(Es ist mittlerweile bereits der fünfte Offene Brief, den eine Gruppe deutscher Dopinggegner geschrieben hat. Kurz vor Olympia, im Wortlaut:)
Es reicht. Seit Jahrzehnten beißen konsequente Doping-Gegner bei Sportorganisationen und nationalen Regierungen auf Granit. Weil es dort um den nationalen Erfolg im internationalen Kräftemessen geht, gilt unausweichlich: Das System duldet Doping, aber keinen Dopingfall. Wir wiederum dulden das nicht mehr. Dem Eindruck, dass sich die Sportverbände aus Ost- und Westdeutschland zusammengefunden haben, auch um das Dopingsystem zu perfektionieren, wollen wir Dopinggegner mit vereinten Kräften entgegen treten. Wir fordern von Politik und Sport ein konsequentes und glaubwürdiges Eintreten für einen sauberen Sport.
Im Sinne dieser Präambel: Die Unterzeichner
FÜNFTER OFFENER BRIEF
- an den Leichtathletik Weltverband IAAF
- an den Deutschen Leichtathletik Verband DLV
- an DOSB-Präsident Dr. Thomas Bach
- an Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich
- an Bundesjugendministerin Dr. Kristina Schröder
- an Bayerns Justizministerin Dr. Beate Merk
- an die Drogenbeauftragte Mechthild Dyckmans
- an die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen und die Mitglieder des Bundestagssportausschusses
STREICHUNG DER DOPINGREKORDE VON ANDREAS / VORMALS: HEIDI KRIEGER
Wir unterstützen die Forderung von Andreas Krieger gegenüber der IAAF, seine als Heidi Krieger unter dem Einfluss des Zwangsdopings in der DDR erzielten Leistungen im Kugelstoßen und Diskuswurf zu streichen. Wie kein Zweiter seiner Athleten-Generation verkörpert Andreas Krieger die Folgen von Hormonmanipulation im Sport.
Wir sind tief betroffen von der menschenverachtenden bürokratischen Form, mit der IAAF-Funktionäre ihm aufbürden, eine Begründung zur Streichung seiner Rekorde zu liefern. Wir belegen das mit diesem Zitat aus dem umfangreichen Briefwechsel:
In order for us to be able to study the position further, we would be grateful if you could ask Mr. Krieger to confirm the following two aspects for us (assuming he can recall such details):
- The date (s) on which he used prohibited substances during his Athletics career; and
- The name(s) of the prohibited substance(s) that he used by reference to such dates.
(aus einer Email der IAAF vom 31. Januar 2012 an den DLV)
Wir halten es für unerträglich, dass Andreas Krieger heute nach mehr als einem Vierteljahrhundert nachweisen soll, dass sich verbotene Substanzen im Körper von Heidi Krieger befanden, obgleich die Systematik des DDR-Staatsdopings hinreichend dokumentiert ist. Dieser Umgang mit einem staatlich anerkannten Dopingopfer verletzt die Menschenwürde des heute aktiven Antidopingkämpfers.
Wir gedenken der vielen jungen toten Athleten – insbesondere derer, die in Vorbereitung auf die laufende Olympische Saison in Ausübung ihres Sports, als Folge der Trainingsmethodik, nach Medikamenten-Einnahme oder durch Doping zu beklagen sind. In den meisten Fällen wurde Herzversagen als Todesursache diagnostiziert.
Wir sind irritiert und befremdet dass DOSB-Präsident Thomas Bach kurz vor Beginn der Olympischen Spiele in London feststellt, die Deutschen seien „für den härtesten Konkurrenzkampf der olympischen Geschichte“ wohl vorbereitet.
Wir stellen fest, dass die vorolympische Dopingbekämpfung in Deutschland nach Erfurt mit den widersprüchlichen Kommentaren der Juristen Dr. Bach (DOSB) und Prokop (DLV) auf ihrem Tiefpunkt angelangt ist: Während in Frankreich Blutbestrahlung zum Ausschluss von der Tour de France führt, verhindert sie in Deutschland die Teilnahme an den Olympischen Spielen in London nicht.
Wir wünschen der bayerischen Justizministerin vor allem politische Unterstützung für ihren neuerlichen Vorstoß für ein Antidoping-Gesetz. Der autonome Sport in Deutschland schafft das nicht, solange ihn der Staat bona fide alimentiert.
Wir fordern betreuende Mediziner, Wissenschaftler, Trainer und Angehörige auf, ihr Wissen über mögliche Ursachen und tatsächliche Hintergründe von Medikamenteneinnahmen oder Doping dieser Sportler preiszugeben. Sie stehen nicht nur in der Verantwortung, den Toten die letzte Ehre der Wahrheit zu erweisen, sondern auch in der Verantwortung junger Talente, die sich in Zukunft aus eigenem Antrieb und in Kenntnis aller Risiken für den Leistungssport entscheiden.
Wir verurteilen jede Ausprägung eines unmenschlichen Hochleistungssports, in dem junge Leute bis heute genötigt oder aufgefordert werden, durch leistungssteigernde Mittel ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen und hoffen auf jeden einzelnen, dass er entschlossen genug sein möge, „Nein“ zu Doping zu sagen.
Wir erwarten von Politik, Sport und Medien eine verantwortlich geführte gesellschaftliche Diskussion über die Ursachen der exorbitant hohen Todesrate im und nach dem Spitzensport – und die Antwort auf die Frage, um welchen Preis Athleten Erfolge ‚für Deutschland’ erbringen sollen.
