ist Teil des Problems. Wenn aus meinem „Laden“ ein Brief zu einem hochpräsanten Problem an die betroffene Landesfiliale verschickt wird, dann muss das intern abgestimmt worden sein. Ansonsten muss sich der Generaldirektor Howman fragen lassen, ob und wie er seinem Job macht, wenn dieses Schreiben ohne seine Kenntnis verschickt wurde. Seine öffentliche Bewertung- „nichts wert“ – kann sich leicht zum back-fire generieren.
Ich verstehe daher bei JWs Beitrag nicht, dass er die WADA „freizuboxen“ versucht.
@W. Gassmann:
Die Aussage „Und jeder Anwalt, jeder Richter, der Gesetze zu interpretieren hat, weiß, dass es auf den Gesetzestext ankommt, nicht auf die Überschrift.“ ist in ihrer Absolutheit falsch:
Juristen bedienen sich verschiedener Auslegungsmethoden (https://secure.wikimedia.org/wikipedia/de/wiki/Auslegung_%28Recht%29#Auslegungsmethoden) und gewichten deren Ergebnisse in einer Gesamtschau. Dem Wortlaut kommt dabei ein hoher Stellenwert zu. Berücksichtigt wird aber auch der Kontext einer Norm, z. B. Stellung im Normengefüge und Überschrift. Interessanterweise ist unter derselben Überschrift ein weiteres Verbot formuliert, das ausschließlich Sauerstoffbehandlungen betrifft (http://www.wada-ama.org/en/Science-Medicine/Prohibited-List/The-2011-Prohibited-List/Prohibited-at-All-Times/). Wie ein Gericht entscheiden würde, kann ich nicht prognostizieren, da ich keinerlei spezielle Kenntnisse im Sportrecht habe und auch nichts über die (ebenfalls für die Auslegung relevante) Enstehungsgeschichte der Norm habe.
Die WADA macht es sich auch etwas zu einfach, wenn sie sagt, sie habe nicht „alle Fakten auf dem Tisch“. Ich weiß nicht, was bei solchen Doping-Verfahren üblich ist, aber einen solchen Zustand halte ich für den Normalfall. Genau deshalb beginnen gutachterliche Stellungnahmen in jedwedem Bereich mit einer (kurzen) Schilderung der dem Gutachter bekannten Tatsachen (zugleich eine Art Gewährleistungsausschluss). Es wäre allerdings ein grober Fehler bei offensichtlichen Sachverhaltslücken oder -widersprüchen nicht nachzuhaken.
@W. Gassmann:
Die Aussage „Und jeder Anwalt, jeder Richter, der Gesetze zu interpretieren hat, weiß, dass es auf den Gesetzestext ankommt, nicht auf die Überschrift.“ ist in ihrer Absolutheit falsch:
Juristen bedienen sich verschiedener Auslegungsmethoden (https://secure.wikimedia.org/wikipedia/de/wiki/Auslegung_%28Recht%29#Auslegungsmethoden) und gewichten deren Ergebnisse in einer Gesamtschau. Dem Wortlaut kommt dabei ein hoher Stellenwert zu. Berücksichtigt wird aber auch der Kontext einer Norm, z. B. Stellung im Normengefüge und Überschrift. Interessanterweise ist unter derselben Überschrift ein weiteres Verbot formuliert, das ausschließlich Sauerstoffbehandlungen betrifft (http://www.wada-ama.org/en/Science-Medicine/Prohibited-List/The-2011-Prohibited-List/Prohibited-at-All-Times/). Wie ein Gericht entscheiden würde, kann ich nicht prognostizieren, da ich keinerlei spezielle Kenntnisse im Sportrecht habe und auch nichts über die (ebenfalls für die Auslegung relevante) Enstehungsgeschichte der Norm habe.
Die WADA macht es sich auch etwas zu einfach, wenn sie sagt, sie habe nicht „alle Fakten auf dem Tisch“ gehabt. Das ist doch in komplexen Ermittlungen an der Tagesordnung und entbindet nicht davon, bei Unklarheiten nachzuhaken.
