VANCOUVER. Soll heute Abend (Ortszeit) tatsächlich gefeiert werden? Wie soll man mit dem Tod des 21 Jahre alten georgischen Rodlers Nodar Kumaritaschwili umgehen, der heute in Whistler aus der Bahn geschleudert wurde und mit Kopf und Oberkörper gegen Stahlträger prallte.
In knapp drei Stunden beginnt im Hallenstadion die Eröffnungszeremonie der Olympischen Winterspiele. Doch Olympia trauert seit einigen Stunden.
Joint statement from IOC, VANOC and FIL
VANCOUVER, Feb. 12 /CNW/ – It is with great regret that we confirm the death of the Georgian luge athlete, Nodar Kumaritashvili, during the final training session at the Whistler Sliding Centre, this morning.
Mr Kumaritashvili died after crashing on the last corner of the course during training. Doctors were unable to revive the athlete, who died in hospital.
„Our first thoughts are with the family, friends and colleagues of the athlete. The whole Olympic Family is struck by this tragedy, which clearly casts a shadow over these Games“, said the President of the International Olympic Committee (IOC), Jacques Rogge.
„We are deeply struck by this tragedy and join the IOC in extending our condolences to the family, friends and teammates of this athlete, who came to Vancouver to follow his Olympic dream“, said John Furlong, the CEO of VANOC, the Games Organising Committee.
For the International Luge Federation, President Josef Fendt said: „This is a terrible accident. This is the gravest thing that can happen in sport, and our thoughts and those of the ‚luge family‘, are naturally with those touched by this event.“
An investigation is underway into the circumstances of the accident. Training was suspended and technical officials are now trying to establish the causes.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Nie zuvor in der olympischen Geschichte hat ein IOC-Präsident an einem Eröffnungstag sagen müssen:
„This is a very said day for the olympic movement. I have no words to say what I feel.“
Über die Gefahren auf der Bahn in Whistler wird seit Jahren debattiert. Doch es geht immer weiter. Das Wunder besteht eigentlich darin, dass es nicht schon vorher etwas passierte. In Whistler, wo Felix Loch mit 153,98 km/h den Geschwindigkeitsrekord hält, oder anderswo. Die Bahn in Whistler war für maximal 137 km/h zugelassen. Bundestrainer Norbert Loch hat schon vor einiger Zeit nach einem Sturz seines Sohnes Felix protestiert.
Die Bahn in Whistler (Quelle: IOC, VANOC)
16.16 Uhr: Sportminister Nikolos Rurua sagt, Georgien nimmt an den Spielen teil und auch an der Eröffnungsfeier, wo man heute Trauerflor trägt. Man habe schließlich auch 2008 in Peking teilgenommen, trotz der russischen Invasion damals. Kumaritaschwili habe genügend Erfahrungen für diese Bahn gehabt. Spekulationen, die das Gegenteil besagen, seien unfair und führten in die falsche Richtung. Schließlich sei schon vor dem Unfall der Sicherheitsaspekt diskutiert worden. Das müsse nun gründlich aufgearbeitet werden, so lange sollte in Whistler nicht gefahren werden.
16.55 Uhr: Ich höre, es soll WLAN und LAN im Stadion geben. Also mache ich mich doch noch flink auf den Weg. Mal sehen, ob sich rechtzeitig ankomme.
Nachtrag, eine Pressemitteilung von 18.57 Uhr:
WHISTLER, Feb 12 – The Vancouver Organizing Committee for the Olympic Games has confirmed that investigations are underway into the cause of death of Nodar KUMARITASHVILI (GEO) who crashed during the final Men’s Singles Official Training session at The Whistler Sliding Centre.
The investigation into KUMARITASHVILI’s death is being led by the Coroners Service of British Columbia and the Royal Canadian Mounted Police.
The Coroners Service of British Columbia is responsible for the investigation of all unnatural, sudden and unexpected, unexplained or unattended deaths. No other details are available at this time.
An investigation is also underway by the Federation International de Luge (FIL).
VANOC and the International Olympic Committee will have another update on Saturday, February 13 at 11:00 at the Main Media Centre in Vancouver when the IOC and VANOC begin their regularly scheduled daily briefings.
Ich hoffe, dass man Gelegenheit findet, die Feier der Situation anzupassen und dem Sportler zu gedenken.
Und hoffentlich verkneift man sich Plattitüden im Sinne von „Games must go on“.