Wir dringen zum wiederholten Male auf die Überprüfung der Einhaltung von Ehrenerklärungen deutscher Verbands-Trainer und deren regelmäßige Veröffentlichung vor internationalen Meisterschaften und vor Olympischen Spielen.
Wir regen erneut an, dass der DLV 25 Jahre nach dem Drogentod der Siebenkämpferin Birgit Dressel eine Birgit-Dressel-Stiftung ins Leben ruft, die wirksame Dopingprävention unterstützt. Wir verweisen auf unseren Zweiten Offenen Brief an den DLV und warten nach wie vor auf Antwort.
Die Unterzeichner
- Andreas Krieger (als Heidi Krieger Kugelstoß-Europameisterin, Dopingopfer, Geschlechtsumwandlung 1997)
- Annika Steinmann (Deutsche Sporthochschule Köln, Institut für Pädagogik und Philosophie)
- Brigitte Franke-Berendonk (ehemalige Weltklasse-Diskuswerferin, Dopingaufklärerin, Oberstudienrätin)
- Claudia Lepping (ehemalige Juniorenrekordlerin Sprint)
- Fritz Sörgel (Professor Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung)
- Gerhard Treutlein (Professor der Sportpädagogik)
- Hansjörg Kofink (ehemaliger Kugelstoß-Bundestrainer/Frauen, Präsident Deutscher Sportlehrerverband)
- Henner und Ilse Misersky (Ski-Langlauf-Trainer, Dopinggegner in der DDR, Hall of Fame 2012)
- Herbert Fischer-Solms (ehemaliger Deutschlandfunk-Journalist)
- Ute Krieger-Krause (Schwimmerin DDR-Nationalmannschaft, Dopingopfer)
hallo jens weinreich,
erinnere dich bitte an dein eigenes motto: „don’t mix politics with games“!
lieber henner misersky,
euer vorstoß verdient ruhm und ehre, kommt aber meiner meinung nach zum falschen zeitpunkt und deshalb nicht an, leider. so in den raum und in diese zeit gestellt, verdirbt er höchstens den letzten enthusiasten auch noch den spaß am sport.
versucht bitte, aus der distanz gelassen, konzentriert und hartnäckig auf zunächst einen einzelnen – und wirklich nur einen einzigen – aspekt einzugehen und macht eine große story aus einer vermeintlich kleinen schweinerei. das publikum kann euch dann leichter folgen und vielleicht auch verstehen. das wäre der anfang zum begreifen. geht dann im zuge der kampagne – die gerne auch länger als nur ein paar tage gehen kann – daran, die protagonisten anhand dieses einen falles sukzessive bloß zu stellen. einen nach dem anderen (bach & co.). sachlich, nüchtern, fakten basiert. dann werdet ihr erfolg haben. ausdauer ist der kampf gegen die ermüdung. deine worte als trainer mir gegenüber. ermüdet das publikum also nicht sondern haltet es wach und begeistert es mit dieser einen (ersten) story!
viel erfolg!
@ Stefan Thaens: Um Gottes Willen! Das ist nicht mein Motto, sondern ein Spruch/eine Forderung des chinesischen Staats- und Parteichefs Hu Jintao.
Wir haben diese Forderung von Mr Hu während der Olympischen Spiele 2008 kollektiv als Leitmotiv des Blogs adaptiert.
Das ist also: blanke Ironie.
Ansonsten habe ich einfach diesen Offenen Brief veröffentlicht. Mehr nicht.
Ach, erst der fünfte?
sternburg! Wirst Du wohl! Ermahnung!
Wenn Du so weiter machst, wirst Du mit dem Entzug der Erfüllung alter Versprechen bestraft!
n-tv: Fabel-Weltrekord der US-Staffel – Geipel: Ohne Chemie unmöglich
Thomas Purschke in der taz: Dopingopfer gegen Leichtathletikverband: Schummel-Rekorde bleiben
Mich wundert stark, dass sich hier keiner außer einer auf den 5. Offenen Brief einläßt. Dafür muss es doch Gründe geben. Zu sagen gäbe es sicher etwas. Es ist ja außerdem ein offener Brief, weshalb ja auch die Antworten offen sein sollten. Aber wo sind sie denn vom IAAF, vom DLV, von Dr. Thomas Bach, vom BMI Hans-Peter Friedrich, von der Bundesjugendministerin Dr. Kristina Schröder, von Dr. Beate Merk, von Mechthild Dyckmans und den Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen und den Mitglieder des Bundestagssportausschusses ?
Haben sie denn wenigstens freundlicherweise formal den Eingang des Briefes bestätigt oder ist das bei der Kategorie „Offen“ nicht erforderlich ?
@cf
By the way, comment preview doesn´t work yet.
@herbert
R U Schur? for me it’s working perfectly fine right now (FF 15).
und eine (öffentliche) reaktion auf offene briefe ist doch quasi immer mindestens ein halbes eingeständnis von schuld bzw. schwäche — käme für die angesprochenen also nur im absoluten notfall in frage. und herr diack hat mit den spärlichen mitteln seines verbandes vermutlich einfach noch keinen übersetzer finanzieren können.
Taufrische Pressemitteilung des DLV:
Jens Hungermann in der Welt: Listen aus dem Giftschrank
Thomas Hahn in der SZ: Rekorde als Mahnmal
sid: Nach 32 Jahren: Niederlande streicht Doping-Rekord im Diskuswerfen