SpOn: Freispruch für Eisschnellläuferin Hesse
Man muss da aber auch genau lesen:
Insofern kann es nun heißen: Feuer frei!
Ja, richtig, vor allem in Richtung ARD und derjenigen, die Skandale kolportieren. :D
@Herbert Wieso das? Das Urteil sagt doch klar, dass es sich um eine verbotene Methode handelt. Es wird nur das spezielle Verhalten von Frau Hesse positiv berücksichtigt. Wenn z.B. jemand am Telefon die Methode empfiehlt mit dem Hinweis, es sei ja nicht nachzuweisen, geht es vermutlich anders aus.
Aus meiner Sicht ein ganzes starkes (salomonisches) Urteil. Wen soll denn ein junger Sportler vertrauen, wenn nicht einem Arzt am OSP. Wie soll ein Sportler eine Methode als verboten erkennen, wenn selbst die Experten der Wada und Nada uneins sind.
Und wenn, wie in diesem Fall, der Arzt auch noch mal konkret gefragt wird, dann ist eine Bestrafung in der Tat nicht angebracht.
Was für den Sportler bleibt, ist das er als Dopingsünder ewig gebrandmarkt ist.
Und dies ist der ARD und insbesondere HS dann auch vorzuwerfen. Der damalige Fernsehbeitrag wäre wohl auch ohne Nennung von Namen ausgekommen, insbesondere ohne die Namen, gegen die nicht mal ein Ermittlungsverfahren eingeleitet ist.
#16
Aus meiner Sicht ein hoch problematisches Urteil:
Diese Uneinigkeit ist von der Nada – dahingestellt sei: ob gezielt oder aus purer Unbedarftheit – herbeigeführt worden. Anfänglich hat die Wada eindeutig und glasklar geantwortet: UVB seit Einführung des Wada-Codes 2004 verboten.
Dazu: Ich würde gern einen einzigen Hinweis darauf lesen, wo, außer bei Franke, eine einmalige UV-Blutbestrahlung zum Kurieren „einer akuten schweren Erkrankung“ eingesetzt wird. Das kommt nach meinem Verständnis so etwas wie einer unterlassenen Hilfeleistung gleich. Heißt: Der aus Bundesmitteln bezahlte Olympiastützpunktarzt wäre ein Quacksalber. (Klargestellt ist mit diesem Urteil immerhin, dass Steuergeld für Doping eingesetzt wurde.)
Weiter: Diese Behandlung, sagt ein Sportmediziner, musste nicht angegeben werden, und Hesse musste dies dem Arzt glauben? Weder die 29-jährige Athletin noch Franke – beide nicht neu im Spitzensport – scheinen je einen Dopingkontrollbogen gelesen zu haben.
Zwei mildernde Umstände gelten sicher: die Selbstanzeige und die einmalige Behandlung (falls die Angaben in der Patientenakte korrekt waren). Ob man aber nun von einer kompletten Unschuld ausgehen kann oder ob das strict-liability-Prinzip hier doch greift – darüber ist vielleicht noch nicht das letzte Wort gesprochen.
Diese Version setzt, um es freundlich zu formulieren, eine Menge Glaubenspotenzial voraus. Aber vielleicht steht ja in dem Schiedsspruch noch Interessantes dazu. Den veröffentlicht der Geheimzirkel Nada natürlich nur unvollständig.
FR-Kommentar von Wolfgang Hettfleisch (Printausgabe vom 12.06.): Beipackzettel
@Grit Hartmann:
Also wenn man sich die bekannt gewordenen emails ansieht, die bereits vor einiger Zeit zwischen NADA und WADA ausgetauscht wurden, dann sieht das für mich etwas anders aus als Sie beschreiben.
Die NADA hat mehrfach bei der WADA nachgefragt, da sie deren Einschätzung (es wäre erlaubt) nicht wirklich teilen wollte. Dann gab es ein großes Bohei mit gegenteiligen Aussagen aus allen Ecken, allerdings dann einen (nochmaligen) Brief der WADA an die NADA es sei erst mit dem Punkt M2.3 verboten, wenn nicht weitere Dinge vorliegen (was dann prompt von der NADA auch so verkündet wurde). Danach folgte dann weitere Aufregung um ein von der NADA in Auftrag gegebenen Gutachten, von angeblich von der WADA nicht (ausreichend) befragten Kommisionen usw. und jetzt will die WADA ihre (von einigen ihrer Teile offenbar langjährig vertretene) Position nochmal überdenken (was die NADA übrigens von der WADA bereits in der Vergangenheit gefordert hat).
