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Das Olympische Bildungsmagazin

Südafrika, Tag 20: Slowakische Bravehearts sagen „Arrivederci Italia!“

ELLIS PARK. Aloha, Grüße aus der Irrenanstalt! Das Stadium Media Centre im Ellis Park habe ich schon mal beschrieben, das ist jenes, in dem nicht nur Vuvuzelas tröten, sondern schon Stunden vor dem Spiel eine Million-Watt-Anlagen die Erde in bedrohliche Schwingungen versetzen. Da helfen auch keine gelben Ohrstöpsel. Hatte ganz vergessen, dass ich für Italien vs Slowakei ein Ticket beantragt und bekommen habe. Bin nun aber rechtzeitig hier. Eine Zeitungsauswertung, mehrfach versprochen, wird es wohl auch heute nicht geben. Dafür später eine hübsche Geschichte und zuvor einige launische Bemerkungen zu den Italienern, wenn ich einen Platz mit Schreibpult bekommen haben sollte.

Das Problem ist: Der Lärm verunmöglicht jedweden Denkprozess. Das wird also wieder ein sauguter, ausgewogener, wohl überlegter und fein ziselierter Beitrag. Aber einige Stunden länger in der Wohnung zu bleiben und in Ruhe zu arbeiten, geht auch nicht. Weil: Dann braucht Mann etliche Stunden, um sich dem Stadion zu nähern, und läuft Gefahr, die Deadline zu verpassen (90 Minuten vor dem Spiel werden die Tickets an diejenigen auf der Warteliste vergeben, und alle, die es verpasst haben, werden mit einer Gelben Karte bestraft).

16.03 Uhr: Block U46, Row K, Seat 17. Und was soll ich sagen? Es ist warm. So 10 Grad + oder ein bisschen mehr. Kollege Z zieht gerade mit ansprechender Geste seinen Wintermantel aus. Warm genug ist’s, dass die TV-Kameras spärlich bekleidete Italienerinnen einfangen können. Ich sag doch immer: It is all about TV. So ein Mega-Event ist fürs Fernsehen kreiert.

Im Übrigen, Verzeihung, würde ich die Italiener heute gern weinen sehen. Da wäre es doch ganz hübsch, würde Hamsik, der eben den gesamten italienischen Strafraum zum Herumtollen genießen durfte, wenigstens den Ball treffen. Egal wie, Hauptsache rein.

16.24 Uhr: Meine Herren. Wunderbar. Sehr schön. Robert Vittek trifft für die Slowaken. Einsnull. Italien draußen. Aber wir wissen: Sie sind Überlebenskünstler.

17.16 Uhr: Und wieder relativiert sich ein bescheidener Auftritt der Deutschen – wenn Mann diese Italiener sieht. Sie sind zu schlecht, als dass ich Schadenfreude empfinden könnte.

17.18 Uhr: Das wird daheim vor dem Fernseher sicher längst jedem klar sein, weil Bela Rethy & Co es vorgerechnet haben. Ich aber, der sich bis eben wieder mit einer Korruptionsgeschichte geplagt hat (ich sage nur: ISL), habe mir eben gerade den Stand erarbeitet. Ein Tor für Italien – und sie wären, sollte es bei Paraguay vs Neuseeland so bleiben, mit drei Unentschieden eine Runde weiter. Sie würden das Kunststück von 1982 wiederholen. Unglaublich. Aber noch nicht wahr.

Jetzt mal ernsthaft: Jeder andere Ausgang als dreimal-unentschieden-eine-runde-weiter-und-dann-weltmeister-wie-1982 wäre doch ein Wunder – oder?

17.32 Uhr: Nee. Diesmal nicht. Die Slowaken spielen das runter, obwohl sie auch völlig fertig sind. Wovon?

Jedenfalls, wieder Vittek. Er macht das Zweinull gegen eine Abwehr, die weder den Namen „italienische Abwehr“ noch „Abwehr“ verdient. Sagen wir also: gegen Schlafende.

