Das Netzwerk Recherche, dessen Mitglied ich bin, das muss fairerweise gesagt werden, hat dem Internationalen Olympischen Komitee und stellvertretend dessen Vizepräsidenten Thomas Bach einen wunderbaren Journalistenpreis verliehen: die Verschlossene Auster für „Auskunftsverweigerung“, die „routinierte Verbreitung von Teilwahrheiten“, die „systematische Ausblendung heikler Themen“ und die „gezielte Abschottung von kritischen Sportjournalisten“.
Wer mag, kann reinhören – mein Beitrag dazu im Deutschlandfunk:
Nachtrag, 31. Dezember 2008, der Text des Beitrages:
Die „verschlossene Auster“ ist ein Preis für professionelle Informationsblocker – ein Symbol für Pressebehinderung und mangelnde Offenheit. Die Auster ging nicht zum ersten Mal an Personen, die ganz oder teilweise im Sportbusiness tätig sind. Zuvor zählten bereits der ehemalige Sportminister Otto Schily, der langjährige DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder und Russlands ehemaliger Präsident Wladimir Putin zu den Preisträgern. Mit der „routinierten Verbreitung von Teilwahrheiten“, der „systematischen Ausblendung heikler Themen“ und der „gezielten Abschottung von kritischen Sportjournalisten“ habe sich das IOC den obersten Platz auf dem Podest der Informationsblocker verdient, erklärte das Netzwerk.
Stellvertretend für das IOC ging die „verschlossene Auster“ an den deutschen IOC-Vizepräsidenten Thomas Bach.
Thomas Schuler vom Vorstand des Netzwerks Recherche erläutert, warum der Preis an das IOC im Allgemeinen geht…
… und Thomas Bach im Besonderen, weil er einen Flügel im IOC repräsentiert, nach unserer Meinung, der sehr mit Interessenskonflikten immer wieder auch belastet ist. Er spricht zwar über seine Interessenskonflikte, beantwortet Fragen, aber klärt nicht wirklich auf über seine Situation. Also es bleibt immer so ein Rest bei ihm.
Die Laudatio auf die zweifelhaften Preisträger hielt der englische Investigativ-Reporter Andrew Jennings. Er gilt seit seinem Enthüllungsbuch „The lords oft he rings“ als Doyen des kritischen Sportjournalismus und weltweit wirkungsvollster Kritiker des IOC. Das IOC hat Jennings in den neunziger Jahren sechseinhalb Jahre lang Akkreditierungen verwehrt. Aufgrund eines mittelalterlich anmutenden Verleumdungsparagrafen wurde er von einem Polizeigericht in Lausanne, dem Sitz des IOC, sogar zu einer mehrtägigen Gefängnisstrafe verurteilt. Warum? Weil er als erster die Korruption im Geschäft mit den Olympischen Spielen beschrieben hatte – und zwar absolut korrekt, wie man inzwischen weiß.
Das IOC ist seit mehr als 20 Jahren ein wunderbarer Kandidat für die verschlossene Auster. Sie hatten in Deutschland nur zu viele andere gute Kandidaten für diesen Preis. Aber nun in einem olympischen Jahr macht das IOC wieder einmal einen furchtbar schlechten Eindruck. Es repräsentiert nicht die Athleten, im Gegenteil, es verbietet Sportlern, ihre Meinung zu sagen zu den Vorgängen in China. Keine Frage, dass sie also die verschlossene Auster verdienen. Sie verdienen sie für alle 111 Mitglieder an jedem Tag dieses vierzehntägigen Sport-Festivals.
Andrew Jennings glaubt auch, dass DOSB-Präsident Thomas Bach ein exzellenter Gewinner der „verschlossenen Auster“ ist. Bach stand im Frühjahr öffentlich in der Kritik, als im Rahmen des Siemens-Bestechungsskandals herauskam, dass er einen mit jährlich 200.000 Euro dotierten Beratervertrag mit dem Konzern unterhielt.
