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Das Olympische Bildungsmagazin

Aufstand im deutschen Sport? Abschied von DOSB-Präsident Alfons Hörmann (CSU)

PyeongChang 2018

Na endlich. Es hat viel zu lange gedauert. Nun handeln offenbar einige Mitarbeiter*innen aus der DOSB-Zentrale in Frankfurt am Main und erklären in einem Offenen Brief, warum der DOSB einen neuen Präsidenten braucht. (Nachrangig: Ich benutze keine Sternchen, im Brief stehen Sternchen.)

Die Absender des Papiers bleiben anonym. Der Inhalt des Schreibens klingt sehr nach DOSB und offenbart Insiderwissen.

Der DOSB behauptet inzwischen, das Schreiben sei von einem „Fake-Mail-Account“ verschickt worden. Was immer man darunter verstehen mag. Diese Mitteilung des DOSB wurde bundesweit zitiert:

„Wir bestätigen den Eingang einer anonymen Mail, die von einem Fake-Mail-Account versandt wurde. Von den im Adressatenkreis angesprochenen Mitgliedern des Präsidiums und des Vorstands haben nur einige dieses anonyme Schreiben erhalten. Wir werden die Hintergründe prüfen.“

Korrekt wäre: gesendet von einem Account eines Anbieters, der sichere und vertrauliche Emails offeriert – es ist logisch, dass derlei Schreiben nicht von offiziellen DOSB-Postfächern verschickt werden. Den Anbieter Mailfence kenne ich nicht aus praktischer Erfahrung, sehe bislang nur, dass Mailfence ziemlich gute Bewertung in Sachen Sicherheit und Privatsphäre bekommt – und genau darauf kommt es in solchen Fällen besonders an.

Zur Debatte um den DOSB und Alfons Hörmann habe ich in den vergangenen Monaten einiges beigetragen – und recherchiert. Wer nachlesen möchte:

Manche Recherchen wurden von Drohungen der von Hörmann/DOSB beauftragten Anwaltskanzlei begleitet. Und siehe, einige Details, etwa der (angebliche) Umgang mit jungen weiblichen Mitarbeitern in der Zentrale, werden in dem Papier thematisiert.

Hier der (anonyme) Offene Brief, der heute Vormittag verschickt wurde:


Warum wir eine/n neue/n Präsident*in brauchen: Offener Brief aus der Mitarbeiterschaft des Deutschen Olympischen Sportbundes

An das Präsidium des DOSB
An den Vorstand des DOSB
in Kopie: an den Betriebsrat des DOSB

Sehr geehrte Mitglieder des DOSB-Präsidiums, sehr geehrte Mitglieder des DOSB-Vorstands,

als Dachverband des deutschen Sports stehen wir für sportliche Höchstleistungen. Noch mehr stehen wir jedoch für Werte. Sport ist mehr als Gewinnen. Und so arbeiten wir Mitarbeiter*innen täglich hart daran, daß wir diesen Wertekompass in Sportdeutschland mit Leben füllen. Allen voran steht dabei: Respekt und Fairplay. Ohne dies geht es im Sport nicht.

Und genau dies, Respekt und Fairplay, vermissen wir jeden Tag in unseren Führungsgremien, vor allem bei unserem Präsidenten Alfons Hörmann. Bei uns Mitarbeiter*innen hat eine schier endlose Reihe von zweifelhaften Verhaltensweisen, geprägt von einem uns gegenüber herablassenden Auftreten, dazu geführt, daß wir unsere Stimme hörbar machen wollen.

In den vergangenen Wochen und Monaten haben sich hierfür mehr als ein Drittel der Mitarbeiter*innen des DOSB zusammengefunden. Dabei haben wir den Kreis bewusst klein gehalten, um erst einmal in Ruhe unsere Erfahrungen teilen zu können. Das Ergebnis dabei war eindeutig: So kann es nicht weitergehen! In den Gesprächen kamen Dutzende Beispiele von Verhaltensweisen zur Sprache, die vor allen Dingen jegliche Form des Respekts und Anstands vermissen lassen, darunter unter anderem die nachfolgenden Begebenheiten:

Als Dachverband des deutschen Sports sind wir insbesondere auch für den Breitensport verantwortlich. Dies ist die Basis. Dies ist Sportdeutschland. In diesem Bereich hat Dr. Karin Fehres seit 2006 hervorragende Arbeit geleistet. Durch ihre nahbare und kompetente Art hat sie sich innerhalb und außerhalb des DOSB viel Anerkennung verdient. Bei den Mitarbeiter*innen ist sie hoch geschätzt. Im vergangenen Jahr wurde Frau Dr. Fehres aus ihrem Amt gedrängt. Und bis heute steht kein/e Nachfolger*in fest. Das eigentlich Skandalöse dabei ist aber: Nach 14 Jahren verlässt Frau Dr. Fehres den Verband. Sie hat ihren Bereich, der das gesamte Breitensportwesen in Deutschland umfasst, ständig weiterentwickelt und sicher durch alle Herausforderungen manövriert hat. Doch wie verabschiedet sich der Präsident öffentlich von ihr? Die entsprechende Pressemitteilung besteht insgesamt aus drei (!) Sätzen. Versehen wird sie mit einem lapidaren Hinweis, man „danke für das langjährige Engagement“ und „wünsche alles Gute“. Ein Satz nach 14 Jahren harter Arbeit. Dies ist nicht unsere Definition von „Wertschätzung“ und „Respekt.“

Noch verstörender für uns Mitarbeiter*innen des DOSB sind jedoch Entwicklungen rund um das engste Mitarbeiter*innen-Umfeld des Präsidenten und der Vorstandsvorsitzenden: Ein herzliches oder nahbares Miteinander ist uns von Herrn Hörmann mit keinem/r Mitarbeiter*in des DOSB bekannt. Notfalls ließe sich hierauf schweren Herzens verzichten. Was jedoch nicht verhandelbar ist: Daß Mitarbeiter*innen, egal wie junior ihre Stellung auch sein mag, mit respekt- und würdevoll behandelt werden. Daß gerade weibliche Mitarbeiterinnen nicht mental und psychisch über die Grenze des Belastbaren gebracht werden. Daß engste Mitarbeiter*innen nicht erst kurz vor Mitternacht unter Tränen das Büro verlassen. Und vor allem: Daß in Richtung der Mitarbeiter*innen des Verbands keine Stifte oder sonstige Gegenstände geworfen werden.

Aufgrund solcher Verhaltensweisen haben Mitarbeiter*innen gekündigt; andere befinden sich in psychotherapeutischer Behandlung. So kann es nicht weitergehen. So darf es nicht weitergehen.

Was uns in Zeiten von Corona am meisten schockiert: Seit März letzten Jahres gibt es klare Regeln innerhalb des DOSB zur Eindämmung des Virus. Seit dem 29.10.2020 gilt unmissverständlich: „Im gesamten Haus des Sports ist ein Mund-Nasen-Schutz zu tragen, […]. Bei Besprechungen ab zwei anwesenden Personen in einem Raum gilt ebenfalls Maskenpflicht.“ Wir Mitarbeiter*innen nehmen diese Aufforderung sehr ernst. Wir versuchen, möglichst viel von zuhause zu arbeiten. Im Büro halten wir uns an die AHA-Regeln. Wir tun dies, weil wir alle wissen, wie gefährlich und potentiell tödlich das Virus sein kann. Wir tun dies, weil wir unserer Verantwortung als Spitzenverband des Sports gerecht werden wollen.

Bedauerlicherweise gibt es jedoch Mitglieder in den DOSB-Führungsgremien, die diese Regeln dauerhaft und konsequent missachten. So ist uns Mitarbeiter*innen kein Meeting im „Haus des Sports“ bekannt, in dem Alfons Hörmann eine Maske getragen hätte. Ganz im Gegenteil: in der Mitarbeiterschaft kursieren etliche Screenshots physischer Zusammenkünfte, die ihn (auch in größerer Runde) ohne Maske zeigen. Deutschlandweit kämpft gerade die Sportbasis nach einem Jahr existenzbedrohender Beschränkungen täglich ums Überleben. Gleichzeitig werden genau diejenigen Regeln, die uns allen den Weg aus der Pandemie ermöglichen sollen, missachtet. Das ist nicht nur uns Mitarbeiter*innen, sondern vor allem der gesamten Sportbasis gegenüber respektlos.