Bei diesem Durcheinander (das wegzudiskutieren, wäre höchstens eine durchsichtige Aktion), welches in meinen Augen vor allem die WADA zu verantworten hat (allein schon, wegen offenbar interpretationsfähigen Regeln und die widersprüchlichen Aussagen zu deren Auslegung) gibt es wenig Möglichkeiten, zu einer befriedigenden und sauberen Lösung zu gelangen. Zumindest für den Zeitraum vor Einführung von M2.3.
@Gipsel
So war es tatsächlich nicht. Irgendwer wird das irgendwann auch mal chronologisch darstellen, wie die Nada auf verwirrende Auskünfte hin gefragt hat. Sie hatte glasklare anfänglich – und hat die auch selbst gegeben.
Das ist aber gar nicht der Kern. Der ist – und da ist Howman, bei aller Kritik, die man auch an der Wada haben kann – zuzustimmen: Es ist der simple Job der Nada, diese Behandlungen juristisch prüfen zu lassen, in VERFAHREN. Diesen Job hat sie nicht gemacht, seit mehr als einem Jahr nicht. (Das Hesse-Verfahren ist nicht Nada-Initiative gewesen.) Sie verstößt einfach nur gegen ihren Auftrag. Punkt.
@Grit Hartmann:
Sie engagieren sich im Anti Dopingkampf, das ist gut so. Doch dabei darf doch der rechtsstaatliche Grundsatz und der Blick über den berühmten „Tellerrand“ nicht verloren gehen. Sie hätten Judith Hesse unter Kenntnis der uns vorliegenden Informationen ernsthaft verurteilt?
Ich hatte bisher den Eindruck das die WADA ihre Meinung alle paar Wochen ändert und dann auch immer glasklar. Zudem hatte ich den Eindruck, dass es sowohl „Experten“ gibt, die Doping bejahen, wie auch „Experten“, die Doping verneinen. Und noch immer ist doch nur klar, das nichts klar ist.
Und irgendwo dazwischen sitzen ein paar Sportler (teilweise minderjährig) die ihren Arzt am OSP vertraut haben. Sorry, in diesem Fall kann ich keine Lanze über die Sportler brechen.
Stimme dahingehend zu, dass das mehr übers Fördersystem hierzulande sagt als über einzelne Athleten. Und nicht nur über den OSP, der 2007 die Nada-Auskunft bekam: „unter Dopinggesichtspunkten als verboten betrachtet“. Damit, dass Verantwortliche das dennoch weiter zulassen und weiter zahlen, ist beinahe alles gesagt. (Wohl auch damit, dass das keine Folgen hat.)
Dagegen verschwindet die Frage nicht, ob ein Sportler wissen MUSS, dass Blutpanschereien verboten sind – aber sie wird klein.
Genau drei deutsche Experten haben übrigens Doping verneint ;-D
Grit,
nicht selten haben Überhöhungen und Übertreibungen – werden sie allzu oft angewendet – den umgekehrten Effekt. Sie führen zu Desinteresse, symbolisiert durch das berüchtigte Abwinken, am Problem. Black and White, Yes or No sind die bevorzugten Sichtweisen. Wenn man sich längere Zeit – in welcher Eigenschaft auch immer – dazwischen bewegt, dann wird man sehr schnell zum Don Quichotte. Sicher ist das auch dem Zeitgeist geschuldet. Wenn man allerdings dann noch in eine anhaltende Selbstrechtfertigung – Gründe MUSS es dafür geben – verfällt und bei anderen den ungetrübten Blick anzweifelt, dann kann das zur (argumentativen- inhaltlichen) Einsamkeit führen. ;-)
Ich will hier keine Eulen nach Erfurt tragen, aber
1. der gewünschte Größte Dopingskandal im deutschen Sport war und ist es nicht ( könnte man ja auch einmal massvoll zugeben),
2. ein wenig mehr Empathie wäre angebracht gewesen ( hier geht es ja auch immer noch um junge Sportler und nicht um Mutanten),
3. sollte gerade ein Investigativjournalist nicht zur Geißel seines einmal gefassten Schlusses werden (auch einen falschen Gedanken zuzugeben, fördert Image) und last but not least
4. bleibt meine Lieblingsfrage, weshalb sich statt dessen kein Medium an die beiden der Öffentlichkeit seit einem halben Jahr vorenthaltenen Dopingberichte á la Freiburg und Krüger-Spitzer wagt ( ist es sportpolitisch wirklich so unbedeutend ) ?