Dafür haut Simone Pepe gerade einen Slowaken dermaßen um, dass es nach bisherigen WM-Schiedsrichter-Regelauslegungen – die ja laut FIFA dermaßen einheitlich sind -, eigentlich für sechs Platzverweise gereicht haben müsste. Es gab aber nur: Geld Gelb.

17.40 Uhr: Schöne Kombination, Einszwei durch Di Natale. Und eine rotwürdige Schauspielereinlage von Quagliarella – oder habe ich die Namen verwechselt. Wegen derartiger Peinlichkeiten kann man sie verachten.

Fürchte dennoch, die Slowaken haben es mit dem lässigen Spiel etwas übertrieben, sie haben sogar versucht, die Italiener, immer noch Weltmeister, lächerlich zu machen. Das geht selten gut.

Und siehe, ich freue mich, Schadenfreude: Herrn Quagliarella wird ein Tor aberkannt. Sauberes Abseits.

17.47 Uhr: Bin begeistert! Mein WM-Highlight dieses Dreieins von Kamil Kopunek. Das verrückteste Spiel bisher bei dieser WM. Fühle mich doch noch sehr gut unterhalten. Endlich mal WM-Atmosphäre, wie Mann es sich wünscht.

17.50 Uhr: Und nun macht dieser komische Quagliarella noch ein hübsches, schnippliges Tor. Aber zu spät.

Die erfahrenen Football-Writer neben mir rätseln.

Kollege Z:

Die schlechteste italienische Mannschaft seit Menschengedenken.

Kollege B:

Das schlechteste Team seit dem dritten Punischen Krieg.

Ja was denn nun?

Lippi sieht aus, als ob er jetzt schon weint. Jetzt rächen sich gefühlte 360 Jahre italienische Zeitschinderei.

17.54 Uhr: Aus! Aus! Aus! Das Spiel ist aus!

Arrivederci Italia!

18.00 Uhr: Endlich mal eine WM-Geschichte, sagte ich das schon?

Kein schönes Foto, scheißegal, Respekt, meine Bravehearts:

Bravehearts! Slowakei vs Italien 3:2

28 Gedanken zu „Südafrika, Tag 20: Slowakische Bravehearts sagen „Arrivederci Italia!““

  1. Nette Auflagen. Vor allem die gelbe Karte ist hübsch. Was passiert bei der zweiten? Gibts auch glatt Rot? Werden die Karten auch nach dem Viertelfinale gelöscht?
    Und wie schafft man es, bei alldem nicht entweder verrückt zu werden oder permanent gefrustet zu sein?
    (Übrigens: Herzlichen Dank und großes Lob für die wie immer immens bereichernde Berichterstattung!)

  2. Eine Frage an den Hausherrn: kannst du schon grob schätzen, wieviel dich der ganze WM-Trip kosten wird? Mal so aus Interesse.

  3. Heute ist in der Cape Times ein Artikel über die mögliche Bewerbung Kapstadts für die Olympischen Spiele 2020. Durban hat wohl auch Interesse. Was sagt der Hausherr dazu, ist das vorstellbar/realistisch? Macht Südafrika gerade Punkte? Hätte Südafrika sportpolitisch eine Chance gegen die Scheichs, Oligarchen und Chaebol-Chefs? Ist das auch in Funktionärskreisen vor Ort ein Thema? Würde Sepp Blatter eine Kandidatur Südafrikas unterstützen? Der darf ja mit abstimmen, wenn er denn 2011 wiedergewählt wird. Fragen über Fragen.

  4. Kapstadt hat sich schon mal beworben, ich meine, es war für 2004. Das Thema wird immer wieder gern aufgegriffen. Kapstadt, möchte ich sagen, ist etwas zu klein dafür, aber sie haben Mega-Suburbs und Platz im Hinterland. Ist jetzt ein Mode-Thema, muss ich mich auch mal dransetzen. Rogge sieht mit seinem IOC halt ziemlich blöd aus gegen Sepp. Habe mehrfach drauf hingewiesen: Das IOC hätte längst handeln und die Spiele nach Afrika bringen können.