Wir wissen alle, dass die Spiele nicht abgesagt werden. Auch die Eröffnungsfeier wird nicht abgesagt werden. Dazu waren die organisatorischen Vorbereitungen zu umfangreich. Und die TV-Stationen wollen die Bilder der Veranstaltung.
Das freudige, ausgelassene Feiern wird jedoch ausfallen.
Die ARD in Person berichtet (0.58h), dass die georgische Mannschaft weiter teilnehmen wird.
Daran zweifle ich nicht. Sitze gerade in einer Pressekonferenz bzw. wird gleich der georgische Sportminister Nikolos Rurua erwartet.
Bahn ist gesperrt wegen staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen.
Nadvornik ARD, live direkt vor dem Vorplatz der Bobbahn: evtl. am Samstag „ein Trainingslauf“, falls Bahn frei gegeben wird. Siegloch ZDF, live aus vancouver: möglich wären verbesserte Sicherheitsvorkehrungen oder auch Anlaufverkürzung (z.B. Frauenstart, mb), um Geschwindigkeit zu reduzieren. Klar, beide Journalisten sehr betroffen.
Aufnahmen vom Unfall wurden sowohl in zdf-heute als auch in ard-tagesschau bis kurz vor dem Aufprall gezeigt, keine Zeitlupe.
die ard hat — zu meiner überraschung — zumindest einmal auch bis zum ende draufgehalten. jedenfalls als ich hingeguckt habe. hmmm… wollte gerade schreiben, dass später dann auch nur noch die entscheidend verkürzte variante gebracht wurde, aber jetzt eben lief doch wieder die ungeschnittene variante. naja. muss vielleicht nicht sein. finde ich.
Bei ard „olympia live“ um 1.23h wurde dagegen der Unfall komplett gezeigt. Das finde ich nicht vertretbar.
Thomas Bach, live im studio von ard um 1.26h, spricht von „bereits 5.000 durchgeführten Fahrten“ auf dieser bahn…jetzt „ermittlungsergebnisse abwarten“ um zu sehen, „wie zu reagieren ist“. IOC werde bei der eröffnungsfeier „angemessen reagieren“, es sei „bewegendes Zeichen, dass georgische Mannschaft an Feier teilnehmen wird“.
„Jetzt lassen Sie mich doch erstmal ausreden und angemessen reagieren“ – da war das UDIOCM bei kritischen Nachfragen dann doch etwas angefressen…
Aber wenn selbst Georgien an der Eröffnungsfeier teilnimmt, „ein besseres Zeichen kann man nicht bekommen, die Spiele stattfinden zu lassen.“ Na dann, immer weiter so.
Bach hat mal wieder rumlaviert, während der Reporter (?) ihn auch schon mal unterbrochen hat. Mehr als Platitüden kamen dabei nicht raus. Ich vermute, man wird halt verkürzt starten und das Eis defensiver machen, das geht ja wohl.
Das Sportler-Profil unter
http://www.fil-luge.org/filext/athlet/erfolge_en.asp?p_id=100851
ist leider nicht sehr ergiebig, um sich einen kleinen Einblick über das Leistungsvermögen des jungen Burschen zu verschaffen, um dem, u.a. von Bach anklingen gelassenen, Argument des „mangelnden Könnens“ erhellen zu lassen.
ich fand diese Plattitüden auch unerträglich.
Anderes Thema: Jochen Behle hat sich im Interview mit Waldi sehr empört über die Dopingreportage von Hajo Seppelt. Lohnt, sich das mal anzuschauen.
Die Bahn sei in der Konstruktion (also in Deutschland / Leipzig) „falsch berechnet“ worden, sagt Thomas Schwab, der Generalsekretär des deutschen Verbandes.
Schlimmer kann gar nicht demonstriert werden, dass es zuerst ums vermarktbare Spektakel geht und dann um Athleten.
Fehler bei der Konstruktion passieren, es sind nunmal nur Menschen. Aber dass die Bahn viel zu schnell ist, war bekannt (wie jw hier dokumentiert hat). Dass dem tote Sportler aber im Nachhinein noch nachgetreten wird, à la „Fahrfehler, selber schuld“, das ist einfach unwürdig. Da kommt mir echt die Gülle hoch, und im Anschluss dazu muss man eine blödelnde Katharina Witt auf Speed in der ARD ertragen, unwürdig².
