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Das Olympische Bildungsmagazin

Eckpunktepapier zur Neustrukturierung des Hochleistungssports und der Spitzensportförderung

Nach knapp zwei Jahren im stillen Kämmerlein legt der sportpolitische Komplex von DOSB und BMI am Mittwoch im Sportausschuss des Bundestages ein Papierchen vor. Natürlich tagt auch der Sportausschuss hinter verschlossenen Türen.

Ich habe gerade eine erste Durchsicht des Eckpunktepapiers auf Spiegel Online veröffentlicht:

Einige Kernpunkte:

  • die Rolle des DOSB, die eigentlich weiter energisch hinterfragt werden müsste, soll in jeder Beziehung aufgewertet werden
  • Olympiastützpunkte werden von 19 auf 13 reduziert
  • derzeit 204 Bundesstützpunkte werden um 20 Prozent reduziert
  • „Potenzialorientiert“ lautet das neue Zauberwort der Sportförderung, dazu wurde ein „Potenzialanalysesystem“ (Potas) entwickelt, ein computerbasiertes Berechnungsmodell, das derzeit Daten aus 20 Bereichen verarbeitet und daraus eine „erfolgsorientierte Bewertung der Zukunftschancen“ in den nächsten zwei Olympiazyklen vornehmen soll
  • zwei neue Kommissionen (Potas-Kommission, Förderkommission) weitgehend unter Kontrolle des DOSB
  • Einteilung von Sportarten (derzeit werden 30 vom Bund gefördert) und Disziplingruppen (103 werden derzeit im Sommersport und 27 im Wintersport gefördert) in drei neue „Cluster“: Disziplinen mit Medaillenaussichten (Exzellenzcluster), Disziplinen mit Potenzial und Bereiche ohne Potenzial – letztere können „grundsätzlich nicht mit einer Spitzensportförderung rechnen“

Die Dokumente zur Diskussion:

Das Schreiben der DOSB-Gottheiten Hörmann und Vesper von gestern an die Spitzenverbände:

So soll die Sportförderung künftig aussehen, die Präsentation für den Sportausschuss:

Das Eckpunktepapier:

… und weil es dem DOSB wichtig ist und es eine offene Debatte vortäuschen soll, eine Liste der mit dem Thema befassten Personen und Gremien:

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Nachtrag, der Text auf SpOn:

Nach knapp zwei Jahren interner Beratungen, weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit, liegt ein Eckpunktepapier für die Reform des olympischen Hochleistungssportsystems vor. Das für die Spitzensportförderung zuständige Bundesinnenministerium (BMI) und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) stellen das Konzept am Mittwoch hinter verschlossenen Türen im Sportausschuss des Bundestages vor. Diese Aufgabe übernimmt sogar Innen- und Sportminister Thomas de Maizière.

Ziel der Neustrukturierung seien „Podiumsplätze bei Olympischen, Paralympischen und Deaflympischen Spielen, Weltmeisterschaften und World Games“. Die dazugehörigen Buzzwörter lauten: „deutlichere Athletenfokussierung, mehr Effizienz durch höhere Konzentration und bessere Steuerung“. Zu den Kernpunkten des neuen Fördersystems zählen …

  • eine Aufwertung der Rolle des DOSB gegenüber den Fachverbänden,
  • die Reduzierung der Olympiastützpunkte (von 19 auf 13),
  • die Reduzierung der Bundesstützpunkte (von 204 auf etwa 160)
  • und die Einrichtung zwei neuer zentraler Gremien, die der nunmehr „potenzialorientierten Fördersystematik“ gerecht werden sollen.

Momentan erhalten 33 Sportverbände Bundesmittel für die Projektförderung. Bezuschusst werden aktuell 103 Disziplingruppen im Sommer- und 27 im Wintersport. Das wird sich ab 2018 deutlich ändern.

Ab Mitte Oktober soll das Konzept mit den Spitzenverbänden, noch einmal im Sportausschuss und auch mit der Sportministerkonferenz der Bundesländer diskutiert werden. Die DOSB-Mitgliederversammlung Anfang Dezember in Magdeburg wird die Pläne absegnen. Erst danach werde ein Finanzkonzept erstellt, 2017 sei ein Übergangsjahr, bis ab 2018 schrittweise alle Maßnahmen umgesetzt werden. Für die Vorbereitung auf die Winterspiele 2018 kommen die Änderungen zu spät.