Dieser Preis ermutigt ihn vielleicht dazu, endlich Fragen zu stellen. Er hat ja früher für Horst Dassler gearbeitet, in einer Zeit, als Dassler Fifa-Offizielle und Funktionäre vieler anderer Sportverbände bezahlt hat. Aber Thomas Bach hat davon nie etwas mitbekommen. Nun, Jahre später arbeitete er für Siemens, wo es ebenfalls einen Korruptionsmoloch gibt, und er sagt wieder, er habe von all dem nichts mitbekommen. Ich bin ja durchaus bereit, ihm das zu glauben, wenn er ständig sagt, er wisse nichts von Bestechung und Korruption. Aber ich denke vor allem, dieser Preis, den ihm die deutschen Journalisten vergeben haben, sollte ihm dabei helfen, künftig intelligenter durchs Leben zu gehen und jene, mit denen er Geschäfte macht, zu hinterfragen.
Das IOC beklagte sich, zu spät über den Termin in Hamburg informiert worden zu sein. Sämtliche Vorwürfe, die mit der Preisverleihung verbunden sind, wurden zurückgewiesen. Das IOC warf dem Netzwerk Recherche sogar vor, schlecht recherchiert zu haben. So hätte eine ganz einfache Recherche genügt, um zu klären, dass Thomas Bach zwischen Beruf und Ehrenämtern stets zu trennen weiß. Auch habe sich der IOC-Präsident Jacques Rogge in der China-Diskussion klar zu Menschenrechten bekannt. Es sei deshalb falsch zu behaupten, dass IOC verbiete Sportlern während der Olympischen Spiele frei ihre Meinung zu sagen.
Dazu noch einmal Thomas Schuler vom Vorstand des Netzwerks:
IOC und Bach stehen hier auch stellvertretend für eine Entwicklung. Wir kommen mit Fragen, die Verantwortlichen antworten uns, aber wir sind auch nicht zufrieden, weil wir das Gefühl haben, wir haben die Wahrheit nicht zu packen gekriegt. Bei Bach ganz konkret ist nicht gelöst, wie er eigentlich damit umgeht, dass er auf der einen Seite Sportfunktionär ist und auf der anderen Seite ist er ein Anwalt, der industrielle Beratung liefert, und er klärt nicht wirklich auf, wie er das zusammen bringt. Er sagt zwar verschiedene Dinge, aber am Ende, so richtig klar ist das nicht.
Als Bundesinnenminister hat sich Otto Schily einst die „verschlossene Auster“ selbst abgeholt und sich mit einer launischen, intelligenten Gegenrede bedankt. Das IOC aber blieb der Preisverleihung in Hamburg fern. Die Replik des IOC wurde deshalb von einem Tagesschau-Sprecher vorgetragen. In aller Sachlichkeit.
- Hier die (gemäß Anschreiben) Gegendarstellung des IOC vom 13. Juni 2008:
Wie würden Sie folgenden Vorgang kommentieren:
Ein Mitglied des IOC erhält eine Benachrichtigung über eine Preisverleihung. Eine Begründung wird nicht übermittelt; allerdings wird ihm großzügig das Recht zur Gegenrede auf eine ihm nicht bekannte Rede eingeräumt.
Auf Nachfrage wird dann mitgeteilt, der Preis sei gar nicht dem IOC-Mitglied persönlich zugedacht, sondern es sollte ihn stellvertretend für dieses entgegenehmen. Gleichzeitig wird die umgehende Übermittlung der Begründung zugesagt.
Dann trifft eine Begründung ein, die in Klammern gesetzte Leerstellen enthält. Es darf sicherlich gefragt worden: Ist das ein transparentes und faires Verfahren?
Etwas mehr Recherche wäre sicherlich der Objektivität der Begründung zuträglich gewesen.
Diese ist teilweise grotesk. Sie ist nicht sehr solide recherchiert, und sie greift auf Ereignisse zurück, die auch für einen solchen Preis eigentlich verjährt sein müssten.