Michael Reinsch in der FAZ: Bund kritisiert Wada – Howmans Interview „unerträglich“
Vorstellen konnte sich das niemand, aber finanzieren doch?
Christoph Bergner:
Viola von Cramon:
NADA: NADA leitet weiteres Verfahren in der „Causa Erfurt“ ein
Aha, sehr beruhigend das Ganze.
Gut auch von Herrn Riegertzu hören, dass die Regierung noch immer keine Notwendigkeit sieht, die NADA finanziell auf normales Level zu heben.
Thomas Hahn in der SZ: Der Fan im Staatssekretär
Fakt ist, es gibt den von Gipsel erwähnten Mailverkehr mit den glasklaren Aussagen der WADA, daß das angewandte (Naturheil-)Verfahren kein Doping darstellt. Und dies nicht erst zum 26.04., dem Tag an dem die sich die WADA-Expertenkommission zum Fall Erfurt geäußert hatte. Fakt ist außerdem, daß die NADA das angewandte Verfahren der WADA mehrfach haarklein beschrieben hat (incl. eines Filmbeitrags vom ZDF) in dem das Franke-Verfahren bildlich dargestellt wurde.
DIese Informationen sollten allemal ausreichen, daß sich die WADA eindeutig und unmißverständlich äußern kann, ob das beschriebene Verfahren nun Doping darstellt oder nicht.
Insofern ist die Aussage von Herrn Howman äußerst fadenscheinig und kann höchstens auf seinen eigenen (möglichweise unvollständigen) Wissenstand im Fall Erfurt abzielen. Wenn der Vorsitzende der Expertenkommision tatsächlich davon ausging, daß es um UV-Bestrahlung der Haut gehe, daß wäre das mehr als peinlich. Lt. Medienberichten soll es allerdings nur so gewesen sein. Eine Bestätigung durch den Betroffenen oder von Herrn Howman gab es ja nicht. Träfe dies tatsächlich zu, wäre dies tatsächlich ein Skandal!
Eine Frage stellt sich noch, die Herr Howman in seinen Äußerungen unbeantwortet ließ (weil Sie Ihm nicht gestellt wurde?):
Welche neue Fakten könnten denn in den staatsanwaltlichen Ermittlungsakten stehen, die das angewandes Verfahren entweder zum unerlaubten Doping machen oder umgekehrt den von Ihm (Howman) bereits getroffenen Dopingvorwurf entkräften könnten?
Grit Hartmann in der Berliner Zeitung: Gezielte Irreführung
Pingback: Der Fall Erfurt, die NADA und der sportpolitische Komplex: Verzögern, Verwirren und ein bisschen Lügen : jens weinreich
Sehr lustig, dass gerade in einem Blog wo gegen die Hofberichtserstattung der FIFA gewettert wird, ein völlig unkritischer Artikel zur WADA verlinkt wird.
Das heisst die WADA hat im April auf eine Frage geantwortet, die ihr gar nicht gestellt wurde? Hat Howard dies mit Dolumenten belegt? Oder wird seine Aussage als „Gottgegeben“ hingenommen?
Das ist doch ebenso zweifelhaft wie der Einwand von Howard, dass ihm die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten nicht vorlagen. Die aus meiner Sicht die WADA auch gar nichts angehen, solange sie nicht Prozessbeteiligte sind. Wer soll denn wissen ob eine Methode erlaubt oder verboten ist, wenn nicht die WADA. Die haben doch wohl den WADA-Code geschrieben oder nicht?