Man darf an dieser Stelle mal erwähnen, woher dieser ganze leistungsmäßige Bob- und Schlittensport kommt: Von völlig durchgeknallten (vor allem Berliner) Motorsportlern, denen zwischen den Kriegen jedes Wertempfinden für das eigene Leben abhanden gekommen ist, und die wenig dabei enpfanden, auf Rodelbahnen, die jeden Fehler mit einem Grußwort des nächsten Baumstamms quitierten, die Grenzen von Lauf zu Lauf weiter auszureizen.
Wer dazu näheres erfahren möchte, könnte sich bspw. mit einem beliebigen älteren Mitbüger Oberhofs unterhalten.
Macht den Scheiss keinen Stück besser, und den jungen Mann schon gar nicht wieder lebendig. Relativiert natürlich auch sicher kein eventuelles Verschulden der Konstrukteure einer Bahn, die aus meiner Laienperspektive in keinem noch so schlecht gefahrenen Fall an einem Pfeiler enden dürfte.
Aber erklärt vielleicht die spezifisch bigotte Reaktion der Verantwortlichen.
Schaut man sich mal dieses Bild an (an der Stelle danke an Stern.de, für die geschmackvolle Bildstrecke mit blutverschmiertem Gesicht…), wird einem das auch bewusst. Eine ca. 50 cm hohe Bande, daneben gleich die Pfeiler? Das sieht eher nach Monza in den 60er Jahren aus.
@ flo: Eine typische Antwort des UDIOCM. Uncool, wenn man das in diesem Zusammenhang so sagen darf. letztlich zeigt er in diesen Situationen, die ich dutzende Male erlebt habe, immer ein wenig Nerven.
@ Stefan: Eine typische Antwort des Jochen Behle. Nicht uncool, sondern ekelhaft.
@ Sternburg: imho hast Du als Fachmann die entscheidende Aussage getroffen:
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Auf jeden Fall wird die Bahn wieder eröffnet. Anscheinend gibt es auf you tube ein Video. Wird von den offiziellen kritisiert. Die Bahn ist von nationalen Verbänden moniert worden. Aber die Spezialisten vom IOC haben die Bedenken weggewischt. Wen wundert’s
http://www.vancouversun.com/news/Vancouver+2010+luge+track+reopen+with+raised+wall/2558702/story.html
@ Marco: Ich habe online Videos gesehen. Doch ich möchte die nicht verlinken. Ich hätte auch keine Fotos veröffentlicht, selbst wenn ich die Rechte daran hätte.
Und, ja, sie fahren wieder. Dazu blogge ich gleich noch ein Stückchen. Sitze in der Bar meines Hotels, habe unterwegs die Email des OK gelesen. Erst der Mojito, dann die Moral.
Auch so. Noch zu den Trägern. Unverständlich, daß die (a: nicht verkleidet sind bzw. ein Auffangnetz nicht gespannt,(b:daß der Sicherheitsabstand zwischen Träger und Bahn so gering ist.
Ansonsten schließe ich mich Sternburg an.
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es ist sehr tragisch, dass ein sportler ums leben gekommen ist.
daraus sollten die richtigen schlüsse gezogen werden. es geht nicht darum, die bahn langsamer zu machen, sondern sicherer. auch im automobilsport, bei der formel 1 fand dieses umdenken statt.
die kinetische energie muss hier beachtet werden. das wurde leider vergessen.
so wie ich das hier sehe, wären einige konstruktionsverbesserungen möglich. ein sturzraum ist vorhanden. stangen gehören nicht in den sturzraum. diese könnten mit einfachsten mitteln abgedeckt werden, zum beispiel durch anschrauben von schalungsbrettern. das sollte soweit und so hoch geschehen, dass niemand und nichts darüberfliegen kann. im kanal selber ist die verletzungsgefahr sehr viel geringer.
so wäre die gefahr sehr eingeschränkt.
ernesto
Was für mich bei all dem das Befremdlichste ist: Wie auch immer jemand eine solche Strecke hinunter fährt – am Bauch liegend, rückwärts, stehend, im Wok, mit Fahrfehler oder ohne oder sonstwie – darf ihm ein solcher Unfall nicht passieren.
Und dass nach einer Kurve, die mit 140 km/h durchfahren wird, sich lediglich eine 50cm hohe Mauer findet und direkt dahinter Stahl-Träger, fällt wohl jedem Laien auf. Das sieht mir nach haarsträubender Betriebsblindheit von Funktionären aus.
Das ist für mich einfach nur fahrlässig und zu ahnden.
G.
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