BUENOS AIRES. Moin, moin. Willkommen zur 133. IOC-Session. Gerade wurden die Olympischen Orden verliehen, auch an zwei bereits verstorbene IOC-Mitglieder. Da fällt mir nochmal etwas ein.
Well, this is my 29th IOC session live on site (plus 7-10 I covered online from home desks). expect an Olympic Order next year at #30 for promoting the Olympic values #anticorruption #antidoping #transparency #anticrime
What do you think, Thomas? pic.twitter.com/wRQJrRkDSp— Jens Weinreich (@JensWeinreich) October 8, 2018
Anyway. Auf geht’s, zwei Tage lang einige Notizen vom Gipfeltreffen hier (wie von fast allen Vollversammlungen, seit es diesen Blog gibt), während ich weiter am Projekt Magazin bastele. Es wird nicht ganz mies, das ist schon mal klar.
Und wenn ich es recht überschaue, bin ich momentan der einzige deutsche Journalist, der von dieser Session berichtet. Komisch.
9.34 Uhr: Was Bach sehr wichtig ist, behauptet er wieder (und immer wieder und immer wieder) … Südkoreas Präsident Moon habe erneut erklärt, für die Annäherung auf der koreanischen Halbinsel sei die Teilnahme der Nordkoreaner bei den Winterspielen in PyeongChang ein Katalysator gewesen. Diktator Kim habe ihm das ebenfalls erklärt. (Er nennt ihn nichtDer Friedensnobelpreistraum lässt grüßen.
Natürlich ist das zunächst Bachs Hauptthema.
Nun erwähnt er auch die Olympiabewerbung 2032 aus Korea. Und erwähnt, dass es vierzehn Jahre vor diesen Spielen schon einige Interessenten gibt. Vorgestern hatte er von einem Brief aus Indonesien erzählt. Dort hatte das der Präsident vor einigen Wochen gegen Ende der Asienspiele bereits erklärt.
Nun die Athleten und die Athletencharta, gegen deren (vorschnelle Verabschiedung) einige wichtige Athletenvertreter und Kommissionen aufbegehren. Bach geht darauf nicht ein. Er spricht von einem historischen Moment, vom Willen vieler tausend Sportler. Es wird dazu später eine Präsentation geben, da die IOC-Athletenkommission unter Kirstin Coventry voll auf Linie getrimmt ist, wird es kaum abweichende Meinungen geben.
Hier sind die abweichenden Meinungen, aber nicht aus Buenos Aires, nachzulesen auch auf der Webseite der deutschen Athletenkommission:
Letter by World Players Association to the IOC
Sport and Rights Alliance Letter to the IOC
International Athletes Network Letter
Kaffeepäuschen hier. Danach Bestätigung von Dakar/Senegal als Gastgeber der Youth Olympic Games 2022.
10.36 Uhr: Ich habe im Laufe der Jahre schon FIFA-Kongresse mit nur drei deutschen Journalisten erlebt (in der Zeit, bevor die FIFA-Experten wie Pilze aus dem Boden schossen), so manchen IOC-Termin als einer von zwei oder drei deutschen Berichterstattern, aber das hier? Kein Agenturjournalist, kein Vertreter der sogenannten Qualitätsmedien – kein anderer Deutscher ist momentan hier zu sehen und berichtet aktuell von der IOC-Session.
Nachtrag, 14.45 Uhr: Ein WDR-Team dreht im Saal. Das ZDF ist auch noch in der Stadt, wie ich gerade erfahre. Bleibt aber dabei: Ich bin der einzige, der hier von der IOC-Session live berichtet. Schreiberwerk.
Schon komisch.
Kaum erklärbar.
Vielleicht machen es Bachs Leute demnächst wie die Italiener, wo angeblich der NOK-Präsident Giovanni Malago, der hier auch IOC-Präsident wird, einige Reporter eingeflogen hat.