In dem bislang übermittelten Text wird angegeben, das IOC dulde seit vielen Jahren Korruption und Interessenskonflikte bei der Vergabe der Olympischen Spiele. Fakt ist allerdings, dass der offensichtlich gemeinte Korruptionsskandal um die Vergabe der Olympischen Winterspiele 2002 bereits im Jahre 1999 aufgedeckt und vom IOC umfassend aufgeklärt und sanktioniert worden ist. So wurden z.B. Mitglieder ausgeschlossen, die Vergaberegeln reformiert, Besuche von IOC-Mitgliedern in Kandidatenstädten untersagt, ein Ethik-Code verabschiedet und eine unabhängige Ethik-Kommission eingerichtet. Diese unabhängige Ethik-Kommission ist im Übrigen nach den entsprechenden detaillierten Regeln für die Behandlung von potentiellen oder tatsächlichen Interessenskonflikten zuständig. Alle diese Reformen wie die Änderung des Wahlverfahrens für IOC-Mitglieder, die Aufnahme von frei gewählten Vertretern der Athleten, sind wie viele weitere vom jetzigen Präsidenten des IOC, Jacques Rogge, mit seinem jetzigen Vizepräsidenten, Thomas Bach, in enger Abstimmung betrieben worden. Dies gilt auch für die Null-Toleranz-Politik des IOC im Kampf gegen Doping.
Bereits eine einfache Recherche hätte genügt, um festzustellen, dass Thomas Bach zwischen seinem Beruf und seinen Ehrenämtern im Sport einwandfrei trennt. So hat dies auch die unabhängige IOC Ethik-Kommission in einem veröffentlichten Statement mit großer Klarheit festgestellt. Thomas Bach hat in vielen Interviews diese Fragen umfassend und detailliert beantwortet.
Im Hinblick auf die bevorstehenden Olympischen Spiele in Peking hat sich der IOC-Präsident bei einem Besuch in China ebenso deutlich zu den Menschenrechten bekannt, wie er dies in seinen Gesprächen mit der chinesischen Führung immer wieder getan hat. Dazu zählt auch die Meinungsfreiheit. Wenn in diesem Zusammenhang in der Begründung behauptet wird, es sei unklar, ob Athleten in den Olympischen Sportstätten gegenüber Journalisten ihre Meinung sagen dürften, so ist dies falsch.
In den entsprechenden Richtlinien des IOC, in Stellungnahmen des IOC, in Interviews des IOC-Präsidenten und von IOC-Mitgliedern, in Erklärungen der IOC-Athletenkommission, um nur einige öffentlich zugängliche Quellen zu nennen, ist genau dieser Punkt eindeutig geregelt: Ja, jeder Sportler darf sich in Interviews auch in den Olympischen Sportstätten frei äußern. Die Richtlinien des IOC sagen wörtlich: „Die Teilnehmer der Olympischen Spiele werden bei den Olympischen Spielen unter Einhaltung der Olympischen Charta eine Vielzahl an Möglichkeiten haben, ihre Meinung frei zu äußern, beispielsweise durch Interviews in olympischen Presse- und Fernsehzentren oder in Mixed Zones, durch Stellungnahmen sowie Diskussionen mit anderen Athleten, Offiziellen und weiteren Personen – um nur einige Möglichkeiten zu nennen.“
Alle diese Sachverhalte ergeben sich aus öffentlich zugänglichen Quellen. Stattdessen gibt es leider Journalisten, zum Glück nur vereinzelt, die eine selektive Wahrnehmung geradezu pflegen. Einer von diesen meinte einmal: Um sich ein Bild von Thomas Bach zu machen oder Sachverhalte im Zusammenhang mit ihm zu beurteilen, müsse er nicht mit ihm reden. Der Jury steht es durchaus frei, diese Schilderung als Anregung für die Suche nach künftigen Preisträgern zu verstehen.
Es wurde dem IOC mitgeteilt, man müsse sich die „Verschlossene Auster“ durch eine Gegenrede „verdienen“. Deshalb bittet das IOC um Verständnis dafür, dass es diese Stellungnahme nicht als eine solche Gegenrede verstanden wissen will. Das IOC fühlt sich auch weiterhin seiner offenen Informationspolitik verpflichtet.
gez. Internationales Olympisches Komitee
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