Trotz gelegentlicher Grabenkämpfe sind entscheidende Einwände der mehr als 60 olympischen und nichtolympischen Fachverbänden kaum zu erwarten. In der Sportförderung ist sich letztlich jeder selbst der nächste, mit Ausnahme des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hängen fast alle am Tropf der Bundes-Sportförderung, die summa summarum mehr als eine Viertelmilliarde Euro jährlich beträgt, inklusive der Kosten für die Sportsoldaten bei Bundeswehr, Zoll und Bundespolizei. Insgesamt, also auch aus den Töpfen von Ländern und Kommunen, wird der Sportbereich in Deutschland mit mehreren Milliarden Euro per anno finanziert, nur ein Teil davon fließt in den Elitebereich.

Über die Frage, welche Olympiastützpunkte und Bundesstützpunkte geschlossen und zusammengeführt werden, wird allerdings lokal bereits debattiert. Hier schon mal ein Beispiel aus Sachsen-Anhalt, aus dem Bereich des einstigen BMI-Sportstaatssekretärs und nunmehrigen MdB  Christoph Bergner (CDU):

„Potenzialorientiert“ lautet das neue Zauberwort der Sportförderung, die sich mehr denn je an den Sportlern orientieren soll. Dazu wurde ein „Potenzialanalysesystem“ (Potas) entwickelt, ein computerbasiertes Berechnungsmodell, das derzeit Daten aus 20 Bereichen verarbeitet und daraus, so heißt es in den Unterlagen von DOSB und BMI, eine „erfolgsorientierte Bewertung der Zukunftschancen“ in den nächsten zwei Olympiazyklen vornehmen soll.

Es müsse „einen messbaren Zusammenhang zwischen Potenzial, Förderung und Erfolg geben“, heißt es in den Unterlagen, die der DOSB am Montag an alle Fachverbände verschickt hat. „Da sich die Kosten im Sport einerseits zunehmend dynamisieren, die staatlichen Fördermittel andererseits begrenzt sind“, sei „Priorisierung unerlässlich“. Die Mittel sollen künftig „auf die perspektivreichsten Athleten und Disziplinen mit einem Erfolgspotenzial vier bis acht Jahre zum Podium zu konzentrieren“. Schon seit einiger Zeit wird weniger rigoros als noch in den 1990er Jahren nach Medaillenausbeute gefördert, sondern werden die Perspektiven von Disziplinen und Sportarten stärker berücksichtigt.

Die sogenannte Potas-Kommission, besetzt etwa mit Vertretern des DOSB, des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (Bisp, Bonn), der Trainerakademie (Köln) und des Instituts für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT, Leipzig) soll künftig aus dem umfangreichen Datenmaterial alle Sportarten und Disziplingruppen in drei Bereiche einteilen, die Cluster genannt werden: Disziplinen mit Medaillenaussichten, Disziplinen mit Potenzial und Bereiche ohne Potenzial. Daran wird sich die finanzielle Förderung bemessen. Dazu heißt es im Eckpunktepapier im Wortlaut:

  1. Exzellenzcluster: Hier werden sich gut aufgestellte Sportarten/Disziplinen mit konkretem Medaillenpotenzial wiederfinden. Sie sollen möglichst optimal, d. h. mit grundsätzlich 100 Prozent des geprüften Bedarfs gefördert werden. Der Mitteleinsatz wird in Individualvereinbarungen konkretisiert und durch jährliches Controlling begleitet.
  2. Potenzialcluster: Hier zugeordnete Disziplinen bewegen sich im Mittelfeld der Bewertungen. Im Rahmen einer Individualvereinbarung wird für sie festgelegt, in welchem Bereich und in welcher Höhe gefördert wird. Es können sowohl Mittel für einzelne Athleten (Individualförderung) und/oder für Nachwuchsmaßnahmen (Aufbauförderung) als auch für Strukturverbesserungen (Strukturförderung) festgelegt werden.
  3. Cluster mit wenig oder keinem Potenzial: Hier zugeordnete Disziplinen können grundsätzlich nicht mit einer Spitzenförderung rechnen. Gegebenenfalls erforderliche Einzelfallbetrachtungen können Ausnahmen begründen.