In der NADA wurde offensichtlich geschlampt, doch in der WADA nicht minder. Die ganze Kommunikation innerhalb der WADA verlief ja wohl chaotisch und das auch noch in aller Öffentlichkeit.
Sorry, dieser Artikel ist einseitig und gefällt mir deshalb nicht wirklich gut.
@ Dirk: Howard heißt in Wirklichkeit Howman, aber geschenkt – oder nicht? Wer über „Einseitigkeit“ schimpft und auf Fakten pocht, sollte wenigstens den einen Namen richtig schreiben, oder?
Lesen Sie einfach den jüngsten Beitrag, studieren Sie die Dokumente. Da wird einiges, nicht alles, beantwortet.
Ok, dummer Fehler von mir. Im übrigen habe ich konkrete Kritik geäußert, mit den entsprechenden Fragen dazu, keineswegs aber geschimpft. Und genau diese Fragen haben sich mit ihrer Antwort ja nicht erledigt. Ich finde eben kein Dokument, dass die Glaubwürdigkeit von Herrn Howman belegt. Genau dahingehend habe ich aber meine Kritik geäußert.
@Dirk,
bekenne mich übrigens zur „Einseitigkeit“ – jedenfalls insofern, als dass ich meine: Die Wada ist nicht verantwortlich fürs Handling dieser Fälle. Der Kern: Dies war/ist allein Aufgabe der Nada.
Abgesehen davon geht es mir auch anders als Ihnen: Ich habe keinen Hinweis entdeckt, warum Howman, der Fehler auch seines Hauses öffentlich eingeräumt hat, weniger glaubwürdig sein sollte als die Nada. Aber, s.o.: Den Vergleich braucht es hier nicht einmal.
Und über die Erfurt-Perspektive hinaus: Mir fällt international kein zweites Beispiel dafür ein, dass eine Nationale Agentur am Ende mit Verweis auf die Wada die – und mehr ist es ja gar nicht: – Klärung eines Falles (natürlich: eher von 27 Fällen an einem OSP) vermeiden wollte. Nachweislich hier: seit Anfang Juli 2011. Und dann darf man schon nach dem Warum und Wie fragen. – Wobei selbstverständlich ist, dass man zu anderen Schlüssen kommen kann als beispielsweise ich.
Die Meinung von Frau Hartmann ist auch lediglich nur eine Meinung, mehr aber auch nicht.
Ihr Interesse an der „Aufklärung“ der Causa Erfurt liegt doch auf der Hand, nicht umsonst erwähnt sie die Namen von zwei Sportlern.
Das Drumherum mit Fördergeldermissbrauch, verfehlter deutscher Sport- und Antidopingpolitik soll doch nur intellektualisieren, worum es schlicht und einfach nur geht. Heute sind es die WADA und Howman, die ganz toll und in sich sauber arbeiten, obwohl jeder nachlesen kann, dass sie nach außen und intern gepfuscht haben. Morgen ist es dann wieder die NADA – die ja heute eigentlich sofort ihre Arbeit beenden könnte – deren Entscheidung sich des Lobes ihrer gestrigen Kritiker kaum erwehren kann.
Eklektische Argumentationen, mehr nicht.
Und wenn Howman im Zusammenhang mit dem Fall Armstrong erklärt: „We do not rely on science only nowadays. You cannot accept that science alone will find those who might be breaching the rules. So this is not unusual. It’s something that’s becoming more normal and accepted.“ http://www.usatoday.com/sports/cycling/story/2012-06-13/lance-armstrong-faces-doping-charges/55582394/1
ist das beängstigend. Wenn der wissenschaftlich-analytische ggü. dem nicht-analytischen Beweis an Bedeutung und Priorität verliert, dann sind auch der persönlichen Willkür Einzelner Tür und Tor geöffnet. Wenn subjektive Angaben und Aussagen gleichsam betroffener Athleten und Angehöriger des Stuffs, die nicht nachprüfbar sind, künftig ausreichen, um andere zu verurteilen, braucht es auch keinen WADA-Code mehr. Das sind doch Dinge, die Sorge machen sollten. Insofern ist es schlecht um den sauberen und fairen Sport bestellt, wenn jeder sich seinen Vers machen darf und überprüfbare Antidopingregeln einer permanenten (Fehl)Interpretation seiner einstigen Erfinder und heutigen Möchtegernbewahrer ausgesetzt werden.