    @ indykiste: Frag mal gua. Der wird jetzt gleich wieder plärren!

  5. Kann hier gerade nicht auf irgendwelche komischen Provokationen des Hausherren eingehen. Mahut-Isner (aktuell 65:66) läuft wieder.

  6. jaja, der hausherr in stänkerlaune

    @spiel
    den schiri scheinen die italiener jedenfalls (doch) nicht gekauft zu haben — sonst hätte er den ball gerade eben wohl drin gesehen ;-)

  7. jetzt muss schon ein wunder geschehen

    orakelt onkel réthy gerade… :)

    … und italien ist noch mehr letzter

    (beim blick auf die tabelle)

  8. Da haben die Spieler aber Glück gehabt. Italiens Nummer #9 und der slowakische Keeper hätte auch auch Rot sehen können.

  9. aber wer sagt, dass es kein wunder mehr gibt? jetzt brennt aber die hütte…

    und mucha hat noch glück, dass er gelb sieht… da er kein spanier ist, wäre er mit einem verweis auf einen reflex jedenfalls kaum weggekommen…

  10. Netzer imMittagsmagazin gibt seinen Abschied.

    Interviewer: „Sie werden nach der WM als Moderator bei der ARD ausscheiden, werden sie Wehmut verspüren?“
    Netzer: „[…] aber ich habe es geliebt. Es war eine wundervolle Zeit …-pause-… außer dass der Delling dabei war.“

    Interviewer überreicht Netzer eine Afrikanische Holzfigur: „Es würde als Dank eine Figur nach ihrem Abbild erschaffen.“
    Netzer: -betrachtet einen Moment die Figur- „Das ist der Delling!“

    Zurück zum Thema: Hoffentlich schafft es Italien nicht!

  11. Schön auch die Zeitlupe, in der man von den Lippen eines slowakischen Glatzkopfs ein „Fuck you“ ablesen konnte, das dieser seinem italienischen Gegenspieler in das Gesicht schrie…

  12. Kann es sein, das die 2. Halbzeit des Spiels die bisher spannendsten 45 Minuten der WM waren? Gefiel mir sehr gut. Es hatte alles. Feuer, Spannung, super Tore und ganz viel Emotionen. Der Kommentator hier im chinesischen TV ist jedenfalls im Dreieck gesprungen ;) Ergebnis ist natürlich auch Klasse :)

    Ich liebe übrigens die Superzeitlupen von den verzweifelten Gesichtern. Viel schöner als die Jubelszenen ;)

  13. Wenn man sich den Kader der Italiener anschaut, wird schnell klar, dass mit diesem Vintage-Wadenbeißer-Spielermaterial – Pirlo mal ausgenommen – nur Otto Rehhaccelli etwas erreichen hätte können.

  14. Also das ist ja unendlich traurig!

    Die beliebten, spielfreudigen, offensiven Italiener scheiden in der Vorrunde aus, obwohl sie die ersten 2 Spiele unentschieden gespielt haben! Da sind doch sicher wieder die Schiedsrichter schuld – dem Torwart nicht rot gegeben, ein Tor nicht anerkannt, nur wg. etwas Abseitissimo… – oh Drama, oh Trübsal! ;)

    3 Gegentore – das zeigt ganz klar: die Mannschaft war viel zu offensiv aufgestellt. Hinten muß die 0 stehen!

  15. Bei mir in Venlo sind nach den Spielen die Kinder wieder auf dem neben unserem Garten liegendem Spielplatz aufgetaucht – Hier Wird “ Kaiser scoort “ gespielt ! Japans Held hat auch nach dem abgang nach Russland viele Freunde hier in Holland….
    wie sieht’s aus, Herr Weinreich – wie ist die japanische /hollaendische journaille aufgestellt ? Schon kontakt aufgenommen ?
    In der hoffnung das die beginnende erkaeltung die Wodka behandlung nicht ueberlebt hat : groeten uit nederland !
    prost !

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