Die sich der Potas-Auswertung anschließenden Strukturgespräche laufen ebenfalls unter der Oberhoheit des stark in die Kritik geratenen DOSB und sollen besser als bisher individuelle Fördermaßnahmen mit infrastrukturellen Maßnahmen verbinden. Sämtliche Planungen sollen schließlich von einem zweiten neuen Gremium festgelegt und abgesegnet werden: der Förderkommission, in der neben DOSB und BMI gelegentlich Vertreter der Bundesländer und deren Sportministerkonferenz mitdiskutieren dürfen, sofern deren Mitwirkung mit einem finanziellen Beitrag unterlegt ist.

Länder und Kommunen sind derzeit beispielsweise über die Trägervereine und andere Gebilde im Bereich der Olympiastützpunkte (OSP) organisiert. Diese neunzehn Olympiastützpunkte stehen allesamt auf dem Prüfstand. Als quasi beschlossen darf vorerst gelten, dass nur dreizehn dieser Stützpunkte überleben – sechs werden gestrichen oder erhalten eine andere Organisationsstruktur. Für die verbleibenden dreizehn OSP wird weiter nach der passenden Struktur gesucht. Der DOSB favorisiert die Gründung einer „OSP Deutschland gGmbH“ mit dreizehn Tochtergesellschaften. Ob das künftig Holding- oder Filial-Modell heißt, ist relativ unerheblich. Zugleich sollen die aktuell 204 Bundesstützpunkte für den Hochleistungs- und Nachwuchssport um etwa ein Fünftel reduziert werden.

Etliche Vorschläge in den Unterlagen sind nicht neu. Manches erhält nur neue Namen. Statt A- bis D-Kader heißt es beispielsweise künftig: Olympiakader, Perspektivkader, Nachwuchskader und Ergänzungskader. Viele Bereiche werden nur vage behandelt. Dazu zählen die Situation der Trainer, die Nachwuchsförderung und die duale Karriere der Hochleistungssportler. Einige Bemerkungen in den Unterlagen bergen enormes Konfliktpotenzial. So heißt es, die Stellen in den Sportfördergruppen von Bundeswehr und Bundespolizei (zusätzlich gibt es Sportfördergruppen in einigen Bundesländern) seien nicht optimal besetzt. „Zugang und Verbleib“ zu Sportförderstellen solle nur noch für „die perspektivreichsten Sportler“ möglich sein.

Einige klare Aussagen enthalten die Unterlagen allerdings. „Für alle Akteure des Leistungssports in Deutschland ist unabdingbar, dass Spitzenleistungen nur dann anerkannt und gefördert werden können, wenn sie doping- und manipulationsfrei erbracht werden“, heißt es da. „Diese Grundvoraussetzung, keine Leistung um jeden Preis, gilt es jederzeit, von der Nachwuchs- bis zur Spitzenförderung, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln durchzusetzen.“ Ähnliche Postulate gab es auch in der Vergangenheit, nur haben sich Sport und Politik nicht rigoros daran gehalten.

In einem aber ist man sich beim DOSB schon jetzt einig: Bereits 2017 sollen zusätzliche Gelder für eine „Anschubfinanzierung“ aus Steuermitteln bereitgestellt werden.

7 Gedanken zu „Eckpunktepapier zur Neustrukturierung des Hochleistungssports und der Spitzensportförderung“

  1. Pingback: Attributsystem zur Sportförderung: Phantasie und Utopie zentraler Lenkungs- und Machtansprüche • Sport and Politics

  2. Gerichtsverfahren – eine aussortierenswerte, weil verlustträchtige Sportart, sagt jedenfalls das Bundesverwaltungsgericht heute per Pressemitteilung

    „Die Kläger sind Journalisten und begehren die Aufhebung von Kostenentscheidungen für die Gewährung von Informationszugang. Im Zuge von Recherchen über die finanzielle Förderung der deutschen Sportverbände hatten sie bei dem Bundesministerium des Innern Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes beantragt. Das Bundesministerium gab dem Informationsbegehren mit 66 Bescheiden teilweise statt und setzte hierfür Gebühren i.H.v. ca. 12 000 € und Auslagen i.H.v. knapp 2 300 € fest. “

    http://www.bverwg.de/entscheidungen/verwandte_dokumente.php?ecli=201016U7C6.15.0

  3. Pingback: Der DOSB, die “Spitzensportreform” und das Millionen-Weihnachtsgeschenk vom BMI • Sport and Politics

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