Das ist sicherlich so. Andererseits ist es wichtig, dass es Journalisten gibt die abseits vom Mainstream aktiv sind. Es stimmt ja leider, dass Doping vertuscht wird wo es nur geht. Die Art und Weise wie beispielsweise ein Eddy Merckx bei jeder Radsportveranstaltung gefeiert wird, macht doch deutlich, dass Doping in der Gesellschaft anerkannt ist. Dieser Mann wurde mehrmals gedopt erwischt und ist heute doch ein Held. Die Affäre Fuentes blieb für die Fußballer ohne jede Konsequenz, was wurde aus der Wiener Blutplasmabank? Armstrong und die UCI haben geklungelt, dem Staatsdoping der DDR stand ein Freiburger Dopingsystem entgegen. Was wurde davon denn wirklich aufgearbeitet? Welche Konsequenzen hat man für die heutige Zeit gezogen?
Auch in dem Erfurter Fall, was auch immer am Ende rauskommt, zeigen unsere Sportpolitiker in der Tat ein merkwürdiges Verhalten, das ist schwerlich zu leugnen.
Deshalb finde ich es gut, wenn kritisch darüber berichtet wird. Das bedeutet nicht, dass ich dieser Berichterstattung immer zustimme. Einseitige Berichterstattung ist aus meiner Sicht immer eine Schwäche und genau dies habe ich ja kritisiert.
@ Dirk
Leider ist der Antidopingkampf nachwievor sehr selektiv. Und das wissen deren Protagonisten sehr genau, wollen diese Tatsache aber keinesfalls diskutiert haben und tragen somit ebenfalls zur Minderung der Glaubwürdigkeit der Antidopingbestrebungen bei.
Der Grund ist ein schlichter: Auch der Antidopingkampf erweist sich politischer Natur und wird in erster Linie nach wirtschaftlichen Kriterien betrieben. Da braucht man nur mal bei den Verbänden lauschen, die PR einiger Labore und „freier“ Dopingexperten beobachten oder auch bei manchen Medienbeiträgen zwischen den Zeilen zu lesen. Unabhängigkeit ist auch da oft ein verlorenes Gut. Wenn sich dann noch die Sportgerichtsbarkeit im Paragraphendickicht und der ihr gewährten Blindheit verirrt, dann ist das Dilemma immer wieder mal perfekt.
Beifall für die NADA oder nicht ?
http://www.n-tv.de/sport/Schiedsgericht-entlastet-Sinkewitz-article6556476.html
Bei Sinkewitz wußte man bisher nie so genau, woran man ist. Noch gut in Erinnerung ist seine Performance gemeinsam mit seinem RA Lehner auf der Bonner Dopingkonferenz. Viele glaubten ihn beinahe damals.
Und dann plötzlich war er „rückfällig“ und wurde einer der Wenigen, die nachweislich mit HGH im Radsport gedopt haben und dabei erwischt worden sind. Die Widersprüchlichkeit und Fragilität des Falls gab schon sehr zu denken. Und nun das.
Die WADA hat ein weiteres „Ruhmesblatt“ ihres Codes aufschlagen können und wieder ist die NADA in seichten Gewässern gelandet. Nur diesmal geht es wieder andersherum. Alles klar auf der Andrea Doria ?
Schwierig, das einzuschätzen, Herbert. Es ist aber ein fundamentaler Schiedsspruch, weil er nicht etwa – wie meist bei derartigen Fällen – irgendwelche Formalien angreift: Verfahrensfragen, falsch gelagerte, falsch etikettierte Proben etc.pp. Viemehr wird die wissenschaftliche Verlässlichkeit des seinerzeit von Strasburger, Bidlingmaier et al entwickelten hGH-Tests angezweifelt >>> die Grenzwerte, die in den 13-seitigen Wada-Guidelines für Positiv-Fälle festgelegt sind. Kern des Schiedsspruchs ist also: Die Wada hat wissenschaftlich unzuverlässig gearbeitet. Oder, anders formuliert: Die Nada konnte nicht nachweisen im Sinkewitz-Verfahren, dass die Wada wissenschaftlich zuverlässig geareitet hat.