Dies sind nur wenige Beispiele aus einer langen Liste an Verhaltensweisen, welche die unüberbrückbare Distanz zwischen Teilen der DOSB-Entscheidungsgremien und uns Mitarbeiter*innen verdeutlichen. So kann es nicht weitergehen. So darf es nicht weitergehen. Es braucht ein anderes Verständnis von Führung und Kultur im “Haus des Sports”. Denn: Aller Einsatz bringt nichts, solange die wichtigste Grundregel des Sports dauerhaft mit Füßen getreten wird: ein respektvolles Miteinander.

Warum wir diesen Weg der Kommunikation wählen? Weil wir keine andere Möglichkeit sehen! Unter der Führung des derzeitigen Präsidenten hat sich unter den Mitarbeiter*innen eine „Kultur der Angst“ im DOSB etabliert. Abweichende Meinungen werden (bestenfalls) abgebügelt und (schlimmstenfalls) bloßgestellt. Und so haben auch wir Angst. Angst davor, bei der Nennung unserer Namen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen zu müssen, vielleicht sogar unsere Arbeitsstelle zu verlieren.

Tagtäglich arbeiten wir Mitarbeiter*innen hart, um Sportdeutschland nach vorne zu bringen. Wir lieben unsere Tätigkeit und begreifen sie als mehr als eine lästige Pflichterfüllung. Wir brennen für Team Deutschland genauso wie für unsere Breitensportbasis. Selbst in Zeiten von Corona und Kurzarbeit haben wir täglich mehr gegeben als es unser Arbeitsvertrag vorgeschrieben hat. Und dies haben wir gerne getan. Auch respektieren wir den persönlichen Einsatz aller Gremienmitglieder für den Sport. Dieser Einsatz ist jedoch wertlos, solange die wichtigste Grundregel des Sports dauerhaft mit Füßen getreten wird: ein respektvolles Miteinander.

Wir Mitarbeiter*innen haben uns bewusst entschieden, in dieser Thematik außerhalb des Betriebsrats zu kommunizieren. Wir glauben, daß der Betriebsrat hervorragende Arbeit leistet und haben ihn im November über unser Anliegen informiert. Wir glauben jedoch, daß es diesen Weg der Kommunikation bedarf. Schließlich haben wir nie den Eindruck gewinnen können, das Thema „betriebliche Mitbestimmung“ werde verbandsseitig in kritischen Themen allzu ernst genommen.

Wir Mitarbeiter*innen sind überzeugt: Es braucht Veränderung! Vor allem aber braucht es eine neue Kultur innerhalb des DOSB. So kann es nicht weitergehen!

Gez. DOSB-Mitarbeiter*innen


Wird heute als kleines Live-Blog fortgesetzt.

18.01 Uhr: Ich denke schon, dass die sogenannte Ethikkommission des DOSB in der Pflicht steht, der Sache nachzugehen. Im Amtsdeutsch heißt das: Ein Vorverfahren müsste aufgenommen werden.

Aber natürlich weiß ich auch einiges über die Realität von Ethikkommissionen – darf ich an dieser Stelle vielleicht nochmal erwähnen, dass ich 2006 von der lustigen FIFA-Ethikkommission zur persona non grata erklärt wurde und in eben jener Kommission ein gewisser Ethikwächter Mohamed Bin Hammam tätig war, Joseph Blatter den Beschluss seiner Ethikkommission aber in den Papierkorb geschmissen hat, weil er zur WM 2006 nicht zusätzliche blöde Schlagzeilen wollte?

So ist das im Sport und seinen Ethikkommissionen bis auf wenige Ausnahmen bis heute.

Wie dünn der Ethikcode des DOSB ist, skandalös dünne:

DOSB_Ethik_Code

Und hier die Verfahrensordnung der Ethikkommission, ich sehe da wenig Ausflüchte für Thomas de Maizière (CDU), nach dem heutigen anonymen Schreiben keine Vorverfahren gegen Hörmann und möglicherweise andere DOSB-Führungskräfte einzuleiten. Das habe ich gerade im SPIEGEL skizziert („Das große Beben“):