Für mich ist das ein Grund mehr zu sagen, wie sehr es so ein Magazin Sport & Politics mit einer kontinuierlichen Berichterstattung braucht:
https://www.jensweinreich.de/produkt/sap-magazin-jahresabo/
11.21 Uhr: Bachs Heimat- und Stimmenmarkt – Afrika. Jugendspiele 2022.
African solidarity.
Fairplay.
Olympic values and great understand of the Olympic Movement.
All that jazz.
Jetzt gibt es Pierre-de-Coubertin-Trophies für Botswana, Nigeria, Tunesien und Senegal, die sich beworben hatten.
Senegal erhält mit Dakar dann gleich die Jugendspiele.
Senegal. Traditionell ein wichtiges Land für Bach und für den DOSB.
Ob sich Papa Massata Diack, der sich in seiner Heimat vor der französischen Strafjustiz versteckt, über neue Geschäfte freut?
11.29 Uhr: Bachs treuer Diener Uğur Erdener berichtet über die Arbeit seiner YOG-2022-Kommission. Er gehört zu jenen, die von Bach immer wieder mit Aufgaben betraut werden, um die vom Boss erwünschten Ergebnisse zu arrangieren. Schrecklichstes Beispiel bisher: 2016 die Zulassung der riesigen russischen Mannschaft für die Sommerspiele in Rio. Wenige Stunden bevor das IOC dieses Ergebnis bekannt gab, wurde der Türke zum IOC-Vizepräsidenten gemacht.
Wenn ich es richtig verstanden habe, aber ich war gerade etwas abgelenkt, dann versprach er die rechtzeitige Fertigstellung irgendeiner neuen Bahnstrecke und die Bereitstellung von 3.600 Betten bis 2020, einen Etat gibt es auch noch nicht und sei derzeit nicht nötig, sagt Erdener.
LOL.
Das wird lustig.
YOG 2022 in Dakar/Senegal, in der Heimat von Papa Massata und Lamine Diack, Bach-Kernland:
Eine Bahnstrecke und 3.600 Betten u.a. werden rechtzeitig fertig! Einen Etat gibt es noch nicht, ist derzeit auch nicht nötig, sagte Bachs IOC-Getreuer und Vize Uğur Erdener.
LOL pic.twitter.com/D78gDpDbSw— Jens Weinreich (@JensWeinreich) October 8, 2018
Da hatte jemand denselben Gedanken:
Really hoping that after announcing #Senegal as hosts of 2022 #YouthOlympics it will be confirmed that Papa Massata Diack is to be CEO of the Organising Committee…#olympics #athletics #IAAF #corruptioninsport https://t.co/vop69lB7Ow
— Duncan Mackay (@Duncan_ITG) October 8, 2018
12.07 Uhr: Die üblichen Verdächtigen loben die Weisheit und Führungsstärke des Präsidenten Bach, den fantastischen Vortrag von Erdener und die afrikanische Solidarität – u.a. die Skandalnudel Mario Pescante und der in diverse Skandale verstrickte Scheich Ahmad Al-Sabah.
Die unvermeidlichen Sam Ramsamy und Alex Gilady.
Der langjährige NBC-Lobbyist und angebliche Vergewaltiger (er bestreitet es) Gilady liefert ein wenig olympisches Geschichtswissen: Die erste und bisher einzige IOC-Exkositzung in Afrika fand in Senegal statt. In Dakar. 2001.
12.30 Uhr: Das ist die olympische Bewegung. Habe nicht mitgezählt, ausnahmsweise keine Strichliste, aber Bach lässt so ziemlich jedes afrikanisches IOC-Mitglied lobpreisen. Natürlich auch Nawal El Moutawakel, die erste afrikanische Olympiasiegerin, die als Ewig-Councilmitglied der IAAF, als Chefin diverser Kommissionen für 2016 (Evaluierungs- und Koordinierunngskommission) u.a. nie etwas von Korruption mitbekommen hat.
Lydia Nsekera (ehemals FIFA-Exkomitglied und Empfängerin von Handgeld von Mohamed Bin Hammam): Wir Afrikaner sind eine große (olympische) Familie.