Ich erinnere mich allerdings noch ziemlich gut, wie lange es damals gedauert hat, bis die Wada diesen Test für auch juristisch sicher genug hielt, um ihn einzusetzen (erstmals 2004 in Athen). Fertig war er schon Ende der 90er. Inzwischen gab es einige positive Fälle.
Insofern ist ein so grundsätzlicher Schiedsspruch jetzt mindestens überraschend. Dazu sagen kann man ziemlich wenig – denn die Experten-Gutachten, auf deren Basis der Einzelrichter entschieden hat, sind nicht bekannt. Und wenn sie vorlägen, müsste jeder Laie die sich auch erst einmal wieder erklären lassen …
Der HGH-Nachweis ist mE verläßlich noch nicht möglich. Indizien wie Zahnspangen bei adulten Sportler und/oder die Große-Füße, -Ohren und – Händediskusssion waren zwar lustig und anregend, aber ebenso nicht justiziabel wie die tiefe Stimmen von DDR-Schwimmerinnen der 80er Jahre. Das Strasburger Verfahren beruht ja auf Analysen der Blutmatrix. Mit Biomarkern ist der Durchbruch noch nicht gelungen. Die WADA zögert und/oder das im Okt. 2011 angekündigte Verfahren ist ebenfalls noch zu unzuverlässig.
Sinkewitz müsste nach dem Strasburger Verfahren getestet worden sein. Damals erklärte er:
http://www.cyclingnews.com/news/sinkewitz-challenges-human-growth-hormone-positives
Und alles war sehr dramatisch. Der erste Radsportler überhaupt mit einenm HGH- positiv. Sofortige Suspendierung durch das Team Farnese-Vini. Drohende lebenslange Sperre ( er hatte bereits zur TDF 2007einen Testo-Fall) . Die ÖR verabschiedeten sich aus der Live-Übertragung. Alle waren extrem empört: Sinkewitz, gerade Sinkewitz !!
Wiederum selbst der Direktor des Schweizer WADA-Labs war damals nach dem HGH-Nachweis sehr verhalten, zumal auch der UCI nicht verlauten ließ, wie lange und wie oft er schon diesen Test durchführen ließ. Es gab also offiziell nichts vergleichbares.
Und jetzt das. Da ist die Frage doch legitim: Sind die adhoc-Entscheidungen immer angemessen und auch legitim ? Schließlich zieht das zumindest ein zeitlich begrenztes Verbot der Ausübung des Berufes nach sich. Vergleichbar mit einer Veröffentlichungssperre für einen Journalisten nach einer Falschmeldung. Der Broterwerb ist damit gefährdet. Das meine ich keinesfalls zynisch, sondern ganz irdisch.
Hinzu kommt das Problem an sich, wenn man so etwas im Netz lesen kann:
http://www.testamerica.com/HGH.htm
Was Sinkewitz erzählt hat („no substance was found …“), ist meines Wissens nach mindestens missverständlich – jedenfalls der Strasburger-Test ist eine direkte Annäherung; er unterscheidet rekombinantes hGH vom körpereigenen und arbeitet mit Immunoassays (die mal ein Problem waren eine Zeitlang).
Er ist – nach vielen Jahren der Prüfung – von der Wada als verlässlich anerkannt worden. Das Zeitfenster für den Nachweis ist relativ kurz – aber dass er grundsätzlich angezweifelt wird, ist neu.
Dazu u. a. hier ein Interview mit Strasburger.
Mir ist nicht bekannt, dass es einen anderen von der Wada anerkannten Test gibt, der hier gemeint sein könnte.
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zu # 38-41:
Deutsches Sportschiedsgericht: DIS-SV-SP-05-11 – Beschluss v. 17.11.2011
Deutsches Sportschiedsgericht: DIS-SV-SP-05-11 – Schiedsspruch v. 19.06.2012
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