Hörmanns Führungs- und Kommunikationsstil sorgt seit Jahren intern und extern für schwere Verstimmungen. „Aufgrund solcher Verhaltensweisen haben Mitarbeiter*innen gekündigt; andere befinden sich in psychotherapeutischer Behandlung. So kann es nicht weitergehen. So darf es nicht weitergehen“, wird in dem Schreiben behauptet. Zu derlei Kündigungsfällen hatten verschiedene Medien in den vergangenen Monaten recherchiert. Auf eine entsprechende Anfrage des SPIEGEL teilte ein vom DOSB beauftragter Medienanwalt im März mit: „Unsere Mandantschaft erteilt grundsätzlich keine Auskunft zu persönlichen Entscheidungen einzelner Mitarbeiter*innen.“ Außerdem verkündete der Advokat im Auftrag des DOSB-Präsidenten: „Es gibt keinerlei Vorwürfe gegenüber Herrn Hörmann, weshalb die Ethik-Kommission des DOSB sich mit diesen auch nicht befasst hat oder befassen muss.“

Die Lage hat sich nun geändert. Die sogenannte Ethik-Kommission des DOSB wird vom ehemaligen Bundesminister Thomas de Maizière (CDU) geleitet. Der dreiköpfigen Kommission gehöre außerdem die Biathlon-Olympiasiegerin Kati Wilhelm und der Jurist Hansjörg Geiger an. Geiger war zuvor Stasi-Beauftragter des DOSB, in den 1990er Jahren war er Direktor der Gauck-Behörde, danach Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Präsident des Bundesnachrichtendienstes. Nächster Sitzungstermin der Ethik-Kommission ist der 18. Juni. Gemäß Verfahrensordnung müssten das Ethikgremium eigentlich tätig werden und ein Vorverfahren gegen Hörmann und andere DOSB-Führungskräfte einleiten. In der Verfahrensordnung heißt es unter anderem: „Erlangt die Ethik-Kommission von dem Verdacht eines Verstoßes Kenntnis, hat sie zu ihrer Entscheidung darüber, ob sie das Hauptverfahren einleitet, den Sachverhalt objektiv zu erforschen.“ Der Schutz „der Hinweisgeber*in, des möglichen Opfers und des/der Betroffenen“ sei „durch geeignete Maßnahmen“ sicherzustellen.

VerfO_der_EK_beschlossen_am_21.10.19

Zur Ethik-Kommission, den unzureichend-verschwommenen Ethik-Regularien und der Frage eines zwingenden Vorverfahrens bitte diesem Thread folgen:

21.31 Uhr:

„Den Forderungen immanent sind teils erschreckende Vorwürfe. Wie viele sind es? Gegen wen richten sie sich? Auf entsprechende inhaltliche Fragen geht der DOSB bislang nicht ein. Dass die Führungsetage maßgeblich für das Binnenklima Verantwortung trägt, gilt beim DOSB wie beim Deutschen Fußball-Bund und in jedem anderen Sportverband. Auch beim DOSB gab es personelle Abgänge in jüngerer Zeit. Die Frage, ob das Schreiben die Begründung liefert, bleibt offen.“

„Bei manchen Formulierungen fühlt man sich erinnert an die letzte Wiederwahl Hörmanns im Dezember 2018: Damals war überraschend ein Gegenkandidat angetreten, der deutsche Triathlon-Präsident Martin Engelhardt. „Ich bin mit der Führungsperson unzufrieden, wie viele andere auch, die sich nicht trauen, es öffentlich zu machen“, hatte Engelhardt damals gesagt, er erhielt 61 der 444 Stimmen. Und auch in den vergangenen Monaten hatten sich immer wieder Differenzen aufgetan.“

Auch das: „Erste Rücktrittsforderung an DOSB-Präsident Hörmann“ auf sportschau.de. Stefan Klett, Präsident des Landessportbundes NRW, wird so zitiert:

„Herr Hörmann sollte umgehend zurücktreten und den Weg für eine Neuwahl frei machen. Der gemeinnützige deutsche Sport braucht Vertrauen, Transparenz und Menschlichkeit in der Pandemiezeit und einen Präsidenten, der seinen Mitgliedsorganisationen und der Basis aktiv zuhört, statt sie zu ignorieren.“

In diesem Sinne: Bis demnächst in diesem Theater. Ich denke, dass es am Freitag parallel zur eigentlichen Arbeit vielleicht ein weiteres kleines Live-Blog gibt. Nach dem DFB implodiert also auch der DOSB. Herrje, was ein Karma in der Otto-Fleck-Schneise.

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6 Gedanken zu „Aufstand im deutschen Sport? Abschied von DOSB-Präsident Alfons Hörmann (CSU)“

  1. Spätestens nach einer Stunde sollten sich die ersten Prätorianer aber mal zur Erfüllung des branchentypischen Verteidigungsauftrages blicken lassen…

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