Bach nennt die Lobpreisungen „interventions“.
Interessant.
Und im Hintergrund führen seine Getreuen garantiert Strichliste, wie viele Wortmeldungen es insgesamt gibt. Rekorde aller Art sind wichtig.
Kirsty Coventry aus Simbabwe, neue IOC-Athletensprecherin und Mitglied des Exekutivkomitees, seit einigen Wochen Sportministerin ihres Landes.
Abstimmung bzw Bach macht den Vorschlag, per Akklamation zu entscheiden.
Who is in favor of giving the right to Africa, please raise your hand!
No abstentions. No no votes.
I have the great pleasure to say: It’s time for Africa.
Und sie spielen Shakira ein. 2010. You know?
Waka waka.
Prinzessin Anne hält den historischen Moment auch privat fest:
Mittagspause.
14.26 Uhr: Weiter geht es mit den Berichten der Organisationskomitees von PyeongChang 2018, Tokio 2020, Peking 2022, Paris 2024 und der Kommission für Los Angeles 2028.
Besonders aufmerksam werde ich bei Tokio sein. Einer der vielen hochbezahlten IOC-Propagandisten twitterte kürzlich, das TOCOG hätte Dank der genialen #Agenda2020 des genialen UDIOCP Thomas Bach bereits 4,3 Milliarden Dollar eingespart. Das fand ich schon deshalb interessant, weil Tokio, wenn ich recht erinnere bzw oberflächlich gegoogelt habe, beim Olympiasieg vor zwei Jahren mit einem Budget von 4,9 Milliarden warb.
Die übliche olympische Folklore.
Als die Kosten gemäß einer Studie, die die damals neue Gouverneurin in Auftrag gegeben hatte, auf etwa 20 Milliarden gestiegen waren (die genauen Zahlen und Links liefere ich im Magazin Ende der Woche), begann das große Wehklagen.
All that jazz.
Die Agenda 2020 wird es richten.
15.00 Uhr: Da ist die Zahl. 4.300.000.000 US$.
Jetzt sprechen sie also noch von 12,6 Milliarden Gesamtaufwand.
Wobei der FAZ-Korrespondent in Tokio gerade einen Bericht des japanischen Rechnungshofes erwähnt, hier auch in der Japan Times, der die Gesamtkosten auf 22 Milliarden Euro beziffert. Das wären dann nicht 12,6 Milliarden Dollar, wie die Japaner gerade dem IOC und der Öffentlichkeit erzählen, sondern gemäß meines Währungsrechners 25,35 Milliarden – das Doppelte.
In der Japan Times ist von 26,3 Milliarden die Rede.
Total expenditures, including those by the central and local governments, for the 2020 Tokyo Olympic and Paralympic Games could reach ¥3 trillion ($26.3 billion).
Schaun mer mal.
Werde mich erkundigen. Und in der Dezember-Ausgabe von Sport & Politics nach der ANOC-Generalversammlung ohnehin einen großen Report aus Tokio nachlegen, wo ich mich Anfang des Monats schon umgesehen habe.
Q&A
Prinz Albert beginnt. Der Syrer Moudallal fragt nach den 4,3 Milliarden. Er wiederholt die Zahl dreimal und will wissen, ob sich diese Reduzierung negativ auf die Organisation der Spiele auswirke – er sagt das mit einer putzig finsteren Miene.
Myths and reality. Olympic Propaganda? #NoCostsOlympics as IOC Vice President Samaranch just mentioned? @Tokyo2020 talking about an alleged $12.6 billion budget at IOC session. IOC claim $4.3 b costs reduction.
Auditors report claims: $26.3 billion.https://t.co/WCyigdyMN8— Jens Weinreich (@JensWeinreich) October 8, 2018
Nach Paris noch Los Angeles (bzw hier Kommissionschef Patrick Baumann), dann Agenda 2020 oder gleich Feierabend für heute.
Nur noch Prinz Albert mit einem Mini-Bericht, weil er schon abreisen muss.
Feierabend.
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